"Dallas' Fehler liegt im System"

Ole FrerksMartin KlotzThorben Rybarczik
18. Juli 201612:31
Welche Auswirkungen hat der Sommer auf Schröder, Durant, Westbrook und Nowitzki?spox
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Die Free Agency ist nahezu abgeschlossen - Zeit für ein Fazit! Werden die Atlanta Hawks mit Dwight Howard einen Schritt zurückmachen? Bekommen die Golden State Warriors Probleme, oder gibt es einen neuen Rekord? Wie ist der Sommer der Dallas Mavericks zu bewerten - und wie wirkt sich die Offseason der Chicago Bulls auf Paul Zipser aus? Und: Was passiert mit Russell Westbrook? Die SPOX-Redakteure diskutieren mit Matthias Bielek von Sky Sport News HD.

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Die Hawks machen einen großen Schritt zurück

Martin Klotz: Nein, definitiv nicht. Die Hawks haben verstanden, dass es mit dem Personal aus den letzten Saisons nicht reicht, um wirklich oben mitzuspielen. Die 60-Siege-Saison war auch nicht mehr als eine Eintagsfliege. Dementsprechend ist es richtig, die Richtung zu ändern und auf eine effektive Eins/Fünf-Kombination aus Dennis Schröder und Howard zu setzen. "Dweight" kann deutlich besser spielen als letztes Jahr (Korver übrigens auch) und mit dem stärker werdenden Bazemore und einem über alle Zweifel erhabenen Millsap hat man eine der besseren Starting Fives im Osten. Die Reservisten machen mir da schon eher Sorgen. Schröder wird der Bank mit seiner Energie und seinen Punkten fehlen. Aber da können die Hawks im nächsten Sommer nachbessern. Wichtiger ist, dass der Kern funktioniert und wieder aufregenderen Basketball nach Atlanta bringt. Schröder steht für Entertainment, Howard auch. Mit ihm geht man ein Risiko ein, aber wie heißt es so schön: No risk, no fun. Und noch wichtiger: No risk, no contender in der Zukunft.

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Thorben Rybarczik: Das Wort "Contender" im Zusammenhang mit Atlanta zu benutzen ist schon sehr wagemutig, auch auf die Zukunft bezogen. Denn die Hawks haben dank Coach Budenholzer in den letzten zwei Saisons deutlich über ihren Möglichkeiten gespielt - da sind wir uns einig. Auch, dass die Richtung geändert werden musste, war soweit klar. Nur: Die Lücke, die die Hawks zu den Cavs schließen wollen, ist gar keine Lücke. Es ist ein riesiger Graben. Und um den zu überwinden, braucht es mehr als ein paar Feinjustierungen. Das hat offenbar nun auch das Front Office erkannt und mit dem Teague-Trade einen für Hawks-Verhältnisse radikalen Schritt eingeleitet. Aber die Kombo Teague/Schröder war doch irgendwie auch ein Aspekt, der für den Höhenflug gesorgt hat. Wer sonst konnte es sich leisten, zwar Spielmacher mit Starter-Niveau in seinem Kader zu vereinen? Auch die Verpflichtung von Howard bedeutet einen Bruch. Die Tage des "Five-out" sind damit gezählt, mit ihm muss wieder klassisch gespielt werden. Für mich passt ein Spieler ohne Ballgefühl von außerhalb der Zone aber nicht zu einem Team, das hohe Ansprüche hat. Ein Stück weit standen die Hawks in diesem Sommer vor einer Lose-Lose-Situation: Am bewährten festhalten hätte bedeutet, auf der Stelle zu treten. Ein kleiner Umbruch bedeutet - wie in diesem Fall - einen Schritt zurück.

