Das letzte Hurra des CP3?

Thorben Rybarczik
29. Juni 201714:32
Chris Paul und James Harden spielen nun gemeinsam für die Houston Rocketsgetty
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Der Trade von Chris Paul zu den Houston Rockets hat die Machtverhältnisse im Westen verschoben. Doch warum wurde eigentlich nicht bis zur Free Agency gewartet? Wie geht es in Houston und L.A. weiter - und kann Paul zusammen mit James Harden funktionieren? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.

Warum haben die Rockets und Paul nicht auf die Free Agency gewartet?

Zur Erklärung: Chris Paul hätte die Möglichkeit gehabt, aus seinem Vertrag auszusteigen und als Unrestricted Free Agent bei einem Team seiner Wahl zu unterschreiben. Dies tat er nicht: Er zog seine Option für ein weiteres Jahr und ließ sich traden. Doch zunächst einmal: Wie sah der Trade aus?

  • Die Rockets bekommen: Chris Paul
  • Die Clippers bekommen: Patrick Beverley, Lou Williams, Sam Dekker, Montrezl Harrell, DeAndre Liggins, Darrun Hilliard, Kyle Wiltjer, Erstrundenpick 2018 (top-3-geschützt)

Diese Liste zeigt, dass die Rockets nur Spieler verloren haben, die entweder keine große Rolle gespielt haben (wie Harrell oder Dekker), in der Free Agency mit guten Chancen zu ersetzen sind (Williams), durch die Ankunft von Paul ohnehin "überflüssig" geworden wären (Beverley) oder die einfach nur in nicht garantierten Verträgen stecken wie DeAndre Liggins sind, um die Gehälter zu "matchen".

Hätten die Rockets hingegen darauf gewartet, dass CP3 seine Spieleroption nicht zieht, um in Houston als Free Agent einen langfristigen - und höher dotierten - Vertrag zu unterschreiben, hätten sie deutlich mehr Cap Space freischaufeln und mindestens noch einen Leistungsträger wie Ryan Anderson abgeben müssen. So steht Paul erstmal "nur" mit seinen 24,5 Millionen Euro in den Büchern, zumal er zugestimmt hat, seinen Trade-Kicker (festgelegte Gehaltserhöhung im Trade-Fall) von 3,6 Millionen auf 661.000 Dollar zu reduzieren.

Chris Paul und James Harden spielen nun gemeinsam für die Houston Rocketsgetty

Auch für Paul könnte sich dieser Weg als deutlich lukrativer herausstellen. Da der Salary Cap im nächsten Sommer vermutlich steigen wird, kann er dann einen Super-Max unterschreiben, der mit der Saison 2018/19 beginnt - erst ab dann also fünf Jahre läuft und ihm rund 230 Millionen Dollar einbringen würde. Hätte er dies in diesem Sommer getan, hätten ihm nicht nur viele Millionen im Super-Max gefehlt, sondern auch ein Vertragsjahr, dass er nun mit seinen soliden 24,5 Millionen Dollar überbrückt. Und: Sollte er merken, dass sich Houston für ihn doch als Schnapsidee herausstellt, stehen ihm 2018 als Unrestricted Free Agent alle Optionen offen.

Aus Sicht der Clippers war die Trade-Variante natürlich auch die deutlich bessere. Paul hat dem Front Office wohl schon vor einiger Zeit mitgeteilt, dass er im Sommer auf jeden Fall wechselt. Hätte er dies als Free Agent getan, stünden die Clippers komplett mit leeren Händen da. Kurzum: Die Entscheidung, den Wechsel per Trade zu vollziehen, war eine Win-Win-Win-Situation.

Was bedeutet der Trade für die Houston Rockets?

Rockets-GM Daryl Morey ist nicht nur bekannt für seinen Hang zum Analytics-Basketball - sondern auch dafür, in Personalentscheidungen großes Risiko einzugehen. Das ging in den letzten paar Jahren oft gut (Harden-Trade, Verpflichtung von Mike D'Antoni), hin und wieder waren aber auch Griffe ins Klo dabei (Dwight Howard).

Nun geht er mit dem Blockbuster-Deal für Chris Paul erneut All-in - wobei der Ausgang selbstverständlich noch offen ist. Fakt ist jedoch, dass die Rockets plötzlich einen der drei besten Backcourts der Liga haben (siehe auch Frage 5) sowie die Ambition, Titel zu gewinnen. Nur: Schaut man sich den aktuellen Kader an, werden die Warriors noch nicht vor Ehrfurcht erstarren.

