NFL: Pick Play, Play Action, Mesh, Run Pass Options - Pass-Konzepte erklärt

Von Adrian Franke
24. Mai 201811:16
SPOX erklärt, wie einige der beliebtesten Pass-Konzepte in der heutigen NFL funktionieren.getty
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Wie funktioniert ein Pass-Konzept in der NFL? Was genau ist der Route-Tree, wie funktionieren die Laufwege der Receiver im Zusammenspiel - und welche Pass-Konzepte sieht man aktuell in nahezu jedem NFL-Spiel? SPOX taucht in das Passspiel und die Playbooks ein.

Wie man es auch dreht und wendet: Das Passspiel dominiert die heutige NFL. Die Liga öffnet sich immer stärker für einstige "College-Elemente" wie etwa Run Pass Options, gleichzeitig sind 3- und 4-Receiver-Sets sowie Spread-Formations längst genauso die Norm wie defensiv die Nickel-Formation mit drei statt zwei Cornerbacks als Antwort darauf.

Das Run Game wird in der Folge in der gesamten Betrachtung immer unwichtiger zumindest wenn es darum geht, welche Faktoren statistisch über Sieg und Niederlage entscheiden. Ein gutes Run Game hilft einem Team nach wie vor auf verschiedene Arten, der Einfluss des Passspiels ist auf den Ausgang eines NFL-Spiels allerdings um ein Vielfaches größer.

Das liegt auch daran, dass sich die Passing Efficiency auf konstantem Vormarsch befindet, während die 32 Teams in den vergangenen Jahren mehrere Tiefstwerte für durchschnittliche Runs pro Team pro Spiel aufgestellt haben. Vieles davon geht zurück auf den legendären Bill Walsh, der in Zeiten, als das Run Game für nahezu jeden Coach das erste Mittel der Wahl war, stets betonte, dass ein Raumgewinn ein Raumgewinn ist - egal, ob der über einen Pass oder über einen Lauf zustande kommt.

Doch wie sieht das Passspiel in der NFL heute aus? Welche Konzepte prägen das Bild, welche Plays kann man an Sonntagen auch ab diesem September wieder regelmäßig bewundern? SPOX wagt einen schematischen Exkurs in die Playbooks der NFL.

Der Route-Tree - wo geht's lang?

Bevor es tiefer in die Plays, die Route-Kombinationen und bestimmte Tricks und Kniffe geht, muss zunächst einmal die Basis stehen. Und die ist auch heute noch für jeden Football-Spieler, der irgendetwas mit dem Passspiel zu tun hat, die Grundlage. Die Rede ist vom Route-Tree:

Unabhängig vom Scheme und dem Playbook ist das in den allermeisten Fällen die Ausgangslage und die eine oder andere Route dürfte den meisten ein Begriff sein.

Die Slant-Route etwa ist, um bei Bill Walsh zu bleiben, ein ganz zentrales Play in der West Coast Offense und kann schnell (One-Step-Drop des Quarterbacks) oder etwas verzögert (3-Step-Drop) geworfen werden. Zumeist läuft der Wide Receiver einige Schritte nach vorne, ehe er nach innen zieht. Slot-Receiver wie etwa Larry Fitzgerald oder Jarvis Landry laufen diese Route äußerst häufig, in den auf der West Coast Offense basierenden Offenses - etwa die der Green Bay Packers - sieht man die Slant-Route ebenfalls mehrfach pro Spiel.

Die Post-Route geht tief und peilt in etwa den Goal-Post an, die Corner-Route die Ecke der Endzone. Die Go-Route ist schlicht eine vertikale Route und die Out-Route erfordert vom Quarterback besondere Präzision und Armstärke. Andernfalls kann der Cornerback den Wurf unterlaufen und den Ball abfangen.