Ole Frerks: Das sehe auch ich ein bisschen anders, Martin. Ich stimme zu, dass die Hawks sich zumindest ein bisschen neu erfinden mussten, da sie in der alten "Inkarnation" ihr Maximum erreicht hatten, aber ich bin kein Fan davon, sich dafür dann Howard ans Bein zu binden. Mit seinem Alter und seiner Verletzungshistorie sehe ich nicht, wie er in irgendeiner Form ein Upgrade gegenüber Al Horford darstellen soll. Und in welchem Universum steht Howard für Entertainment? Spielerisch sicher nicht, wenn überhaupt nur als Interview-Partner. Die Entscheidung pro Schröder sehe ich übrigens auch positiv. Ich denke nur eben, dass Dennis sich an seine neue Rolle erst gewöhnen muss und dass Howard es ihm nicht leicht machen wird. Der Kerl hat sich in Houston permanent über zu wenige Touches beschwert und macht das sogar jetzt noch regelmäßig, dabei hat er öfter im Post den Ball bekommen als jeder andere Spieler! Er wird auch in Atlanta Gründe finden, um zu meckern. Wichtiger als die individuelle Klasse der Spieler war bei den Hawks in den letzten Jahren der Team-Zusammenhalt, und der wird nach diesem Sommer eher einbrechen, zumal es ja auch noch Spekulationen um einen Millsap-Trade gab - das fand er sicher spitze. Von daher: Ja, sie werden erstmal einen großen Schritt zurückmachen.

Matthias Bielek: Ich sehe für die Hawks auch einen Rückschritt voraus, das hat aber schon auch mit Schröder selbst zu tun. Einen ehemaligen All-Star in Teague für einen Spieler abzugeben, der erst drei Jahre in der Liga gespielt hat, ist üblicherweise immer ein Downgrade. Aber wie heißt es so schön: 'Unterschätze niemals einen Mann, der einen Schritt zurück macht. Er könnte Anlauf nehmen.' Das ist sicher der Plan der Hawks und der könnte auch aufgehen, wenn Schröder in seiner neuen Rolle aufgeht. Das Potenzial hat er, auch Dirk Nowitzki hat ihm ja vor kurzem All-Star-Potenzial attestiert. Aber das müssen wir natürlich abwarten. Den größeren Rückschritt haben sie aber personell ohnehin auf der Fünf gemacht, da stimme ich Ole zu. Ich halte nicht mehr so viel von Howard, da seine besten Tage klar gezählt sind. Ein schwieriger Charakter ist er obendrein.

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Die Warriors werden mehr Probleme haben als angenommen

Matthias Bielek: Irgendwie ist es schwer vorstellbar, dass sie viele Probleme kriegen werden. Denn eigentlich ist das der absolute Traum-Kader, den man in der aktuellen Zeit haben kann. Aber ich denke trotzdem, dass sie von Zeit zu Zeit damit hadern werden, dass fünf hungrige Bullen sich um ein einziges Stück Fleisch streiten müssen. Sie alle wollen ja ihre Würfe haben und ihren Wert zeigen. Da ist es die große Aufgabe von Steve Kerr, die Egos zu managen und dafür zu sorgen, dass niemand das eigentliche Ziel aus den Augen verliert. Eine gewisse Hierarchie braucht jedes Team und daher sollten sie diese festlegen, das ist aber leichter gesagt als getan. Wer will denn Stephen Curry sagen, dass er ab jetzt die Nummer zwei in der Offense ist? Oder Green, dass er nur noch die viertmeisten Würfe bekommt? Das ist für mich das einzige, was die Warriors abgesehen von Verletzungen von totaler Dominanz abhalten könnte. Dieser Kader ist nämlich so gut, dass sich die Dubs eigentlich nur selbst schlagen können, das hat Bulls-in-den-90ern Niveau. Wenn zu viele 'große Köpfe' in einem Team stecken, kann das aber eben auch mal nach hinten losgehen. Wenn es aber passt, gewinnen sie vermutlich sogar noch mehr Partien als in der letzten Saison.

