Dirk Nowitzki hat bekanntgegeben, dass er aus seinem Vertrag bei den Dallas Mavericks aussteigen wird. Was steckt dahinter? Was bedeutet das für die Mavs? Und wie geht es jetzt weiter? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen zur Nowitzki-Personalie.
Warum steigt Nowitzki aus?
Auch mit nunmehr fast 38 Jahren ist Dirk Nowitzki immer noch hungrig nach Erfolg. Die Jahre nach der Meisterschaft 2011 liefen nicht gerade optimal für die Dallas Mavericks. "Seit der Meisterschaft sind wir im Grund immer in der ersten Runde raus. Wir waren meist Siebter oder Achter und haben nur ein paar Playoff-Spiele gewonnen und unser Ziel war eigentlich in meinen letzten Jahren auf höchstem Level zu performen", erklärte Nowitzki dem Radio-Sender KTCK-AM 1310.
Das wurmt den Deutschen und so möchte er mit dem Verzicht auf sein letztes Vertragsjahr, das ihm knapp 8,7 Millionen Dollar eingebracht hätte, der Franchise erneut die Möglichkeit geben, mehr Handlungsfähigkeit im Kampf um die Free Agents zu haben. Bereits bei seiner letzten Vertragsverlängerung 2014 verzichtete Nowitzki auf eine Menge Geld, damit die Mavs mit den freigewordenen Ressourcen die Mannschaft verstärken konnten.
Die Dollar-Scheine wandelten damals hauptsächlich in die Taschen von Chandler Parsons. Der Forward war allerdings aufgrund von Verletzungen bislang noch die angedachte Verstärkung, doch Parsons besitzt das Talent, ein wichtiger Eckpfeiler der Mavs-Zukunft zu sein.
Um nichts anderes geht es Nowitzki auch dieses Mal. Der Superstar hat in seiner 18-jährigen Karriere rund 217 Millionen Dollar an Gehältern eingestrichen und längst ausgesorgt. Da würde ein weiterer Gehaltsverzicht überhaupt keine Rolle spielen. Es muss auch gar nicht so weit kommen. In erster Linie geht es um Flexibilität bei der Kaderplanung.
Dass er noch einmal für ein anderes Team spielen wird, hat Nowitzki mehrfach ausgeschlossen. Dies erneuerte der Power Forward nun noch einmal. "Als wir den Titel geholt hatten, stand für mich fest, dass ich meine Karriere hier beenden will. Das habe ich immer gesagt. Daran hätte sich nur etwas geändert, wenn die Franchise auf einen völligen Rebuild, quasi mit fünf Rookies in der Startformation, gesetzt hätte. Aber Mark und Donnie wollten immer Erfolg mit der Franchise. Es gibt keinen Grund, irgendwo hinzugehen."
Auch ein Karriereende steht nicht zur Debatte. Jegliche Gerüchte in diese Richtung wischte er bereits direkt nach dem Playoff-Aus gegen die Oklahoma City Thunder vom Tisch. "Ich werde definitiv nicht aufhören, das steht außer Frage für mich. Ich habe mich in diesem Jahr großartig gefühlt."
Im Radio-Interview deutete der Deutsche vielmehr die Möglichkeit eines neuen Zweijahresvertrags an. "Ich habe immer gesagt, dass 20 Jahre in dieser Franchise einfach unglaublich wären. Das ist hier meine 18. Saison." Allerdings will Nowitzki erst die Gespräche mit GM Donnie Nelson und Besitzer Mark Cuban abwarten.
Was bedeutet das für die Mavericks?
In erster Linie kann sich die Franchise glücklich schätzen, solch einen Vorzeigeprofi als Kopf des Teams zu haben. Auch wenn schon andere Superstars auf Geld verzichtet haben, um einen besseren Supporting Cast an ihrer Seite zu wissen, geht das bei Nowitzki noch weit darüber hinaus. Diese offen gelebte Loyalität ist im heutigen schnelllebigen Sports Business eine angenehme Ausnahme.