NFL Konzepte: Bunch-Formation, Switch Release, X-ISO

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Markenzeichen:

  • Bunch-Formation bedeutet, dass 3 Receiver vor dem Snap sehr eng beieinander stehen. Sind es 2 Receiver, spricht man von einer Stack-Formation, bei vier Receivern von einem "Diamond".
  • Von einem Switch-Release, der aus der Stack- oder Bunch-Formation besonders gut funktioniert, spricht man, wenn zwei Receiver direkt nach dem Snap die Laufwege kreuzen. Im Schaubild also wären das der linke und der rechte Receiver, der "Switch Point" ist grün markiert.
  • "X-ISO" heißt: Die Offense isoliert einen Receiver auf einer Seite der Formation, der in diesem konkreten Play meist die bevorzugte Anspielstation für den Quarterback ist.

So funktioniert das Konzept:

Stack-, Bunch- und Diamond-Formationen machen es für die Verteidiger schwieriger, einen konkreten Gegenspieler direkt vom Snap weg zu verfolgen, da sie keinen klaren Zugang zu ihrem Gegenspieler haben und sich gegebenenfalls an anderen Receivern vorbei arbeiten müssen. Das gilt umso mehr, wenn die Offense aus diesen Bunch-Formations heraus Switch-Releases spielt.

Das gibt Receivern direkt beim Snap einen Vorteil: Stehen die Receiver nämlich so dicht gedrängt, ist es für die Defense quasi unmöglich, Press-Coverage zu spielen. Der Switch-Release kann gleich vom Snap weg zusätzlich für Verwirrung in der Coverage sorgen und ist eine erste Hürde für die Verteidiger, bevor der Receiver irgendeinen besonderen Cut vollbracht hat.

Bunch-Formations sind in Man Coverage so äußerst unangenehm zu verteidigen, gegen Zone Coverage kann die Offense die Defense zwingen, sich an die Formation zumindest ein wenig anzugleichen - oder eine Coverage-Zone mit mehreren Spielern attackieren.

NFL Konzepte: Mesh Wheel Konzept und Pick Play

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Markenzeichen:

  • Letztlich ist das Mesh Konzept nichts anderes als eine Kombination aus zwei kurzen, aufeinander zulaufenden Underneath-Crossing-Routes, wobei die beiden Receiver in unmittelbarer Nähe aneinander vorbeilaufen sollen (im Schaubild grün markiert).
  • Dabei entsteht im Idealfall automatisch ein Pick-Play-Effekt, sprich ein Verteidiger wird daran gehindert, seinen Gegenspieler zu verfolgen, weil ein anderer Offense-Spieler ihm durch seinen eigenen Laufweg den Weg versperrt.
  • Darauf aufbauend kann die Offense verschiedene Routes ergänzen. Beliebt ist etwa die Wheel-Route durch einen Running Back aus dem Backfield, wie im Schaubild dargestellt.

So funktioniert das Konzept:

Neben dem bereits genannten erhöhten Schwierigkeitsgrad für eine Defense in Man Coverage dabei, die Spieler quer über das Feld zu verfolgen, öffnet das Mesh-Konzept auch potentielle Räume für lange Pässe: Da die Linebacker in Zone Coverage hier gezwungen sind, die kurzen Routes zu verteidigen und sich eher noch näher in Richtung der Line of Scrimmage zu bewegen, entstehen zwischen den Linebackern und den Safeties große Räume.

Die Eagles nutzten das Mesh-Konzept in verschiedenen Variationen - unter anderem die Mesh-Wheel-Variante - exzessiv in der vergangenen Saison, unter anderem auch im Super Bowl. Noch unangenehmer für die Defense wird es, wenn Mesh-Konzepte mit Play Action erweitert werden, oder beispielsweise einer der beiden Mesh-Receiver eine Option-Route läuft und während des Plays noch auf das Verhalten der Defense reagieren kann.

