Dante Exum galt als große Unbekannte im Draft - und dennoch als potentieller Top-3-Pick. Ein einziger Auftritt hatte Scouts und Teams, trotz fehlender College-Erfahrung, ganz verrückt nach dem Australier werden lassen. Gelandet ist er schlussendlich bei den Utah Jazz, die ihm ein günstiges Umfeld für die ersten NBA-Schritte bieten.
Oft übt gerade das Unbekannte einen ganz besonderen Reiz aus. Speziell, wenn man nur einen kurzen Blick erhaschen darf, der gerade so viel Neugierde weckt, dass man unbedingt mehr sehen möchte. Am besten natürlich sofort. Ist dann aber monatelange Geduld gefordert, ehe sich das Objekt der Begierde erneut präsentiert, steigt die Vorfreude ins Unermessliche. In etwa so dürfte sich das Verhältnis zwischen Dante Exum und der NBA beschreiben lassen.
Begonnen hat alles beim Nike Hoop Summit 2013. In Portland trafen sich die vielversprechendsten Prospects zum Spiel USA gegen Rest der Welt. Jabari Parker war dabei. Joel Embiid war dabei. Auch Andrew Wiggins gab sich die Ehre. Und eben ein Australier namens Exum. Mit 16 Punkten füllte der Point Guard das Scoreboard. Was die Scouts zwischen L.A. und New York ganz nervös werden ließ, waren jedoch nicht die nackten Zahlen.
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Es war viel mehr ein schneller erster Schritt. Unglaubliche Athletik - und nicht zuletzt 1,98 Meter. Denn Exum lief nicht etwa als Shooting Guard auf, er gab den Playmaker der Internationals. "Jackpot", werden sich einige Teams gedacht haben. Athletische, großgewachsene Einser erfreuen sich in der NBA schließlich allergrößter Beliebtheit. Schnell werden Vergleiche zu Anfernee Hardaway gezogen, der Mitte der 90er auf bestem Wege war, seine Position zu revolutionieren, ehe diverse Knieverletzungen seine Karriere ausbremsten und schlussendlich viel zu früh beendeten.
Jordan, immer wieder Jordan
Rein spielerisch mögen Parallelen zu Penny durchaus zu finden sein, mit einer anderen Legende, der Legende, verbinden Exum jedoch weitaus intensivere Gemeinsamkeiten. Analogien zu Michael Jordan pflastern geradezu den Weg des 18-Jährigen. Natürlich gibt es für einen Basketballer schlechtere Gesellschaft als His Airness, diese eine Geschichte hätte sich Exum aber wohl dennoch gern erspart.
Eine Geschichte, die Jordans Karriere noch legendärer machte als sie es ohnehin bereits ist, die einen Teenager aber durchaus mitnehmen kann. Exum nennt sie heute lächelnd nur noch seine "Michael Jordan Story". Wie MJ an der Highschool war auch Exum in jungen Jahren zunächst nicht gut genug. Jedenfalls in den Augen der Coaches. In Melbourne verpasste er den Sprung in ein U-16-Team.
"Das war vielleicht das Tragischste, das ihm je passiert ist", zitiert "ESPN" Exums Mutter Desiree. "Es war seine erste richtig große Enttäuschung." Und um diese Enttäuschung nicht zu groß werden zu lassen, entscheidet sich Familie Exum, Dante für ein Basketballcamp in die USA zu schicken. Man sucht, man wird fündig. In Los Angeles. An der UCLA. Aufgrund der kürzeren Flugzeit von Melbourne aus ist die Westküste erste Wahl - obwohl Vater Cecil seinen Sohn eigentlich gern an ganz anderer Stelle gesehen hätte.
"Ich wollte natürlich, dass er zu einem Camp in North Carolina geht", erzählt er. Weshalb? Ganz einfach: Cecil Exum spielte einst selbst für die Tar Heels. Und das auch noch zwischen 1982 und 84. Just zu jener Zeit, zu der ein gewisser Michael Jeffrey Jordan Chapel Hill zu seiner ganz persönlichen Bühne machte. Wieder so eine Analogie.
Nur 23 internationale Spiele
Apropos, Analogie. 23 Spiele hat Dante Exum mittlerweile auf internationalem Parkett bestritten. 23 Spiele, in denen Scouts die Möglichkeit hatten, sein Spiel noch einmal genau zu sezieren. 2012 spielte er die U-17-WM, 2013 die U-19-WM. Und gerade das Turnier in Prag gab Zweiflern Nahrung. Zu Beginn hatte Exum nämlich tatsächlich Probleme. Gegen die USA und Point-Guard-Kollege Marcus Smart gelangen ihm in elf Minuten beispielsweise nur 7 Zähler.
