GP2-Pilot beim Force-India-Kooperationspartner Hilmer Motorsport, erster bestätigter Formel-E-Fahrer bei Abt Sportsline - beim deutschen Nachwuchsrennfahrer Daniel Abt waren die letzten Wochen mehr als turbulent. Im Interview mit SPOX spricht der GP3-Vizemeister von 2011 über seine Formel-1-Pläne, die komplett verkorkste Vorsaison, Partys mit den F1-Piloten und erklärt, warum er Sebastian Vettels Frust versteht.
SPOX: Daniel Abt, Sie starten in der höchsten Formel-1-Nachwuchsserie GP2 im Jahr 2014 für Hilmer Motorsport. Das Team aus dem bayerischen Niederwinkling ist seit kurzem quasi das Juniorteam von Force India. Wie gut sind die Beziehungen schon?
Daniel Abt: Bisher hatte ich leider noch keinen Kontakt zu den Formel-1-Jungs. Die Kooperation läuft nicht direkt mit mir, sondern über das Team. Hilmer Motorsport ist schon länger Zulieferer, dadurch kam das zustande. Ich glaube aber, das wird sich entwickeln. Wenn ich 2014 gute Ergebnisse liefere, werde ich sicher öfter im Formel-1-Fahrerlager sitzen und die Leute treffen. Die Kooperation hilft, das ist klar.
SPOX: Ihr neues Team hat in seiner Premierensaison bereits am dritten Wochenende einen Sieg gefeiert. Sie fuhren dagegen hinterher und wurden letztlich 22. der Gesamtwertung. Wie haben Sie das Jahr 2013 erlebt?
Abt: Ich bin keiner, der sich Dinge schön redet oder Illusionen macht. Das war das schlechteste Jahr in meiner gesamten Formel-Karriere. Ich war fernab von dem, was ich mir selbst vorgestellt habe. Natürlich habe ich sehr oft an mir gezweifelt - vor allem, weil es nicht besser wurde. Ich habe versucht, mich abzulenken, aber das funktionierte auch nicht. Ich habe offen gesagt: "Wenn es an mir liegt und ich nicht besser bin, dann bin ich nicht im richtigen Beruf. Das kann nicht mein Anspruch sein."
SPOX: Wo lagen die Probleme genau?
Abt: Es gab viele Gründe. Man hat immer noch ein Auto, das funktionieren muss. Und das war bei mir nicht der Fall. Das Einzige, was sich in der Serie geändert hatte, waren die Pirelli-Reifen. Mein ART-Team hat sich sehr, sehr schwer getan, sie zu verstehen. Dazu kam ein leistungsschwacher Motor. Das hat mich wirklich viele Nerven gekostet.
SPOX: Wann genau hat sich Ihre Laune gebessert?
Abt: Der Test mit Hilmer Motorsport war wichtig. Das war auf Anhieb deutlich besser als alles, was ich in der ganzen Saison davor abgeliefert habe. Ich bin ins Auto gestiegen und war von der ersten Runde an konkurrenzfähig. Das hat meinen Winter gerettet. Ich habe es 2012 mit dem Vizetitel in der GP3 geschafft, nach einem schlechten Jahr in der Formel-3-Euroserie wieder aus einem Tief herauszukommen. Ich habe gezeigt, dass ich Auto fahren kann. Es muss unser Anspruch sein, dass wir ganz vorne mitfahren. Es wirkt natürlich sehr weit weg, wenn man vom 22. Platz kommt und sagt, dass man Rennen gewinnen will. Ich bin aber überzeugt, dass unser Paket stimmt.
SPOX: Bekommen Sie als Nachwuchsfahrer denn Unterstützung von den Formel-1-Piloten? Tipps, Lob, Anregungen, was Sie besser machen können?
Abt: Da gibt es nur Gespräche, wenn man sich persönlich kennt. Die Fahrerlager der verschiedenen Serien sind ein wenig abgeschottet. Man spürt aber, dass man da ist. Die Leute passen auf und schauen sich einen an. Ich habe ab und zu auch schon Feedback von Teamchefs bekommen - vor allem von den deutschsprachigen. Aber die Piloten sind zu sehr auf ihren eigenen Kram fokussiert.
SPOX: Also gibt es gar keine Berührungspunkte?
Abt: Doch, doch. Die Jahresabschlussfeiern sind immer ziemlich lustig, weil sich alle ein bisschen gehen lassen. In meinem GP3-Jahr war unser letztes Rennen in Monza. Da waren noch einige Formel-1-Fahrer unterwegs. Das ist lustig zu sehen, dass die auch da ordentlich Gas geben können.
SPOX: Wer hat denn am meisten gefeiert?
Abt:(lacht) Ich glaube, dass kommt nicht so gut bei denen an, wenn ich jetzt Namen nenne.
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SPOX: Ihr Weg in die Formel 1 scheint vorbestimmt. 2012 sind Sie für Lotus in der GP3 gestartet, jetzt wechseln Sie zum Force-India-Kooperationspartner. Wie sicher sind Sie, dass es letztlich mit dem Sprung in die Königsklasse klappt?
Daniel Abt: In der Formel 1 ist nie irgendwas sicher. Es ist natürlich ein Vorteil, wenn man gute Unterstützung hat und mit Formel-1-nahen Sponsoren und Teams auftritt. Es geht aber darum, Leistung zu zeigen. Das muss in diesem Jahr passieren. Dann wird sich zeigen, ob's mit der Formel 1 klappt.
