NBA Mailbag: Diese Regel-Revolution könnte noch mehr Playoff-Drama bringen - und Luka Doncic for MVP?

Philipp Jakob
17. März 202212:00
Luka Doncic' starke Phase seit Anfang Februar kommt wohl zu spät fürs Playoff-Rennen.getty
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Man mag es kaum glauben, aber in einem Monat starten die NBA-Playoffs! Wir haben zum Saisonendspurt unser Postfach geleert und blicken im Mailbag auf die Warriors und das Potenzial einer neuen Dynastie, eine spannende, neue Regel-Idee und die Chancen von Luka Doncic im MVP-Rennen.

Zum Saisonendspurt beantwortet SPOX-Redakteur Philipp Jakob Eure Fragen rund um die beste Basketballliga der Welt. Neue Fragen für die nächste Ausgabe könnt Ihr schon jetzt via Twitter an @ph_jakob senden.

NBA: Sehen wir den Beginn einer neuen Warriors-Dynastie?

KnightsEnd49: Wie real sind die Warriors in dieser Saison? Und erleben wir wie 2015 schleichend den Beginn der Warriors-Dynastie 2.0.?

Die vergangenen Wochen haben die anfängliche Euphorie in der Bay Area etwas getrübt. Ende Februar und Anfang März gingen fünf Spiele in Folge in die Binsen, insgesamt verloren die Warriors in dieser Phase neun von elf Spielen. Stephen Curry fiel aus dem MVP-Rennen raus, den zweiten Platz im Westen musste Golden State mittlerweile an Memphis abtreten. Kurzum: Die Dubs sahen nicht unbedingt nach Championship-Kaliber aus.

Trotzdem kann man den ersten Teil der Frage meiner Meinung nach ohne schlechtes Gewissen mit "Ja" beantworten. Schließlich fehlte den Warriors in dieser Phase Draymond Green, der Kapitän der bis zu seiner Verletzung Mitte Januar besten Defense der Liga (laut Cleaning the Glass 103,1 gegnerische Punkte pro 100 Possessions ohne Garbage Time). Seither war die Warriors-Verteidigung nur noch oberes Mittelmaß (111,4, Platz 10).

Golden State vermisste Green aber auch in der Offense, in der er als Playmaker seinen Teamkollegen - auch Curry - vieles einfacher macht. Das Fehlen des "Kontrollzentrums" des Teams, wie ein Warriors-Mitarbeiter Green zuletzt gegenüber ESPN beschrieb, war zwar nicht das einzige Problem in den vergangenen Wochen, seine Rückkehr dürfte aber viele davon abschwächen.

Der Abo-Finalist der vergangenen Dekade hat nun noch gut vier Wochen, in der sich die alte Big Three wieder neu einspielen kann. Bei Draymonds Comeback gegen die Wizards absolvierten Curry, Green und Klay Thompson erstmals wieder seit dessen Verletzung in den Finals 2019 ein komplettes gemeinsames Spiel. Das Resultat? "Magisch", wie Thompson befand. "Man konnte merken, wie die Energie sich bei uns allen gesteigert hat", sagte Curry, der in der Partie 47 Punkte erzielte.

Nun hat sich auch Curry gegen Boston verletzt, Infos zu einer potenziellen Pause gibt es noch nicht. Aber eine allzu lange Eingewöhnungsphase wird das Trio ohnehin nicht benötigen, schließlich hätten sie "über zehn Jahre Erfahrung gesammelt und eine Chemie aufgebaut", so der Chefkoch. Daneben genießt Golden State immer noch den Vorteil eines tiefen Kaders mit guten Rollenspielern (unter anderem Jordan Poole, Kevon Looney, Otto Porter Jr., der aktuell verletzte Gary Payton II) oder Youngstern wie Jonathan Kuminga.

Die Golden State Warriors wollen den fast nahtlosen Übergang von der Curry-Dynastie in die nächste erfolgreiche Ära schaffen.getty

NBA: Deshalb wird es für die Warriors nicht zur neuen Dynastie reichen

All das lässt die Warriors trotz ihrer Schwächephase den Status eines legitimen Contenders behalten, entscheidend für die Titelchancen wird wohl sein, wie und ob Greens Rücken hält (und ob Curry gesund bleibt). Schwieriger tue ich mich dagegen bei dem zweiten Teil der Frage. Durch das Festhalten an den hohen Draft-Picks der vergangenen Jahre definierte Golden State genau dieses Ziel für sich selbst, einen (fast) nahtlosen Übergang von der Dynastie der vergangenen Dekade in eine neue erfolgreiche Ära, anstatt die Picks für einen Star-Trade und damit kurzfristige Hilfe für die Big Three zu nutzen.

Ohne Frage haben die aktuellen Rookies Kuminga und Moses Moody bereits hervorragende Ansätze gezeigt, doch bei der dritten Komponente der Warriors-Zukunft ist aktuell noch zu viel offen. Die NBA-Karriere von James Wiseman bietet aktuell noch nicht viele Anhaltspunkte dafür, dass er künftig die nächste Warriors-Dynastie anführen kann. Was dafür dringend notwendig ist, ist ein Top-5-Spieler, der das Projekt verankert. Man denke in der jüngeren Vergangenheit beispielsweise an Tim Duncan bei den Spurs, LeBron James in Miami und Cleveland oder eben Curry.

