Im College Football wurde eine neue Ära eingeläutet: Aus der Power 5 wird vielleicht schon bald eine Power 2, es findet eine klare Trennung an der Spitze des Sports statt - durch zwei auf den ersten Blick kuriose Wechsel.
1. Was ist passiert - und warum?
Die Nachricht schlug in der vergangenen Woche zumindest von außen betrachtet komplett aus dem Nichts ein: Die USC Trojans und die UCLA Bruins, zwei der traditionsreichsten College-Programme in der Pac-12 - der Conference an der Westküste der USA - verlassen die Pac-12 und wechseln ab 2024, wenn die aktuellen Mediendeals der Pac-12 auslaufen, in die Big Ten; traditionell die Conference im Mittleren Westen, mit Teams wie Indiana, Iowa, Michigan, Minnesota und Ohio State.
Geographisch passt hier dementsprechend gar nichts, doch geht es im College Football längst nicht mehr in erster Linie um historische Verwurzelungen oder traditionelle Conference-Zugehörigkeiten: Geld, TV-Rechte und der Wunsch, eine reelle Chance auf ein Playoff-Ticket zu haben, das sind die zentralen Motive.
Bevor es hier in die Details der Weichenstellung, an welcher sich der College Football gerade befindet, geht, ein grober Überblick: Zehn Conferences bilden das höchste Level im College Football. Diese zehn Conferences werden nochmals unterteilt, in die "Power Five" und die "Group of Five".
Die "Power Five" bilden also die Elite der Elite. Diese fünf Conferences sind die SEC (mit u.a. Alabama, Georgia, LSU), die Pac-12 (u.a. Oregon, California, Stanford, Utah), die Big Ten (u.a. Ohio State, Michigan, Wisconsin) die Big 12 (u.a. Baylor, Oklahoma State, Iowa State) und die ACC (u.a. Clemson, Florida State, Miami).
College Football: Das Wettrüsten ist in vollem Gange
Doch selbst in dieser Top-5-Elite gab es nie ein komplettes Kräftegleichgewicht. Die SEC ist die stärkste Conference, gefolgt von der Big Ten. Doch insbesondere die Big 12 und die ACC waren in den letzten Jahren mit Teams wie Oklahoma und Clemson zumindest in Einzelfällen auf Tuchfühlung und ein echter Faktor in den Playoffs.
Insbesondere USC, das zu Jahresbeginn bereits Superstar-Coach Lincoln Riley von Oklahoma losgeeist und anschließend mehrere Kracher über das Transfer-Portal verpflichtet hatte, sollte die Big Ten sportlich, aber auch in puncto medialer Reichweite nochmals erheblich aufwerten. Die Pac-12 auf der anderen Seite war zuletzt bereits die schwächste der fünf Power Five Conferences; ohne USC, zumindest ohne das USC, das unter Riley viele jetzt perspektivisch erwarten, wird es noch schwieriger, den Anschluss zu wahren. Sportlich, aber eben auch in puncto Reichweite.
Letztlich viele Worte, um eine Sache zu sagen: Die medial wie auch sportlich stärksten Conferences rüsten auf, und sie picken sich dafür die Kronjuwelen der schwächeren Power Five Conferences. Das vergrößert die Lücke in der Spitze des College Footballs, es kreiert einen noch kleineren, elitären Kreis einiger weniger Conferences.
Das wiederum hat Auswirkungen auf den Wert dieser Conferences, wenn es um das Aushandeln von Medienrechten geht. Für Mitte Juli wurde die Verkündigung des neuen Big-Ten-Mediendeals erwartet. Geschätzter Wert: eine Milliarde Dollar pro Jahr für die Conference. Mit dem unerwarteten Zuwachs durch zwei Schulen aus dem lukrativen Medienmarkt in Los Angeles sowie der Aussicht, regelmäßig Kracher wie USC gegen Michigan oder Ohio State anbieten zu können, wird diese Summe fraglos höher ausfallen.
