NBA - Für immer in Doncic' Schatten? Wie Marvin Bagley nach dem Kings-Debakel auf einen Neuanfang hofft

Alexander Weber
18. März 202210:08
Marvin Bagley wurde der Rolle eines Nummer-2-Picks im Draft bei den Kings nie gerecht.getty
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Marvin Bagley sollte bei den Sacramento Kings der Heilsbringer werden, entwickelte sich aber stattdessen zur tragischen Figur. Nach dreieinhalb enttäuschenden Saisons wurde das Missverständnis beendet und Bagley zu den Pistons getradet. Kann er dort endlich sein Potenzial erfüllen oder bleibt er für immer im Schatten von Luka Doncic?

21. Juni 2018, New York City. Im Barclays Center in Brooklyn findet der alljährliche NBA Draft statt, die vielversprechendsten Talente haben sich versammelt. Umgeben von ihren Freunden und Familien warten sie darauf zu erfahren, wo sie in den kommenden Jahren Basketball spielen werden. Im Fokus der Draft-Night stehen heutige NBA-Stars wie Luka Doncic, Trae Young, Jaren Jackson Jr. und Deandre Ayton. Auch Marvin Bagley III gehört zu den Anwärtern, denen von den Experten eine große Zukunft in der besten Basketballliga der Welt vorausgesagt wird.

Die Phoenix Suns wählen mit dem ersten Pick wenig überraschend Bagleys High-School-Teamkameraden Ayton aus, der im Vorfeld als vermeintlich bester Spieler gehandelt wird und bei den Suns hoch im Kurs steht. Die Kings schwanken mit dem zweiten Pick zwischen zwei Spielern: Doncic und Bagley. Als der Tag des Drafts kommt, hat sich herauskristallisiert, dass die Kings wohl mit Bagley als ihrem neuen Franchise-Spieler gehen würden, obwohl so ziemlich jeder andere den europäischen Teenager favorisiert.

Dass es für Bagley in Sacramento am Ende über weite Strecken so gar nicht funktioniert, ist rückblickend aber doch ein wenig überraschend. Eigentlich bringt der Forward nämlich alles mit, was einen modernen Big Man ausmacht. Bei Duke ist er der zentrale Punkt der Offensive und ein exzellenter Rebounder. Seine Dreierquote liegt nach einem Jahr bei den Blue Devils bei starken 39,7 Prozent, dazu bringt er herausragende athletische Fähigkeiten mit.

"Er ist der einzigartigste Spieler, den ich in meinen 38 Jahren bei Duke trainiert habe", sagte der legendäre Coach Mike Krzyzewski einst über Bagley. "Er hat wirklich alles, was man braucht. Er will lernen, ist ein guter Junge und hat einen großartigen Antrieb. Er wird einer der besten Spieler der NBA werden." Bisher konnte Bagley dieser Prophezeiung von Coach K allerdings nicht annähernd gerecht werden, obwohl es bei den Kings zunächst eigentlich ganz gut für ihn losging.

Bei Duke gehört Bagley als Freshman zu den besten College-Spielern des Landes.getty

Marvin Bagley: Ein paar gute Ansätze - dann oft verletzt

In seinem ersten Jahr in der Liga spielte Bagley eine recht ordentliche Saison. In 62 Einsätzen für die Kings kam der Big im Schnitt auf respektable 14,9 Punkte und 7,6 Rebounds. Er deutete das versprochene Talent an, allerdings wirkte es oft so, als ob er ein Spieler ohne echte Position wäre. Sein Wurf war zu inkonstant für einen Power Forward, als Ringbeschützer war er nicht gut genug für einen Center. Zudem hatte Bagley enorme Probleme auf der defensiven Seite des Parketts. Nach seinem Rookie-Jahr häuften sich dann noch die Verletzungen und so kam er in den beiden folgenden Spielzeiten auf nur noch 56 Einsätze.

Der Linkshänder schien oft wie ein Fremdkörper im Team der Kings. Er wurde nicht ausreichend in die Offense eingebunden und weil die Kings zu viele Center in ihren Reihen hatten, stand Bagley teilweise weit vom Korb entfernt in der Ecke. Und das, obwohl er über seine Karriere mehr als 70 Prozent seiner Würfe am Ring trifft.

Konstanz suchte man bei den Kings ebenfalls vergebens. In seiner Zeit mit der Franchise aus Kalifornien hat Bagley drei verschiedene Head Coaches mitgemacht. Von denen schien aber keiner so richtig zu wissen, was genau Bagleys Rolle war und wie er in ein System integriert werden könnte. Zudem spielte Richaun Holmes schlicht und ergreifend besser und bekam den Vorzug. Zu allem Übel ist Bagley in der NBA auch noch der Touch von der Dreierlinie abhanden gekommen. Von seinen guten Quoten im College ist er weit entfernt und versenkt nicht mal mehr 30 Prozent seiner Würfe von Downtown.

