Seit 2018 begleitet Tim Cato die Dallas Mavericks als Beatwriter für The Athletic. Im Interview mit SPOX spricht der Mavs-Insider über verpasste Chancen in der Mavs-Offseason, an welchen Deals Dallas aktuell noch werkelt und was für Luka Doncic und Co. in der kommenden Saison drin ist.
Außerdem erklärt Cato, warum er die Einstellung von Jason Kidd als neuen Mavs-Coach für einen Fehler hält. Er spricht über die ligaweite Wertschätzung für Maxi Kleber und erzählt seine Lieblingsanekdote mit Dirk Nowitzki.
Herr Cato, beginnen wir mit der wichtigsten Frage: War die Offseason ein Erfolg für die Mavs oder eine verpasste Chance?
Tim Cato: Verpasste Chance trifft es schon ganz gut. Das Team wird zwar etwas besser sein als in der vergangenen Saison, aber viele Fans hatten gehofft, dass Dallas mehr erreichen könnte. Das Problem ist, die Vertragsverlängerung mit Luka Doncic wird künftig einen großen Teil des Salary Caps einnehmen, in diesem Sommer hatten sie noch finanzielle Flexibilität. Es ist nicht so, dass die Mavs all ihre Ziele verfehlt hätten, doch sie hätten mehr aus diesem Sommer machen können. Es fehlt immer noch ein sekundärer Playmaker oder ein zweiter Star neben Doncic.
Für diese Rolle hatten die Mavs in erster Linie Kyle Lowry im Visier, der hat sich stattdessen den Miami Heat angeschlossen. Es ist nicht das erste Mal, dass Dallas bei einem großen Namen in der Free Agency leer ausgeht. Woran liegt das?
Cato: Man kann Lowry kaum einen Vorwurf machen, dass er sich lieber für Miami entschieden hat. Dort gibt es einen Strand, in Dallas nicht. (lacht) Außerdem hat er schon sehr lange eine enge Beziehung mit Jimmy Butler. Aber ja, es stimmt. Die Mavs und allen voran Teambesitzer Mark Cuban operieren Jahr für Jahr wie eine Free-Agency-Destination, obwohl sie damit bisher keinen Erfolg hatten. Der größte Name, den sie bekommen haben, war wahrscheinlich Chandler Parsons 2014. Immerhin ist ihr Pitch mit Doncic besser geworden. So gut Dirk Nowitzki auch war, mit der älteren Version von ihm konnte man keine Stars in ihren Mittzwanzigern überzeugen, nach Dallas zu kommen.
gettyMavs-Insider Tim Cato über Dallas' weitere Offseason-Pläne
Doch auch mit dem Doncic-Pitch, der die Schwelle zum Superstar bereits überschritten hat, hat es dieses Jahr erneut nicht geklappt.
Cato: Das ist richtig. Dabei ist auch der neue General Manager Nico Harrison jemand, der enge Kontakte mit Spielern hat, das soll seine Stärke sein. Aber die Resultate sind nicht da. Es ist fast schon ein lustiges Dilemma, dass die Mavs es immer wieder mit dieser einen Sache versuchen, die noch nie wirklich geklappt hat.
Sie haben es angesprochen, es fehlt vor allem ein zweiter Playmaker, der Doncic entlasten kann. Anstelle von Lowry machen sich viele Mavs-Fans noch Hoffnung auf Goran Dragic, der mit seinem Trade nach Toronto nicht glücklich zu sein scheint. Glauben Sie, dass beim Thema Dragic noch etwas passieren könnte?
Cato: Das ist gut möglich. Ich denke, die Mavs gehen sogar davon aus, dass Dragic im Team landen wird. Nur das "wie" ist weiterhin unklar. Gibt es einen Trade, in dem ein Prospect oder ein Draft-Pick gehen muss? Oder wird es erst im Laufe der Saison passieren, wenn sich herausstellt, dass Dragic wirklich nicht in Toronto bleiben will und die Raptors ihn aus seinem Vertrag herauskaufen? In diesem Szenario gehe ich davon aus, dass Dragic es priorisieren würde, in Dallas zu unterschreiben als anderswo. Bisher halten die Raptors aber an ihm fest.
Um den Slowenen nach Dallas zu locken, ist der von Ihnen angesprochen Pitch mit Doncic definitiv ein Vorteil. Die beiden kennen sich schon lange.
Cato: Das ist sicherlich der Hauptgrund, warum er nach Dallas will. Und die Mavs haben auf seiner Position einen klaren Need. Sie brauchen einen zweiten Ballhandler, der Würfe kreieren kann und nicht Luka heißt. Im aktuellen Kader trifft diese Jobbeschreibung nur auf Jalen Brunson zu und wir haben in den vergangenen Playoffs gesehen, wie Doncic am Ende von Spielen etwas ausgelaugt war. Das ist kein Seitenhieb gegen ihn, er musste einfach so viel machen und niemand sonst war in der Lage, Würfe für sich oder einen Teamkollegen zu kreieren. Das ist immer noch eine große Schwachstelle.
