Fünf Fragen zu College Football in Corona-Zeiten: Kann das gutgehen?

Johannes Ninow
27. November 202011:35
Dabo Swinney (M.) sorgte zuletzt für Schlagzeilen.getty
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Die Corona-Pandemie ist vor allem in den USA noch lange nicht vorbei, auch wenn das Licht am Ende des Tunnels dank aussichtsreicher Impfstoffe mittlerweile zumindest leicht erkennbar ist. Für die laufende Saison werden jegliche Impfstoffe noch zu spät kommen und angesichts immer mehr Spielabsagen muss die Frage gestellt werden, wie und ob die CFB-Saison überhaupt zu Ende gespielt werden kann.

Jedes Wochenende müssen mehr und mehr Spiele im College Football abgesagt bzw. verschoben werden. Unrühmlicher Höhepunkt ist nun die kurzfristige Absage des Spiels Florida State gegen Clemson und das Verhalten von vor allem Clemsons Head Coach Dabo Swinney im Nachgang der Absage.

Was war passiert? Ein Backup-Offensive-Lineman Clemsons zeigt die ganze Woche lang Symptome, wurde jedoch jedes Mal negativ auf COVID-19 getestet. Darum flog der Spieler mit nach Tallahassee, wo er dann vor Ort am Vorabend des Spiels doch positiv getestet wurde. Daraufhin beschloss die medizinische Abteilung von FSU, dass das Risiko einer Ansteckung für ihre Spieler zu hoch sei und sagte das Spiel ab.

Am Tag danach zog Swinney vor die Presse und regte sich über diese Entscheidung fürchterlich auf. Er unterstellte FSU sogar, dass sie nur aus sportlichen Gründen nicht gegen Clemson antreten wollten. Florida State, vor wenigen Jahren noch eine Top-Adresse im College Football, ist zuletzt sportlich brutal abgestürzt und gegen das Über-Team mit dem von Corona wiedergenesenen Trevor Lawrence drohte eine historisch deftige Niederlage.

Dabei hatte Swinney selbst mit ansehen können, was das Coronavirus selbst den fittesten Student-Athletes antuen kann. Denn sein Star-Verteidiger Xavier Thomas fiel fast die halbe Saison aus, weil sich aus seiner Corona-Erkrankung eine längere Halsentzündung entwickelte, er dadurch nicht trainieren konnte und an Gewicht zunahm, was ihn in eine kleine Depression schob. Außerdem musste Swinney im bisher größten Spiel Clemsons bisher gegen Notre Dame auf seinen Star-Quarterback Trevor Lawrence verzichten und man verlor das Spiel.

Dabo Swinney: Aushängeschild ohne Vorbildcharakter

Das scheint Swinney alles egal zu sein. Er bemängelte viel mehr die 300.000 Dollar Reisekosten. FSU-Head-Coach Mike Norvell, der ebenfalls schon ein Spiel wegen eines positiven Corona-Tests verpasst hat, hatte zumindest die richtige Antwort parat: "Football Coaches sind keine Ärzte. Einige denken dies vielleicht, aber es gibt einen Grund, warum das medizinische Personal Entscheidung auf Grund der Datenlage trifft."

Das Verhalten des Aushängeschildes des CFB verdeutlicht jedoch, wo das große Problem liegt. Im "Amateursport" College Football spielt weiterhin das Geld die größte Geige: Das ist - wenn man ehrlich ist - wohl auch der einzige Grund, warum es überhaupt eine CFB-Saison gibt.

Nun läuft die Saison aber eben und soll auch irgendwie zu Ende gespielt werden. Wie beantworten die wichtigsten Fragen dazu.

1. Wann wird ein Spiel überhaupt abgesagt?

Wie im Beispiel von Clemson gegen FSU kann die medizinische Abteilung bei einem positiven Test vor oder sogar am Spieltag die Reißleine ziehen. Ansonsten gibt es in jeder Conference eine Mindestanzahl an Spielern insgesamt und pro Positionsgruppe, die mit negativem Test zum Spiel kommen müssen. Kann ein Team diese Mindestanzahl nicht vorweisen, wird das Spiel abgesagt bzw. verschoben.

2. Musste ein Team bereits ihre Saison vorzeitig beenden?

Noch nicht. Das wird aber mit Sicherheit noch kommen, je näher wir uns in Richtung Saisonende bewegen. Minnesota musste vor wenigen Tagen ihr Spiel gegen Wisconsin absagen und sich in Quarantäne begeben. Ob sie die zwei weiteren Spiele gegen Purdue und Northwestern spielen werden, ist zumindest fraglich.