Das wissen gerade die Mavericks nach dem Jordan-Desaster aus der letztjährigen Free Agency zu schätzen. Dementsprechend werden Nelson und Cuban auch in diesem Sommer wieder alles daransetzen, ihrem Superstar einen Kader an die Seite zu stellen, der im Westen mithalten kann. Die Franchise sieht sich bis heute in der Bringschuld, weil die Verantwortlichen das Meisterteam von 2011 auseinanderfielen ließen.
"Natürlich fühle ich mich schlecht deswegen und es tut mir Leid für Dirk. Wir wollen alle mehrere Championships gewinnen, wir wollen zumindest immer in den Kampf eingreifen können, aber leider gibt es keine einfache Formel dafür. Wir wollten Dirk mit Star-Power umgeben, aber die Free Agency ist bekanntlich nicht so gelaufen, wie wir uns das gewünscht hätten", gab Nelson unlängst im SPOX-Interview zu.
Nach fünf mehr oder weniger erfolglosen Free Agencies ist den Mavs bewusst, dass die Franchise nicht die Strahlkraft anderer Märkte besitzt. Da hilft es, wenn man mit dem einen oder anderen Dollar-Schein mehr wedeln kann. Diese Flexibilität gibt Nowitzki ihnen.
Der Roster war in den vergangenen Jahren immer auf kurzfristige Verträge ausgelegt. Eine Folge der Niederlagen im Wettbieten um die großen Stars. Dallas musste sich häufig für Plan B, C oder D entscheiden. Es blieb ein zusammengeschusterter Kader mit vielen Veteranen, der sich aufgrund von Nowitzkis überragender Qualitäten und Coach Rick Carlisles Brillanz dennoch immer irgendwie in die Playoffs mogelte.
Und so stehen für die kommende Saison wieder nur fünf Spieler (Wes Matthews, JJ Barea, Devin Harris, Justin Anderson und Jeremy Evans) sicher unter Vertrag. Parsons und Deron Williams können aus ihren Verträgen aussteigen, die Arbeitspapiere von JaVale McGee und Salah Mejri sind nicht garantiert.
Ein Rebuild ist dennoch ausgeschlossen. "Wir werden auf keinen Fall den Stecker ziehen, solange Dirk noch spielt. Wir hatten immer wieder Möglichkeiten, Picks zu ergattern, aber wir haben uns für erfahrenere Jungs entschieden. Dirk hat sich 18 Jahre lang für uns zerrissen und es sich auf jeden Fall verdient, dass wir einen Teil unserer Zukunft opfern und er seine Karriere in einer möglichst guten Art und Weise beenden kann", verspricht Nelson.
Was bedeutet das für die Teamkollegen?
Nowitzki sendet ein klares Zeichen, dass er sich mit der Mittelmäßigkeit der letzten Jahre im Herbst seiner Karriere nicht abfinden will. "Das ist nur ein Move, der hoffentlich eine Kettenreaktion auslösen wird, die uns wieder besser macht und uns auf einem sehr hohen Level mithalten lässt. Wir werden sehen, wie es läuft", sagte Nowitzki und erhöhte damit den Druck auf seine Teamkollegen.
Vor allem Parsons darf sich angesprochen fühlen. Der Small Forward konnte seinen bisherigen hochdotierten Vertrag (16 Millionen Dollar in der kommenden Saison), den er in erster Linie dem Gehaltsverzicht des Deutschen zu verdanken hat, bislang nicht rechtfertigen.