Ole Frerks: Prinzipiell hast du recht, Matze. Aber ich schätze die Charaktere im Team allesamt so ein, dass sie sich nicht allzu viele Gedanken um die Anzahl ihrer Würfe machen. Kevin Durant etwa geht sicher nicht davon aus, genauso viele Würfe wie bei den Thunder zu nehmen. Er geht davon aus, einfachere Würfe zu bekommen, weil er eben bessere Mitspieler und ein historisch gutes Ball-Movement an seiner Seite hat, und genau dafür ist er ja auch nach Golden State gewechselt. Qualität schlägt da Quantität. Von daher mache ich mir keine Sorgen um die Dubs, solange alle mehr oder weniger fit bleiben und Draymond sich den Großteil der Zeit von den Weichteilen seiner Gegenspieler fern hält. Was die Bilanz angeht, sehe ich das aber völlig anders. Die Dubs haben den Rekord ja schon und haben in den Playoffs meiner Meinung nach ein Stück weit den Preis dafür bezahlt. Natürlich hatten die Cavs (und vorher auch die Thunder) auch viel damit zu tun, aber am Ende sah Golden State einfach stark danach aus, als gingen sie auf dem Zahnfleisch. Das wird man in dieser Saison auf jeden Fall verhindern wollen und der erste Schritt dafür wurde mit der KD-Verpflichtung bereits getan - mehr Luxus geht nicht. Der zweite Schritt wird sein, dass Kerr auch mal ein Machtwort spricht und Curry, Iggy, Klay, Draymond und KD gelegentlich schont. Rekorde werden sie im Vorbeigehen vermutlich auch noch knacken, aber es zählt nur noch der Titel. Daher springen in der Regular Season weniger als 70 Siege heraus.

Thorben Rybarczik: Ich bin da auch eher bei Ole. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es interne Machtkämpfe um Touches geben wird. Die "ursprünglichen" Warriors haben ja ohnehin schon bewiesen, dass ihnen andere Dinge wichtiger sind. Und wenn KD auf so etwas wert legen würde, hätte er woanders unterschrieben. Auch das viel zitierte Argument, dass jedes Team mit einer Portion Extra-Motivation gegen den Vize-Champ antreten wird, zieht für mich nicht - denn das war auch letztes Jahr schon so, ob in den Playoffs oder während der Rekord-Jagd der Regular Season. Wenn wir mal die Finals ausklammern, in denen es ohnehin um alles oder nichts ging, sind Curry und Co. cool mit dieser Situation umgegangen und werden es auch künftig tun. Darüber hinaus haben sie mit Durant nun einen Spielertypen an Bord, der das vielleicht größte Problem, das die Warriors in den Finals hatten (neben LeBron James natürlich), beheben kann: In kritischen Situationen, wenn das Ball-Movement und die offensiven Plays nicht mehr funktionieren, aus Isolationen heraus Punkte zu kreieren. Irving und James haben dadurch die Championship entschieden, ein Curry mit menschlicher Dreier-Quote ist dagegen keine Eins-gegen-Eins-Maschine. Um also zur These zurück zu kommen: Reißen keine Kreuzbänder oder ähnlich wichtige Körperteile, sehe ich keinen Grund, warum das neue Super-Team nicht schnurstracks in die Finals rauschen sollte.

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Martin Klotz: Jein. Zu Anfang müssen sich natürlich selbst die besten Spieler dieser Welt finden und ein Konzept entwickeln, wie der Spalding gevierteilt werden kann. Mit Kerr haben sie dazu einen echten Experten am Taktik-Board. Ab Januar werden alle vor den Warriors auf die Knie fallen. Was soll bitte das Problem sein? Ein Ball für zu wenige Stars? Durant ist kein Westbrook, Green wird sich über zu wenige Würfe auch nicht beschweren und Curry und Thompson geben sicher gern zwei bis drei pro Spiel her. Und zusammen mit den zehn Würfen pro Spiel von Barnes, die nun KD bekommt, sollte das allemal für ihn reichen. Offensiv ist kein Team der letzten Jahre so stark wie die Dubs, 120 Punkte pro Spiel sind locker drin. Auch wenn Golden State nicht an die Nuggets um Alex English herankommen wird (Saison 81/82: 125,6 PPS!), wird diese Abteilung Attacke wie geölt laufen. Ein guter Screen - bang! Eine Fehlkommunikation in der Defense - bang! Pick-and-Pop mit Curry und Durant - bang, bang, bang! So lange es meine Anti-Warriors in der Realität nicht gibt, kann dieses Team niemand stoppen.

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Der Mavs-Sommer war...

