Nach seiner Zeit als Superstar bei den Phoenix Suns und den New York Knicks hat Amar'e Stoudemire bei den Miami Heat eine neue Rolle gefunden. Im Interview blickt der Forward zurück auf seine schwierige Kindheit, das Zusammenspiel mit Steve Nash, seinen Coach Mike D'Antoni und seine neue Heimat.
SPOX: Mal ehrlich, Herr Stoudemire: Kann man sich als NBA-Profi und vierfacher Familienvater nicht etwas Schöneres vorstellen, als am Christmas Day zur Mittagszeit ein Basketball-Match bestreiten zu müssen?
Stoudemire: (lacht) Naja, ich denke, dass es ganz einfach ein Teil dieses Geschäfts ist. Für die NBA selbst ist es sehr wichtig, sich an diesem Tag, an dem sehr, sehr viele Familien vor den Fernseh-Geräten sitzen werden, entsprechend zu präsentieren. Aber auch für die Fans ist es natürlich eine tolle Sache. Sie haben Zeit, diese Spiele in Ruhe anzuschauen und zu genießen. Und wenn man etwas zurückblickt: Viele Partien am Christmas Day waren absolute Highlights, über die man lange gesprochen hat. Daher freue ich mich auf unser Match am Freitag gegen die Pelicans.
SPOX:Weihnachten ist bekanntlich auch das "Fest der Liebe". Sie selbst haben immer wieder bewiesen, wie wichtig Ihnen der Begriff der "Nächstenliebe" ist. Sei es Ihre "Each One, Teach-One-Foundation" sowie Ihre Engagments für benachteiligte Kinder in Phoenix, die Trinkwasser-Gewinnung in Sierra Leone oder das Basketball-Camp in Mali: Warum sind Ihnen diese sozialen und humanen Projekte derart wichtig?
Stoudemire: Auch wenn es jetzt vielleicht sehr einfach klingen mag: Aber mir ist es sehr wichtig, gerade den Leuten, die in Not sind, etwas zurückzugeben. Und damit meine ich in erster Linie nicht nur materielle Dinge, sondern vor allem Hoffnung! Wenn diese Menschen merken, dass man sich um sie kümmert und es sich lohnt zu leben, hat man schon unglaublich viel erreicht. Das Ganze kommt bei mir voll aus dem Herzen - und ich bin wirklich sehr froh, dass ich einen ganz kleinen Beitrag dazu leisten kann.
SPOX:Persönlich standen Sie in Ihrem Leben - speziell in Ihrer Kindheit - wahrlich nicht immer auf der Sonnenseite des Lebens. Sie haben unter anderem als Zwölfjähriger Ihren Vater durch einen Herzinfarkt verloren. Wie intensiv haben diese negativen Erlebnisse Sie für Ihr weiteres Leben geprägt?
Stoudemire: Ja, das ist richtig. Ich bin damals in einem Umfeld aufgewachsen, das es für ein Kind wahrlich nicht einfach gemacht hat, im späteren Leben erfolgreich zu sein. Man ist bereits frühzeitig viel auf sich allein gestellt. Gleichzeitig lernt man dadurch aber auch, sich entsprechend durchs Leben zu kämpfen. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Diese Zeit hat mich definitiv geprägt. So habe ich beispielsweise gelernt, dass es sich lohnt, um etwas zu kämpfen und welche Dinge wichtig sind, um im Leben erfolgreich zu sein.
SPOX: Um es auf Basketball zu übertragen: Würden Sie sagen, dass Sie diese Erfahrungen insgesamt stärker und härter beziehungsweise in bestimmten Situationen möglicherweise auch "relaxter" gemacht haben?
Stoudemire: Ja, definitiv! ich finde, dass man Basketball durchaus mit dem normalen Leben vergleichen kann. Wenn du Stunde um Stunde auf dem Court verbringst, sammelst du wichtige Erfahrungen für dein weiteres Spiel, von denen du profitierst. Im Grunde ist das mit Lebenserfahrung zu vergleichen, die mit nichts aufzuwiegen ist. Oder nehmen wir ein anderes Beispiel: Wenn du du mit einen Teamkollegen zusammen bist, arbeitest du in jedem Training, in jedem Spiel hart für ein bestimmtes Ziel - meistens ist es die Meisterschaft. Als Jugendlicher wiederum gehst du jeden Tag in die Schule und kämpfst um deinen Abschluss. Oder auch darum, dir deinen großen Traum im Sport zu erfüllen. Von dem her haben mich diese Erfahrungen auf meinem Weg hin zum NBA-Profi sicherlich härter und fokussierter gemacht.
