Die Seattle Seahawks gehen im Westen einmal mehr als Favorit auf die Division-Krone in die Saison - können die Arizona Cardinals den Hawks in diesem Jahr wieder einmal Paroli bieten? Und was machen die Umbrüche bei den Los Angeles Rams und den San Francisco 49ers, wo haben beide Teams schon 2017 echte Chancen? Die SPOX-Preview zur NFC West.
Arizona Cardinals
BILANZ 2016: 7-8-1
WICHTIGSTE ZUGÄNGE: LB Haason Reddick, LB Karlos Dansby, S Budda Baker, K Phil Dawson
WICHTIGSTE ABGÄNGE:DT Calais Campbell, S Tony Jefferson, CB Marcus Cooper, S D.J. Swearinger
Darum wird die Saison ein Erfolg: Die Cardinals haben eine enttäuschende Saison hinter sich und insbesondere mit Campbell und Jefferson wichtige Stützen verloren. Trotzdem könnte 2017 wieder deutlich erfolgreicher aussehen - weil Arizona aus mehreren Problemzonen eine Stärke machen könnte.
Da wäre einerseits das Special Team, wo es in der Wüste schon seit Jahren immer wieder Probleme gibt. Die Cards setzen hier mit den neu verpflichteten Phil Dawson und Andy Lee nicht nur auf geballte Erfahrung, sondern auch auf ein Duo, das sich bereits aus gemeinsamen 49ers-Tagen kennt.
Das in der vergangenen Saison enttäuschende Receiving-Corps erhält die wieder genesenen John Brown und Jaron Brown zurück, Carson Palmers Arm wird nach Anpassungen im Training frischer sein als in der ersten Saisonhälfte 2016. Die Offensive Line sollte auch dank der Last-Minute-Verpflichtung von Alex Boone solider auftreten.
Mit David Johnson und Larry Fitzgerald hat man zudem zwei herausragende Fixpunkte in der Offense, während defensiv der wieder vollständig fitte Tyrann Mathieu in Kombination mit den Rookies Haason Reddick und Budda Baker einen riesigen Unterschied ausmachen kann. Außerdem teilweise noch unter dem Radar: Das starke Pass-Rush-Duo bestehend aus Markus Golden und Chandler Jones.
Darum wird die Saison ein Misserfolg: Wie bei so vielen Teams in der NFL hängt die Saison an der eigenen Offensive Line. Im Run-Blocking war Arizona hier schon in der vergangenen Saison solide, entscheidend ist aber, dass die Pass-Protection klappt. Mit dem Tackle-Tausch (D.J. Humphries auf links, Jared Veldheer auf rechts) geht man ein Risiko ein und nur wenn die Protection hält, kann die Downfield-Offense funktionieren. Arizona muss Palmer unbedingt wieder besser schützen.
Das größte Fragezeichen defensiv ist die Run-Defense, wo Campbell und Jefferson ganz besonders fehlen werden. Arizona braucht von Spielern wie Robert Nkemdiche und auch Routinier Karlos Dansby oder Linebacker-Kollege Deone Bucannon konstant gute Leistungen gegen den Run, um nicht zu eindimensional zu werden. Bei aller Aggressivität dieser Defense wäre das ein zu großes Defizit.
Stichwort Aggressivität: Die Saison wird auch dann ungleich schwieriger, wenn sich erneut kein Cornerback gegenüber von Patrick Peterson langfristig empfehlen kann. Nur falls das gelingt - Justin Bethel erhält die erste Chance - werden die zahlreichen Blitz-Pakete eine noch gefährlichere Waffe und kein zu großes Risiko.
Prognose: Platz 2 in der Division und Playoffs. Die Cardinals gehen mit einer faszinierenden Defense an den Start, die im Idealfall zur absoluten Liga-Spitze zählen kann. Gleichzeitig sollte die Offense im Passing Game wieder zumindest tendenziell eher an die 2015er als an die 2016er Saison erinnern, Fragezeichen auf beiden Seiten der Line of Scrimmage verbieten aber eine zu optimistische Prognose.
Los Angeles Rams
BILANZ 2016: 4-12
WICHTIGSTE ZUGÄNGE: OT Andrew Whitworth, WR Robert Woods, WR Cooper Kupp, WR Sammy Watkins
WICHTIGSTE ABGÄNGE:WR Kenny Britt, TE Lance Kendricks, SS T.J. McDonald
Darum wird die Saison ein Erfolg: Hier muss man die Definition von "Erfolg" sicher etwas in den richtigen Kontext bringen. Niemand erwartet von diesem Rams-Team den Einzug in die Playoffs, das wäre vielmehr eine absolute Sensation. Nein, von einem "Erfolg" würde man vielmehr sprechen, wenn Jared Goff sichtbare Fortschritte zeigt. Wenn Todd Gurley wieder sein Potential ausschöpfen kann. Und wenn die Defense unter Wade Phillips Konstanz an den Tag legt.