Aus Team-Sicht derweil ist es nicht schwer nachvollziehbar, warum Schulen wie USC und UCLA ihre langreichenden Wurzeln so radikal abtrennen und regelmäßige Reisestrapazen auf sich zu nehmen: Die finanzielle Stabilität sowie die sportliche Qualität der SEC und der Big Ten sind so verlockend, dass es verrückt wäre, nicht über einen solchen Wechsel nachzudenken, wenn man das beste langfristige Interesse des eigenen Programms im Sinn hat.
2. Kommt irgendwann die Superliga im College Football?
Bereits im vergangenen Jahr hatten Texas und Oklahoma verkündet, dass sie die Big 12 verlassen und sich stattdessen der SEC anschließen werden. Die Big 12 reagierte, indem sie sich mit Cincinnati, BYU, Houston und UCF auf einen Anschluss zur Big 12 einigte - starke Programme aus dem "Group of Five"-Level, also der zweiten Klasse, wenn man so will, die damit in gewisser Weise aufrücken.
Die Entscheidung von USC und UCLA wirkt jetzt angesichts der historischen und geographischen Verwurzelung umso drastischer, und die Pac-12 wird ihrerseits versuchen, andere Schulen zu finden, die dafür nachrücken. San Diego State oder Boise könnten Optionen sein. Gleichzeitig drohen auch weitere Abgänge, Teams wie Arizona oder Utah könnten jetzt etwa einen Wechsel in die Big 12 anstreben. Im schlimmsten Fall steht die Pac-12 vor dem Ausverkauf.
Das übergreifende Thema der Entscheidungen aber ist eine Idee, die bereits seit Jahren im Fußball herumgeistert: eine Superliga. Die SEC hat mit Oklahoma und Texas den Startschuss gegeben, die Big Ten als vermutlich einzige Conference, die überhaupt mit der SEC mithalten kann, hat jetzt nachgezogen.
Dass sich SEC und Big Ten irgendwann komplett gemeinsam vermarkten und alles unter einem Schirm stattfindet, ist schwer vorstellbar - aber dass beide Conferences die Playoffs unter sich ausmachen? Dass beide einen Champion aus ihren Reihen ausspielen? Dass andere Conferences mehr oder weniger von den Playoffs ausgeschlossen werden? Diese Überlegungen scheinen heute längst nicht mehr so absurd wie noch vor einem Jahr.
College Football ist auf dem Weg von der Power 5 zu einer Power 2, und man könnte durchaus argumentieren, dass er mit den Entscheidungen der Vorwoche sogar bereits dort angekommen ist.
College Football: Playoffs bestimmen die Entscheidungen
Alles steht im Zeichen der Playoffs. Zwar gibt es den Playoff-Modus im College Football um den National Champion auszuspielen in dieser Form erst seit 2014, doch längst haben sich die Playoffs ins Nonplusultra entwickelt. Das hat die anderen Bowls entwertet, und das ist auch der Treiber dahinter, traditionell gewachsene Strukturen aufzubrechen, weil jede größere Schule in Schlagdistanz zu den Playoffs bleiben will.
Da es pro Jahr lediglich vier Playoff-Plätze gibt, und diese vier Tickets durch das Playoff Selection Committee vergeben werden, ist es umso wichtiger, während der Saison in einer starken Conference mit guten Gegnern auf den größten Bühnen präsent zu sein.
Es gab auch bereits mehrfach Überlegungen, die Playoffs auf bis zu 12 Teams zu erweitern. Doch zumindest bis zum Ende des aktuellen Vertrags 2025/26 ist eine Erweiterung vom Tisch. Die Chance, ein Playoff-Ticket zu ergattern, die finanziell lukrativeren Mediendeals und die Stabilität in Form der Gewissheit, in einer der künftigen Top-Conferences zuhause zu sein, das sind die Treiber für Teams wie Texas, Oklahoma, USC und UCLA.
Mit der neu gestalteten College-Football-Landschaft - und wer weiß, was in den kommenden Monaten und Jahren noch passiert - könnten auch die Gespräche über ein mögliches neues Playoff-Format dann ganz neue Schwerpunkte und Interessenskonflikte mit sich bringen.
Die ACC und die Wildcard Notre Dame: Wie geht es jetzt weiter?