SPOX: Alternativ könnten Sie auch in der DTM für Ihren Vater Hans-Jürgen Abt starten.
Abt: Die DTM behalte ich immer im Hinterkopf, weil es mittlerweile eine geile Serie ist. Aber ich arbeite mein ganzes Leben auf den Traum Formel 1 hin. Jetzt nach einer schlechten Saison aufzugeben, wäre falsch. Ich will mein Ziel erreichen. Mein Kampfgeist ist durch das letzte Jahr definitiv gestärkt. Ich will das Bild, das die Leute von mir haben, wegbekommen und es allen beweisen. Ich habe oft gegen das Team geschossen und mich beschwert. Jetzt muss ich zeigen, dass ich besser bin.
SPOX: Für viele hat die Formel 1 durch die Regeländerungen an Reiz verloren. Selbst Bernie Ecclestone und Weltmeister Sebastian Vettel haben sich sehr negativ über die V6-Turbos mit Hybridantrieb geäußert. Wie stehen Sie zu der Kritik?
Abt: In der Formel 1 war es schon immer so, dass der Aufschrei bei Regeländerungen anfangs groß war. Die Eingesessenen sagen dann: "Das ist Blödsinn." Aber nach ein paar Rennen hat sich jeder daran gewöhnt. Ich finde es gut, wenn wieder frischer Wind reinkommt und die Teams bei Null anfangen müssen. Das schadet nicht, speziell nach der Red-Bull-Dominanz der letzten Jahre. Ich verstehe, dass Sebastian Vettel darüber nicht happy ist. Wenn man in der besten Position ist, will man das behalten.
SPOX: Sie selbst starten Ende 2014 mit dem Team ihres Vaters, Hans-Jürgen Abt, in der neuen Formel E, der ersten Serie mit Monoposto-Autos, die rein elektrisch angetrieben werden. Wie kam es dazu?
Abt: Das hat sich die letzten Monate entwickelt. Wir fanden das Projekt sehr spannend. Die Serie hat unheimliches Potenzial: tolle Teams, ein hohes Fahrerniveau. Es wird eine ganz andere Art des Rennfahrens. Ich muss auf völlig verschiedene Dinge achten, speziell den Batteriehaushalt. Da als junger Pilot von Anfang an mitwirken zu können, wird riesigen Spaß machen. Und das familieneigene Team verdoppelt die Spannung.
SPOX: Ist das auch eine Chance, für die Unterstützung durch die Familie und die Heimat etwas zurückzugeben?
Abt: Ich bin ein Familienmensch und froh, dass ich ein enorm gutes und enges Verhältnis zu meinen Eltern habe. Ich bin zwar glücklich, auf Achse zu sein und andere Orte zu sehen, aber ich komme immer wieder gerne nach Hause. Früher bin ich sogar mit der bayerischen Flagge auf dem Overall gefahren. Ich trinke nicht jeden Tag Weißbier und esse Weißwurst, aber ich bin schon ein stolzer Bayer. Das kann man dann auch mal zeigen. Ich bin zwar kein FC-Bayern-Ultra wie einige andere, aber ich interessiere mich auch dafür.
SPOX: Durch die Formel-E-Teilnahme fällt auch die monatelange Langeweile im Winter weg.
Abt: Am Anfang genieße ich das eigentlich. Im Dezember bin ich in einen Gammelmodus gefallen. Ich bekomme aber jedes Mal nach Neujahr Hunger auf Racing. Für mich ist es unerträglich, nicht im Auto zu sitzen. Ich habe auch mal in Kempten Wirtschaftsinformatik studiert. Das war aber ein sehr kurzes Experiment. Ich habe gemerkt, dass ich mich nicht ordentlich auf beide Sachen konzentrieren kann. Mittlerweile versuche ich die Langeweile im Winter mit Fitnesstraining zu kompensieren und zähle dauerhaft die Tage, bis es wieder losgeht.
SPOX: Mit Starts in zwei Rennserien dürfte ihr Zeitbudget künftig allerdings knapp sein. Bleibt da überhaupt noch die Möglichkeit für den Aufstieg in die Formel 1?
Abt: Das Gute ist ja, dass die Formel E in der Offseason von Oktober bis Mai fährt. Da gibt es keine Terminkonflikte. Aber wenn ich übermorgen ein supergeiles Angebot bekomme, dann biegen wir das schon hin. Das ist der Vorteil, wenn der Vater der Teamchef ist: Ich habe einen ziemlich guten Draht.
SPOX: Neben den Erfolgen im Motorsport ist ihre Familie auch dafür bekannt, nicht gerade Kostverächter zu sein, wenn es ums Feiern geht. Schlummert in Ihnen ein kleiner Kimi Räikkönen?
Abt:(lacht) Die Familie gibt einem gewisse Eigenschaften mit, das stimmt schon. Wenn man als Kind mit Partys aufwächst und weiß, dass die Familie richtig feiern kann, dann strahlt das ab. Ich bin manchmal schon ein Draufgänger und habe gerne meinen Spaß. Aber ich mache das immer in einem professionellen Rahmen. Ich hoffe, dass wir in der Formel E dann ordentlich Grund haben, zusammen zu feiern. Ich will nicht wie Räikkönen vom Boot fallen, kann es aber auch ich nicht ausschließen.
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Daniel Abt im Steckbrief