Und genau dort liegt die Krux begraben: Ähnlich wie im Osten seit Jahren die Frage im Raum steht, ob es sich überhaupt lohnt, in der LeBron-Ära gut zu sein, gilt es seit der Ankunft Durants in der Bay Area auch im Westen als wenig lohnenswert, die ganz großen Win-Now-Moves einzufädeln - schließlich scheinen die Dubs noch ein paar Jahre ganz gut zu sein.

Da Zurückstecken aber in Texas auch keine Option ist (Hardens Prime ist genau jetzt!), bläst man also zur Attacke. Und diese ist noch längst nicht abgeschlossen: Dadurch, dass die Rockets am gestrigen Tag des Trades noch von überall nicht garantierte Verträge eingesammelt haben (Tim Quarterman, Shawn Long, Isaiah Taylor, Ryan Kelly) sind sie - Stand jetzt - mit einem Gehaltsvolumen von 102 Millionen Dollar für nächsten Saison zwar über dem Cap, haben aber trotzdem Spielraum. Dieser wird noch einmal enorm vergrößert, da das Team eine 8,2 Millionen Dollar schwere Midlevel Exception besitzt sowie eine 3,3 Millionen wertvolle Bi-annual Exception (Begriffserklärungen gibt es hier).

Heißt: Sie können werdenden Free Agents mehr Geld anbieten als andere Contender und dürften entsprechend wenig Probleme haben, ihren Kader um den bestehenden Kern aus Paul, Harden, Anderson, Ariza, Capela und Gordon brauchbar aufzufüllen. Die Offseason der Rockets hat also gerade erst angefangen.

Wie geht es bei den Los Angeles Clippers weiter?

Lob City ist tot! Das steht zunächst mal fest. Nach dem erneut gescheiterten Run der Big Three um Paul, Blake Griffin und DeAndre Jordan steht eine neue Ära an. Was noch bleibt, ist die Frage: Erfolgt nun ein kompletter Rebuild oder nur ein Rebuild "light"?

Das hängt vor allem von der Personalie Blake Griffin ab. Der Power Forward hat auch die Option, aus seinem Vertrag auszusteigen und Unrestricted Free Agent zu werden. Interessenten wird es für den 28-Jährigen zuhauf geben, worunter sicherlich auch Teams sind, die einen Maximal-Kontrakt in Betracht ziehen.

Einen solchen wollten die Clippers Paul übrigens gar nicht anbieten - das Risiko, einem 36- oder 37-jährigen Point Guard in ein paar Jahren um die 40 Millionen Dollar zu zahlen, erschien zu groß. Die in L.A. gut vernetzte ESPN-Insiderin Ramona Shelburne erkennt darin die Handschrift Jerry Wests, der kürzlich als Berater von den Warriors geholt wurde. West führt offenbar das Meinungslager an, dass sich die Big Three "überspielt" habe und nicht mehr in der Lage sei, im Konzert der ganz Großen mitzumischen. Dazu passt der Verzicht eines Maximal-Angebots an CP3.

Bei Griffin verhält sich das freilich anders, da er noch ein paar Jahre jünger ist. Es gilt weiterhin als Priorität in L.A., den No.1-Pick von 2009 zu halten. Denn: Man könnte auch um ihn herum neu aufbauen und weiter wettbewerbsfähig (zumindest im Playoff-Rennen) bleiben. Die im Paul-Trade erworbenen Puzzleteile sind diesbezüglich eine große Hilfe.

Beverley verdient im kommenden Jahr nur 5,5 Millionen Dollar, ist aber einer der besseren Point Guards der Liga. Über 2018 hinaus ist sein Gehalt nicht mehr garantiert. Williams ist ebenfalls kein Risiko: Er wird Scoring liefern und 2018 Free Agent. Und die Bigs Montrezl Harrell und Sam Dekker stecken noch in ihren Rookie-Verträgen, wobei sie ihr Potential zumindest immer wieder aufblitzen ließen. Der einzig unangenehme Vertrag im Roster gehört Jamal Crawford (knapp 15 Millionen nächste Saison), doch auch damit ist im Sommer 2018 Schluss.

