Bei den Portland Trail Blazers brodelt es. Empfindliche Pleiten, eine negative Bilanz, ein entlassener GM, dazu die ständigen Gerüchte um einen Trade von Superstar Damian Lillard - nach Jahren der Konstanz stehen die Zeichen auf Veränderungen im Nordwesten. Die Frage ist, wie diese aussehen werden.
Ein Wechsel des Coaches kann unterschiedlich wirken, unterschiedliche Motive haben. Mal hat sich eine Beziehung zu den Spielern abgenutzt, mal passt es einfach nicht und manchmal ist es schlichtweg auch der letzte Rettungsanker für eine Situation, die womöglich einfach nicht zu retten ist.
In Portland deutet Vieles darauf hin, dass hinter Tor 3 die richtige Antwort versteckt ist. Nach neun Jahren war im Sommer für Terry Stotts bei den Blazers Schluss, mit Chauncey Billups sollte der dringend benötigte frische Wind in die Organisation kommen. Der Druck auf die Franchise ist enorm, mit Damian Lillard (31) besitzen die Blazers einen der besten zehn bis 15 Spieler der Liga und doch hat Portland in diesen neun Jahren gerade einmal vier Playoff-Serien für sich entschieden.
Schon im Sommer rankten sich nach der Enttäuschung über das neuerliche frühe Aus gegen dezimierte Denver Nuggets zahlreiche Gerüchte um einen möglichen Lillard-Trade, der 11-13-Start inklusive aller Probleme hinter den Kulissen um die Anstellung von Billups und die Mobbing-Vorwürfe gegen den inzwischen gegangenen GM Neil Olshey befeuern dies weiter.
Was läuft schief in Oregon? Was sind die Wurzeln der verfahrenen Situation und was bedeutet dies für die Zukunft der Blazers (und damit auch einen möglichen Lillard-Trade)? Mit diesen Fragen setzen wir uns nun auseinander.
Portland Trail Blazers: Die aktuellen Probleme
Das vierte Viertel bei der 117:145-Niederlage gegen die Boston Celtics war eine einzige Vorführung, die Gäste veralberten schlichtweg die Blazers. Hometown-Hero Payton Pritchard traf Wurf um Wurf, die Celtics-Bank feierte es so aufreizend, dass sich Celtics-Coach Ime Udoka nach der Partie sogar bei den Gastgebern entschuldigte.
Für Portland war es ein neuer Tiefpunkt in dieser Saison, weswegen Billups zu einem (erneuten) Rundumschlag ansetzte. Kein Stolz, kein Wille, keine Leidenschaft, so lautete das vernichtende Urteil des früheren Finals-MVPs über seine Mannschaft. Selten hört man so deutliche Worte von einem Rookie-Head-Coach.
Es war bereits die neunte zweistellige Pleite für die Blazers, zum fünften Mal betrug die Differenz mindestens 22 Zähler. Bei drei dieser Niederlagen fehlte zwar Lillard, dennoch war es vor allem die Art und Weise, die bedenklich war. Speziell die Defense bleibt ein Fass ohne Boden, inzwischen sind die Blazers mit großem Abstand Letzter in dieser Kategorie (1,1 Punkte mehr als Platz 29).
Blazers: An jedem Abend zu klein
Dabei war die Verteidigung einer der Gründe, warum sich die Blazers im Sommer von Stotts trennten. Billups, als Spieler einer der Besten in dieser Disziplin, sollte das ändern, erreicht hat der 45-Jährige aber nicht viel. Der Plan war es, aggressiver zu spielen, den Gegner mehr unter Druck zu setzen. Dafür fehlt jedoch schlichtweg das Personal.
So befinden sich die Blazers bei der Verteidigung des Rings als auch bei den zugelassenen Eckendreiern unter den schlechtesten fünf Teams der NBA, eine toxischere Kombination gibt es nicht. Dass Gegner der Blazers fast 40 Prozent ihrer Triples versenken, hilft auch nicht, sollte sich aber zumindest über die Saison etwas ausgleichen.