Gehört Wiseman oder Kuminga jemals in diese Riege der Top 5 der NBA? Schwer zu sagen, dafür haben wir von beiden zu wenig gesehen. Dass der hochtalentierte Center und Nr.2-Pick von 2020 nun verletzungsbedingt fast eine gesamte Saison in seiner Entwicklung verliert, ist sicherlich kein Vorteil.

Positiv für die Warriors ist aber: Die Karrieren von Curry, Thompson und Green sind noch lange nicht vorbei, die Jungspunde werden noch einige Jahre haben, um von der Big Three das Gewinnen zu lernen. Gut möglich, dass bis zum Ende der Curry-Ära noch eine Championship drin ist, doch für eine neue Dynastie - da wage ich mich auch in Anbetracht der enorm starken Konkurrenz im Westen aus dem Fenster zu lehnen - wird es nicht reichen.

NBA Mailbag: Neue Regel für mehr Playoff-Drama?

SPOX-User hesitation: Es kursiert immer mal wieder der Vorschlag, dass sich der Top-Seed jeder Conference sein Playoff-Matchup in der ersten Runde aussuchen sollte. Wie würde dies die Dynamik der Regular Season und der Playoffs verändern?

Grundsätzlich gefällt mir die Idee, dass der Top-Seed sich seinen ersten Playoff-Gegner aus den beiden Play-In-Teams aussuchen darf. In erster Linie verspricht das gewisse Animositäten für die erste Runde, beispielsweise wenn sich Trae Young und die Hawks - einfach mal angenommen, sie qualifizieren sich über das Play-In-Turnier für die Postseason - extra angestachelt fühlen, wenn der Erstplatzierte aus dem Osten sich dieses Duell wünscht. Mehr NBA-Drama hat noch nie geschadet.

Auch auf das Rennen um Platz eins in der regulären Saison könnte diese Regelung einen positiven Effekt haben, der Top-Seed wird so noch attraktiver. Der Osten in dieser Saison ist ein gutes Beispiel, in der ersten Playoff-Runde droht dem Erst- oder Zweitplatzierten ein Duell mit den Brooklyn Nets. Das kann eigentlich niemand wollen.

Entsprechend wird schon fleißig spekuliert, ob sich die Sixers in den letzten Saisonwochen einfach mit Platz 3 zufriedengeben werden, um den Nets in einem solchen Szenario zu entgehen. Mit der Aussicht, sich den Gegner aussuchen zu dürfen, wäre der Reiz der Tabellenspitze deutlich größer als potenzielles "Tanking" für eine niedrigere Playoff-Platzierung.

Ein weiterer positiver Aspekt: Von manchen Stellen wurde in der Vergangenheit bemängelt, die beiden Top-Seeds hätten weniger Vorbereitungszeit auf die erste Playoff-Runde als andere Teams, da der Gegner nun mal erst nach dem Play-In-Turnier feststeht. Diesen "Nachteil" könnte diese Regel-Revolution etwas ausgleichen.

Bei jeder Regeländerung gibt es allerdings auch Kehrseiten. In diesem Fall droht in der ersten Playoff-Runde durchaus Langeweile. Ohnehin schaffte ein 7- oder 8-Seed erst zehnmal einen Upset seit 1984 acht Playoff-Teams eingeführt wurden. Der Top-Seed würde bei dieser Option logischerweise den einfachsten Weg wählen, was zu weniger Überraschungen führen könnte. So oder so, dieser Vorschlag wird es in naher Zukunft wohl eher nicht in die NBA schaffen. Eigentlich schade ...

NBA Mailbag: Warum die Raptors unangenehm werden könnten

SPOX-User StaerkeBayer12: Welches ist aktuell das unterbewertetste Team der NBA?

Vorweg: Toronto wird natürlich nichts mit dem Titelgewinn zu tun haben. Dennoch möchte ich an dieser Stelle ein wenig Raptors-Liebe verteilen. Der simple Grund: Die Kanadier werden in den Playoffs unfassbar unangenehm zu bespielen sein. Je nach Matchup könnte ich mir sogar eine Überraschung in der ersten Runde vorstellen.

Das hat einerseits natürlich mit der Defense zu tun. Die Raptors sind dank Coach Nick Nurse immer hervorragend eingestellt und extrem vielseitig. Sie haben lange, flinke und giftige Verteidiger. Sie haben eine klare Identität, das macht die Raptors gefährlich. Andererseits bietet die Offense einen furchtlosen Fred VanVleet auf sowie Pascal Siakam, der sich nach einem schwachen Start etwas unter dem Radar seinem alten All-NBA-Niveau angenähert hat (27/8/5 bei 58,9 Prozent True Shooting im März).

Ob das gegen ein Top-Team wie Philly oder Milwaukee für vier Siege aus sieben Spielen reicht (beziehungsweise womöglich gegen Brooklyn in einem einzelnen Spiel im Play-In-Turnier), darf bezweifelt werden. Ein Spaziergang wird solch eine Playoff-Serie gegen Toronto aber selbst für diese Topfavoriten nicht.

