Die Brooklyn Nets haben in Philadelphia einen überzeugenden Sieg eingefahren, es überragen Kevin Durant und Kyrie Irving. Auf Seiten der Sixers hinterlässt dagegen die Performance von James Harden jede Menge Fragezeichen.
1. Kevin Durant bleibt Kevin Durant
Kevin Durant lebt für diese Momente. Eine aufgeheizte Arena, Playoff-Atmosphäre und ein Spiel, welches von allen NBA-Fans rot im Kalender umkreist war. Es war mal wieder eine Erinnerung, dass absolut kein Team eine Serie gegen einen fitten Durant bestreiten möchte. 25 Punkte, 14 Rebounds und 7 Assists in gut drei Vierteln bei 10/17 aus dem Feld drückten die Dominanz des Forwards gar nicht genug aus.
Es war schnell klar, dass KD ein Zeichen setzen wollte. Auf einen smoothen Midrange-Jumper folgte ein furioser Dunk - und der zweifache Finals-MVP ließ danach seinen Emotionen freien Lauf. "Seht her, wir sind immer noch hier", so lässt sich sein Blick in Richtung Pressetribüne, auf der unter anderem auch Shams Charania saß, deuten.
Acht seiner zehn Field Goals waren Jumper, zumeist wackelte nicht einmal das Netz. Tobias Harris stand zumeist auf verlorenem Posten gegen Durant, der auch defensiv engagiert war und auch das ein oder andere Mal das Matchup mit Joel Embiid annahm, defensiv wie offensiv.
Zum Privatduell mit Embiid kommen wir später, es zeigte sich aber erneut, dass Durant mit seinen Aufgaben wächst. Auch nach einem Achillessehnenriss und seiner kürzlich erlittenen Innenbandstauchung kann KD mit Wucht attackieren, so gesehen im ersten Viertel, als KD gegen den Sixers-Center ein And-1 zog.
2. Lasst sie einfach spielen!
Apropos Embiid und Durant. Die beiden Superstars geigten sich in der Anfangsphase ordentlich die Meinung, nachdem Phillys MVP-Kandidat mal wieder ein Foul gezogen hatte, mit welchem KD nicht einverstanden war. Es ging eine ganze Weile hin und her zwischen den beiden, die Referees griffen nicht ein.
So muss das sein, so sollte die NBA aussehen. Rivalitäten, immer sportlich ohne jeglichen albernen Twitter-Beef. Ein Lob auch an die Refs, die keine technischen Fouls verteilten. Dafür gab es auch Anerkennung von LeBron James und Draymond Green, die sich dieses Spiel ebenfalls nicht entgehen lassen wollten.
3. Embiid nur mit Fouls zu stoppen, aber ...
Ansonsten war die Linie der Schiedsrichter jedoch recht kleinlich, vermutlich auch, um dem Ganzen etwas das Feuer zu nehmen. Embiid zog alleine im ersten Viertel 13 Freiwürfe und hing seinem speziellen Freund Andre Drummond (endlich gibt es dieses Duell wieder!) sowie Bruce Brown innerhalb weniger Minuten je drei Fouls an.
16 Punkte hatte der Center bereits nach einem Viertel, dennoch verloren die Sixers diese Minuten mit 12 Zählern. Diese Offense der Sixers hatte keinerlei Flow, alles war mechanisch und teilweise behäbig. Auch der Stimmung in der Arena half es nicht, dass es so viele Unterbrechungen gab. Embiid im Post zu suchen, ist grundsätzlich eine gute Idee, doch wenn dies beinahe der einzige Plan ist, ist das bedenklich. Darüber hinaus gab es zu wenig Bewegung, wenn der Kameruner seinen Gegenspieler auf den Rücken nahm.
So konnten die Nets ihre Double Teams besser timen und Embiid immer wieder zu Risiko-Pässen zwingen. Der Center machte es dafür noch gut, doch fehlte zu oft der schnelle Extrapass, sodass die Nets wieder zu ihren Gegenspielern zurückkehren konnten. Ganz aus dem Spiel kann man Embiid nicht nehmen, aber man kann ihn arbeiten lassen und das tat Brooklyn.
Nur fünf von 17 Versuchen gingen für Embiid durch die Reuse, direkt unter dem Korb bekam der Big nur drei Versuche, 2/9 in der Zone ist mal so gar nicht Embiid-like. Die Nets sind dabei ein interessantes Matchup. Wirklich stoppen kann den MVP-Kandidaten keiner, aber mit Andre Drummond, Nicolas Claxton oder auch James Johnson haben die Nets so viele verschiedene Optionen wie womöglich kein anderes Team im Osten.
Trotz allem war es für die Sixers an diesem Abend die beste Variante, umso unverständlicher, dass Embiid im dritten Viertel kaum noch den Ball im Post sah. Streng genommen war da das Kind aber bereits in den Brunnen gefallen.
4. Kyrie hatte mal wieder Lust
Vor zwei Tagen legte Irving das effizienteste 50-Punkte-Spiel der Geschichte auf und auch in Philly knüpfte der Guard nahtlos an diese Performance an. Es wurden zwar nur 22 Zähler (8/17 FG), doch vor allem in Halbzeit eins zeigte Irving, dass er kaum zu verteidigen ist. Sixers-Edel-Verteidiger Matisse Thybulle mühte sich nach Kräften, doch mehr als ein geblockter Dreier war für den Forward nicht drin.
