Ob letzte Stunde, große Chance oder endlich ohne Verletzung: Noch ehe die Saisonvorbereitung in die heiße Phase geht, stehen mehrere Stars bereits im Fokus. Wer nutzt seine Gelegenheit? Wer wird den Vorschusslorbeeren gerecht? Schlägt Jadeveon Clowney endlich ein? SPOX blickt auf die Breakout-Kandidaten vor der kommenden Saison.
Disclaimer: In diesem Text geht es um Breakout-Kandidaten mit dem Fokus auf Spieler, die nach bislang eher schwieriger oder durchschnittlicher NFL-Karriere in der kommenden Saison richtig Fuß fassen können. Rookies tauchen daher hier nicht auf.
DeVante Parker, WR, Miami Dolphins: "Ich erwarte jede Menge von ihm. Ich erwarte, dass er ein toller Spieler wird. Einer, den andere Teams fürchten." Die Vorschusslorbeeren von Dolphins-Quarterback Ryan Tannehill fallen zweifellos auch in den Offseason-Floskeln-Bereich. Und doch haben sie einen gewissen Wahrheitsgehalt: Die Dolphins brauchen nach 445 Yards und drei Touchdowns in seiner Rookie-Saison mehr von Parker.
In den bisherigen Trainingseinheiten lieferte sich Parker packende Duelle mit Miamis neuem Top-Cornerback Byron Maxwell, während er die Offense des neuen Head Coaches Adam Gase, der Parker im Vorjahr im Draft noch beinahe nach Chicago geholt hätte, verinnerlicht. Miami hofft, dass Parker dann möglichst schnell an die letzten drei Spiele der vergangenen Saison (13 REC, 286 YDS) anknüpfen kann. Vor allem die 22 Yards pro Reception über diesen Zeitraum lassen die Augen von Gase leuchten.
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Parker hat über die Offseason viel mit Tannehill gearbeitet und insbesondere sein Route-Running verbessert. Miami erwartet daher, dass der 23-Jährige in der kommenden Saison der physische Outside-Receiver wird, den die Offense andernfalls nicht hat und der Slot-Maschine Jarvis Landry ergänzen kann. Die physischen Voraussetzungen dafür bringt er zweifellos mit und sollte Miami so auch in der Red Zone helfen können. Parker ist endlich bei 100 Prozent und kündigte an: "Ich persönlich habe keine Ziele. Ich will einfach Spiele gewinnen."
Melvin Gordon, RB, San Diego Chargers: 3,5 Yards pro Run bei 184 Versuchen, kein einziger Touchdown - und jede Menge Frust. "Ich war furchtbar. Ich war furchtbar", bilanzierte Gordon auf der Team-Website nach einer bitteren Rookie-Saison, die für ihn mit einer Knieverletzung, inklusive OP Anfang dieses Jahres, vorzeitig endete: "Ich habe definitiv einiges zu beweisen. Selbst wenn ich die beste Saison aller Rookies gehabt hätte, wäre ich motiviert. Aber leider verlief meine Saison nicht so, wie ich gehofft hatte. Deshalb bin ich nochmal zusätzlich motiviert."
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Motivation ist nicht alles, doch hat Gordon auch weitere Argumente auf seiner Seite. Zunächst wäre da der Offensive Coordinator zu nennen: Ken Whisenhunt kam nach seinem Kurzzeit-Gastspiel als Head Coach der Titans zurück nach San Diego, was Gordon eine vielversprechende Zukunft in Aussicht stellt. Zuletzt ließ Whisenhunt als Offensive Coordinator der Chargers eine knallharte Rushing-Offense mit den sechstmeisten Rushing-Versuchen (486) bei 4 Yards pro Run spielen.
Zudem litt Gordon, genau wie Quarterback Philip Rivers, im Vorjahr unter der extrem von Verletzungen geplagten Offensive Line. Zahlreiche verzögerte Runs aus der Shotgun heraus sorgten so für viele Tackles im Backfield, Whisenhunt dürfte hier auch am Scheme ansetzen. Dann setzen die Chargers vielleicht sogar einen blockenden Fullback ein: Im Draft wurde Derek Watt, Gordons alter College-Blocker aus Wisconsin geholt.
