NFL Preseason Week 1 - Erkenntnisse: Deutsch-Amerikaner St. Brown winkt Startplatz

Jan Dafeld
16. August 202110:00
Amon-Ra St. Brown spielt für die Detroit Lions.Jeff Nguyen/Detroit Lions
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Taysom Hill sieht gegen die Baltimore Ravens (erneut) nicht wie ein Starting Quarterback aus. Amon-Ra St. Brown winkt bei den Detroit Lions früh eine wichtige Rolle. Und: Sean McVay findet immer mehr Nachahmer in der NFL. Die Erkenntnisse zur ersten Preseason-Woche.

Taysom Hill ist kein Starting Quarterback

Wer in diesen Tagen einen Blick auf den Depth Chart der New Orleans Saints (und übrigens auch der Denver Broncos) wirft, dem bietet sich ein ungewöhnliches Bild: Auf der Quarterback-Position hat das Team zwei Spieler als Starter gelistet. Taysom Hill oder Jameis Winston? Aktuell soll keiner der beiden auch nur ein klein wenig die Nase vorne haben.

Einer der beiden Quarterbacks musste die Starter im Preseason-Spiel gegen die Ravens dann aber anführen. Die Wahl von Head Coach Sean Payton fiel auf Hill - und tatsächlich hinterließ der 30-Jährige beim ersten Drive der Saints gar keinen so schlechten Eindruck. Hill fand Marquez Callaway bei einer Out-Route gegen den Blitz, wenig später sorgte er mit einem Wurf an die rechte Seitenlinie unter Druck sogar für ein echtes Highlight-Play.

Doch es sollte Hills einziger gelungener Drive des Abends bleiben.

Als es für ihn zum zweiten Mal aufs Spielfeld ging, warf Hill zunächst einen Checkdown in den Rücken von Latavius Murray, kurz darauf versuchte er Ty Montgomery über die Mitte anzuwerfen und setzte den Ball einen guten Meter neben seinen Receiver - Interception!

In Hills dritten Drive wurde es nicht besser: Bei einem Wurf über die Mitte hatte der mobile Quarterback großes Glück, dass sein gefährlicher Versuch nicht von Anthony Averett abgefangen wurde, kurz darauf kassierte er bei Third-and-12 einen völlig überflüssigen Sack und kostete sein Team somit wertvolle Feldposition.

Es ist das gewohnte Bild mit Hill. Der Quarterback profitiert von Paytons stark designter Offense, die Hill immer wieder klare Reads und offene Würfe ermöglicht, insbesondere zu Beginn des Spiels oder nach der Halbzeit, wenn die Plays im Voraus festgelegt und nicht spontan angesagt werden. Sobald diese Designs nicht ganz so greifen wie erhofft, bekommt Hill allerdings Probleme und macht Fehler.

Hill verfügt schlicht und ergreifend nicht über das Armtalent, insbesondere die Wurfgenauigkeit, um ein Starting Quarterback in der NFL zu sein. Natürlich bringt er Elemente mit, die viele Signal Caller einer Offense nicht geben können, das alleine reicht jedoch nicht aus, wenn die Grundvoraussetzung, eine Offense verlässlich umsetzen zu können, nicht gegeben ist und sich zu häufig grobe Fehler ereignen.

Hills Konkurrent Winston präsentierte sich gegen die Ravens derweil die meiste Zeit über sicher. Er bewegte den Ball mehrfach gut über die Mitte, seine Interception ging zudem eher auf das Konto seines Receivers Lil'Jordan Humphrey als auf Winstons. Natürlich sind auch Winstons Probleme als Quarterback hinlänglich bekannt, dennoch sollte er in Woche eins für die Saints starten. Taysom Hill mag ein wertvoller, vielseitiger Gadget-Spieler sein - ein Starting Quarterback ist er nicht.

Justin Fields sollte in Week 1 für die Bears starten

Justin Fields wurde erst als vierter Quarterback im vergangenen Draft ausgewählt, zum Starting Quarterback der Chicago Bears wurde bereits vor dem Start des Trainings Camps Routinier Andy Dalton ernannt. Und doch wurde kaum einem Auftritt in der Preseason mit mehr Spannung entgegengeblickt als dem von Fields.

Lag es an der Historie der Bears, in der die Fans so selten mit wirklich starken Quarterbacks gesegnet worden waren? Lag es an Fields' herausragender Karriere in einem der größten College-Teams der USA? Lag es daran, dass so viele Teams Fields im Draft überraschenderweise nicht wollten? Oder an einer Mischung aus allem? Klar ist: Nach Fields' erstem Preseason-Auftritt dürfte der Hype um seine Person nur noch größer werden.

Dabei spielte der 22-Jährige längst nicht fehlerfrei: Ein Pass von Fields wurde an der Line of Scrimmage abgefälscht, ein gefährlicher Versuch über die Mitte hätte mit etwas weniger Glück abgefangen werden können, zudem fumbelte Fields bei einem Versuch, über die linkte Seite zum First Down zu laufen. Seine ersten drei Drives endeten in Punts.