Die Möglichkeiten dafür sind da: Whitworth ist ein massives Update für die Line, so dass Goff zumindest etwas mehr Zeit in der Pocket haben sollte. Die Tatsache, dass die Rams darüber hinaus ganz eindeutig die Receiver-Position adressiert haben, sollte Goffs Entwicklung ebenfalls vorantreiben.
Wenn das nach Goffs genauso enttäuschender wie angesichts der äußeren Umstände schwierigen Rookie-Saison passiert, muss man die Rams-Saison als Erfolg betrachten - fast schon unabhängig von den Ergebnissen.
Darum wird die Saison ein Misserfolg: Umgekehrt muss man von einem Misserfolg sprechen, wenn Goff auch in der Offense von Sean McVay und mit entschieden besseren Bedingungen um sich herum nicht überzeugen kann. In der Preseason waren die altbekannten Tendenzen vor allem was das Gefühl für den Pass-Rush, die Pocket-Präsenz und den Umgang mit Pressure anging wieder klar erkennbar.
Hier muss sich Goff steigern, um nicht bei Verantwortlichen und Fans Ungeduld auszulösen. Dass ihm das auch mit besseren Waffen um sich herum gelingt ist längst nicht garantiert.
Darüber hinaus wird die Saison ein Misserfolg, falls das Drama rund um Aaron Donald nicht bald endlich beendet wird. Donald, seines Zeichens der beste Defensive Tackle in der NFL, ist nach wie vor im Streik und will einen besseren Deal, eine Einigung scheint nicht in Sicht. Fällt Donald länger aus, ist das für eine insbesondere in der Secondary längst nicht sattelfeste Defense eine mehr als empfindliche Schwächung und wird sich auch in den Ergebnissen wiederspiegeln.
Prognose: Platz 4 in der Division. Goffs Entwicklung steht an oberster Stelle, und der Vorjahres-Top-Pick wird noch Zeit brauchen, das verrät das Tape deutlich. Das verhindert auch größere Sprünge in der gesamten Entwicklung des Teams, wenngleich Gurley zumindest - auch dank einer persönlichen Steigerung - besser agieren wird. Auf dem Papier, also bei Siegen und Niederlagen, kommen die Rams in etwa im gleichen Bereich wie 2016 raus.
San Francisco 49ers
BILANZ 2016: 2-14
WICHTIGSTE ZUGÄNGE: QB Brian Hoyer, WR Pierre Garcon, DL Solomon Thomas, LB Reuben Foster
WICHTIGSTE ABGÄNGE:QB Colin Kaepernick, WR Torrey Smith, SS Antoine Bethea, K Phil Dawson
Darum wird die Saison ein Erfolg: Neben den Rams das zweite NFC-West-Team, das sich aktuell im Umbruch befindet. Der aber wurde bei den 49ers deutlich aggressiver vorangetrieben als beim Division-Konkurrent. Trotzdem gibt es in San Francisco noch keinen jungen Quarterback, der aufgebaut werden soll - das Augenmerk, um Erfolg 2017 zu messen, ruht eher auf der Defense.
Hier stellen die 49ers auf die von den Seahawks bekannte Cover-3-Defense um. Die kommende Saison kann somit einerseits ein Erfolg werden, wenn sich Jimmy Ward als verlässlicher Free Safety präsentiert - vor allem aber geht der Blick auf die Front. Hier haben die Niners mit DeForest Buckner, NaVorro Bowman, Reuben Foster, Arik Armstead, Solomon Thomas und Earl Mitchell eine ungeheure Qualität für ein Team, das in der vergangenen Saison nur zwei Spiele gewonnen hat. Hier ruht gleichermaßen der Schlüssel für mehr Siege 2017.
Darüber hinaus kann Kyle Shanahan zeigen, dass sein im Vorjahr so unglaublich erfolgreiches Scheme und Game-Planning auch in San Francisco greift - mit weniger Talent, aber Spielern, die in sein Scheme passen und dieses teilweise schon vorher kannten. Das sollte dabei helfen, die Ideen des neuen Head Coachs in San Francisco schneller auch auf den Platz zu übertragen.
Darum wird die Saison ein Misserfolg: Somit kann man an diesen Punkt direkt wieder ansetzen. Schwierig wird es nämlich, wenn die individuelle Qualität - insbesondere in der Offensive Line, aber auch in anderen Bereichen der Offense - eben nicht reicht.
