NFL: 5 Fragen zum Trade von Carson Wentz zu den Washington Commanders: Letzte Chance für den einstigen Star-Quarterback

Marcus Blumberg
10. März 202212:31
Carson Wentz spielt in der kommenden Saison für die Washington Commanders.getty
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Carson Wentz wird von den Indianapolis Colts zu den Washington Commanders getradet. Damit endet ein teures Intermezzo für die Colts. Gleichzeitig wirft der Deal für beide Franchises Fragen auf, während er für den Quarterback so etwas wie die letzte Chance darstellt.

Der Trade von Carson Wentz von Indianapolis nach Washington hat auf den ersten Blick keine Gewinner. Vielmehr birgt er bei den einen gewisse Risiken, während die anderen einen unschönen Trend fortsetzen.

Fünf Fragen zum nächsten Dominostein auf dem Weg zur Free Agency 2022.

1. Was bedeutet der Wentz-Trade für die Indianapolis Colts?

Die Indianapolis Colts werden seit ein paar Jahren schon als Paradebeispiel für einen sehr durchdachten Kaderbau angesehen. Und das durchaus zu Recht. General Manager Chris Ballard gelang es immer wieder, gerade im Draft viel gutes Talent zu finden und damit ein starkes Gerüst zu bauen.

Zudem half der Coaching Staff um Head Coach Frank Reich, immer wieder ein hohes Level auf den Platz zu bringen. Doch eines ist den Colts seit ein paar Jahren schon nicht mehr gelungen - sie haben keinerlei Konstanz auf der Quarterback-Position erreicht.

Seit dem plötzlichen Rücktritt vom damaligen Franchise-Quarterback Andrew Luck - seines Zeichens Nachfolger des legendären Peyton Manning - hatten die Colts nun jedes Jahr einen anderen Starting Quarterback. 2019 war es notgedrungen Jacoby Brissett, 2020 folgte Philip Rivers und im Vorjahr versuchte sich Carson Wentz, der aber nun auch schon wieder weg ist.

Speziell Wentz sollte diese QB-Parade beenden und endlich Konstanz reinbringen. Entsprechend zahlte man einen hohen Preis, um ihn zu bekommen - neben einem Drittrundenpick 2021 gaben die Colts auch noch einen konditionalen Zweitrundenpick ab, der durch Wentz' Spielzeit 2021 sogar zu einem Erstrundenpick im anstehenden Draft wurde.

All das, obwohl Zweifel an Wentz' Fähigkeiten durchaus angebracht waren, nachdem seine letzte herausragende Saison in Philadelphia bereits ein paar Jahre zurücklag. Doch die Hoffnung war, dass sein damaliger QB Coach Reich ihn in Indy schon wieder hinbiegen würde.

Wentz' Formschwankungen kosteten die Colts die Playoffs

Fazit: Es gelang ihm nicht. Wentz spielte zwar eine überwiegend solide Saison, doch waren immer auch desaströse Fehler dabei, die Spiele versenkten und den Colts mit einer ganz schwachen Vorstellung in Woche 17 in Jacksonville (!) sogar die sicher geglaubte Playoff-Teilnahme kostete.

Schon kurz nach diesem finalen Meltdown des Teams ließ Teameigner Jim Irsay mit einem kuriosen Tweet aufhorchen und zählte seinen Quarterback damals schon öffentlich an - ohne seinen Namen zu nennen, versteht sich.

Mittlerweile wurde zudem bekannt, dass Wentz zuweilen etwas beratungsresistent sein soll und empfindlich sei gegenüber "hartem Coaching". Das kann natürlich auch ein Spin sein, um sich aus Colts-Sicht für den Abgang nun zu rechtfertigen, doch in jedem Fall kann man sagen: Wenn selbst QB-Flüsterer Reich ihn nicht hinbekommt, wer dann?