Mavs-Insider Cato: "Viele Teams haben Interesse an Kleber"
Abgesehen von Dragic: Erwarten Sie, dass in Dallas in dieser Offseason noch etwas passiert?
Cato: Der andere Name, über den viel gesprochen wird, ist Big Man Lauri Markkanen. Er will Chicago verlassen, hat bisher allerdings keine Angebote in der Gehaltsklasse erhalten, die er sich vorstellt. Er hofft auf Angebote um die 15 Millionen Dollar jährlich, vielleicht über drei Jahre. Die Mavs hatten definitiv Interesse an ihm, es gab Gespräche mit Chicago. Ein Wechsel nach Dallas wird aber immer unwahrscheinlicher. Es gibt auch andere Interessenten, aber eben nicht zu dem Preis, den er im Sinn hat.
Wie würde Markkanen überhaupt in den Kader der Mavs passen? Sind er und Kristaps Porzingis vom Spielertyp her nicht zu ähnlich?
Cato: So sehe ich das auch. Wenn die Mavs ihn zu einem deutlich niedrigeren Preis bekommen könnten, vielleicht 30 Mio. über drei Jahre, und er in limitierten Minuten von der Bank kommt, dann wäre das bei seinem Potenzial ein guter Deal. Womöglich wäre er in diesem Fall später auch ein Trade-Kandidat. Aber Dallas würde Markkanen nicht holen, um ihn neben Porzingis starten zu lassen.
Um den Finnen zu verpflichten, wäre wohl ein Sign-and-Trade mit den Bulls notwendig. Sie haben berichtet, dass Chicago an Maxi Kleber interessiert sein soll. Wäre ein Kleber-Trade tatsächlich eine Option?
Cato: Für ein Team, das zweimal in Folge in der ersten Playoff-Runde gescheitert ist, sind Rollenspieler wie Maxi immer eine Trade-Option. Klar ist aber auch, dass die Mavs ihn sehr schätzen - da sind sie aber nicht alleine. Viele Teams haben Interesse an Kleber, nicht nur Chicago. Aber für Dallas ist er ein besserer und nützlicherer Spieler als zum Beispiel ein Markkanen. Zwar ist ein Kleber-Trade für den richtigen Spieler immer möglich, aber Dallas ist definitiv nicht scharf darauf, ihn abzugeben.
Kommen wir auf die Moves zu sprechen, die Dallas bisher tatsächlich getätigt hat. Reggie Bullock und Sterling Brown stehen auf der Habenseite, Josh Richardson ist weg. Tim Hardaway Jr. konnte gehalten werden. Sie haben bereits angedeutet, dass Sie das Team für besser halten, aber reicht es für einen Angriff auf die Spitze?
Cato: Sie sind ein besseres Regular-Season-Team. Dallas verfügt nun über mehr Defense und Shooting an der Seite von Doncic. Wir haben vor zwei Jahren eine historisch starke Offense gesehen, in der Luka Pick'n'Rolls gelaufen ist und die Schützen bedient hat. Mit dem aktuellen Kader sind die Mavs wieder näher an diesem Team dran, aber mit einem älteren und besseren Doncic. Die Postseason-Probleme haben sie aber noch nicht bereinigt. Ohne einen weiteren Star neben Doncic wird es in den Playoffs nicht weit gehen. Dallas ist kein echter Titelanwärter.
Haben Sie Hoffnung, dass Porzingis die Rolle des zweiten Stars doch noch ausfüllen kann?
Cato: Ich denke, es gibt in Dallas die Absprache, vielleicht sogar mit Porzingis selbst, dass er nicht auf Dauer ein Maverick bleiben wird. In ihm sehen die Mavs nicht den richtigen Fit neben Luka. Aber aktuell ist es nicht realistisch, dass sie Porzingis traden, das ist noch mindestens ein Jahr entfernt. Nun geht er seit Jahren erstmals gesund in eine Offseason, von daher weht eine Menge Optimismus um Porzingis. Man darf nicht vergessen: Er ist ein guter Spieler, in der regulären Saison hat er 20 Punkte im Schnitt aufgelegt, seine verminderte Rolle in den Playoffs war durch das schlechte Matchup begründet. Defensiv hatte er 2020/21 gute Momente, aber auch sehr schlechte Phasen. Er muss sich dort wieder verbessern und sein effizientes Offensivspiel beibehalten. Um einen wertvollen Beitrag zu leisten, muss er nicht zwingend ein Post-Up- oder Isolations-Spieler sein.