Der 27-Jährige ließ bei den Exit-Interviews bereits durchblicken, dass auch er sich vorstellen könnte, aus seinem Vertrag auszusteigen, um einen neuen, langfristigen Kontrakt zu unterschreiben. "In meinem Hinterkopf ist Dallas mein Zuhause", sagte Parsons. "Ich kam her, um ein großartiger Spieler zu werden und viele Spiele zu gewinnen, und das ist bisher noch nicht passiert. Ich habe das Gefühl, dass meine Aufgabe hier noch nicht erledigt ist, daher würde ich sie gerne vorantreiben. Deswegen hoffe ich, dass wir schnell zu einer Einigung kommen."
Der Vertrag könnte dabei so gestaltet werden, dass Parsons Gehalt in den ersten beiden Jahren für NBA-Verhältnisse moderat ist und erst nach Nowitzkis wahrscheinlichem Karriereende in zwei Jahren kräftig ansteigt.
Ist das wahrscheinlich? Eher nicht! Der neue TV-Vertrag lässt den Salary Cap in den nächsten Jahren stark ansteigen. Dementsprechend viel frisches Geld steht zur Verfügung. Es werden genug Teams bereit sein, Parsons und auch Deron Williams, der aktuell 5,6 Millionen Dollar verdient und ebenfalls aussteigen kann, über Maße zu entlohnen.
Gerade D-Will hat nach seinen verschenkten Jahren bei den Nets in Dallas bewiesen, dass er immer noch ein guter - wenn auch weiterhin verletzungsanfälliger - Point Guard sein kann. Zudem sind im Sommer nicht viele Spielmacher auf dem Markt. Williams muss sich entscheiden, ob er sich für die Wohlfühlatmosphäre seiner Heimatstadt oder das dicke Portemonnaie anderswo entscheidet.
Es hat nunmal nicht jeder diese Verbundenheit zu den Mavericks wie Nowitzki. Das sollte man keinem Spieler übel nehmen oder es voraussetzen, nur weil es eben der Deutsche vorlebt. Letztlich ist die NBA immer auch ein Geschäft und in einer Liga, in der Trades und Zehntagesverträge zum Alltag gehören, kann niemand diese Treue verlangen oder voraussetzen.
Und so dürfte Nowitzkis Entscheidung trotz aller Bekundungen von Parsons und Williams keinen sonderlich großen Einfluss auf die Karriereplanungen der beiden Starter haben. So bleibt - Stand jetzt - ein ordentlicher Kern mit Shooting Guard Wes Matthews, den Guards JJ Barea und Devin Harris, Überraschungs-Rookie Justin Anderson und Bankdrücker Jeremy Evans. Das ist okay - aber eben auch nicht mehr.
Welche Star-Spieler sind auf dem Markt?
Die Free Agency steht unter dem Motto "The Summer of Durant" und man muss kein Prophet sein, um zu sagen, dass die Mavs bei der Party nur Zaungast sein werden - spätestens nach KDs Liebesbotschaft Richtung Mark Cuban dürften jegliche geplante Avancen ad acta gelegt worden sein. Aber auch vorher war Dallas im Grunde chancenlos.
Die Mavs werden sich wieder mit der Kategorie darunter zufriedengeben müssen. So soll nach Informationen des Fort Worth Star-Telegram erneut Dwight Howard ein Thema sein. Der Center, der sich 2013 gegen Dallas und für die Houston Rockets entschied, wird sehr wahrscheinlich aus seinem Vertrag aussteigen und aus Harden City flüchten.
Die Frage wird sein, ob die Mavericks bereit sind, dem verletzungsanfälligen Center einen Max-Deal anzubieten, denn irgendein Team wird das Risiko sicher eingehen. Sollte sich D12 erneut für eine andere Franchise entscheiden, sollen Al Horford, Pau Gasol und Hassan Whiteside mögliche Kandidaten sein.
Gasol hat ebenfalls die Möglichkeit, aus seinem Vertrag bei den Chicago Bulls auszusteigen und wird das dem Vernehmen nach tun. Aber der Spanier an der Seite von Nowitzki? Das dürfte in der Defensive verheerend werden. Außerdem liebäugelt der spielintelligente Big Man mit einem Engagement in San Antonio.