NFL Konzepte: Hi-Lo Crosser

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Markenzeichen:

  • Ein vergleichsweise simples und dennoch äußerst effektives Konzept: Beim Hi-Lo-Konzept handelt es sich um einen Two-Level-Read für den Quarterback, das Feld wird also vertikal auf zwei verschiedenen Ebenen gezielt attackiert, hier im Schaubild durch den Tight End und den Slot-Receiver daneben.
  • Wird gerne aus Stack-Formations gespielt, da der Spieler, der die tiefere In-Breaking-Route läuft, so für die Underneath-Route den Weg frei räumen kann. Das wäre im Schaubild auch ohne Stack-Formation der Fall, da der innen postierte Tight End die tiefere Route läuft und der Slot-Receiver rechts daneben die Underneath-Route.

So funktioniert das Konzept:

Nicht so prominent wie die Slant-Route und deren Kombinationen, doch als Konzept ebenfalls fester Bestandteil für jedes West-Coast-Offense-Team. Hi-Lo-Konzepte zwingen neben dem angesprochenen möglichen Pick-Element gegen Man Coverage mehrere Verteidiger dazu, nach innen zu ziehen - umso mehr, wenn es mit weiteren Crossing-Routes erweitert wird.

Die Hi-Lo-Konzepte können auch, wie hier ebenfalls abgebildet, mit Mesh-Routes und auch mit dem gesamten Mesh-Wheel-Konzept verschmelzen - etwas, das die Eagles unter Chip Kelly überaus häufig gemacht haben. So gibt es für den Quarterback mehrere vergleichsweise klare Reads und mehrere Möglichkeiten, um über die Route-Kombinationen einen offenen Receiver zu kreieren.

NFL Konzepte: Run Pass Options und Bootleg Play Action

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Markenzeichen:

  • Run Pass Options sind eine Erweiterung des Play-Action-Games: Während bei einem Play-Action-Pass der Quarterback schon vor dem Snap weiß, dass er die Ballübergabe an den Running Back nur antäuschen und dann den Pass suchen wird, hat er bei einer Run Pass Option tatsächlich die Wahl: Anhand eines vorher festgelegten Reads - meist konkret nur ein Verteidiger oder ein bestimmter Bereich des Feldes - entscheidet er am "Mesh Point" (der Moment, wenn der Quarterback dem Running Back den Ball hin hebt, ihn aber noch nicht übergeben hat), ob er den Ball übergibt, oder ob er ihn zurückzieht und stattdessen den Pass sucht.
  • Entgegen der noch immer prominent vertretenen Meinung, wonach ein gutes Run Game notwendig sei, um ein effizientes Play-Action-Spiel zu haben, ist Letzteres sehr wohl ohne Ersteres möglich. Natürlich schadet ein gutes Run Game dabei nicht, doch lesen Verteidiger vor allem bestimmte Signale. Wichtiger ist also, wie gut die Line den Run-Fake verkauft und danach wie gut der Quarterback Selbiges tut. Es gibt keinen statistischen Zusammenhang, der belegt, dass ein gutes Run Game eine Voraussetzung für ein gutes Play-Action-Spiel ist.

So funktioniert das Konzept:

Run Pass Options waren schon vor der vergangenen Saison in der NFL im Umlauf, doch erst im Laufe des Vorjahres stürmten sie so richtig prominent auf die Bühne - vorneweg mit den Eagles, die die RPOs in nicht gerade kleinem Maße auf dem Weg zu ihrem Super-Bowl-Triumph nutzten.

Der große Vorteil der Run Pass Options ist die Tatsache, dass eine Post-Snap-Option eingebaut wird - egal, wie athletisch der eigene Quarterback ist. Beim Zone Read, der mit RG3, Colin Kaepernick und Russell Wilson vor einigen Jahren so richtig in die NFL stürmte, ist der Quarterback als Runner eine Bedrohung. Bei einer Run Pass Option wird der Quarterback ebenfalls aktiv eingebaut, der Stress für die Defense kann durch den eingebauten Pass sogar noch größer werden.