Für die Colts heißt das nun zurück ans Reißbrett, wenn man so will. Sie brauchen abermals einen neuen Starting Quarterback und haben dank des letztjährigen Wentz-Trades keinen Erstrundenpick in diesem Jahr. Zu ihrer "Erleichterung" gibt der Draft aber ohnehin nicht die optimale Lösung her. Entsprechend werden die Free Agency und der Trademarkt in den Vordergrund rücken. Ein Name, der nun schon häufiger zu hören ist, ist Jimmy Garoppolo, dessen Tage in San Francisco ganz offensichtlich gezählt sind. Doch auch er wäre eine Übergangslösung, ebenso wie jeder Free Agent auf dem Markt.

Colts führen NFL in Cap Space an

Was den Colts mit diesem Trade aber in jedem Fall gelungen ist, ist sich für die Offseason in Position zu bringen. Sie verfügen nun mit fast 70 Millionen Dollar über den meisten Cap Space der Liga und könnten somit nicht nur namhafte Free Agents akquirieren - Ballard ist kein großer Freund davon -, sie könnten auch ein großes Gehalt bei einem Trade für einen QB ohne Probleme aufnehmen, denn Wentz' komplettes Gehalt in Höhe von 28 Millionen Dollar wird an die Commanders übergehen.

Was auch immer die Colts nun machen, eines ist schon jetzt klar: So langsam muss mal ein Schuss sitzen, denn sonst wird aus der misslichen QB-Situation eine Endlos-Spirale und es droht durchgängiges Mittelmaß in einer AFC South, die immer noch managebar wäre mit einem guten QB.

Was bedeutet der Trade für die Commanders?

Die Washington Commanders haben einen neuen Quarterback gefunden und damit ihre größte Baustelle beackert. Quarterback war das große Thema in der amerikanischen Hauptstadt. Daraus wurde nie ein Hehl gemacht. Head Coach Ron Rivera kündigte sogar vollmundig an, jeden Stein umzudrehen und alle möglichen Wege zu erforschen, jenen QB zu finden.

Nun senden sie einen Drittrundenpick 2022 und einen konditionalen Drittrundenpick 2023, der zu einem Zweitrundenpick wird, sollte Wentz 70 Prozent der Offensiv-Snaps absolvieren. Ein sehr wahrscheinliches Szenario, nachdem Wentz im Vorjahr 98 Prozent der Snaps auf dem Feld stand. Zudem tauschten beide Teams ihre diesjährigen Zweitrundenpicks, sodass die Colts nun an Position 42 picken, die Commanders an 47.

Ein hoher Preis für einen Quarterback, den sein vorheriges Team unbedingt loswerden wollte. Und für einen, der bereits nachgewiesen hat, nicht unbedingt der präziseste Passer der Liga zu sein und zu teils wilden Momenten neigt, erst recht. Im Grunde kann man sogar argumentieren, dass Wentz nicht mal ein signifikantes Upgrade gegenüber Taylor Heinicke darstellt, der im Vorjahr solide agierte, aber auch schon nicht die Lösung des Problems darstellte.

Wentz birgt für die Commanders letztlich ein ähnliches Risiko wie im Vorjahr schon für die Colts. Er bringt durchaus großes Potenzial mit, das man vor einigen Jahren bei den Eagles gesehen hat. Doch ob er jemals wieder an seine starke Saison 2017 und mit Abstrichen 2019 herankommen wird, ist äußerst fraglich.

Washington: Wentz nur ein Teil des Puzzles

Entsprechend kann Wentz eigentlich nur ein Teil des Puzzles sein für die Commanders. Wenn sie wirklich alle möglichen Wege erkunden wollen, um ihren QB der Zukunft zu finden, dann kann Wentz nur eine von mehreren Optionen sein. Sprich: Die Commanders verfügen auch noch über den elften Pick im Draft und könnten so versuchen, auch auf diesem Wege einen Quarterback zu ziehen, der jedoch womöglich nicht schon 2022 bereit wäre zu übernehmen.