Aber wo soll Defense herkommen? Die Blazers starten ihre Spiele mit Damian Lillard, C.J. McCollum und Norman Powell, die allesamt maximal 1,93 Meter groß sind. "Abend für Abend sind wir deutlich kleiner als der Gegner", ist sich auch Billups der Problematik bewusst. "Wir müssen Wege finden, wie wir das mit mehr Einsatz ausgleichen können."
Doch genau jenen Einsatz bemängelt Billups seit Wochen und der Coach wird nicht müde, seine Spieler auch öffentlich zu kritisieren. So gab Billups offen zu, dass Robert Covington doch nicht der Kettenhund ist, den Portland in ihm sah, als man in der Offseason 2020 für seine Dienste gleich zwei Erstrundenpicks nach Houston abtrat.
Blazers: "Tiefstes Team" der Lillard-Ära ein Irrglaube
Covington ist exzellent als Hilfsverteidiger, nicht jedoch in direkten Duellen und erst recht nicht gegen schnelle Guards. Billups schien sich dessen nicht bewusst, anders ist es nicht zu erklären, dass er öffentlich bedauerte, dass RoCo nicht auf dem Niveau eines Mikal Bridges von den Phoenix Suns agieren würde.
Larry Nance Jr. sollte ebenfalls Abhilfe auf dem Flügel schaffen, wird aber häufiger als kleiner Center benötigt, da die Leistungen von Jusuf Nurkic seit Jahren - auch aufgrund von Verletzungen - massiv schwanken.
Als "tiefstes Team" seit Jahren bezeichnete Olshey den Kader in der Offseason, zu sehen ist davon wenig. Es fehlt ein geeigneter Backup für die Star-Guards, Anfernee Simons oder auch Dennis Smith Jr. sind keine Lösungen. Auf dem Flügel machte zuletzt Sophomore Nassir Little auf sich aufmerksam, der 20-Jährige wird aber auch noch Zeit brauchen, dennoch passt er mit seiner Athletik noch am besten zu dem Stil, den Billups spielen möchte.
Über Jahre hieß es immer, dass der Kern um Lillard, McCollum und Nurkic sinnvoll ergänzt werden müsse. Allerdings erwies sich keiner der vielen verschiedenen Flügelspieler als langfristige Lösung. Vielleicht ist das Trio auch selbst das Problem, da es aufgrund der hohen Gehälter schwer ist, die passenden Teile zur Gleichung hinzuzufügen. Portland hat zwar trotz allem wieder eine Top-5-Offense, trotzdem hinkt man den Ansprüchen (mal wieder) weit hinterher.
Doch wo genau sind die Blazers falsch abgebogen, warum steckt dieses Team im Treibsand des Mittelmaßes fest und kommt nun seit Jahren nicht voran? Wir begeben uns auf eine kleine Zeitreise.
Portland Trail Blazers: Die Fehler der Vergangenheit
Alles beginnt im Sommer 2015, als GM Olshey einen Schnitt macht. Mit Wesley Matthews, Nicolas Batum, LaMarcus Aldridge und Robin Lopez verlassen gleich vier Starter Rip City, nur der aufstrebende Lillard verbleibt und soll das Gesicht des Rebuilds werden. Las Vegas sieht die Blazers bei 29 Siegen, doch Portland gewinnt 44 Spiele und dank einiger Verletzungen bei den L.A. Clippers sogar eine Playoff-Runde.
McCollum wird Most Improved Player und plötzlich spricht die ganze NBA von den jungen, aufstrebenden Blazers. Der Erfolg hat seinen Preis und im verrückten Sommer von 2016 hat Portland jede Menge Geld zur Verfügung. Top-Stars kommen natürlich keine, stattdessen wird der NBA-Durchschnitt mit Dollars überhäuft.
