Watt-Klon, reines Potenzial - oder doch "Mr. Pancake"? Die potenziellen Nr-1-Picks der Jaguars im Check

27. April 202210:08
Travon Walker, Ikem Ekwonu und Aidan Hutchinson (v.l.n.r.)getty
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In der Nacht von Donnerstag auf Freitag beginnt der NFL Draft 2022. Der erste Pick steht den Jacksonville Jaguars zu - doch ein Quarterback dürfte es diesmal nicht werden. SPOX nimmt die fünf wahrscheinlichsten Optionen der Jags unter die Lupe: Welcher Pass Rusher darf's denn sein? Oder muss doch jemand zum Schutz von QB Trevor Lawrence her?

Big Board: Das sind die 80 besten Spieler im Draft 2022!

Nach dem Draft des neuen Franchise Quarterbacks vor genau einem Jahr darf Jacksonville erneut zuerst wählen. Die größte Lücke im Kader wurde also bereits geschlossen, nach einer Saison mit einer Bilanz von 3-14 bleibt für GM Trent Baalke dennoch jede Menge Arbeit, auch wenn sich das Team in der Free Agency bereits mit Kalibern wie Guard Brandon Scherff oder Receiver Christian Kirk verstärkt hat.

Bitter für die Jags: In puncto Quarterbacks schaut es diesmal recht dünn aus. Heißt: Bislang ließ kein Team mehrere Erstrundenpicks springen, um sich einen potenziellen Franchise-QB zu sichern. Es sieht danach aus, als würde man also auf dem Pick "sitzenbleiben", obwohl man einem Trade angeblich nicht abgeneigt gewesen wäre.

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Heißt aber auch: Den Spieler, den Baalke will, den bekommt er. Er selbst schränkte die Kandidaten eine Woche vor Draft-Beginn auf vier ein, auch wenn er natürlich keine Namen nannte.

Die größten Lücken im Kader bietet die Tackle-Position (Protection für Trevor Lawrence!) und die zweite Edge-Rusher-Position gegenüber von Josh Allen, dem Erstrundenpick von 2019. Auf diesen Positionen bietet der Draft glücklicherweise gleich mehrfach Blue-Chip-Material. Die Frage ist nur: Geht Baalke auf Nummer sicher - oder greift er wie in der Vergangenheit so oft nach dem Spieler mit dem größten Potenzial (siehe Aldon Smith 2012 oder Arik Armstead 2015)?

SPOX nimmt die besten Prospects auf beiden genannten Positionen unter die Lupe und macht den Check: Was spricht für sie - und was nicht?

Mock Draft 3.0: Wer schnappt sich den Top-Quarterback?

Aidan Hutchinson, Edge Rusher, Michigan

  • 21 Jahre, 1,98 m, 120 kg
  • 4 Jahre bei den Wolverines, Heisman-Finalist 2021

Was für Hutchinson spricht: Viel kann nicht schiefgehen

Der Blondschopf ist für viele Experten die sicherste Nummer in diesem Draft: Bei ihm weiß man, was man kriegt! 14 Sacks, 15,5 Tackles for loss und 64 Pressures in der vergangenen College-Saison - Hutchinson scheint bereit für die NFL. Nicht umsonst schaffte er es als Defensiv-Spieler in die Top 3 bei der Heisman-Wahl, was so oft nicht vorkommt. Um es mit unserem Experten Adrian Franke zu sagen: "Was er mitbringt, ist ein extrem hoher Floor."

Hutchinson kann im Pass Rush mit Speed und Power punkten, dazu einem unermüdlichen Motor. Mit den Händen ist er schnell und effektiv, sein Football-IQ unbestritten. Dazu entwickelte er in der jüngeren Vergangenheit Inside Moves, um gegen Linemen zu kontern, die sich auf seinen Corner Rush eingestellt haben. Auch gegen den Run punktet er mit viel Physis, kann die Edge halten und verteilt harte Hits. Und er würde mit seiner feurigen Art, die an die Watt-Brüder erinnert, in Jacksonvilles Defense sofort zum Leader aufsteigen. Bei ihm muss man sich eigentlich keine Sorgen machen, dass er beim Sprung in die NFL stolpert.