Und somit wird es wohl doch darauf hinauslaufen, dass die Commanders darauf hoffen müssen, dass Wentz doch nochmal an sein Topniveau herankommt. Eine Hoffnung, die zuletzt schon zwei andere Teams aufgegeben hatten.

Was bedeutet der Trade für Carson Wentz?

Für Carson Wentz bedeutet der Trade zu den Commanders einen weiteren Neuanfang. Nachdem bereits die Eagles die Flinte ins Korn geworfen hatten, ging das Verhältnis zu den Colts und seinem einstigen Förderer Frank Reich in Indy sogar noch schneller den Bach runter.

Vor allem aber ist dieser Trade für Wentz wohl auch die wirklich letzte Chance, seine Karriere doch noch in geregelte Bahnen zu lenken. Er spielt nun auf Bewährung. Sein Vertrag ist so strukturiert, dass er ab 2023 unkompliziert aufgelöst werden kann. Nur noch das diesjährige Gehalt von rund 28 Millionen Dollar inklusive Kader-Bonus ist zu Teilen garantiert und wird voll garantiert am dritten Tag des Liga-Jahres 2022.

Sollte es ihm nun auch in Washington nicht gelingen, eine konstant gute Saison hinzulegen und nachzuweisen, dass er immer noch ein Franchise-Quarterback sein kann, dürfte die Geduld bei den Commanders auch schnell aufgebraucht sein. Und das unabhängig davon, ob ein Quarterback aus dem Draft 2022 noch dazu stößt oder nicht.

Mehr noch: Verspielt Wentz auch diese Gelegenheit, sich zu beweisen, dann wird es schwer fallen, ihn noch anderswo als Top-Lösung unterzubringen. Sicherlich ist die Verzweiflung bei Teams, die Quarterbacks suchen, immer groß - der Wentz-Trade beweist das nachhaltig. Doch wie groß wäre das Verlangen nach einem Quarterback, der dann womöglich von drei Teams in drei Jahren fallen gelassen worden wäre?

Carson Wentz spielt in der kommenden Saison für die Washington Commanders.getty

Wentz findet gute Voraussetzungen in Washington vor

Die Voraussetzungen nun sind jedoch gar nicht mal so schlecht. Allen voran Terry McLaurin gibt ihm einen sehr guten Top-Receiver, zudem gibt es ein paar sehr gute Sekundär-Waffen und eine stabile Offensive Line vor ihm.

Das allerdings ließ sich auch schon über die Colts behaupten und wir wissen wie das endete.

Wentz ist in der Bringschuld und muss in der kommenden Saison überzeugen und seinen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Nur dann besteht die Chance, dass er noch einige Jahre länger Starting Quarterback in dieser Liga sein wird.

Carson Wentz: Statistik in der NFL

SaisonTeamSpielePassquote (Prozent)YardsTouchdownsInterceptionsQBR
2016Eagles1662,43782161446,7
2017Eagles1360,2329633778,5
2018Eagles1169,6307421762,0
2019Eagles1663,9403927762,8
2020Eagles1257,42620161541,9
2021Colts1762,4356327754,7

Was bedeutet der Trade für den Quarterback-Markt?

Aaron Rodgers? Bleibt bei den Packers. Russell Wilson? Geht zu den Broncos. Und auch wenn nicht unbedingt zu erwarten war, dass Carson Wentz der dritte Dominostein ist, der in diesem Jahr auf dem QB-Markt fällt, ist genau das eingetreten.

Was bleibt für die anderen verzweifelten Teams also übrig, wenn man nicht auf die fragwürdige Draft-Klasse zurückgreifen will? Da wäre in erster Linie mal Jimmy Garoppolo von den San Francisco 49ers. Der führte sein Team 2019 sogar in den Super Bowl und gilt zwar nicht als spektakulärste Option, doch immerhin ist er ein solider Game Manager und bietet Teams damit eine stabile Basis. Er kann eine gut aufgestellte Offense kompetent umsetzen.

