Die Golden State Warriors sind zurück in den Finals und warten auf ihren Gegner. Bevor es für die Dubs weitergeht, untersucht SPOX-NBA-Redakteur Ole Frerks, wie sie ohne Kevin Durant an diesen Punkt gekommen sind - und was das für die Zukunft bedeutet.
Am Ende standen die Warriors dann doch wieder da, wo sie immer stehen. In den Finals, zum fünften Mal in Folge. Das dominanteste NBA-Team seit den Boston Celtics der 60er Jahre, auf der Jagd nach dem vierten Titel in fünf Jahren, einem weiteren Schritt zur (längst erreichten) Unsterblichkeit. Das Interessante war diesmal allerdings nicht, dass sie die Finals erreicht hatten.
Interessanter war das "Wie". Über anderthalb Runden wurden die Warriors von Kevin Durant getragen und wirkten weder gegen die Clippers noch gegen die Rockets immer souverän. Gerade gegen Houston hätten sie gut auch in Rückstand geraten können. Die Playoffs wirkten ein wenig wie die Fortsetzung einer holprigen Regular Season, kurz vor dem Ende einer Ära. Dann verletzte sich KD.
Auf einmal schien die Dynastie wirklich in Gefahr zu sein, gegen Ende von Spiel 5 gegen Houston. Die Warriors holten sich den Sieg trotzdem, auch in Spiel 6. In den Conference Finals waren dann die Blazers an der Reihe, weiter ohne KD. Doch statt der Frage, ob die Warriors nun wirklich in Gefahr sind, überwog schon vor dieser Serie eine andere. Der Sweep gab dieser noch zusätzliche Nahrung.
Um das vorwegzunehmen: Die Warriors sind meiner Meinung nach kein besseres Team ohne Durant. Ich halte KD aktuell für den besten Spieler der Welt und die ersten elf Playoff-Spiele haben das untermauert. Ich denke trotzdem, dass sie ohne ihn besser SPIELEN. Gerade bei Stephen Curry ist das offensichtlich. Der Schlüssel für die Transformation ist jedoch Draymond Green.
Draymond Green leitete die Warriors-Revolution ein
Es ist keine Neuigkeit, dass der Forward Golden States Motor ist, vor der Saison 2014/15 leitete seine Hereinnahme in die Starting Five für den damals verletzten All-Star David Lee die Warriors-Revolution ein. Green wurde als perfekter Partner von Curry in der Offense und zeitweise bester Verteidiger der NBA zum Star, 2017 auch zum Defensive Player of the Year.
Green lebte dabei von seiner Intelligenz, aber vor allem auch von seiner Intensität, mit der er sein Team immer wieder ansteckte. Der einstige Zweitrundenpick konnte sein Team immer wieder mitreißen, in einem sehr prominenten Fall (den Finals 2016) konnte er sie auch ins Verderben reißen. In den allermeisten Fällen überwog allerdings der positive Aspekt und es war Green, der im Anschluss an diese Serie mitentscheidend dafür war, dass Durant nach Oakland wechselte.
Je mehr Erfolge die Warriors seither jedoch verzeichnen konnten, desto fahriger wirkte das Team oft während der Regular Season, gerade Green. Seine Defense ließ nach, die Offense (vor allem der Dreier) wurde zeitweise zu einer richtigen Schwachstelle. Das ist bei so erfolgreichen Teams nichts Neues und bisher konnten die Dubs den Schalter immer zur rechten Zeit wieder umlegen. Bei Green aber machten sich zwischenzeitlich etwas größere Zweifel breit.
Draymond Green nahm vor den Playoffs über 10 Kilo ab
Green ist 29 Jahre alt und kein physischer Freak wie beispielsweise Durant, der auch mit 50 noch nicht zu blocken sein wird. Er hat lange Arme und einen niedrigen Körperschwerpunkt, die Athletik ist ordentlich, aber für die Vier (und vor allem die Fünf) ist er mit 2,01 Metern eigentlich zu klein. Green lebte stets von seinem Hunger - doch bis vor wenigen Wochen schien er satt zu sein.
Er war es auch, im wahrsten Sinne des Wortes: Vor wenigen Tagen sickerte via The Athletic durch, dass Green während des All-Star Breaks (er war nicht nominiert) von Warriors-GM Bob Myers konfrontiert wurde, weil er übergewichtig war - das war ihm allerdings ohnehin schon bewusst. Nach der kurzen Pause ging er das Problem konsequent an.
Green trainierte mehr und verzichtete auf Alkohol, ungesunde Snacks und frittiertes Essen. Wer hätte je gedacht, dass eine solche Diät nicht förderlich für Leistungssport ist? Wie dem auch sei: Binnen weniger Wochen nahm Green tatsächlich über 10 Kilogramm ab, und der Effekt ist in der Postseason klar ersichtlich.