Kevin White, WR, Chicago Bears: Während es für Gordon auf dem Platz eine frustrierende Saison war, wäre das für White wohl schon fast Klagen auf hohem Niveau. Der im Draft hoch gehandelte Receiver erlitt eine Stressfraktur, schnell war klar, dass er seine Rookie-Saison komplett verpassen würde.
Seit Mitte Mai geht White inzwischen wieder durch alle Trainingseinheiten, der physisch unfassbar begabte Receiver ist seit einer Weile wieder bei 100 Prozent und kann die Saisonvorbereitung in Chicago voll mitmachen. "Ich denke überhaupt nicht mehr über die Verletzung nach. Man muss nach vorne schauen", erklärte White selbst. "Es ist schön, wieder bei den Jungs und beim Team zu sein."
Das besonders angenehme für White: Er muss nicht sofort als Nummer-1-Receiver rein kommen, diese Rolle ist fest in der Hand von Alshon Jeffery. Gleichzeitig sollte der Abgang von Tight End Martellus Bennett White zusätzliche Targets ermöglichen und Whites Fähigkeiten als Blocker werden ihm viele Snaps garantieren. Ein weiterer Bonus: White, der in der bisherigen Saisonvorbereitung schon für große Augen sorgt, soll über das vergangene Jahr abseits des Platzes bereits eine sehr gute Beziehung zu Quarterback Jay Cutler aufgebaut haben. Bleibt abzuwarten, ob sie das auch auf den Rasen übertragen können.
Lamar Miller, RB, Houston Texans: Die Texans lieferten in diesem Jahr die spektakulärste Offseason - und gingen allein mit Brock Osweiler All-In. Doch war das längst nicht alles und neben neuen O-Line-Men und neuen Receivern ist auch ein neuer Running Back in der Stadt: Lamar Miller übernimmt für Arian Foster und verlässt Miami damit zum ersten Mal in seinem Leben dauerhaft.
"Daran muss ich mich erst gewöhnen. Ich war jetzt 24 Jahre lang in Miami und immer in der Nähe meiner Familie. Aber ich freue mich auf diese neue Erfahrung", erklärte Miller bei Texans Radio und fügte den entscheidenden Satz selbst hinzu: "Wir haben einige große und einige explosive Jungs. Ich freue mich darauf, mit ihnen zusammen zu arbeiten."
Das Power Ranking nach dem Draft: Der Absturz des Champions
Das Receiving-Corps der Texans in Kombination mit Play-Action-Pässen von Osweiler wird Defenses dazu zwingen, das weite Passspiel zu respektieren und so Miller als logische Konsequenz eine leichtere Box (sieben oder weniger Spieler) ermöglichen. Darüber hinaus hat Texans-Coach Bill O'Brien trotz der Foster-Verletzung schon im Vorjahr gezeigt, dass er auf das Running Game setzt: Lediglich vier Teams hatten mehr Rushing-Versuche als die Texans (472). Das sollte Miller wesentlich mehr Chancen geben als noch in Miami.
Dorial Green-Beckham, WR, Tennessee Titans: Dass die Tennessee Titans in der kommenden Saison ihren offensiven Fokus auf das Running Game richten, ist spätestens seit dem Draft kein Geheimnis mehr. Head Coach Mike Mularkey setzt voll auf einen Power-Ansatz, um gegnerische Defenses so zu zermürben - was für den gefährlichsten Outside Receiver im Kader zahlreiche Eins-gegen-Eins-Chancen bedeuten könnte.
Quarterback Marcus Mariota ist jedenfalls bereits begeistert, wie er auf der Team-Homepage erklärte: "Physisch bringt er einfach alles mit. Er hatte im Training heute wieder einige Plays dabei, die wir von ihm einfach brauchen werden. Hoffentlich schaffen wir es, den Ball in seine Hände zu bekommen."
Green-Beckham bringt neben seiner Größe und seiner Geschwindigkeit auch eine beeindruckende Körperkontrolle mit, hatte in der Vorsaison Berichten zufolge aber noch seine Probleme mit dem Playbook. Die muss er aus dem Weg schaffen, könnte dann aber an seine 17,2 Yards pro Catch aus der Vorsaison ansetzen.