Jimmy G unterzog sich vor wenigen Tagen einer lange erforderlichen Schulteroperation, die Prognose ist jedoch, dass er noch vor dem Start des Training Camps im Juli wieder fit sein soll. Entsprechend dürften die 49ers dieser Tage einige Anfragen für den früheren Backup von Tom Brady bekommen. Und allzu hoch dürfte der Preis für ihn auch nicht sein, denn es ist bekannt, dass Head Coach Kyle Shanahan nun gerne auf seinen letztjährigen Erstrundenpick Trey Lance setzen will.

Zudem läuft Garoppolos Vertrag nur noch eine Saison und er ist ziemlich teuer - sein neues Team müsste einen Cap Hit von rund 25,5 Millionen Dollar in Kauf nehmen. Andererseits ist Wentz noch teurer, sodass irgendein Paket mit Zweit- oder mehreren Drittrundenpicks durchaus denkbar ist.

QB-Markt: Keine Langzeit-Lösungen in Sicht

Und ansonsten gibt es zahlreiche Optionen auf dem Free-Agent-Markt. Man denke an Jameis Winston, Marcus Mariota, Teddy Bridgewater, Andy Dalton oder auch Tyrod Taylor. Allesamt sind aber auch keine garantiert langfristigen Lösungen und eher Leute, die man als Übergangslösung oder Konkurrenz/Absicherung für einen potenziellen Rookie holen würde.

Und damit kommen wir zur ultimativen Wildcard - Deshaun Watson. Gerüchten zufolge sind weiterhin einige Teams an ihm interessiert. Besonders die Carolina Panthers und neuerdings auch die Seattle Seahawks werden hier gerne genannt. Am Freitag steht eine Grand Jury an, die Bewegung in seine rechtliche Situation bringen wird. Vielleicht gibt es danach zumindest schon mal einen Hauch von Klarheit, sodass Teams bereit wären, einen Trade schon in naher Zukunft einzufädeln. Er wäre wohl die einzige verfügbare Langzeit-Option auf dem QB-Markt. Wenn er denn spielen darf.

Was bedeutet der Trade für den Draft?

Hat der Wentz-Trade unmittelbare Auswirkungen auf den Draft? Vermutlich nur bedingt, wenn überhaupt. Wie bereits erwähnt, ist es durchaus vorstellbar, dass Washington auch mit Wentz an Bord einen Quarterback mit seinem elften Pick ziehen wird. Kenny Pickett (Pitt) oder Malik Willis (Liberty) könnten interessante Optionen sein, die aber womöglich noch etwas mehr Zeit brauchen, bis sie bereit wären für die NFL.

Ebenso aber könnten die Commanders auch mit Wentz und Heinicke an Bord versuchen, ihre Situation zu optimieren und noch einen weiteren brauchbaren Receiver ziehen. Ebenso ist ein Guard wie Kenyon Green von Texas A&M denkbar, nachdem Brandon Scherff das Team wohl verlassen wird.

Ebenfalls möglich, sollten sich die Commanders gegen einen QB-Pick entscheiden, erscheint ein Down-Trade, um weitere Draftpicks zu erhalten - aktuell stehen sie bei gerade mal fünf Picks, davon nur noch zwei an den ersten beiden Tagen.

Commanders als interessanter Trade-Partner vor dem Draft

Für ein Team, das besonders überzeugt ist von einem der verfügbaren Rookie-QBs, wäre der elfte Pick im Draft so etwas wie ein Sicherheitsnetz. Damit würde man noch vor den Vikings und Browns landen, die zwar keine akuten QB-Sorgen haben, aber durchaus in die Zukunft blicken könnten mit jeweils auslaufenden Verträgen für Kirk Cousins und Baker Mayfield.Teams wie die Saints oder Steelers sind hier durchaus denkbare Kandidaten für einen Trade.

Die Commanders haben sich durch den Wentz-Trade zumindest mal alle Optionen offen gehalten und sollten nun flexibler sein, was ihre Herangehensweise im Draft angeht.