Wenn die Pittsburgh Steelers am Sonntag die New England Patriots empfangen (ab 22.25 Uhr in der RedZone-Konferenz auf DAZN), dann steht nicht weniger als der Heimvorteil in den Playoffs auf dem Spiel. In den vergangenen Jahren sah Pittsburgh gegen Tom Brady meist eher schlecht aus - was müssen die Steelers also anders machen? SPOX zeigt die defensiven Schlüssel.
In den vergangenen Jahren war die Sache meist klar. Seit 2013 setzte es für die Steelers gegen die Patriots in vier Spielen vier Niederlagen, und das mitunter sehr deutlich: 31:55, 21:28, 16:27 und - das vielleicht einseitigste Spiel - ein 17:36 im AFC-Championship-Game der vergangenen Saison.
Schon seit Wochen befinden sich beide Teams für viele Experten erneut auf Kollisionskurs im Title Game der AFC: Die Steelers und die Patriots sind die Favoriten auf die beiden Top-Seeds der Conference, Pittsburgh geht nach seinem Sieg über Baltimore sowie New Englands überraschender Pleite in Miami am Montagabend mit einer leicht besseren Ausgangslage in die letzten drei Spieltage.
Trotzdem haben auch die Pats ihr Schicksal noch selbst in der Hand: Drei Siege, und der AFC-Weg zum Super Bowl geht einmal mehr durch Foxboro - der direkte Vergleich würde es in dem Szenario möglich machen. Das macht das Duell der beiden AFC-Schwergewichte am Sonntag so signifikant: Wer gewinnt, hält alle Trümpfe für den Nummer-1-Seed in der Hand.
Und so stellt sich für die Steelers eine einfache Frage: Welche Lehren sollte man aus den vergangenen Spielen und vor allem dem Championship Game gegen die Pats ziehen? Wie muss Pittsburgh seine Coverage anpassen - und sind die Steelers dazu überhaupt in der Lage? SPOX analysiert Pittsburghs Probleme mit New England vor dem Kracher am Sonntag.
Steelers-Problem Nummer 1: Pittsburghs Zone Coverage
Es ist das wohl größte, bekannteste Problem der Steelers: Pittsburgh baut stark auf Zone Coverage und war im Championship Game gegen die Patriots hier besonders stur. Die Steelers spielten immer wieder ihre Soft-Zone-Coverage-Konzepte - und Brady zerpflückte die nach Belieben.
Da waren zunächst keinerlei exotische oder besonders schwierige Route-Kombinationen dabei, die waren schlicht nicht nötig. Stattdessen erkannte man früh im Spiel ein Muster: Die Patriots gingen bevorzugt in Empty Formations, also mit fünf Receivern an oder knapp hinter der Line of Scrimmage. Daraus gab es zumeist drei Routes in verschiedenen Variationen und Aufteilungen: In-Breaking-Routes, Comeback-Routes und Go-Routes.
Der Gedanke dabei ist in der Theorie simpel - und genau so simpel sah es teilweise auf dem Platz aus. Comeback-Routes waren gegen die sehr weiche Coverage, also mit tief postierten Cornerbacks und Safeties, sehr häufig komplett offen. Die aufeinander abgestimmten In-Breaking-Routes, also Laufwege, die in Richtung des Balls gehen, überluden einzelne Zones, indem ein Zone-Verteidiger gezielt auf zwei Ebenen vor und hinter sich angegriffen wurde. Die Go-Routes zogen die Coverage auseinander und beschäftigen die Safeties.
Pittsburgh darf sich diese Passivität nicht erlauben. Das Problem dabei allerdings ist die eigene Secondary: Spätestens seit dem Ausfall von Joe Haden tut sich Pittsburgh sehr schwer damit, aggressivere Man-Konzepte umzusetzen. Gegen die Patriots wird es die allerdings brauchen, zumindest in einer Man-Zone-Mischform und mit mehr Press-Coverage. Rookie-Cornerback Cameron Sutton, der Coty Sensabaugh scheinbar verdrängt hat, wird dabei gegen die Pats im Fokus stehen, falls Haden nicht spielen kann.
Über allem aber schwebt die Frage: Sind die Steelers überhaupt dazu bereit, ihren Coverage-Ansatz gegen New England umzustellen?
Steelers-Problem Nummer 2: Undiszipliniertheiten
Immer und immer wieder sah man es in den vergangenen Spielen gegen die Patriots: Pittsburgh leistet sich Fehler in Coverage und dabei vor allem beim Übergeben von Angreifen innerhalb der Zone-Zuständigkeiten. Es ist einerseits ein weiteres Argument für mehr Man-Konzepte, andererseits möglicherweise auch ein mentales Problem.
Die Steelers hatten zuletzt etwa gegen die Packers bereits mehrere Coverage-Fehler, die scheinbar eher Unachtsamkeiten als Scheme-Problemen zuzuordnen waren. Eine solche gab es, so zumindest wirkt es auf Tape, auch im Championship Game: Beim ersten Touchdown des Spiels waren sich die Safeties offensichtlich nicht einig, welche Coverage gespielt werden soll und so war Chris Hogan in der Endzone komplett ungedeckt.
Steelers-Problem Nummer 3: Flexibilität und Reaktion
Eine Aufgabe, die Pittsburghs Defense unter Garantie erwartet, ist New Englands Vielseitigkeit. Über die letzten Jahre war kein Team besser darin, einer Defense eine bestimmte Formation zu präsentieren, nur um dann vor dem Snap alles umzustellen und innerhalb von Sekunden den Snap durchzuführen. Flexible Spieler insbesondere im Backfield machen das möglich.