Blazers: Die Signings der Blazers 2016
Spieler | Jahre | Volumen (in Mio. Dollar) |
Allen Crabbe | 4 | 75 |
Festus Ezeli | 2 | 15,2 |
Moe Harkless | 4 | 40 |
Meyers Leonard | 4 | 41 |
C.J. McCollum | 4 | 106 |
Evan Turner | 4 | 70 |
2015/16 zahlten die Blazers für ihren Kader gerade einmal knapp 62 Millionen Dollar, so wenig wie kein anderes Team, ein Jahr darauf waren nur LeBron James' Cleveland Cavaliers teurer (ca. 120 Mio.). Im Gegensatz zu den Cavs marschierten die Blazers aber nicht in die Finals, es setzte stattdessen einen Sweep in Runde eins gegen die KD-Warriors.
Von diesem Sommer - und der in der Folge fehlenden Flexibilität - erholten sich die Blazers nicht, auch wenn ihnen mit dem Trade von Jusuf Nurkic für Mason Plumlee mit Denver noch ein echter Coup gelang (Portland bekam sogar noch einen Erstrundenpick!) und die weiteren Moves bis heute nie katastrophal waren. Im Jahr darauf war wieder in Runde eins Schluss, 2018/19 marschierte Portland plötzlich bis in die Conference Finals, was wieder die Erwartungen in die Höhe trieb.
gettyBlazers: Keine Flexibilität und Nibelungentreue zu McCollum
Die Realität war eine andere. Portland war nicht das zweitbeste Team im Westen und hatte Glück, dass mit Golden State, Houston und Utah gleich drei vermeintlich bessere Mannschaften auf der anderen Seite des Brackets waren. So lösten sich auch mögliche Trade-Szenarien für McCollum in Luft auf. Es herrschte innerhalb der Franchise die Meinung vor, dass dieser explosive Backcourt in einer wurffreudigen NBA funktionieren könne.
Dass beide defensiv zu klein und anfällig waren und vor allem von den Warriors über fünf Jahre komplett dominiert wurden, darüber wurde gerne hinweg gesehen. Es ist neben dem Wahnsinn von 2016 der größte Fehler der Blazers.
Der Aufstieg von McCollum zu einem starken Scorer mag eine tolle Geschichte sein, doch an der Seite von Lillard wurde dem Team so ein Limit gesetzt. Vor zwei Jahren wäre ein Trade rückblickend die beste Variante gewesen, stattdessen verlängerten die Blazers mit dem Shooting Guard um drei Jahre über 100 Millionen Dollar bis 2024. Eine Menge Holz für einen zu kleinen Shooting Guard, der noch nie in seiner Karriere ein All-Star war.
McCollum für einen großen Wing zu traden wäre vermutlich das beste Szenario, wenn man mit Lillard doch noch einmal angreifen möchte. Allerdings dürfte die Nachfrage nicht besonders groß sein. Sixers-Boss Daryl Morey scheint an McCollum nicht interessiert zu sein, sonst wäre ein Trade für Ben Simmons wohl schon über die Bühne gegangen. Große Wings sind derzeit ein rares Gut, in der Kombination mit McCollums Vertrag erscheint es daher unrealistisch, dass Portland über diesen Weg sein Team signifikant verbessern könnte.
Und so stehen die Blazers nun da, wo sie stehen. Zu schlecht für den Contender-Status, zu gut für die Lottery und mit einem Team in der Luxussteuer, welches für den kommenden Draft seinen Erstrundenpick bereits verscherbelt hat. Mit Covington und Nurkic werden zudem gleich zwei Starter Free Agents. Was wiederum zur alles entscheidenden Frage führt.
Portland Trail Blazers: Muss Damian Lillard getradet werden?
"Müssen" ist vielleicht der falsche Ausdruck, doch manchmal ist ein radikaler Schnitt die beste Lösung. Es ist weiter nicht klar, wohin die Franchise wirklich möchte. Nach dem Ableben des langjährigen Besitzers Paul Allen, der für ein Small-Market-Team wie Portland enorme Summen investierte, herrscht weiterhin Unklarheit, wie es weitergeht.