SPOX:Sie haben erst im Alter von 14 Jahren angefangen, organisiert Basketball zu spielen. Wann war Ihnen klar, dass Sie den Sprung in die NBA tatsächlich schaffen können?
Stoudemire: Noch bevor ich damit begonnen habe, professioneller Basketball zu spielen, habe ich mich eigentlich auch schon für einen hervorragenden Basketballer gehalten (lacht). Wir haben damals jeden Tag viele Stunden auf den Courts verbracht und gezockt bis es dunkel wurde und wir nichts mehr gesehen haben. Als ich dann mit 14 Jahren damit anfing, richtig zu trainieren, war ich zunächst selbst etwas überrascht, wie gut ich tatsächlich bin und wie schnell ich mich in vielen Bereichen weiter verbessert habe. Spätestens in meinem ersten High-School-Jahr hat es sich dann angedeutet, dass die NBA kein unrealistisches Ziel ist. Naja, und 2002 wurde ich dann ja auch von den Phoenix Suns gedraftet.
SPOX: Seit Ihrer NBA-Anfangszeit tragen Sie den Spitznamen "STAT" (Standing Tall and Talented), der auch auf Ihrem rechten Arm tätowiert ist. Wieviel Talent und wieviel harte Arbeit steckt im Vergleich prozentual in Amar'e Stoudemire?
Stoudemire: Hmm, das ist eine sehr gute Frage. Ich denke, dass man letztlich schon 50:50 sagen kann. Es ist zweifelsohne unbestritten, dass mir Gott sehr viel Talent in die Wiege gelegt hat - vielleicht sogar etwas mehr als gewöhnlich. Allerdings gibt es auch sehr, sehr viele andere hochtalentierte Spieler auf der Welt, die es nie in die NBA geschafft haben und schaffen werden, weil sie einfach nicht hart genug dafür gearbeitet haben. Viel Talent ist gut und sicherlich auch sehr hilfreich. Aber ohne die richtige Arbeitseinstellung hast du keine Chance, es in diese Liga zu schaffen.
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SPOX:Ihr erster NBA-Verein waren, wie bereits angesprochen, die Phoenix Suns. Dort haben Sie zwischen 2004 und 2010 unter anderem mit Steve Nash zusammengespielt. Wie wichtig war der kanadische Point Guard sowohl für Ihre Entwicklung als auch Ihr Spiel?
Stoudemire: Steve war einfach gigantisch. In meinen Augen war er ein echter Basketball-Missionar, der das Spiel auf eine ganz andere Ebene gehoben hat. Steve war beispielsweise immer in der Lage, Mitspieler auf dem Court zu finden, die dann durch eine einfache Aktion zu offenen Würfen oder einem leichten Zug zum Korb kamen. Er hat das Spiel und die jeweilige Situation perfekt gelesen. Dadurch hat er es natürlich auch mir sehr oft einfach gemacht. Mit einem Point Guard wie Steve an deiner Seite kannst du dich nur verbessern und auf dem Parkett gut aussehen.
SPOX:Eine weitere wichtige Person in Ihrer NBA-Karriere dürfte Mike D'Antoni gewesen sein, der von 2002 bis 2008 Ihr Head Coach bei den Suns war. Welchen Anteil räumem Sie ihm in Ihrer Entwicklung ein?
Stoudemire: Definitiv einen sehr hohen. Mike hat letztlich dafür gesorgt, dass ich in der besten Basketball-Liga der Welt nicht nur Fuß gefasst, sondern mich im Laufe der Jahre auch zu einem kompletten Spieler entwickelt und somit auch stetig verbessert habe. Die Zeit unter ihm war für mich auf alle Fälle immens wertvoll und lehrreich.
SPOX: Als Sie im Jahr 2010 bei den New York Knicks unterschrieben haben, hieß der Cheftrainer dort: Mike D'Antoni! War er einer der Hauptgründe, warum Ihre Entscheidung zugunsten der Knicks fiel?
Stoudemire: Ja, zu 100 Prozent! Als ich mich damals entschieden habe, nicht zu den Phoenix Suns zurückzukehren, waren die New York Knicks vor allem aufgrund der Tatsache, dass Mike D'Antoni dort als Coach gearbeitet hat, für mich die erste Wahl. Grundsätzlich ist es natürlich nie einfach, wenn man neu zu einem Team kommt. Durch die Situation mit Mike - er kannte mich und ich ihn - ist mir die Umstellung jedoch wesentlich leichter gefallen.