3. Wie gehen die Top-5-Conferences mit Absagen um und wie viel Puffer haben sie noch?

Da die ACC, die SEC und die Big12 ihre Saisons fast pünktlich begannen, hatten diese Conferences mit Bye Weeks und offenen Wochenenden vor ihren Championship-Spielen etwas Puffer, um bisher ausgefallene Spiele zu verschieben. Ähnlich wie in der NFL hat dies in allen drei Ligen bisher einigermaßen geklappt: In-Conference-Spiele mussten bislang noch keine Abgesagt werden. Je näher wir dem Ende der Saison kommen, umso kleiner wird der Puffer jedoch.

Die Miami Hurricanes sind beispielsweise derzeit in Quarantäne und können frühestens in zwei Wochen wieder spielen. Läuft alles glatt, würde sie ihr letztes Saisonspiel gegen Georgia Tech einfach am gleichen Tag wie das ACC Championship Game spielen - vorausgesetzt sie sind dafür nicht qualifiziert. Dazu muss aber alles bei ihnen und den noch ausstehenden Gegnern Wake Forest, UNC und G-Tech alles Corona-frei bleiben.

Die Big10 und Pac12 entschieden sich derweil erst später dazu, die Saison doch im Herbst zu starten und sind daher trotz kürzerer Spielpläne viel unflexibler unterwegs. In der Big10 werden Spiele (zum Beispiel Maryland gegen Ohio State) im Zweifelsfall einfach abgesagt, in der Pac12 spielen bei zwei Absagen spontan die zwei Teams gegeneinander, die keine positiven Fälle im Team haben.

Teams wie Ohio State oder USC werden alles tun, um möglichst viele Spiele zu spielen, um ihre Chancen auf die Playoffs zu wahren. Andere Teams in diesen Conferences könnten jedoch schon bald die Saison wieder beenden, wenn sie das Virus im Team nicht unter Kontrolle bekommen.

4. Welchen Einfluss werden Spiel-Absagen auf die Auswahl des CFB-Playoff-Komitee haben?

Wenig bis keinen. Hier müssen nur Ohio State und die Pac12-Teams USC und Oregon Angst haben, USCs Spiel am Samstag gegen Colorado wurde bereits kurzfristig abgesagt. Ohio State wird jedoch, sollten sie ungeschlagen bleiben, ziemlich sicher in den Playoffs dabei sein, auch wenn weitere Spiele der Buckeyes ausfallen sollten. Dafür ist das Team um Heisman-Kandidat Justin Fields bislang zu dominant aufgetreten. Machen sie weiter ihre Hausaufgaben, egal wie viele letztendlich anstehen, werden sie ziemlich sicher dabei sein.

Wesentlich schlechter steht die Pac12 da. Selbst wenn Oregon alle Spiele durchziehen kann und ohne Niederlage bliebe, wären sie auf fremde Hilfe (zweite Niederlage von Clemson, Florida verliert deutlich gegen Alabama) angewiesen. Spielausfälle würden ihre Position weiter schwächen. Alle anderen Conferences haben grundsätzlich schon genug Spiele im Resümee, um bei der Auswahl der vier Playoff-Team nicht von vornherein wegzufallen.

5. Wie realistisch ist es, College-Playoffs im Januar anzupeilen - und welche Alternativen gibt es?

Sehr realistisch. Leider. Wie bereits eingangs beschrieben regiert im College Football nicht die (medizinische) Vernunft. Und die Playoffs sind nun mal DAS finanzielle Zugpferd. Es würde auch nicht verwundern, wenn die Playoffs auf sechs Teams erweitert würden, damit zum Beispiel ein ungeschlagenes USC doch noch eine Chance bekommt - natürlich im Namen der Fairness.

Auch muss damit gerechnet werden, dass die NCAA möglichst viele Zuschauer in die Stadien lassen wird, schon am Wochenende beim Bedlam oder bei Georgia gegen Mississippi State waren die Ränge ordentlich besetzt.

Die Bowl-Season generell wird aber deutlich verkleinert sein. Den "Anglerhut powered by Imbiss Mama"-Bowl mit zwei 7-5-Teams (Achtung: ausgedacht!) wird es eher nicht geben. Dazu sind diese finanziell nicht lukrativ genug. Die großen New Years Six Bowls (Orange, Sugar, Rose, Cotton, Peach & Fiesta) und das große Championship Game knapp eine Woche später werden jedoch mit großer Sicherheit im Januar gespielt werden. Maximal mit etwas mehr Abstand zueinander, um zumindest den Schein der medizinischen Vernunft zu wahren.