Vlade Divac will Bagley statt Doncic - auch wegen Lukas Vater?

Bagley war mit Sicherheit nicht der erste fragwürdige Pick des Front Office der Kings. Den 2016 als Zweitrundenpick gehandelten Georgios Papagiannis wählte Sacramento an 13. Position, obwohl sie im selben Draft auch den 28. Pick hatten, wo er mit ziemlicher Sicherheit noch verfügbar gewesen wäre.

Solche Draft-Entscheidungen waren mitunter der Grund für das dünn besetzte Roster, schließlich gab es davon historisch gesehen einige: Zum Beispiel Tyreke Evans 2009 vor Stephen Curry zu wählen oder Willie Cauley-Stein 2015 vor Devin Booker. Hier stehen zwei alljährliche All-Stars zwei Spielern gegenüber, die aktuell in der Liga faktisch keine Rolle mehr spielen.

Dass die Kings im Draft 2018 dann Bagley anstelle von Doncic pickten, ist nur die jüngste Verfehlung des Front Offices in Sacramento. Der damalige General Manager Vlade Divac und das Management beobachteten Doncic damals zwar genau, entschieden sich am Ende aber gegen den Guard. Divac soll nicht davon überzeugt gewesen sein, dass Doncic seine Auftritte bei Real Madrid in der NBA duplizieren könne und war zudem der Ansicht, dass er in der Defense große Probleme kriegen würde. Außerdem hatten die Kings mit De'Aaron Fox einen vielversprechenden jungen Point Guard, auf den das Front Office voll und ganz setzen wollte.

Dabei war der Slowene für Divac kein Unbekannter, beide pflegten schon lange eine gute Beziehung. Nur dessen Vater war dem Kings-GM angeblich ein Dorn im Auge. ESPN-Insider Tim MacMahon erklärte zum Draft-Prozess der Kings, dass Divac Doncic auch wegen dessen Vater nicht draften wollte. "Divac hielt nicht besonders viel von Doncic' Vater. Das Ganze 'wie der Vater, so der Sohn' ... aber der Junge ist ganz anders als sein Vater und das war Divac' Fehler", erklärte MacMahon im Woj Pod. Über diese Darstellung sollen Divac und Doncic Senior später aber herzhaft gelacht haben.

Wie dem auch sei, laut einem Bericht von The Athletic hätte Kings-Besitzer Vivek Ranadive gerne Doncic gedraftet, überließ die endgültige Entscheidung aber seinem General Manager. Der wählte Bagley. Diese Entscheidung, gepaart mit dem Verpassen der Playoffs über seine gesamte Amtszeit wurde Divac am Ende zum Verhängnis. 2020 trat er von seinem Posten als GM der Kings zurück, erklärte aber, dass er immer noch von Bagley als Spieler überzeugt sei. Mit dieser Einschätzung war er in Sacramento relativ allein.

Bagleys Agent: "Fallstudie in Missmanagement der Kings"

Nach drei durchwachsenen Spielzeiten in Sacramento kam es vor der aktuellen Saison dann zum Zerwürfnis mit den Kings. In der Offseason verhandelten die beiden Seiten noch über eine Vertragsverlängerung, als darüber keine Einigung erzielt wurde, gaben die Kings bekannt, dass Bagley für das Auftaktspiel der Saison kein Teil der Rotation sein werde. Das Verhältnis war auch schon zuvor angeschlagen, da Bagleys Vater bei Twitter einen Trade seines Sohns forderte, doch nun schien es endgültig kein Zurück mehr zu geben.

Bagleys Agent Jeff Schwartz schaltete sich gar in den öffentlichen Diskurs ein und erhob schwere Vorwürfe gegen die Franchise. "Es ist klar, dass sie für ihn keine Pläne in der Zukunft haben", erklärte Schwartz in einem Statement auf Twitter.

Und weiter: "Trotzdem verzichteten sie auf potenzielle Deals vor der letztjährigen Deadline und in diesem Sommer mit Blick auf seinen 'Wert'. Stattdessen blieb er im Kader ohne wirklich Minuten zu bekommen, was dem Argument von 'Wert' komplett widerspricht. Das ist eine Fallstudie in Sachen Missmanagement von der Kings-Organisation."

Spätestens da war klar, dass Bagleys Zukunft wohl bei einem anderen Team liegen würde, auch wenn er wenig später wieder in die Rotation aufgenommen wurde. Kurz vor der Trade Deadline war es dann soweit: In einem Vier-Team-Trade gaben die Kings Bagley an die Pistons ab und so endete das für beide Seiten enttäuschende Kapitel in Sacramento.