Dallas Mavericks: Die Statistiken von Kristaps Porzingis 2020/21
G / MIN | Punkte | Rebounds | Assists | FG% | 3FG% | |
Regular Season | 43 / 30,9 | 20,1 | 8,9 | 1,6 | 47,6 | 37,6 |
Playoffs | 7 / 33,3 | 13,1 | 5,4 | 1,3 | 47,2 | 29,6 |
Das klingt aber nicht unbedingt nach einem zweiten Star. Vor dem Sommer hatte selbst Cuban gesagt, dass ein zweiter Scorer kommen muss - dieses Ziel haben die Mavs nicht erreicht, Doncic hat weiterhin zu wenig Hilfe. Glauben Sie, dass er glücklich damit ist, wie die Offseason lief?
Cato: Selbst als Cuban GM Donnie Nelson gefeuert hat, hat er sich nicht beschwert. Natürlich sollte man ihn in die Pläne der Franchise einweihen, aber Doncic will kein Spieler-GM sein, er will nicht die Entscheidungen treffen. Vielmehr vertraut er den Verantwortlichen im Front Office, das Team besser zu machen. Er hätte sicherlich einen zweiten Star an seiner Seite befürwortet, aber er analysiert nicht jeden Tag alle Moves der Mavs und stellt sie infrage. Wie er über das Team denkt, wird sich auf dem Court entscheiden.
Cato: "Dallas konnte immer clevere Trades einfädeln"
Wie hoch schätzen Sie den Druck auf die Mavs ein, möglichst schnell ein Championship-Team um Doncic aufbauen zu müssen? Sehen Sie eine Gefahr, dass er vorzeitig einen Trade fordern könnte, wenn dies nicht gelingt?
Cato: Dieses Risiko gibt es heutzutage bei jedem Star-Spieler. In jüngerer Vergangenheit gab es viele solcher Beispiele, meistens war der fehlende Team-Erfolg der Hauptgrund. Spieler eines Kalibers wie Doncic haben die Macht, einen Trade zu erzwingen. Davon sind wir aber noch einige Jahre entfernt, wenn es überhaupt so weit kommt. Drei, vier, höchstens fünf Jahre haben die Mavs Zeit, um Luka zu überzeugen, dass Dallas der richtige Ort ist, um eine Championship zu gewinnen. Zumindest muss das Front Office beweisen, dass es in der Lage ist, einen Titelanwärter um ihn herum aufzubauen.
Genau das wird in den kommenden Jahren durch die angesprochene Cap-Situation aber nicht leichter. Finanziell sind die Mavs künftig eingeschränkt.
Cato: Insbesondere im kommenden Sommer werden sie keinen Spielraum unter dem Salary Cap haben. Aber: Die Mavs waren immer in der Lage, clevere Trades einzufädeln. Die Sorge dabei ist nur, dass kaum mehr eigene Draft-Picks oder Prospects als Trade-Material zur Verfügung stehen. Cap Space werden die Mavs wohl erst wieder in zwei oder drei Jahren haben. Mitunter früher, wenn Porzingis ein gutes Jahr erwischt und sich ein Team findet, das ihn ohne großen Gegenwert aufnimmt. Dallas könnte solch ein Angebot annehmen, um Porzingis' Vertrag loszuwerden.
Auf die neue Führungsriege um GM Harrison, der nach einem turbulenten Start in die Mavs-Offseason mit der Nelson-Entlassung und dem Rücktritt von Coach Rick Carlisle installiert wurde, kommen einige interessante Entscheidungen zu. Der neue starke Mann in Dallas ist in NBA-Kreisen kein Unbekannter. Wie schätzen Sie den Ruf des ehemalige Nike-Executive innerhalb der Liga ein?
Cato: Er ist sehr beliebt, das kann man zweifelsfrei sagen. Entsprechend herrscht in Dallas großer Optimismus bezüglich dieser Anstellung. Er wird allerdings eine gewisse Zeit brauchen, bis er sich an seinen neuen Job gewöhnt hat. Bei Nike hat er zwar auch schon mit Spielern zusammengearbeitet, fast wie ein Agent, aber der Posten des General Managers ist nochmal etwas ganz Anderes. Was für ihn spricht: Er ist sehr gut darin, Beziehungen zu Spielern aufzubauen. Da die Mavs sicherlich in Zukunft weiterhin versuchen werden, Cap Space zu schaffen und Free Agents zu jagen - wie gesagt, das machen sie nun mal -, könnte das sehr hilfreich werden.
Denken Sie, dass Jason Kidd der richtige Mann ist als Nachfolger von Coach Carlisle?