Ole Frerks: Da ich kein Fan bin, verfolge ich die Free-Agency-"Versuche" der Mavs seit Jahren mit einer gewissen Faszination, zum Glück ohne Emotionen. Und die Fan-Reaktionen sind dabei sogar noch faszinierender. Das war auch in diesem Sommer der Fall: Effektiv wurden Parsons und Pachulia durch Harrison Barnes und Bogut ersetzt. Befreundete Mavs-Fans wollten mir das als Erfolg verkaufen. Man sieht, wie leidgeprüft die Anhänger mittlerweile sind, wenn sie einen Maximalvertrag für einen unterdurchschnittlichen Starter als Erfolg ansehen. Sorry, Mavs-Fans: Barnes ist nicht besser als Parsons, er ist zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere ein schlechterer Spieler. Bogut ist nicht (mehr) großartig besser als Zaza, wenn überhaupt. Ein Erfolg war dieser Sommer sicherlich nicht. Es bleibt dabei, dass die Mavs auf der Stelle treten und eine Erstrunden-Niederlage das Höchste der Gefühle wäre. Und selbst dafür müsste Dirk vermutlich immer noch den Großteil der Last tragen. Wie gesagt: Zum Glück bin ich kein Mavs-Fan, sonst wäre ich langsam richtig sauer.

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Matthias Bielek: Ich kann dir erklären, warum Mavs-Fans gute Miene zum bösen Spiel machen: Wir sind es eben einfach gewohnt! Leidgeprüft ist da das richtige Stichwort. Deswegen hält sich auch die Enttäuschung in Grenzen. Natürlich horcht man immer auf und hofft ein bisschen, wenn die großen Namen genannt werden, aber so richtig kann man nie dran glauben, dass wirklich einer kommt. Und dann läuft es eben wieder so, dass die erste Playoff-Runde gemessen am Kader ein Erfolg wäre. Das ist aber kein Erfolg und das nervt nicht nur die Fans, sondern mittlerweile sehr offensichtlich auch Dirk, der vor kurzem ja ungewohnt offensiv seinem Ärger Luft gemacht hat. Aber ich muss auch dazu sagen: Dallas ist am Ende eben leider auch keine Stadt, in die man unbedingt wechseln möchte, wenn man die Wahl hat. Beispiel Durant: Ich hätte mich an seiner Stelle auch eher für Oakland als für Dallas entschieden. Man zahlt zwar keine Einkommenssteuer in Texas, aber jemand wie KD muss sich um Geld dank all seiner Werbeverträge ja nun keine Gedanken mehr machen. Das ist bitter, aber eben auch schwer zu ändern. Wobei die Mavs sich mit ihrem Umgang mit Leuten wie Tyson Chandler oder vorher Steve Nash sicherlich auch keinen Gefallen getan haben, was ihren Ruf als Team angeht. Darunter leiden sie noch immer, und das ist für Dirk in seinen letzten Jahren einfach nur schade. Es wird ihm nicht gerecht.

Martin Klotz: Das ist der Punkt, Matze. Wie immer in den letzten fünf Jahren war der Sommer eine Katastrophe. Dallas hat es geschafft, aus einem Titelteam ein Durchschnittsteam zu machen. Dallas bezahlt seit fünf Jahren für den Umbruch von 2011. Vergangenes Jahr war die Reputation wieder so weit aufgebaut, dass es fast mit einem erfolgreichen Sommer geklappt hätte (danke, DeAndre). Die Tatsache, dass es Dallas (fast) jedes Jahr geschafft hat, noch ein halbwegs solides Team auf die Beine zu stellen und dank Magier Rick Carlisle und Jungbrunnen-Spezialist Nowitzki in die Playoffs einzuziehen, grenzt an ein Wunder. Ja, es ist eine Qualität, aber sie ist trügerisch. Denn Dallas muss froh sein, nicht längst mit diesem Prinzip auf die Schnauze geflogen zu sein. Dieses Jahr ist es ähnlich. Mit Barnes und Bogut hat Dallas so unfassbar - und ich meine unfassbar, also wirklich unfassbar - glücklich zwei gute Trostpreise abgestaubt. Ich traue Barnes zwar mehr zu als Ole, aber der Fehler liegt im System. Eine Franchise, deren Problem seit Jahren die Free Agency ist, setzt jeden Sommer wieder - Trommelwirbel - auf die Free Agency. Cubans Luftschlösser sind bisher noch alle zerplatzt, auch die Buddy-Nummer mit Parsons. Der Umgang damals mit Chandler und jetzt der - ohne Einsicht der Krankenakte - nach außen hin respektlose Umgang mit Parsons machen es nicht besser. Ein erneuter Platz 6 und das Aus in der ersten Runde ist da wirklich keine Verbesserung zu den letzten Jahren.