SPOX: Es folgten insgesamt rund viereinhalb Jahre bei den Knicks, ehe Sie schließlich im Februar 2015 zu den Dallas Mavericks getradet wurden. Wie würden Sie Ihre Zeit in New York beschreiben?
Stoudemire: Phänomenal! Natürlich war ich damals mit dem Ziel, eine Meisterschaft zu gewinnen, zu den Knicks gewechselt. Auch wenn es unterschiedlichen Gründen leider nicht geklappt hat, blicke ich heute noch sehr gerne an diese Spielzeiten zurück. Nach wie vor habe ich dort sehr viele Fans, Freunde und Bekannte. Die Stadt New York ist mittlerweile auch meine Heimat und die meiner Familie geworden. Vor allem in der Off-Season verbringen wir in unserem dortigen Haus sehr viel Zeit.
SPOX:Ein eher unschönes Thema, dass sich wie ein roter Faden durch Ihre NBA-Laufbahn zieht, sind die zahlreichen Knieverletzungen und Operationen. Wie schwer ist es Ihnen in den vergangenen Jahren gefallen, trotz der andauerenden Probleme vor allem mental positiv zu bleiben?
Stoudemire: Ehrlich gesagt war es hin und wieder extrem schwierig. Natürlich weiß man, dass Verletzungen zum Sport dazugehören. Wenn es dich dann aber wieder und wieder erwischt und du dich immer und immer wieder herankämpfen musst, dann ist das alles andere als einfach. Gerade in der Rehabilitation bist du auf dich alleine gestellt, bist weg vom Team und auch von der Umkleidekabine. Dabei die Motivation und positive Denkweise nicht zu verlieren, ist schon eine gewisse Kunst.
SPOX: Hand auf's Herz: Gab es in den zurückliegenden Jahren während einer dieser Verletzungen den Gedanken, die Basketball-Schuhe an den Nagel zu hängen?
Stoudemire: Ja - und das sicher nicht nur einmal! Gerade unmittelbar nach einer Verletzung kommt es schon vor, dass man sich sagt: Genug ist genug, das schaffe ich nicht mehr! Allerdings hat diese Frustration dann auch nicht lange bei mir angehalten. Vielmehr hat sich ziemlich schnell der feste Wille durchgesetzt, mich doch wieder zurückzukämpfen, um meinem jeweiligen Team und Mitspielern zu helfen. Das war immer meine größte Motivation.
SPOX:Stichwort Motivation: Bei den Miami Heat spielen Sie bislang eher eine "Nebenrolle", sprich: Sie kommen von der Bank oder oftmals auch überhaupt nicht zum Einsatz. Wie kommen Sie damit klar? Hat sich die grundlegende Bedeutung des Basketballs für Sie mittlerweile verändert?
Stoudemire: Auch nach all den Jahren ist Basketball nach wie vor meine große Leidenschaft und Liebe! Für mich gibt es nichts Schöneres, als täglich mit den Jungs zusammen auf dem Trainings- oder Spielcourt zu stehen, mit ihnen an einem Ziel zu arbeiten und sie nach Kräften zu unterstützen. Ob ich das jetzt auf dem Parkett oder von der Bank aus mache, spielt letztlich keine große Rolle. In einer Mannschaft, die erfolgreich sein will, muss sich jeder unterordnen. Auch das zeichnet meiner Meinung nach einen großen Spieler aus.
SPOX:Lassen Sie uns abschließend noch über Ihr sportliches Engagement in Israel sprechen. Seit 2013 sind Sie einer der Haupt-Anteilseigner des hiesigen Basketball-Klubs Hapoel Jerusalem. Wie kam es dazu?
Stoudemire: Nun, der Hauptgrund liegt sicherlich darin, dass ich selbst familiäre Wurzeln in Israel habe und mich daher in diesem Land unbedingt engagieren wollte. Als ich erstmals nach Israel gereist bin, war ich vom Zusammenhalt und Zusammenleben in diesem Land schlichtweg fasziniert. Dass ich das Ganze nun mit dem Basketball-Sport verbinden kann, ist um so schöner.
SPOX:Sie haben bereits vor einigen Jahren in einem Interview gesagt, dass Sie sich durchaus vorstellen können, zum Ende Ihrer Karriere in Israel zu spielen. Steht diese Aussage nach wie vor?
Stoudemire: Oh ja, das tut sie. Ich habe zwar schon noch vor, das eine oder andere Jahr auf höchstem Niveau in der NBA zu absolvieren. Aber danach ist es sehr gut möglich, dass ich meine Laufbahn in Israel bei meinem Klub in Jerusalem beende.
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