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Was gegen Hutchinson spricht: Schwächen in der Coverage

Man muss schon mit der Lupe suchen, um etwas gegen Hutchinson sagen zu können. Seine Arme sind vergleichsweise kurz, in puncto Speed und Flexibilität gehört er beim Pass Rush nicht zur absoluten Elite wie etwa ein Von Miller. Im November 2020 setzte ihn ein Knöchelbruch für den Rest der Saison außer Gefecht - vielleicht macht das Sorgen?

Schwächen hat Hutchinson definitiv, wenn er in Coverage droppen und im Raum gegen den Pass verteidigen soll. Dort fehlt ihm - noch - die letzte Sicherheit. Sorgt das für Bedenken, wenn man überlegt, in welche Richtung sich die NFL entwickelt?

Wenn sich Baalke gegen Hutchinson entscheidet, dann dürfte das aber vor allem an der Hoffnung liegen, bei anderen Kandidaten auf noch mehr "Upside" zu stoßen. Mit anderen Worten: Beim Edge Rusher aus Michigan bekommt man auf jeden Fall eine sichere Fünf - aber was ist, wenn sich mit einem anderen Prospect doch eine Sechs würfeln lässt? Die Frage ist: Ist es das Risiko wert?

Evan Neal, Offensive Tackle, Alabama

  • 21 Jahre, 2,01 m, 153 kg
  • 3 Jahre bei der Crimson Tide, National Champion 2020

Was für Neal spricht: Ein vielseitiges Monster

Über zwei Meter groß, ein echter Pfundskerl - aber gleichzeitig enorm beweglich, fast schon spritzig: Neal ist ein "Freak Athlete" im wahrsten Sinne des Wortes. Technisch gut, aufgrund seiner Schnelligkeit mit guten Recovery Skills, und an seiner Masse muss man ohnehin erst einmal vorbeikommen. Wer ihn wählt, kann bereits in Week 1 mit ihm als Starter planen.

Ebenfalls ein echtes Plus: Neal durfte in den letzten Jahren in Alabama als Left Guard, Left Tackle und Right Tackle ran - und ließ auf den Tackle-Positionen in den vergangenen beiden Spielzeiten insgesamt nur 24 Pressures zu. Flexibilität in der O-Line ist ein Pfund, mit dem Coaches wuchern können und bei Ausfällen Gold wert.

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Was gegen Neal spricht: Hin und wieder etwas wackelig

Wo sich Neal noch steigern kann: In Sachen Balance stimmt es noch nicht immer, gerade gegen Pull oder Swim Moves kann man ihn aus der Fassung bringen. Beim Blocking in Space kann er sich noch steigern, und gerade gegen die kleinen, blitzschnellen Edge Rusher kann er mit seiner enormen Größe Probleme bekommen. Das war es dann aber auch schon.

Kayvon Thibodeaux, Edge Rusher, Oregon

  • 21 Jahre, 1,96 m, 117 kg
  • 3 Jahre bei den Ducks

Was für Thibodeaux spricht: Potenzial und Allround-Fähigkeiten

An ihm scheiden sich ein bisschen die Geister: Während er im SPOX Big Board sogar den ersten Platz belegt, kommt Thibodeaux bei der US-Konkurrenz manchmal ein kleines bisschen schlechter weg. Seine "Upside" ist aber unbestritten: Unglaublich schnell im Rush, dazu bringt er die vielbeschworenen "Bender-Fähigkeiten" mit sich, kann sich also beim Weg nach außen um den Tackle herum enorm in die Kurve legen, unter ihm hinwegtauchen - und dann schlägt es beim Quarterback ein.

Außerdem ist Thibodeaux in der Verteidigung gegen den Lauf mehr als solide, er schlägt sich in Pass Coverage gut und kann dank seiner Athletik die Lücken bei kurzen und mittellangen Routes in Windeseile schließen. Das perfekte Paket aus Schnelligkeit und Kraft (27 Bench Press Reps waren die Bestmarke auf seiner Position im Combine), sein Potenzial ist fast grenzenlos.