Generell sollte das Play-Action-Game, wie hier etwa abgebildet ein Bootleg-Pass, bei dem der Run in die eine Richtung angedeutet wird und der Quarterback dann mit Ball in die andere Richtung läuft um zu passen, eine wichtige Säule für jede Offense sein - schlicht und ergreifend, weil ein Play-Action-Pass sowie die Reads hierbei für den Quarterback in den allermeisten Fällen viel einfacher sind.

NFL Pass-Konzepte: Option-Routes und organisiertes Chaos

Option Routes: Man kennt sie vor allem von den New England Patriots, die Option Routes besonders gerne einsetzen und dadurch zusätzlich ihre ohnehin schwer lesbare Offense für die Defense noch komplexer machen. Dabei müssen der Quarterback und der oder die Receiver einen Verteidiger oder einen Bereich des Feldes lesen. Je nachdem, was der betreffende Verteidiger macht, hat der Receiver verschiedene eingebaute Route-Optionen während des Plays, diese Reads erfolgen also innerhalb von Sekundenbruchteilen. Werden sie aber richtig umgesetzt, sind sie nur sehr schwer zu stoppen.

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Motion - Karten auf den Tisch: Aus keiner Offense mehr weg zu denken, auch wenn es manche Teams noch immer auffallend selten machen. Mit Pre-Snap-Motion - also Spielern, die sich in Bewegung setzen, bevor der Snap erfolgt - kann die Offense schon bevor das Play startet einen wertvollen Vorteil gewinnen. Je nachdem, ob ein Verteidiger dem sich in Bewegung setzenden Angreifer folgt, lässt sich mutmaßen, ob es Man oder Zone Coverage ist.

Ist Ersteres der Fall, kann die Offense zudem gezielt versuchen, noch vor dem Snap ein Mismatch zu kreieren - etwa indem ein guter Receiving-Back (Alvin Kamara beispielsweise) gegen einen Linebacker postiert wird. Auch die modernen Fullbacks haben hier eine zunehmend größere Rolle, die Offense von Kyle Shanahan in San Francisco ist das Musterbeispiel dafür.

Gegen Zone kann versucht werden, eine Coverage-Zone gezielt zu überladen. Mit Motion kann ein Offensive Coordinator auch vor dem Snap schon versuchen, einen Bereich oder eine Seite des Feldes "leer zu räumen", indem Verteidiger durch eine geänderte Formation gezwungen werden, diesen zu verlassen.

Organisiertes Chaos: Insbesondere die Seahawks und die Packers sind Meister dieser Disziplin - teilweise mit spektakulären, teilweise mit schlicht wilden Ergebnissen. Gemeint ist das Einplanen von Improvisation, das Trainieren des eigentlich Unplanbaren. Wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

In Seattle ist die Offensive Line seit Jahren ein großes Problem, obwohl hier immer wieder teure Ressourcen investiert wurden. Russell Wilson ist außerdem meisterhaft außerhalb der Pocket - genau wie Packers-Quarterback Aaron Rodgers, der nur zu gerne aus der Struktur eines Plays ausbricht.

Beide Teams haben grobe Vorgaben für diese Situationen, also wenn der Quarterback ungeplant aus der Pocket scrambelt und das ursprüngliche Play inklusive des eigentlich angepeilten Timings und der Laufwege der Receiver gewissermaßen nicht mehr gültig ist. Die Receiver müssen sich dann neu anpassen und haben verschiedene Zuteilungen, wie sie zum Quarterback zurück arbeiten und sich frei laufen können.

Das Problem hierbei: Verlässt der Quarterback Struktur und das ursprüngliche Play zu häufig, wird es für die Offense immer schwieriger, einen Rhythmus zu finden. Dann sind die Scramble Drills nämlich schnell der einzige Aspekt, der funktioniert - wenn sie funktionieren, denn aufgrund der Improvisation und der Strukturlosigkeit ist hier der schiere Zufall oftmals der größere Faktor.