Bagley bekommt in Detroit die Chance auf einen Neuenfang

Durch den Trade nach Detroit wird Bagley auch in seinem vierten Jahr in der Liga nichts mit den Playoffs zu tun haben. Auf dem Papier scheint der Wechsel aber trotzdem eine gute Möglichkeit für den Lefty zu sein, seiner Karriere neuen Schwung zu geben.

Bei den Pistons trifft Bagley auf ein junges Team mit einem gestandenen Head Coach in Person von Dwane Casey. Bei einem Team mitten im Rebuild sollte es genügend Minuten für ihn geben, um sich zu beweisen, zumal die Pistons wenige Bigs haben. Außerdem wird Bagley eine klare Rolle im Team der Pistons bekleiden können, denn seine Athletik ist genau das, was dem Team der Motor City im Frontcourt fehlt.

"Wir freuen uns, Marvin ins Team zu holen. Er passt perfekt in unseren Zeitplan mit den anderen jungen Spielern", erklärte Pistons-GM Troy Weaver nach dem Trade. "Er hatte seine Höhen und Tiefen und muss jetzt erst einmal konstanter werden, den Rest wird sein Talent dann erledigen. Als ich hierher kam, hatten wir nicht viel Talent, einen Spieler wie Bagley zu holen, hilft in dieser Hinsicht."

Bagley selbst zeigte sich nach dem Trade ebenfalls enthusiastisch. "Ich freue mich, es ist ein Neuanfang", erklärte er. "Wir haben hier ein Team mit jungen Spielern, die sich voll reinhängen. Ich will mich coachen lassen und besser werden, deshalb freue ich mich, jetzt in einer Situation zu sein, wo ich nochmal neu anfangen und etwas Besonderes aufbauen kann."

Marvin Bagley: Schafft er es nun aus dem Schatten von Doncic?

Am Ende konnte Bagley auch nichts dafür, dass er vor Doncic und Young gedraftet wurde, beide werden schon jetzt alljährlich ins All-Star Team berufen. Bagley ist dagegen nicht mehr als ein Rotationsspieler und hat in der NBA höchstens für Schlagzeilen gesorgt, als er sich einen Rap-Beef mit Damian Lillard leistete. Und dass er nicht der richtige Pick an Nummer 2 des Drafts war, ist auch klar.

Gleichzeitig muss man festhalten, dass Doncic und auch Young von ihren Teams deutlich mehr Unterstützung bekommen haben und in stabileren Situationen als Sacramento in die NBA starten durften. Beide Franchises hatten einen klaren Plan, wie sie ihre jungen Stars integrieren wollen, eine solche Struktur suchte man für Bagley bei den Kings vergebens.

Ob er bei den Pistons aus dem Schatten der nach ihm gedrafteten Stars heraustreten kann, hängt von Bagley selbst ab. In bislang elf Einsätzen legte er 14,6 Punkte und 7,5 Rebounds auf, was ungefähr seinem Karriereschnitt entspricht. Immerhin präsentiert er sich etwas effizienter (55,5 Prozent True Shooting), doch beispielsweise in Sachen Defense muss man die Fortschritte noch mit der Lupe suchen. In Detroit glaubt man aber offensichtlich an sein Potenzial.

Vor dem Draft 2018 schrieb ESPN über ihn: "Er spielt so, wie er rappt - schnell und smooth." Nun kriegt er eine neue Chance, um zu beweisen, dass er so auch in der NBA auftreten kann.

Die Lottery-Picks des NBA-Draft 2018

#NamePositionTeamCollege/Team
1Deandre AytonCPhoenix SunsArizona
2Marvin BagleyPFSacramento KingsDuke
3Luka DoncicSGAtlanta Hawks (nach Dallas getradet)Real Madrid
4Jaren Jackson, Jr.PFMemphis GrizzliesMichigan State
5Trae YoungPGDallas Mavericks (nach Atlanta getradet)Oklahoma
6Mohamed BambaCOrlando MagicTexas
7Wendell Carter, Jr.CChicago BullsDuke
8Collin SextonPGCleveland CavaliersAlabama
9Kevin KnoxSFNew York KnicksKentucky
10Mikal BridgesSFPhiladelphia 76ers (nach Phoenix getradet)Villanova
11Shai Gilgeous-AlexanderPGCharlotte Hornets (zu Clippers getradet)Kentucky
12Miles BridgesSFLos Angeles Clippers (nach Charlotte getradet)Michigan State
13Jerome RobinsonSGLos Angeles ClippersBoston College
14Michael Porter Jr.SFDenver NuggetsMissouri