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Was gegen Thibodeaux spricht: Die Zahlen stimmen nicht

Auf dem Papier bringt er alles mit - aber auf dem Papier stehen in der vergangenen Saison eben nur sieben Sacks. Der Hype ist groß, aber er muss diesen auch in Production ummünzen. Wo bei ihm noch Schwächen zu finden sind: Hier und da fehlt die Konstanz, mit seinen Händen muss er noch besser werden - und auf der Suche nach dem Big Play kann er es mit seiner Aggressivität manchmal übertreiben und etwa gegen den Run die Edge aufgeben.

Ikem Ekwonu, Offensive Tackle, NC State

  • 21 Jahre, 1,93 m, 145 kg
  • 3 Jahre beim Wolfpack

Was für Ekwonu spricht: "Mr. Pancake" macht alle platt

Für viele Experten ist Ekwonu der beste Run-Blocker der letzten Jahre auf der Tackle-Position. Er macht seine Gegenspieler so häufig platt, dass er den Spitznamen "Mr. Pancake" davongetragen hat. Er fliegt geradezu von der Line of Scrimmage, findet sich in Zone Runs zurecht und bringt richtig viel Athletik mit. Zudem hat sich "Ickey" in Charlotte auch als Ringer zum State Champion gekürt - er weiß, wie man Gegenspieler anpackt und zu Boden bringt.

Was nicht heißt, dass er nicht Pass Blocking spielen kann. Ganze zwei Sacks ließ er 2021 als Left Tackle zu - und er hat bereits Erfahrungen als Guard gesammelt, wo er sich in der NFL ebenfalls herausragend schlagen dürfte. Flexibilität in der O-Line - hat da jemand "Upside" gesagt?

SPOXgetty

Was gegen Ekwonu spricht: Innen ist er manchmal offen

Da er nicht zu den größten Exemplaren seiner Spezies gehört, kann Ekwonu gegen die richtig langen Rusher Probleme bekommen. Außerdem konzentriert er sich manchmal etwas zu sehr auf die Außenbahn und ist so für Konter nach innen anfällig. Seine Technik im Pass Blocking ist noch ausbaufähig. Aber das könnte in der NFL natürlich alles noch kommen.

Travon Walker, Edge Rusher, Georgia

  • 21 Jahre, 1,96 m, 125 kg
  • 3 Jahre bei den Bulldogs, National Champion 2021

Was für Walker spricht: Wenn er sein Potenzial ausschöpft ...

Walker ist das Paradebeispiel für nahezu unendliche Upside. Eine sichere Sache ist er nicht, dennoch rückte er in den vergangenen Wochen in vielen Mock Drafts nach vorn und wird kurz vor dem Draft plötzlich als Nummer-1-Pick gehandelt. Weil er eben so verflixt gut sein könnte, wenn alles passt. Physisch absolute Elite, er ist schnell, explosiv, kräftig - und auch vielseitig. Bei den Bulldogs wurde er nicht nur als Edge Rusher eingesetzt, sondern auch in mehreren Spots innen - und Pressure durch die Mitte, das ist heutzutage ein wahres Zauberwort in der NFL.

Gegen den Run ist Walker jetzt schon ein Ass, er hat einen brutalen ersten Schritt und kann trotz seiner Masse auch hier und da mal Pass Coverage spielen, was er in Georgia nicht allzu oft musste. Körperlich ist er der klassische "Tweener", das passt also auf mehreren Positionen. Wenn er alles zusammenbringt und sich im Pass Rush noch steigert ...

SPOXgetty

Was gegen Walker spricht: Wenn er sein Potenzial nicht ausschöpft ...

Nur sechs Sacks und 29 Pressures im vergangenen Jahr - eine "sichere Sache" ist Walker eben nicht. Er muss im Pass Rush erst noch alles zusammenbringen, dort ist er noch häufig zu planlos unterwegs. Und sein Status als "Tweener" hat eben Vor- und Nachteile: Was ist, wenn er auf keiner Position so richtig heimisch wird, als Edge Rusher nicht produktiv und in der Interior Line doch ein bisschen zu schmal ist? Er wäre als Top-Pick eben auch ein Risiko ...