Bei den Kollegen Horford und Whiteside dürfte Dallas ebenfalls nicht das einzige Team sein, das den Hut in den Ring wirft. Geld ist schließlich bei allen Teams im Überfluss vorhanden.
Doch nicht nur auf den großen Positionen besteht Bedarf. Es fehlt vor allem auf der Drei - gerade wenn Parsons dem Werben eines anderen Teams erliegen sollte. Passende Kandidaten wären Nicolas Batum und Luol Deng. Auch Harrison Barnes ist unter Umständen auf dem Markt. Der Warriors-Forward konnte sich nicht auf eine vorzeitige Vertragsverlängerung einigen und ist daher im Sommer Restricted Free Agent. Auch hier werden die Mavs große Konkurrenz haben.
Sollte auch Williams die Mavs verlassen, könnte Mike Conley ein Ersatzkandidat sein. Der Grizzlies-Guard ist das erste Mal in seiner Karriere Free Agent, tendiert aber zu einem Verbleib in Memphis. Ein anderer Spielertyp auf dem Point-Guard-Markt wäre Brandon Jennings. Doch der Playmaker sucht nach einem Achillessehnenriss nach seiner Form und wäre eine Risikoverpflichtung.
Die Auslage im Supermarkt der NBA-Stars war auf jeden Fall schon mal besser gefüllt. Von daher gilt es für Mavericks ein weiteres Mal darum, kreativ zu sein.
Wird sich Nowitzkis Rolle verändern?
Nowitzki hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er eine kleinere Rolle akzeptieren würde, wenn die Mavs große Fische an Land ziehen sollten. Der Deutsche würde sogar den Sixth Man geben, wenn es dem Team helfen sollte.
Doch bleiben wir realistisch. Diese Szenarien geistern seit 2-3 Jahren durch Dallas, aber am Ende schauten doch wieder alle auf Nowitzki. Der Forward wird der Dreh- und Angelpunkt der Mavs bleiben, dafür ist er trotz seines fortgeschrittenen Alters einfach noch zu gut und auch zu wichtig.
Ähnlich wie bei Tim Duncan spielte Athletik nie eine große Rolle im Spiel. Dementsprechend schaffen es beide, auch im Herbst ihrer Karriere noch dominant zu sein. Nowitzki bewies dies gleich mehrfach in der abgelaufenen Saison. Der Würzburger ist immer noch für die eine oder andere Vintage-Performance gut und kann sich ansonsten seine Kräfte so einteilen, dass er in den entscheidenden Phasen übernehmen kann.
Es wäre sicher ein Optimalfall, wenn die Mavericks Nowitzki von der Bank bringen könnten. Das würde bedeuten, dass sie es endlich mal geschafft hätten, in der Free Agency richtig abzuräumen und so viel Starpower beisammen hätten, um sich eben diesen Luxus erlauben zu können.
Allerdings ist davon auszugehen, dass Nowitzki sportlich eine ähnliche Rolle wie in der letzten Saison spielen wird. Abseits des Hardwoods wird sich ohnehin weiter alles um Dirk drehen. Als Führungsfigur ist er unverzichtbar. Er ist der Kopf des Teams, Motivator und Ansprechpartner für die jungen Spieler.
"Das größte Highlight für mich - und das meine ich ernst - war es, mit Dirk zusammenzuspielen, Momente auf und abseits des Platzes mit ihm zu erleben. Ich bin so glücklich, diese Erfahrung gemacht zu haben, von ihm zu lernen, mit ihm Witze zu machen und ihn näher kennenzulernen. Das Leben geht weiter, Basketball ist temporär. Die Freundschaften gehen darüber hinaus", sagte Zaza Pachulia zum Abschied aus Dallas. Und der ist bekanntlich kein junger Hüpfer mehr, sondern ein gestandener Veteran.