Honorable Mention: Über Miami spricht so gut wie niemand, wenn es um die heißesten Anwärter auf die Ost-Krone geht. Dabei beanspruchen die Heat nicht umsonst die Spitzenposition der Eastern Conference mit leichtem Vorsprung vor den Bucks und Sixers. Hinter Bam Adebayo steht die laut Cleaning the Glass viertbeste Defense der Liga, richtig unangenehm ist dieses Team ebenfalls, hinzu kommt Platz 10 in der Offense. Jetzt müssen nur noch alle fit bleiben, Kyle Lowry, Jimmy Butler und Adebayo standen nur in 26 von 70 Spielen gemeinsam auf dem Parkett.

NBA Mailbag: Die Rolle von Luka Doncic im MVP-Rennen

SPOX-User done: Warum ist Luka Doncic nicht in der MVP-Diskussion?

Die kurze Antwort: Doncic hat nach seinem verschlafenen Saisonstart zu viel Boden gutzumachen. Während der Mavs-Star zu Beginn der Spielzeit mit seinem Gewicht haderte und im Oktober und November die schlechteste True-Shooting-Percentage seiner Karriere auflegte, pulverisierte ein Nikola Jokic zum Beispiel schon damals alle Advanced-Stats-Rekorde.

Bei der Wahl zum MVP sollte die gesamte Saison in den Kontext gezogen werden, da hat Doncic in den ersten Wochen zu viel liegen lassen. Das heißt aber nicht, dass er sich nicht noch zumindest in die Top 5 spielen kann. Wenn er weitermacht wie bisher, ist das sogar wahrscheinlich.

Seit Februar schraubt er pro Spiel im Schnitt 33,6 Punkte (Ligabestwert in dieser Zeitspanne), 10,2 Rebounds (Platz 16 ligaweit) und 8,0 Assists (Platz 9) in den Statistikbogen - und das bei einem True-Shooting-Wert von knapp 60 Prozent! Da Dallas seither Siege wie am Fließband sammelt und im Westen immer weiter klettert, wird er am Ende der Saison sicherlich auf vielen MVP-Zetteln in der Top 5 auftauchen.

Für einen Platz in der Top 3 wird es aber nicht mehr reichen, den hat sich Doncic auch nicht verdient. Gleichzeitig ist die Konkurrenz enorm. Antetokounmpo, Embiid und Jokic werden das Rennen unter sich ausmachen, dahinter folgen in Person von unter anderem DeMar DeRozan, Ja Morant, Stephen Curry, Chris Paul oder Devin Booker zahlreiche weitere legitime Kandidaten für die Top 5.

Janek: Nächste Saison, Jayson Tatum for MVP?

Die meisten der oben genannten Spieler sind entweder inmitten oder kurz vor ihrer Prime, entsprechend wird die Rangelei um die MVP-Krone auch in den kommenden Jahren nicht leichter werden. Zumal es da noch ein paar andere Namen gibt, die oben anklopfen wollen. Jayson Tatum gehört sicherlich dazu, er ist aber nicht der einzige.

Zum einen sind da die "Altstars" wie ein Kevin Durant, der zu Beginn der laufenden Spielzeit weit oben in der MVP-Konversation mitgemischt hat, aufgrund von Verletzungen aber rausgefallen ist. Warum sollte er nächstes Jahr, wenn er komplett fit bleibt, nicht noch einmal angreifen können? Oder ein Kawhi Leonard, falls er mal eine komplette Saison durchspielen sollte? Und dann ist da eben noch die junge Garde um Morant, Booker, Doncic oder auch Tatum oder Donovan Mitchell.

All den letztgenannten Spielern ist kommende Saison ein weiterer Schritt zuzutrauen, unter den richtigen Umständen (Gesundheit, Teamerfolg, etc.) auch der Griff nach dem begehrten Award. Das schließt Tatum mit ein. Der 24-Jährige ist ähnlich wie Doncic seit der All-Star-Pause auf einer Mission (33/8/5 bei 60,7 Prozent True Shooting), auch er könnte bereits in diesem Jahr MVP-Stimmen abstauben.

Nicht erst mit diesem Hot-Streak hat der Celtics-Star das Potenzial eines zukünftigen MVP unter Beweis gestellt. Bereits im vergangenen Jahr erklärte der damalige Wizards-Coach Scott Brooks, Tatum werde "sehr bald ein MVP in dieser Liga" sein. Allerdings lässt sich das eben auch über zahlreiche weitere Stars sagen.

Handfeste Tipps, wer kommende Saison ganz oben stehen wird, sind zum aktuellen Zeitpunkt freilich noch müßig, das aktuelle MVP-Rennen ist ja noch nicht einmal in den Büchern. Sicher ist aber: Mit dem derzeitigen Talent-Pool in der Liga, der Masse an potenziellen Superstars kann sich die NBA extrem glücklich schätzen. Die MVP-Voter stehen in den kommenden Jahren dagegen vor schwierigen Entscheidungen.