Die Statistiken von Draymond Green 2018/19
Punkte | Rebounds | Assists | Steals | Blocks | |
Regular Season | 7,4 | 7,3 | 6,9 | 1,4 | 1,1 |
Playoffs (die ersten 11 Spiele) | 13,0 | 9,2 | 8,1 | 1,1 | 1,4 |
Playoffs (letzten 5) | 14,8 | 11,4 | 8,4 | 2,0 | 2,4 |
Die alten Golden State Warriors sind zurück
Ähnlich wie Andre Iguodala ist Green gewissermaßen aus dem Winterschlaf zurück und in den Playoffs ein anderer Spieler als während der Regular Season. Noch während der ersten Runde kam und ging der Fokus jedoch, auf dominante Spiele folgten teils peinliche Niederlagen. Gegen Houston wiederum stimmte der Fokus, aber die Warriors ließen sich den langsamen Stil der Rockets aufzwingen.
Im Isolations-lastigen Spiel wurde dann immer wieder Durant gesucht, weil dieser auf eigene Faust mehr erreichen kann als jeder andere - deshalb wollte man ihn 2016 unbedingt haben, als das Team bereits das dominanteste der Liga war. Durant repräsentierte den ultimativen Luxus, das Sicherheitsnetz, wenn sonst nichts so recht funktionieren wollte.
Man opferte dafür (zurecht) einen Teil seiner Identität und wurde mit bisher zwei Championships belohnt. Gleichzeitig machte man sich auch vom launigen Superstar abhängig: Noch immer weiß niemand, was KD im Sommer vorhat. Es ist kein Geheimnis, dass die Warriors davon genervt sind. Insofern repräsentierten die letzten fünfeinhalb Spiele auch die Chance zu zeigen: Es geht auch ohne ihn. Die "O.G."-Warriors sind immer noch am Leben.
Draymond Green glänzt als Ballverteiler
Die gesamte Spielweise der Dubs hat sich ohne KD wieder zu ihrer alten entwickelt - vor allem dank Green. Die Pässe pro Spiel sind in die Höhe geschnellt (fast 320 pro Spiel ohne KD, knapp 300 mit ihm), die Pace ist höher (sicher auch der Konkurrenz Portland statt Houston geschuldet), die Intensität sowieso. Die Punkte besorgen vor allem Steph und Klay Thompson, klar, aber die Offense läuft - mehr denn je - über Green.
Seit Durants Ausfall verzeichnet Green pro Spiel 96,2 Touches, ziemlich genau zehn mehr als in den vorigen Spielen. Er attackiert weitaus mehr selbst den Korb und hat seinen Punkteschnitt hochgeschraubt, vor allem seine Übersicht als Playmaker in Überzahl-Situationen, nachdem Curry gedoppelt wird und den Ball abgeben muss, macht ihn offensiv aber unheimlich wertvoll.
Der Forward sieht immer wieder Möglichkeiten, bevor sie wirklich da sind - die Anziehungskraft, die Curry mit seiner ständigen Bewegung innehat, nutzt Green perfekt. Er weiß immer genau, wo jeder Mitspieler zu welchem Zeitpunkt ist - deswegen hat er in diesen Playoffs schon fünf verschiedenen Spielern mindestens 20 Assists serviert (nur Nikola Jokic hat zwei solcher Mitspieler).
Nicht viele Bigs hätten einen solchen Pass im Repertoire:
Oder den hier, mit dem Game 2 letztlich entschieden wurde:
Einer geht noch:
Green lieferte gegen Portland ein perfektes Anschauungsbeispiel, wie man als "Non-Shooter" trotzdem einen massiven Impact auf die Offense haben kann: Er wurde genau so wenig am Perimeter verteidigt wie etwa Ben Simmons, brachte die Blazers (und vorher auch die Rockets) aber mit schnellen Entscheidungen und reiner Aggressivität trotzdem immer wieder in Gefahr. Seine Rolle war nicht der einzige, aber vielleicht der größte Unterschied im Vergleich zu den Blazers.
Der sechste Sinn in der Defense
Green hat einen sechsten Sinn dafür, wann er auch nach gegnerischem Korberfolg einen Fastbreak laufen kann. Mehrfach überrannte er die Transition-Defense der Blazers im Alleingang. In Game 3 war Golden State zur Halbzeit nur deshalb noch in Schlagdistanz, weil Green es so wollte. Mehr als einmal ging er einfach entschlossener zu Werke und erbeutete den Warriors Extra-Possessions und Punkte.
Besagten sechsten Sinn hat Green weiterhin natürlich auch defensiv. Seine Brillanz als Helpverteidiger war wieder einmal einer der wesentlichen Schlüssel gegen Damian Lillard (Portland hatte eben auch keine Outlet-Option wie Green), wie schon in der vorigen Runde gegen Houston.