Jadeveon Clowney, OLB, Houston Texans: Ein weises Sport-Sprichwort besagt: "The best ability is availability" - entscheidend ist, dass ein Spieler fit ist. Genau das war Clowneys großes Problem in seinen beiden ersten NFL-Spielzeiten. Wenn er spielte, spielte er oft beeindruckend. Allerdings stand er zu oft eben nicht auf dem Platz.
Der Offseason-Hangover: Viva Las Vegas!
Erste Bust-Stempel begleiten den einstigen Nummer-1-Draft-Pick bereits. Was ist also anders? Clowney ist fit! Zum ersten Mal in seiner NFL-Karriere geht Clowney komplett gesund in eine Saisonvorbereitung. Bleibt das so, könnten die Texans endlich den Pass-Rush um Clowney, J.J. Watt und Whitney Mercilus haben, auf den sie so hoffen.
Kony Ealy, DE, Carolina Panthers: Ealy bot im Super Bowl seine große Show: Drei Sacks, eine Interception, ein Forced Fumble - an dem Defensive End lag es definitiv nicht, dass die Panthers am Ende mit leeren Händen dastanden. Und es soll nicht dabei bleiben.
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Abgesehen von dem Talent, das Ealy mitbringt, sollten auch die Gelegenheiten nach oben gehen. Jared Allen hat seine Karriere beendet, Charles Johnson kam zwar zum Schnäppchenpreis zurück nach Carolina, spielt aber längst nicht mehr auf dem Level, auf dem er vor ein bis zwei Jahren noch war.
Ealy wird also starten, und das in einem Scheme, das großen Fokus auf die Front Seven richtet - und in dem sich Ealy auf jede Menge Druck auf die O-Line durch die eigenen Defensive Tackle verlassen kann. Dazu kommt die Aufmerksamkeit, die Luke Kuechly über die Mitte von der Defense verlangt. Und im Schatten von all dem könnte Ealy seinerseits zu einem dominanten Verteidiger reifen.
Austin Seferian-Jenkins, TE, Tampa Bay Buccaneers: Man wird den Eindruck nicht los: Es ist ein richtungsweisendes Jahr für Austin Seferian-Jenkins. Der vom Offensive Coordinator zum Head Coach beförderte Dirk Koetter stellte Mitte Mai klar, dass sich ASJ seinen Startplatz erst einmal verdienen muss - Backup-TE Cameron Brate habe eine "sehr gute Beziehung" zu Quarterback Jameis Winston.
Seferian-Jenkins wartet noch auf seine erste Saison mit über 350 Receiving-Yards und steht nach zwei Spielzeiten in Tampa Bay bei insgesamt sechs Touchdowns. Gleichzeitig aber hatte er in beiden Spielzeiten Verletzungsprobleme - der 23-Jährige muss endlich fit werden. Koetter ist ein Coach, der viel auf den Tight End setzt und jahrelang gute TE-Stats produziert hat. Seferian-Jenkins muss endlich zeigen, dass er seinem hohen Draft-Status und den College-Vorschusslorbeeren gerecht werden kann. Die Uhr tickt.
Jay Ajayi, RB, Miami Dolphins: Es war eine bestenfalls wechselhafte Rookie-Saison für Ajayi. Die erste Saisonhälfte verpasste er verletzt, anschließend gelangen ihm 3,8 Yards pro Run in der Backup-Rolle hinter Lamar Miller. Nachdem die Dolphins infolge des Miller-Abgangs trotz mehrerer Versuche (C.J. Anderson, Chris Johnson) aus der Free Agency ohne Starting-RB heraus gingen, ist Ajayi der Starter. Und der neue Head Coach Adam Gase ist bereits begeistert.
"Er ist einer dieser Jungs: Er ist jeden Tag hier und macht alles richtig. Man merkt, dass er sich verbessern will. Er redet nicht viel und arbeitet stattdessen einfach. Der Rest der Gruppe versucht, mit ihm mitzuhalten. Aber er hat sich schon abgesetzt", schwärmte Gase bei 560 WQAM und auch die Offensive Linemen sind bereits hellauf begeistert. Ajayi selbst hat ein klares Ziel: "Ich will der Starter sein. Ich will etwas beitragen."