Thorben Rybarczik: Auflösung des Meister-Teams, Chandler, Nash, Parsons: Klar, man kann in der Vergangenheit nach Gründen suchen, wieso sich die großen Fische (Whiteside und Conley) mal wieder gegen Dallas entschieden haben. Das Problem ist aber eher, dass Mark Cuban offenbar in seiner eigenen Welt lebt und glaubt, ein krasser Move in der Free Agency würde seine Mavs wieder zum Contender machen. Und wie du es schon angedeutet hast, Martin, wird er es auch nächstes Jahr glauben - und wieder scheitern. Denn die von ihm umworbenen Spieler werden die sportliche Perspektive etwas weniger subjektiv bewerten und feststellen: Mittelfristig gibt es in Dallas nichts zu holen. Wieso also wechseln? Um bei Conley und Whiteside zu bleiben: Beide Akteure sind da, wo sie jetzt geblieben sind, sportlich besser aufgehoben. Das wird auch bei den Free Agents der Zukunft so sein. Das heißt, so lange Dirk noch da ist, wird es weitere katastrophale Sommer voller Enttäuschungen geben. Früher oder später führt wohl kein Weg am Rebuild samt Tanking vorbei.

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Die Bulls gehören zu den Verlierern des Sommers

Martin Klotz: Chicago hat einen richtigen und mutigen Schritt gewagt: Sie haben sich vom kränkelnden und inkonstanten Franchise- und Local Hero Derrick Rose getrennt. Damit sind sie schon mal keine Verlierer. Und sie haben Dwyane Wade geholt, das klingt doch eher nach Gewinner! Die Verpflichtung von Rondo darf kritisch gesehen werden, aber die Bulls können es sich bei ihrem Namen nicht leisten, aufgrund einer Neuausrichtung mit den Nets und Sixers um den drittletzten Platz im Osten zu spielen. Und dass Wade Miami wirklich den Rücken kehrt, konnte niemand ahnen. Es war ein Glücksfall, bei dem Gar Forman zugreifen musste. Die Entscheidung pro Rondo war in der vorherigen Situation (noch ohne Wade) richtig. Auch wenn das Spacing diese Saison kein Knaller wird und man nicht um den Titel mitspielen wird. Das tat man aber seit vier Jahren ohnehin nicht mehr. Dass Gasol für einen Umbruch nicht bleibt, war klar. Hätte sich Wade ein paar Tage eher gemeldet, wäre die Sache vielleicht anders ausgegangen. Aber das ist alles Spekulation. Nun hat Bobby Portis endlich die Chance, zu beweisen, dass er Qualität hat und Mirotic, dass er ein effektiver Sixth Man sein kann. Und das absolute K.o.-Argument gegen diese These: Chicago hat Paul Zipser geholt. Von Verlierer kann also keine Rede sein.

Paul Zipser im Interview: "Freue mich total auf Wade"