Zu selten habe sich Exum bislang auf hohem Niveau bewiesen, heißt es. Auch der Wurf sei noch zu wacklig. "Momentan basiert bei ihm alles auf Potential", zitiert "ESPN" einen nicht genannten GM. Dass Exum davon reichlich besitzt, ist mittlerweile bekannt. Sollten dennoch Zweifel bestanden haben, legte er während der finalen vier Spiele der U-19-WM im Schnitt 25,5 Punkte auf und führt Australien schlussendlich auf Rang vier.
Einzeltraining statt College
Das Problem: Im Anschluss verschwindet Exum wieder in die Heimat. Weit weg von der NBA, weit weg von all den Scouts, die ihn so gern genauer analysieren würden, schließt er die Highschool ab. Im Dezember ist Schluss am Australian Institute of Sport in Canberra. Ein halbes Jahr bleibt bis zum Draft.
Was also tun? Coaching-Legende John Calipari bietet Exum an, bis Saisonende nach Kentucky zu wechseln, um wenigstens ein wenig College-Erfahrung zu sammeln. Die Familie lehnt jedoch ab. "Das wäre ein riesiger Nachteil gewesen", erklärt Vater Cecil. "Schließlich hätte er keine Vorbereitung gemacht."
Zusätzliche Risiken möchte Exum einfach nicht eingehen. Immerhin ist allein der Sprung direkt von der australischen Highschool in die beste Basketballliga der Welt bereits Risiko genug. Deshalb reist Exum auch im Februar nach Anaheim, wo er in derselben Halle trainiert, die bereits Kobe Bryant für seine Einheiten nutzte.
Und natürlich werden wie bei der Black Mamba Vorhänge verwendet, um die Einheiten von neugierigen Blicken abzuschirmen. Exum scheint die Rolle des großen Unbekannten mittlerweile zu genießen. "Ich bin gern ein Mysterium", sagt er. "Sie haben mich noch nicht gesehen und konnten mein Spiel deshalb auch noch nicht zerpflücken. Und sie haben auch nicht gesehen, wie sehr ich mich im vergangenen Jahr verbessert habe."
Intensive Vorbereitung mit namhaften Coaches
Bezweifeln sollte das niemand. Immerhin hat sich Exum vier Monate lang gezielt auf die NBA vorbereiten können. Mit herausragenden Coaches. Rob McClanaghan betreute beispielsweise bereits Derrick Rose, Steph Curry und Kevin Durant. Geschunden wurde Exum von Tim Grover, Kobes Fitnesscoach.
Entspannend war der Ausflug also sicherlich nicht, dafür umso lohnenswerter. Beim Combine überzeugte Exum durchweg mit starken Werten und auch die Workouts liefen beeindruckend. Erfreulich war zudem Exums reifes Auftreten, das ihn bei allen Persönlichkeitstests exzellent abschneiden ließ. Mittlerweile gilt er sogar als intelligentester Spieler des gesamten Jahrgangs.
Sixers-Coach Brett Brown, der einen Teil seiner Karriere in Australien verbrachte und unter anderem Cecli Exum bei den North Melbourne Tigers coachte, hat auch direkt eine Erklärung parat. "Die Kultur und Art des Basketball verhilft zu einer ausgeglichenen Persönlichkeit", lobt Brown die Arbeit am Australian Institut of Sports. "Das fördert Reife und lässt einen wachsen. Natürlich sieht er die Welt auch dank seines Vaters, der früher selbst Basketball spielte, anders."
Gute Voraussetzungen in Utah
Andersherum sieht auch die Welt Dante Exum mittlerweile anders. Vor einem Jahr beim Hoop Summit ist er die große Überraschung. Erwartungen hegt damals niemand. Und heute? Heute gilt Exum als großes Versprechen an die Zukunft. Als kommender Superstar. Er wird mit Hardaway verglichen. Sogar Spuren von Kobes Spiel wollen einige beim Australier entdeckt haben.
Dann brach sich Joel Embiid den Fuß und plötzlich war Exum ein fast sicherer Top-3-Pick. Am Ende überwogen allerdings zumindest in Cleveland, Milwaukee, Philadelphia und Orlando die Zweifel, ob der Sprung von der australischen Highschool in die NBA so einfach zu bewerkstelligen sei. Ausnahmetalent hin oder her.
Also schlugen die Jazz zu und holten Exum als fünften Pick nach Salt Lake City. Dort trifft er auf ein junges Team um Trey Burke, Gordon Hayward - so er denn gehalten wird -, Derrick Favors und Enes Kanter. Abseits der großen Märkte New York, L.A. oder Chicago kann er sich dort in Ruhe entwickeln. Großen Druck werden die Jazz nicht ausüben. Sie müssen ihren neuen Guard erstmal kennenlernen. Neugierde dürfte durchaus vorhanden sein.