Witwe Judy Allen hält die Zügel in der Hand, hin und wieder gibt es auch Gerüchte über einen Verkauf. Durch die Entlassung von Olshey kommt eine neue Variable ins Spiel. Der Ex-GM betonte stets, dass das Backcourt-Tandem das Gerüst der Mannschaft sei, mit einem neuen Gesicht könnte die Sache anders betrachtet werden. Wer das sein wird, ist völlig unklar, zuletzt wurde unter anderem Ex-Celtics-Boss Danny Ainge gehandelt.
Die Olshey-Episode könnte auch etwas Gutes haben. Ein neuer GM ist traditionell offener für Kader-Veränderungen, eben weil er selbst keine eigenen Fehler aus der Vergangenheit ausmerzen muss. Eine Nibelungentreue zu Akteuren wie McCollum oder Nurkic wird es nicht geben, solange nicht etwa Interims-GM Joe Cronin Olsheys Nachfolger wird.
Es kann eine Chance für Portland sein, auch wenn ein Rebuild nach acht Playoff-Jahren in Serie schmerzhaft sein wird. Dies ist die andere Seite, die auch Olshey gerne betonte. "Platz drei im Westen ist für uns die Messlatte, weil wir schon erfolgreicher waren. Mit jedem Jahr werden die Ansprüche größer, so läuft das eben", war sich Olshey der Problematik schon im Sommer bewusst. Allerdings: Ob bei dieser Ausgangslage ein Neuling wie Billups die richtige Wahl war, ist ebenso anzuzweifeln.
Blazers: Was will Damian Lillard wirklich?
Billups war gleichzeitig ein Wunschkandidat von Lillard selbst, auch wenn dieser mehrfach seinen Einfluss auf die Entscheidung herunterspielte. Der All-Star hat sein Schicksal gewissermaßen selbst in der Hand. Portland wird seinen Star (auch aus Fan- und PR-Sicht) nicht einfach so verscherbeln, stattdessen müsste es einen klaren Trade-Wunsch oder eben ein klärendes Gespräch wie zum Beispiel bei Russell Westbrook und den OKC Thunder geben, wo die unterschiedlichen Prioritäten eindeutig abgesteckt werden.
Doch wie sehen die Prioritäten des dreifachen Familienvaters aus, der über Jahre seine Loyalität zu Portland in den Vordergrund stellte? "Ich habe in meiner Karriere vieles erreicht und dieses Gefühl habe ich mit oder ohne Ring", sagte Lillard kürzlich bei einem Promo-Event. "Ich will einen Ring gewinnen, aber ich glaube nicht an 'Ring or Bust'. Meine Karriere hängt nicht von diesem Narrativ ab."
Aus Sicht der Blazers wäre es jedoch kein schlechter Zeitpunkt für einen Neuanfang. Mit 31 Jahren befindet sich Lillard noch in seiner Prime, entsprechend könnte ein anständiger Gegenwert gefordert werden, selbst wenn 176 Millionen Dollar bis 2025 besorgniserregend erscheinen. Gleichzeitig könnten so in der Folge auch noch Covington und Nurkic abgestoßen werden, ihre auslaufenden Verträge könnte für mögliche Contender interessant sein und die Blazers könnten den einen oder anderen Pick sowie einen jungen Spieler abgreifen.
Darüber lässt sich momentan nur spekulieren, doch klar ist, dass es in den nächsten Wochen und Monaten Veränderungen geben wird. Portland liegt drei Millionen über der Luxussteuergrenze, für eine Play-In-Teilnahme wird man nicht zusätzlich bezahlen wollen. Es bleibt die Frage, wie viele Trades bis zur Deadline kommen und wie groß diese aussehen werden. Die Blazers, die NBA-Fans seit Jahren kennen, wird es so wahrscheinlich bald nicht mehr geben.