Wenn er dabei an seine College-Leistungen anknüpfen kann, könnten die Dolphins ihren neuen Starter längst in den eigenen Reihen haben. Eine dunkle Wolke schwebt allerdings noch darüber: Miami soll eines der Teams sein, das nach wie vor Interesse an Arian Foster hat.
Duke Johnson, RB, Cleveland Browns: Ähnlich wie Ajayi sollten auch bei Johnson die Snaps signifikant ansteigen: In der Vorsaison absolvierte er nur rund die Hälfte (562 von 1.195) der Browns-RB-Snaps, unter dem neuen Regime inklusive Head Coach Hue Jackson dürfte sich das merklich ändern.
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Jackson erklärte bereits öffentlich, dass er den 22-Jährigen als 3-Down-Back sieht und der Grund ist - neben seinen Running-Fähigkeiten - offensichtlich: Johnson ist ein Pass-Catcher. 61 (!) Receptions für 534 Yards gelangen ihm 2015, unter Jackson gingen bei den Cincinnati Bengals in den vergangenen beiden Jahren 20 Prozent der Pässe an Running Backs.
Diese Checkdowns dürften auch angesichts der unsicheren Quarterback-Situation in Cleveland oftmals erste Wahl sein. Ganz davon zu schweigen, dass die Browns ihr Receiving-Corps nahezu komplett mit Rookies aufstellen werden.
Shane Ray, OLB, Denver Broncos: Dass Denvers Defense von ihrer enormen Aggressivität und dem damit verbundenen unerbittlichen Pass-Rush lebt, ist spätestens seit den Playoffs jedem klar. Von Miller steht ein Mega-Zahltag bevor, gemeinsam mit DeMarcus Ware formte er ein brandgefährliches Duo. Doch wird Ware nicht jünger, Rückenprobleme verhindern aktuell jegliches Training mit dem Team. Das bringt Ray aufs Radar.
Der Pass-Rusher ist über sein erstes Jahr deutlich gereift, auf aber auch abseits des Platzes und wie er selbst laut 9News ankündigte: "Auf diesem Level sind viele Jungs einfach so clever und technisch stark. Reine Athletik bringt dich nur bis zu einem gewissen Punkt. Das musste ich lernen." Ray hat an seiner Technik gearbeitet, seine Workouts und seine Ernährung umgestellt. Gut vorstellbar, dass er Ware im Laufe der kommenden Saison zunehmend ablöst und der Routinier eher als Situational-Pass-Rusher ran darf.
Coby Fleener, TE, New Orleans Saints: 74 Receptions, 825 Yards, sechs Touchdowns: Die Vorjahres-Stats von Benjamin Watson in New Orleans waren persönliche Bestwerte in seiner nunmehr immerhin zwölfjährigen NFL-Karriere. Der Grund liegt auf der Hand, denn trotz des Abgangs von Jimmy Graham spielte die Tight-End-Position weiterhin eine wichtige Rolle im Scheme der Saints.
Jetzt ist Watson weg (wechselte nach Baltimore) und Pass-Catching-TE Fleener kommt, nach 54 Receptions für 491 Yards in Indianapolis 2015, in den Genuss, Drew Brees' Lieblingsposition auszufüllen. "Jimmy ist ein herausragender Spieler und ich wäre glücklich, wenn ich so zu dieser Offense beitragen könnte, wie er", betonte Fleener mit Blick auf seinen prominenten Vor-Vorgänger. Die Saints jedenfalls bauen voll auf Fleener - anders ist der Fünfjahresvertrag über 36 Millionen Dollar kaum zu erklären.
Weitere Kandidaten:
- Ladarius Green, TE, Pittsburgh Steelers
- Frank Clark, DE/OLB, Seattle Seahawks
- Ty Montgomery, WR, Green Bay Packers
- Jeremy Langford, RB, Chicago Bears
- Carlos Hyde, RB, San Francisco 49ers