Hier kann man auch direkt anknüpfen: Mit Texas, Oklahoma, USC und UCLA haben sich die SEC und die Big Ten einige Schwergewichte fernab der eigenen Conferences gesichert. Doch es ist, davon kann man getrost ausgehen, nicht so, als hätten andere Teams kein Interesse daran, sich ebenfalls dem gelobten Land der SEC und der Big Ten anzuschließen.
Im Gegenteil, man kann davon ausgehen, dass die allermeisten Teams aus der Pac-12, der Big 12 und der ACC sehr schnell gewillt wären, sich der SEC oder der Big Ten anzuschließen. Die Frage ist eher andersherum: Welche Schulen wollen die Conferences eigentlich aufnehmen?
Doch es gibt eine große Ausnahme, eine Schule, für die sowohl die SEC als auch die Big Ten sofort alles stehen und liegen lassen würden, und das ist Notre Dame. Die Fighting Irish gehören mit ihren athletischen Programmen zur ACC - abgesehen vom Football. Hier ist Notre Dame unabhängig. Es gibt zwar Verträge mit der ACC dahingehend, wie viele Spiele pro Jahr die Schule gegen ACC-Teams bestreiten muss, und während der Covid-19-Saison 2020 schloss sich Notre Dame vorübergehend vollständig der ACC an.
Allerdings bleibt die Schule, was das Football-Programm angeht, unabhängig, und während sich zwei Conferences formen, die über allen anderen Conferences thronen, stellt sich für Notre Dame eher früher als später die Frage: Sollte man einer der beiden - die Big Ten würde auf den ersten Blick hier fraglos mehr Sinn ergeben - beitreten? Insbesondere, falls es für Teams außerhalb der Big Ten und der SEC zunehmend schwierig werden sollte, in die Playoffs zu kommen, wäre das etwas, das Notre Dame sehr ernsthaft erwägen müsste.
Was passiert mit der ACC?
Wenn Notre Dame die große Wildcard unter den Schulen ist, dann ist die ACC die Wildcard unter den Conferences. Die SEC und die Big Ten setzen sich oben ab, die Pac-12 fällt innerhalb der Power Five weiter zurück. Die Big 12 sortiert sich bereits neu - die ACC ist in mehrfacher Hinsicht ein Sonderfall.
Da wäre einmal die Kooperation mit Notre Dame; könnte die ACC Notre Dame sogar von einem vollständigen Beitritt überzeugen, um so als dritte starke Conference sein Territorium abzustecken? Mit unter anderem Clemson, Florida State und Miami gäbe es Potenzial - aber eben auch nur, falls sich Notre Dame tatsächlich anschließt. Andernfalls läuft die ACC ebenfalls Gefahr, nach und nach zerpflückt zu werden.
Vielleicht wäre das auch schon passiert, hätte die ACC nicht eine weitere Besonderheit: Die aktuellen Medienrechte der Conference enden nicht, wie bei der Pac-12 oder der Big 12, in absehbarer Zeit - sondern erst nach der 2035er (!) Saison. Jedes Team, das die Conference verlassen will, müsste Wege finden, wie man aus diesem Vertrag aussteigen kann. Nicht unmöglich, aber ein fraglos größeres Hindernis.
College Football: Wettrüsten ohne Rücksicht auf Verluste
Die SEC und die Big Ten waren bereits vorher die finanzstärksten Conferences im College Football. Mit den Verpflichtungen von Texas und Oklahoma, beziehungsweise USC und UCLA, haben beide dem Rest der College-Football-Welt klargemacht, dass der Kampf um die Spitze ohne Rücksicht auf Verluste geführt wird. Und dass die gerade im College Football stets so gepflegten Traditionen, genau wie historisch gewachsene Zugehörigkeiten, ohne jeden Zweifel zu Nebenaspekten degradiert werden.
Die Lücke an der Spitze ist mit diesen Umzügen signifikant größer geworden, und es gibt wenig Grund zur Annahme, dass sich das über die nächsten Jahre wieder ändern wird. Die ACC und Notre Dame sind am ehesten die Wildcards in dieser Gleichung.
Verliert die ACC ebenfalls ihre Zugpferde, ist es alles andere als unwahrscheinlich, dass Notre Dame sich der Big Ten anschließt. Spätestens dann wäre die Zweiklassengesellschaft in der College-Football-Spitze etabliert.
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