Das würde nicht nur bedeuten, dass die Niners erneut nicht viele Spiele gewinnen. Es würde auch bedeuten, dass die Defense Woche für Woche viel zu lange auf dem Platz steht. San Francisco hat einen zu gut besetzten Kader, um sich auf dem gleichen Level wie in der vergangenen Spielzeit zu bewegen. Passiert das doch, muss man die Saison als Misserfolg einstufen.
Defensiv muss man auf Ward und generell die Secondary zurückkommen. Hier gibt es nach wie vor einige Fragezeichen, der Ausfall von Earl Thomas in der vergangen Spielzeit hat allerdings gezeigt, wie elementar wichtig der Free Safety für dieses Defense-Scheme ist. Kann Ward diese Rolle nicht ausfüllen, wird es trotz der starken Front zumindest gegen den Pass schwierig.
Prognose: Platz 3 in der Division. Die Qualität in der Front Seven ist sehr gut, das Potential noch viel besser und offensiv werden die Niners enorm von Shanahan profitieren. Brian Hoyer ist eine verlässliche Übergangslösung und mit Blick auf die gemeinsame Vergangenheit mit Shanahan eine sehr gute Wahl. Unter dem Strich steht so eine Saison, die man als sehr guten Schritt in die richtige Richtung verbuchen kann - mit zwei bis drei Mal so vielen Siegen wie 2016.
Seattle Seahawks
BILANZ 2016: 10-5-1
WICHTIGSTE ZUGÄNGE: DL Sheldon Richardson, G Luke Joeckel, RB Eddie Lacy, CB Shaquill Griffin
WICHTIGSTE ABGÄNGE:DE Damontre Moore, WR Jermaine Kearse, K Steven Hauschka
Darum wird die Saison ein Erfolg: Weil die Defense noch einmal bereit ist, sich zur unangefochten besten Defensive in der NFL zu krönen. Die Defensive Line hat nicht erst durch den Trade für Sheldon Richardson eine enorme Qualität, während dahinter Wright und Wagner ein Elite-Linebacker-Duo bilden, Richard Sherman seine in der Vorsaison offensichtlichen Verletzungen überwunden haben sollte und auch Earl Thomas aus dem Lazarett zurückkehrt.
Mit Rookie Shaquill Griffin verfügt Seattle zudem über eine weitere Cornerback-Option für den zweiten Spot. Seattle sollte so wieder in der Lage sein, schnell und aggressiv zu spielen, während die Seahawks in der vergangenen Saison zudem auch den Willen gezeigt haben, mehr Man-Coverage-Konzepte einfließen zu lassen.
Und auch offensiv gibt es Grund für Optimismus: Tyler Lockett ist wieder fit, C.J. Prosise sollte eine deutlich größere Rolle übernehmen, Jimmy Graham darf man im dritten Jahr mit Russell Wilson noch einen Leistungssprung zutrauen und Wilson selbst ist ein Meister, wenn es darum geht, unter Pressure zu spielen.
Darum wird die Saison ein Misserfolg: Kurz und knapp: Die Offensive Line. Seattle hat defensiv wieder eine sensationelle Truppe zusammen, einzig die Run-Defense ist noch ein kleines Fragezeichen. Deutlich größer ist dieses in der Offensive Line.
Die Verletzung von Left Tackle George Fant wirft zusätzliche Fragen auf, und das könnte weitere Konsequenzen nach sich ziehen: Muss sich Russell Wilson wieder angeschlagen durch die Saison schleppen? Wird Seattles Offense eindimensional, weil das Run Game nicht funktioniert? Die Line hält die Antworten auf diese Fragen parat.
Eddie Lacy mag als eine Art "Marshawn Lynch Light" fungieren, in dem Sinne, dass er ebenfalls sehr gut darin ist, Yards nach Kontakt zu kreieren. Lynchs einzigartige Fähigkeiten in diesem Gebiet sowie seine unglaublich vielen Forced Missed Tackles sorgten dafür, dass die Schwächen in der Line überspielt werden konnten. Es deutet einiges darauf hin, dass Lacy eine ähnliche Rolle übernehmen muss. Gelingt das nicht - sowohl Lacy als auch Thomas Rawls hatten schon jetzt wieder mit einigen Blessuren zu kämpfen - haben die Seahawks ein großes Problem.
Prognose: Division-Sieg. Seattles Defense hat die Chance, nochmal an die dominanten Super-Bowl-Tage zu erinnern. Mit Thomas und Sherman wieder bei 100 Prozent, mit besserer Qualität auf dem zweiten Cornerback-Spot und mit der besten Front Seven in der NFL können die Hawks auch in den Playoffs jedem Team gefährlich werden. Dieses Team kommt letztlich aber nur so weit, wie es die Offense zulässt.