Matthias Bielek: So ist es! Wer Paule hat, ist sicher kein Verlierer. Grundsätzlich ist an der These aber natürlich trotzdem etwas dran. Die Bulls haben jetzt große Namen im Kader, aber abgesehen von Butler sind die Namen eben auch größer als das, was ihre Träger auf dem Court noch leisten können. Wade ist einer der besten Shooting Guards aller Zeiten, aber natürlich nicht mehr der Alte. Seine Playoffs waren noch einmal richtig gut, aber wie viele Saisons auf hohem Niveau hat er noch? Zumal er zuvor in keiner Saison seit 2010/11 die 70 Spiele geknackt hat. Rondo ist ein ganz spezieller Fall, mit ihm ging es in den letzten Jahren ständig bergab. Ich glaube nicht, dass die Bulls mit dieser Truppe viel reißen werden, und kann mir vorstellen, dass es intern auch mal kriseln wird. Das ist aus deutscher Sicht aber vielleicht auch gar nicht so schlimm: Vielleicht ergeben sich dadurch mehr Chancen für Zipser! Bei einer Mannschaft, die voll im Saft steht und klare Playoff-Ambitionen hat, hätte es ein deutscher Rookie sicher deutlich schwerer, auch mal Minuten zu sehen. Von dem Chaos, das ich bei den Bulls kommen sehe, könnte Paule tatsächlich ein Stück weit profitieren.

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Ole Frerks: Ich weiß gar nicht, ob es dafür zwingend Chaos braucht. Die Bulls halten ja scheinbar sehr große Stücke auf ihn und er bringt schon jetzt eine Qualität mit, die den meisten anderen Flügelspielern in Chicago abgeht: Er kann tatsächlich werfen! Die Tatsache, dass Rondo von der neuen "Big Three" der Spieler mit der besten Karriere-Dreierquote ist, sagt eigentlich alles über den Fit aus. Aber setzen wir die DBB-Brille mal kurz ab: Für mich gehören die Bulls auf jeden Fall zu den Verlierern der Offseason. Den Rose-Trade hielt ich für richtig und wichtig, seitdem haben Gar Forman und John Paxson allerdings einen Zickzack-Kurs hingelegt, der mich einfach nur verwirrt hat. Alles roch schon verdächtig nach Rebuild, es gab Gespräche über einen Butler-Trade, und dann haut man stattdessen die Kohle für Wade raus. Finanziell ist das sicher eine gute Sache gewesen, Wade wird ja massig Trikots an den Mann bringen und für Einschaltquoten sorgen, aber sportlich passt der Kader für mich hinten und vorne nicht zusammen. Butler ist dabei für mich eigentlich die ärmste Sau in der ganzen Geschichte. Es würde mich nicht wundern, wenn spätestens zur Trade Deadline erneut Gerüchte um seine Person aufkommen.

Thorben Rybarczik: Um zu den Verlierern zu gehören, muss man seine Situation klar verschlechtert haben. Das haben die Bulls nicht getan und gehören daher auch nicht dazu - aber sie haben eben auch nichts gewonnen. Der Schritt, sich von Rose zu trennen, war logisch. Auch die umstrittene Verpflichtung von Rondo kann ich gut nachvollziehen - schließlich brauchten die Bulls einen neuen Starting Point Guard und Rondo war einer der wenigen großen Namen auf dem Markt. Allerdings: Bei aller Liebe für Wade - die Entscheidung, das Heat-Urgestein für zwei Jahre und fast 50 Millionen Dollar nach Chicago zu holen, erschließt sich auch mir nicht. Wie du schon sagst, Ole: Die Trennung von Rose wäre eine Chance auf einen moderaten Rebuild gewesen, ohne komplett am Tabellenende zu versumpfen. Diese Chance ist mit Wade nicht da. Stattdessen hat man mit Rondo/Wade/Butler ein Trio, das irgendwie nicht so recht zum Offensiv-Konzept von Fred Hoiberg passen will. Zipser könnte da tatsächlich der Nutznießer sein - was aber nichts daran ändert, dass die Bulls keine große Rolle im Osten spielen werden.

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OKC sollte Westbrook traden

Matthias Bielek: So schade es auch ist: Ja, das sollten die Thunder tun und ich denke, das werden sie auch. KD hat ihnen das Herz gebrochen und jetzt hilft eigentlich nur noch ein Rebuild. Sie können nicht riskieren, dass auch Westbrook ohne Gegenwert verschwindet, und müssen daher jetzt alles nehmen, was sie kriegen können. Denn für mich ist es so sicher wie der Playoff-Einzug der Warriors, dass Westbrook im nächsten Sommer abhauen wird. Und das ist einfach traurig, aber die Realität bei Teams in so kleinen Märkten. Bei Oklahoma City tut es mir besonders leid, weil ich ein paarmal dort in der Halle war und die Stimmung wirklich ziemlich einzigartig ist. Leider passiert es nicht zum ersten Mal.