Ein weiteres Beispiel aus dem Championship Game, und es gibt unzählige Veranschaulichungen dieser Patriots-Qualität: New England kommt in einer I-Formation mit enger Formation aus dem Huddle, viel deutet auf einen Run hin. Brady erkennt mittels Pre-Snap-Motion die Coverage und führt darauf hin eine Anpassung durch - plötzlich sind die Patriots in einer 5-Receiver-Spread-Formation, also gewissermaßen das krasse Gegenteil!
Auf diese Dinge müssen die Steelers vorbereitet sein, und hier wird der Ausfall von Linebacker Ryan Shazier mit seiner Reichweite besonders wehtun.
Steelers-Problem Nummer 4: Einen Fullback verteidigen
Die Patriots sind eines der effizientesten Teams bei First-Down-Rushing-Yards, 4,7 Yards pro Lauf bei First-Down-Runs sind der ligaweit fünftbeste Wert. Lediglich Kansas City, Dallas, Philly und die Saints sind hier besser. New England steht bei soliden 4,2 Yards pro Run insgesamt und ist durchaus in der Lage und gewillt, den Game Plan um das Run Game herum aufzubauen, wenn die Matchups das diktieren.
Doch nicht nur das: New England, damit hatte Pittsburgh schon im Januar zu kämpfen, läuft mitunter aus völlig offensichtlichen Run-Formationen, ohne irgendetwas zu verstecken. Der Schlüssel dabei ist, was die Patriots aus diesen Formationen im Passspiel machen: Einerseits im Play Action Game, andererseits aber auch was die Pässe zu Spielern aus dem Backfield heraus angeht.
Hier spielt der Fullback eine mitentscheidende Rolle - ein Satz, den man in NFL-Offenses 2017 nicht mehr allzu häufig hört. James Develin hat 278 Offense-Snaps auf dem Konto und damit 30,1 Prozent der gesamten Offense-Snaps gespielt.
Nur San Franciscos Kyle Juszczyk (287 Offense-Snaps, 31,8 Prozent) übertrumpft ihn in beiden Kategorien: In der Offense von 49ers-Coach Kyle Shanahan kommt dem Fullback eine ungewöhnlich prominente Rolle zu. Develin ist ein sehr guter Blocker, die Pats aber sind - wie beim vorherigen Punkt bereits angedeutet - durchaus gewillt, ihn via Pre-Snap-Motion auch als Outside-Receiver aufzustellen.
In der Folge spielen die Patriots mehr als nur überdurchschnittlich viele 2-Back-Sets, können daraus aber alles machen: Power Runs, Pässe zum Running Back und Pässe zum Fullback. Pittsburgh ließ sich von Fullback-Motions im vergangenen Duell auf dem falschen Fuß erwischen und war in Coverage nicht vorbereitet.
Solche Fehltritte sind gegen die Patriots tabu, und Pittsburghs defensive Front ist auf dem Papier ohne jede Frage stark genug, um zumindest im Run ohne aggressive Blitz-Pakete standzuhalten. Doch die vergangenen Wochen haben einen gefährlichen Trend gezeigt, die Steelers-Front nämlich bröckelt. Ohne Shazier fehlt das Speed-Element, um größere Lücken zu schließen und weil die Probleme in der Secondary zuletzt zugenommen haben, wurde der Druck auf die Front zu groß. Wenn die Patriots den Ball laufen können, wird Pittsburgh defensiv keine Chance haben.
Pittsburghs Offense vs. New England: Endlich eine Chance?
In den letzten drei Spielen gegen die Patriots fehlten Pittsburgh: Le'Veon Bell (21:28), Ben Roethlisberger (16:27) und schließlich über weite Strecken im vergangenen Championship Game wieder Bell (17:36). Diese Schwächung und somit auch diese Ausrede gibt es am Sonntag nicht: Die Steelers treten offensiv mit voller Kapelle an, JuJu Smith-Schuster hat seine Sperre - genau wie New Englands Rob Gronkowski - abgesessen und ist ebenfalls zurück.
Eine große Frage aus Sicht der Steelers-Offense wird es sein, ob Pittsburgh sein Run Game ins Rollen bringt. Pittsburgh steht mit 3,7 Yards pro Run im absoluten Tabellenkeller, und das obwohl sie mit 26,9 Runs pro Spiel exakt im Mittelfeld liegen. Die sehr gut besetzte Line ist dabei zumeist nicht das Problem, Le'Veon Bell ist als Runner jedoch nicht auf seinem gewohnt konstanten, dominanten Level.
Jetzt aber geht es gegen eine Patriots-Run-Defense, die gegen Miami wieder in schlimme Muster verfallen ist. Kein Team lässt auf die Saison gesehen mehr Yards pro Run zu als New England (5,0), die großen Schwächen dieses Teams liegen in der Front und gegen Miami sah man das wieder einmal. Pittsburghs Offensive Line ist deutlich stärker als die der Dolphins und wenn es den Patriots nicht gelingt, Druck auf Roethlisberger auszuüben und in der Run-Defense die Gaps zu halten, sollte die Steelers-Offense punkten können.
Dann wird es an der Defense liegen, einen Shootout gegen Brady zu verhindern. Die Steelers haben gewissermaßen mehrere Blaupausen, wie es nicht geht. Jetzt müssen sie zeigen, dass sie die richtigen Schlüsse ziehen können. Das wird keine leichte Aufgabe - im Januar in Foxboro würde die aber nochmals um ein Vielfaches schwieriger.