Wenn sein direkter Gegenspieler dann doch mal unterm Korb an den Ball kam, war er trotzdem fast immer wieder rechtzeitig zur Stelle, um den Wurf zu blocken oder zu erschweren. Selbst nach Offensiv-Rebounds. Enes Kanter traute sich irgendwann kaum noch hochzusteigen, seine wenigen Post-Ups gegen Green verliefen ohnehin fast alle jämmerlich.
Draymond Green: Ein gewisses Maß an Genialität
Ein persönlicher Favorit und seit Jahren eine enorme Stärke von Green zudem: Kein NBA-Spieler ist so gut darin, Zwei-gegen-Eins-Fastbreaks kaputtzumachen. Ist es der sechste Sinn, ein gewisses Maß an Zocken oder einfach pure Genialität? Die Wahrheit liegtwohl irgendwo dazwischen. Es war auch kein Zufall, dass er beim letzten Versuch von Lillard in der Overtime von Spiel 4 dran blieb und den Wurf blockte:
Greens Spiel seit Durants Ausfall ist ein Stück weit symptomatisch für das der Warriors. Sie können sich jetzt weitaus weniger Fehler erlauben, deswegen wirken alle Spieler umso mehr engagiert. Erstmals seit Juli 2016 sind die Warriors wieder an einem Punkt, an dem eine herkömmliche "normale Leistung" nicht mehr reicht. Man sieht das in allen Mannschaftsteilen.
Iguodala hat die Uhr zurückgedreht. Curry spielt seinen womöglich besten Offensiv-Basketball seit der Saison 2015/16. Thompson ignoriert alle Beschwerden mit dem Knöchel, verteidigt eisenhart und liefert Scoring. Kevon Looney hat sich zu einem richtig wertvollen NBA-Spieler gemausert.
Ob Quinn Cook, Jordan Bell oder Alfonzo McKinnie - wer von Steve Kerr aufgerufen wird, springt in die Bresche und erledigt seinen Job. "Strength in Numbers" ist zurück, mit dem alten Selbstvertrauen, der alten Freude am Spiel. Green und Curry geben den Ton an, alle anderen folgen - wie früher.
Warriors besser ohne Kevin Durant? "Bullshit"
Sind die Warriors damit also nun besser als ohne Durant? "Das ist Bullshit", sagte Green kürzlich selbst. "Ich glaube, wir waren vorher ein sehr gutes Team, das schwer zu schlagen war. Als Kevin zu uns kam, machte uns das unschlagbar. Die nächste Serie wird hart, deswegen hoffen und beten wir, dass wir ihn in bis dahin zurückhaben."
Green schlug damit entschieden andere Töne an als noch im November, als er bei einem sehr öffentlichen Streit mit Durant im Spiel gegen die L.A. Clippers diesem an den Kopf warf, dass Golden State ihn nicht brauchen würde, und ihm zum Gehen aufforderte. Längst hat er sich dafür entschuldigt und eingesehen, dass es ein Fehler war. Obwohl er damit nicht ganz zufällig genau den "Wunsch" äußerte, den viele NBA-Fans für diesen Sommer an erster Stelle hatten.
Der Punkt ist ja: Ein "unschlagbares" Team wollten außerhalb von Oakland nicht viele Leute sehen. Deswegen sind die Warriors binnen kurzer Zeit von einem sehr beliebten zu einem eher unbeliebten Team geworden. Selbst bei Rückstand in Game 7 auswärts in Houston im letzten Jahr schien ihr Sieg fast unausweichlich, und gegen alle anderen Teams kamen die Dubs seit Durants Ankunft kaum ins Schwitzen.
Warriors: Die Begeisterung ist zurück
Die Aspekte, die sie zuvor so beliebt und spektakulär gemacht haben, wurden zudem in den letzten Jahren nicht immer maximiert - es wäre ja auch absurd gewesen, Durant die Rolle von Harrison Barnes zu geben. Vor allem Draymond hat seither eine zumeist ganz andere Rolle in der Offense, wie gesagt aus gutem Grund.
Die letzten paar Spiele haben insofern einiges gezeigt: Es fällt leichter, sich für die Warriors zu begeistern, wenn ihr Sieg nicht im Voraus festzustehen scheint (bei aktuell sechs Siegen am Stück, kurioserweise), und wenn der Tanz von Curry und Green im Fokus ihrer Offense steht. Green kann immer noch auf einem All-NBA-Level, Curry immer noch auf einem MVP-Level abliefern. In dieser kleinen Stichprobe waren beide vielleicht sogar besser denn je.
Die Warriors werden trotzdem gut daran tun, wenn sie versuchen, Durant im Sommer zu halten. Ohne ihn wären sie nicht mehr unschlagbar. Auch in den kommenden Finals sind sie das womöglich nicht.
Aber sie sind mit Sicherheit auch immer noch nicht leicht zu schlagen. Nicht jetzt, und wohl auch nicht in den kommenden Jahren.