Cato: Nein, ehrlich gesagt nicht. Aus sportlicher Sicht ist es schwierig, ihn einzuschätzen, ohne seine genauen Pläne mit dem Team zu kennen. Seine Bilanz aus viereinhalb Jahren als Coach in Brooklyn und Milwaukee ist nicht besonders gut, womöglich hat er sich seither aber weiterentwickelt (in den vergangenen beiden Jahren war er als Assistant Coach bei den Lakers aktiv, Anm. d. Red.). Dennoch finde ich diese Entscheidung sportlich fragwürdig und auch in Anbetracht des Skandals um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz bei den Mavs und Kidds eigener Vergangenheit gibt es zu viele Fragen, die bisher nicht hinreichend beantwortet wurden. Er wird von Beginn an genau unter Beobachtung stehen.
Mavs-Insider-Cato: "Dirk Nowitzki kann machen, was er will"
Neben Kidd kehrte im Sommer eine weitere Mavs-Legende zurück, wenn auch in deutlich kleinerer Rolle. Nowitzki wird künftig als Berater fungieren, wie sehen seine Aufgaben genau aus?
Cato: Dazu habe ich unterschiedliche Dinge gehört. Er wird sicherlich den Wunsch hegen, irgendwann wieder näher zum Basketball zurückzukehren, aber ich glaube nicht, dass er jetzt schon für den Sprung ins Tagesgeschäft bereit ist. Ich gehe davon aus, dass er näher am Team dran sein wird als in den vergangenen Jahren, aber nicht jeden Tag oder bei jedem Auswärtsspiel. Es wird einen positiven Effekt haben, ihn im Umfeld des Teams zu haben. Von offizieller Seite aus gab es bisher aber keine Infos, wie genau seine Aufgaben aussehen. Letztlich kann Nowitzki in dieser Franchise machen, was er will. Das hat Cuban mehrfach klargestellt.
Sie begleiten die Mavs schon sehr lange, vor Ihrer Zeit bei The Athletic unter anderem für den Blog Mavs Moneyball. Haben Sie aus dieser Zeit eine Lieblingsanekdote mit Nowitzki?
Cato: Es wird niemanden überraschen, wenn ich sage, dass er wirklich ein guter Mensch ist. Ich erinnere mich im Speziellen an die 2014er Erstrundenserie gegen San Antonio. Ich war damals noch am College, habe aber eine Akkreditierung für Spiel 7 in San Antonio bekommen. Dallas hat verloren, ein herber Blowout (96:119, Anm. d. Red.). Ich war in der Kabine und habe beobachtet, wie Dirk von PR-Mitarbeitern gebeten wurde, zur Pressekonferenz zu kommen.
Was ist dann passiert?
Cato: Kurz bevor er geht, dreht er sich zu zwei Spurs-Helfern in der Kabine um, zwei Jungs aus San Antonio, vielleicht im High-School-Alter. Er hat sie zuvor höchstens viermal getroffen und dennoch kannte er ihre Namen und hat sich von ihnen verabschiedet. Nochmal, die Mavs wurden in Spiel 7 aus der Halle geschossen, er muss am Boden zerstört gewesen sein. Und doch stand er da, spricht mit einem der beiden über einen Kurs, den der Junge im kommenden Schuljahr belegen will und wünscht ihm viel Glück. Mit diesen Helfern in der Kabine würden viele Spieler nicht mal eine Konversation führen und Dirk kennt sogar ihre Namen. In dem Moment habe ich realisiert: Alle Geschichten, was für ein super Typ Dirk ist, sind war.
gettyMavs-Insider Cato: "Dallas wird auf dem vierten Platz landen"
Ein letztes Mal zurück zu den aktuellen Mavs. Bevor ich Sie gehen lasse, muss ich noch nach einer Prognose fragen. Ihr Tipp, wo landet Dallas am Ende der kommenden Saison?
Cato: Ich glaube, dass die Mavs auf dem vierten Platz im Westen landen werden. Ausgangspunkt für diesen Tipp ist das Abschneiden in der vergangenen Saison in Verbindung mit meiner Vermutung, dass das Team besser geworden ist. Wenn man circa 75 Spiele von Doncic bekommt, dann wird man allein dadurch in der regulären Saison viele Spiele gewinnen. Ich sage, die Mavs holen um die 50 Siege. Das ist eine realistische Einschätzung in Anbetracht des Talents im Kader und der Tatsache, wie gut Doncic ist.
Und was ist in der Postseason drin?
Cato: Playoffs sind natürlich eine andere Frage, das hängt stark vom Matchup ab. Die Mavs können sicherlich eine Serie gewinnen, aber über die zweite Runde wird es nicht hinausgehen.