Es gibt weiterhin kaum einen Spieler (mit seiner Größe), der mit einer solchen Leichtigkeit Platz für sich kreieren und dann abdrücken kann. Wenn dann auch noch ein Durant an seiner Seite spielt, wird es schnell unfair. Die Sixers machten es Irving teilweise aber auch sehr leicht. Eine Drop Coverage - der gegnerische Big kommt im Pick'n'Roll nicht hoch zum Block - ist gegen Irving keine Lösung, das mussten die Gastgeber schmerzhaft erfahren.
Beinahe noch interessanter war, mit welchem Einsatz Irving in der Defense agierte. Teilweise checkte Uncle Drew James Harden schon direkt nach dem Einwurf und rieb sich tatsächlich gegen den deutlich bulligeren Gegenspieler auf. Wenn er das doch nur konstant so machen würde ...
5. Das Mysterium James Harden
Böse Zungen möchten meinen, dass es fast schon abzusehen war, dass Harden ein schwaches Spiel abliefern würde, weil dieses gefühlt in einem Playoff-Szenario stattfand. Und die Spötter dürfen sich bestätigt fühlen (cc Bill Simmons: "Small Game James"). Nach vier guten Auftritten gegen meist schwache Gegner (sorry an die Knicks und die gebeutelten Cavs) war dies der erste Rückschlag in der Embiid-Harden-"Ära".
11 Zähler, 3/17 aus dem Feld - am Ende sprach niemand mehr darüber, dass Harden Reggie Miller bei den meisten verwandelten Dreiern für Platz drei schluckte. Distanzwürfe waren auch das einzige, was dem 32-Jährigen an diesem Abend gelang. Aus dem Zweierbereich blieb Harden ohne Punkte, das passierte dem Guard in seiner langen Karriere von 926 NBA-Spielen noch nie.
Harden wirkte behäbig und war meist damit beschäftigt, irgendwie Fouls zu schinden, doch dieses Spiel spielten die Referees nicht mit. Stattdessen wurde "The Beard" satte sechsmal abgeräumt, auch das dürfte dem neunfachen All-Star noch nie untergekommen sein. Hardens Drives endeten fast ausschließlich in einem Block oder einem Turnover (insgesamt 4), dagegen stand nur ein gepfiffenes Shooting Foul.
Nach der Pause erzielte Harden überhaupt keine Punkte mehr, stattdessen war der MVP von 2018 später mit einer bandagierten Wade auf der Bank zu sehen. Wie sehr ihn das beeinträchtigte? Das weiß nur er, nach der Partie äußerte sich der Spielmacher zumindest nicht, sprach aber davon, dass dem Team allgemein der Schwung gefehlt habe.
Es ist ein wiederkehrendes Thema mit Harden. Wie fit ist er wirklich? Hat er im Vergleich zu seinen besten Jahren abgebaut? Fakt ist, dass sich die schwächeren Spiele häufen, auch wenn er in Philadelphia seine Sache bisher gut machte. Dennoch - und Zach Lowe brachte es kürzlich in seinem Podcast auf den Punkt -, für keinen Spieler steht in den kommenden Playoffs mehr auf dem Spiel als für Harden - sowohl im Hinblick auf die eigene Legacy als auch auf die anstehende Free Agency.
6. Rivers-Lineups
Klar ist auch, dass die Sixers für Harden Tiefe geopfert haben, namentlich Seth Curry. Der Schwiegersohn von Coach Doc Rivers lieferte den Nets das, was Philly vermisste. Einen dynamischen Guard, der Druck auf die Defense ausüben kann. Harden war das nicht, aber auch Tyrese Maxey (4, 2/7 FG) war an diesem Abend überhaupt kein Faktor.
Das mag nächstes Spiel schon wieder ganz anders aussehen, dennoch würde den Sixers ein weiterer Schütze gut zu Gesicht stehen, obwohl die Gastgeber aus dem Dreierland recht passabel trafen (14/36). Ob Curry auch in den Playoffs eine solch große Rolle für die Nets spielen kann, bleibt abzuwarten. Dass Kevin Huerter gegen die Sixers in Spiel 7 der vergangenen Semifinals heiß lief, lag auch an der fehlenden Länge von Curry, dennoch könnten die Sixers ihn gut gebrauchen.
Darüber hinaus wirkt der Kader nicht unbedingt ausbalanciert bzw. ließ Rivers (mal wieder) teils fragwürdige Lineups spielen. Als die Nets Durant auf die Fünf stellten, reagiert der Sixers-Coach (mal wieder) nicht und setzte auf einen Frontcourt mit Georges Niang, Harris und DeAndre Jordan. Das war zum Scheitern verurteilt und so sah es dann auch aus.
Diese Kombination ist schlichtweg zu langsam, um überhaupt den Hauch einer Chance gegen Durant zu haben, gerade Jordan hat eigentlich keinen Platz gegen einen solchen Gegner.
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