Trade-Kandidaten: Die gute, alte Zwickmühle

Martin Klotz: Richtig. Die NBA ist hartes Business und wer Durant verloren hat, der verliert spätestens im nächsten Sommer auch Westbrook. Für ihn selbst ist es relativ egal. Sollte er nicht noch vor Saisonbeginn verschifft werden, legt er diese Saison mit einer Usage-Rate von 99 Prozent einfach ein Triple-Double im Schnitt auf. Dass ihm das nicht länger als eine Spielzeit Spaß machen wird, ist aber auch klar. Daher ist er spätestens 2017 weg. Es wäre kopflos und hoffnungslos romantisch von den Thunder, zu denken, dass Russ bleibt. Wird er nämlich nicht. Daher sollte Sam Presti ihn vor Saisonbeginn loswerden, im Optimalfall lässt er noch ein wenig Zeit verstreichen, um es nicht zu hoffnungslos aussehen zu lassen. Ein Paket von einigen guten jungen Spielern (hallo, Lakers) oder mehreren Picks (hallo, Celtics) könnte dafür sorgen, dass OKC auch in den nächsten fünf Jahren im Westen relevant bleibt. Geht RW0 ohne Gegenwert, heißt die Tendenz in Oklahoma ganz klar "Versenkung". Und das wäre nach diesen tollen Jahren mit einem Traum-Duo wirklich schade.

Thorben Rybarczik: Auch wenn's langweilig ist, kann ich euch da nicht widersprechen. Durch den Abgang von KD wurde eine neue Ära in OKC eingeläutet, die nur erfolgreich sein kann, wenn man den Reset-Button drückt. Das funktioniert allerdings nur ohne Westbrook. Um ihn herum einen Rebuild einzuleiten, wird nicht funktionieren - dazu ist er mittlerweile zu ungeduldig. Und ein Spielertyp, der die jungen Wilden besser macht, sehe ich in Russ auch nicht. Apropos junge Wilde: Mit Oladipo, Sabonis, Adams und meinetwegen auch Roberson gibt es bereits eine solide Rebuild-Basis, die aber noch erweitert werden muss. Mit den Lakers oder Celtics hat mein Vorredner ja schon geeignete Abnehmer ins Spiel gebracht, die da sicher gerne helfen würden.

Ole Frerks: Schon bizarr, dass sich diese Thunder von nun an in eine Reihe mit Nashs Suns, Paytons Sonics oder Malones Jazz stellen müssen als Top-Teams, die nie einen Titel geholt haben. Ich hätte im Sommer 2012 einiges darauf gesetzt, dass KD und Russ zum heutigen Zeitpunkt schon den einen oder anderen Ring am Finger hätten. Aber genug der Sentimentalität: Ich würde an Prestis Stelle nichts überstürzen. Klar wirkt ein Abschied von Westbrook derzeit sehr wahrscheinlich, aber der Kerl tanzt doch immer zu seinem ganz eigenen Beat. Vielleicht will er es doch jetzt erst recht allen zeigen, dass in Wirklichkeit er der Superstar der Thunder ist, und sieht einen Verbleib in Oklahoma als beste Option für sich an? Zumindest muss er sich ja jetzt keine Gedanken mehr darum machen, ob er genug Würfe bekommt. Natürlich kann man keinen Verlust ohne Gegenwert riskieren, aber warum gibt man Russ nicht einfach noch ein wenig Zeit und versucht, entweder vorzeitig zu verlängern wie Houston mit James Harden, oder zumindest eine mündliche Zusage zu bekommen? Es mag eine geringe Chance sein, aber immerhin existiert sie. Bei einem Spieler wie Westbrook ist das besser als nichts, denn er gehört zu den ganz wenigen Leuten in der NBA, die tatsächlich einen Unterschied ausmachen. Und genau aus dem Grund würde man zur Not auch noch zur Trade Deadline einen ordentlichen Gegenwert bekommen.

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