Geht Griffin jedoch, sieht die Lage ganz anders aus. Dann wäre es auch eine Option, DeAndre Jordan billig zu traden - bevor dieser im Sommer 2018 als Free Agent geht. In diesem Fall wäre sogar das allseits beliebte Tanking eine Option, zumal es in der kommenden Saison wenig "Konkurrenz" hinsichtlich dieser Taktik geben dürfte. Kurz: Ohne Griffin gibt es einen Neuanlauf via Draft, mit ihm einen über die Free Agency. Zum erneuten Contender-Status ist es aber ein sehr weiter Weg.

Was bedeutet der Trade für Chris Paul?

CP3 befindet sich am Ende seiner Prime - und steht als einer der besten Point Guards der letzten Dekade ohne Teilnahme an den Conference Finals da. Seine größte Priorität war es, dies zu ändern. Diese Möglichkeit hat er bei den Clippers nicht mehr gesehen.

Der Knackpunkt dürften die Playoffs 2015 gewesen sein, als die Clips in der zweiten Runde gegen die Rockets mit 3-1 führten, dann aber komplett einbrachen und sich die Butter vom Brot nehmen ließen. Bis heute fehlen die Erklärungen dafür, wie das passieren konnte - vor allem, nachdem man in Spiel 6 sieben Minuten vor Schluss noch mit 15 Punkten geführt hatte.

Nach diesem Debakel war das Team psychisch gebrochen und es folgten zwei von Verletzungen überschattete Erstrunden-Pleiten gegen die Blazers und die Jazz. Die Wolke der Erfolgslosigkeit erschien einfach zu groß, der Glaube an den einen Run fehlt seit 2015. Deshalb braucht Paul einen Neuanfang im komplett neuen Umfeld.

Die Rockets haben einen deutlich besseren Ruf als die Clippers und spielen eine ganz andere Art des Basketballs, was natürlich vor allem mit Coach D'Antoni zusammenhängt. "Pace-and-Space" beziehungsweise "7 seconds or less" stehen im Vordergrund, was für Paul Neuland ist. Auch D'Antoni hat noch nie einen Floor General mit dieser Spielweise unter sich gewusst und wird sich überlegen müssen, wie er CP3 einzusetzen gedenkt.

Beide sind aber smart genug, um Wege zu finden, wobei Paul deutlich wenier zu verlieren hat. Geht das Experiment schief, kann er es 2018 überdenken. Nur: Bei einem Team mit noch größerem Contender-Status als die Rockets ist kein Platz für einen hochkarätigen Point Guard. Er wird also alles daransetzen, sein ultimatives Ziel in Texas zu erreichen.

Können Paul und Harden zusammenspielen?

Paul und der Bart in einem Backcourt? Kann das gutgehen? Die Frage liegt auf der Hand: Beide waren in der abgelaufenen die primären Ballhandler ihres Teams. Paul hatte eine Usage-Rate von 24,4 Prozent, Hardens lag gar bei 34,2.

Zudem übernahm Harden unter D'Antoni den Job als Point Guard und spielte prompt die mit Abstand beste Saison seiner Karriere. Der nominelle Einser Patrick Beverley fügte sich seinem Schicksal wohlwollend und wich auf die Zwei aus, was Floor General Paul aber nicht mitmachen wird.

Deshalb wird The Beard wieder den Part als Flügelspieler übernehmen und entsprechende Spielanteile abgeben. Ein allzu großes Problem sollte das zunächst nicht sein, schließlich ist er in der Lage, Catch-and-Shoot-Dreier zu treffen oder als Cutter zum Erfolg zu kommen.

Paul ist zwar kein ausgewiesener Distanzwurf-Experte, er funktioniert aber von draußen mittlerweile konstant genug, um nach Harden-Drives eine Helpside zu bestrafen. Ein zu großes Ego, das sich beschwert, wenn doch mal Harden kreiert und organsiert, gibt es bei ihm eher nicht.

Bei Harden läge die Versuchung nah, das anders zu sehen: Doch die Tatsache, dass er aktiv an der Akquise von Paul beteiligt war, zeigt, dass er bereit ist auf Einfluss zu verzichten.

Am einfachsten fasst aber zweifelsohne Coach D'Antoni die Situation zusammen: "Je mehr Point Guards man auf dem Feld hat, desto besser."