Und doch ist der Enthusiasmus, der die Bears seit dem Wochenende umgibt, nicht ungerechtfertigt. Fields hat eindrucksvoll bewiesen, dass er der Bears-Offense eine Dimension geben kann, die mit Dalton als Quarterback niemals möglich wäre: Fields kann als Runner eingebunden werden, die Rollouts, die das Outside-Zone-Run-Game Chicagos so gut ergänzen, gewinnen dadurch deutlich an Gefährlichkeit. Tatsächlich schien Fields sich gegen die Dolphins bei genau diesen Plays am wohlsten zu fühlen.

Der 22-Jährige holte drei First Downs mit Würfen außerhalb der Pocket, dazu kamen zwei wichtige Scrambles, einer zum Touchdown, ein weiterer für rund 20 Yards, nachdem Fields in der Pocket unter Druck geraten war. Natürlich wird Fields in den Anfängen seiner Karriere Fehler machen, vorerst vermutlich sogar mehr als Dalton. Doch ist das ein Grund, um ihn auf der Bank zu lassen?

Die Bears werden in der kommenden Saison mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht um den Super Bowl mitspielen. Dafür hat das Team zu viele Baustellen, unter anderem auch die QB-Position.

Mit Fields sollte die Offense - natürlich langfristig, aber auch kurzfristig - ein deutlich höheres Ceiling als mit Dalton haben, zudem könnte der Rookie so möglichst schnell möglichst viel lernen. Fields hat gegen Miami bewiesen, dass er auf dem NFL-Level nicht heillos überfordert ist. Bestätigt er diesen Eindruck in den kommenden zwei Preseason-Spielen der Bears, sollte er sein Team in Woche eins als Starter auf den Platz führen.

Amon-Ra St. Brown winkt sofort eine große Rolle

Breshad Perriman. Tyrell Williams. Quintez Cephus. Kalif Raymond. Das Receiving Corps der Lions setzt sich in diesem Jahr aus eher weniger beeindruckenden Namen zusammen. Kein Wunder also, dass viele Beobachter Amon-Ra St. Brown zutrauen, früh eine wichtige Rolle innerhalb von Detroits Offense einzunehmen. Nach dem ersten Preseason-Spiel der Lions lässt sich festhalten: Diese Einschätzung scheint berechtigt.

Mit zwei Catches für zwölf Yards bei zwei Targets sieht St. Browns Statline zwar nicht besonders beeindruckend aus, diese ist in der Preseason allerdings auch nicht zwingend entscheidend. Viel wichtiger: St. Brown erhielt die Snaps als Slot-Receiver in 11-Personnell mit den Startern, gut möglich, dass der Viertrundenpick diese Rolle auch in der Regular Season erhalten wird.

Mit Jared Goff steht bei den Lions in dieser Saison ein Quarterback under Center, der vor allem im Kurzpasspiel agiert, dem Slot-Receiver der Offense könnte somit durchaus eine wichtige Rolle zukommen. Es ist nicht auszuschließen, dass der Deutsch-Amerikaner in der kommenden Saison hinter Tight End T.J. Hockenson der am zweithäufigsten gesuchte Receiver des Teams sein wird.

Die Receiver der Cowboys können ein Problem werden

Die Cowboys verfügen über eines der besten Waffenarsenale der Liga, das Receiver-Trio aus Amari Cooper, CeeDee Lamb und Michael Gallup ist das vielleicht beste der NFL. Das ist soweit nichts Neues. Was Cowboys-Fans Freude bereiten sollte, ist die Art und Weise, wie die Receiver im zweiten Preseason-Spiel der Cowboys eingesetzt wurden.

Gegen die Cardinals erhielt Michael Gallup fast alle Snaps mit den Startern des Teams im Slot, CeeDee Lamb wurde nahezu ausschließlich außen in der Formation eingesetzt. Das Besondere daran: Während Amari Cooper in der Vorsaison bereits im Slot und außen, Lamb aber nahezu ausschließlich im Slot aufgestellt wurde, spielte Gallup als klarer Outside-Receiver. Sieht auch er fortan Snaps im Slot, würde das den Receiving Corps der Cowboys wohl zum ligaweit vielseitigsten machen.

Der Variabilität in den offensiven Formationen wären unter diesen Umständen praktisch keine Grenzen gesetzt, Dallas könnte Mismatches forcieren wie kaum ein anderes Team. Wie Head Coach Mike McCarthy dieses Ass im Ärmel einzusetzen gedenkt, wird sowohl in der Preseason als auch zu Beginn der Regular Season äußerst spannend zu beobachten sein.

Mac Jones kann Cam Newton entmachten

Jones' Situation in New England weist durchaus Parallelen zu der von Justin Fields in Chicago auf. Auch Jones wurde in der ersten Draft-Runde ausgewählt, auch er wurde früh zum Backup ernannt. Und auch er zeigte in seinem ersten NFL-Spiel eine couragierte Leistung.

Jones machte zwar keine Highlight-Plays wie Fields' zwei Touchdowns, ihm unterliefen allerdings auch keine größeren Fehler. Das wichtigste auch bei Jones: Die NFL-Bühne wirkte nicht zu groß für ihn, er agierte ruhig und übernahm auch an der Line of Scrimmage schon Verantwortung.

Der 22-Jährige dürfte noch etwas weiter vom Starting Job entfernt sein, mit Cam Newton spielt vor ihm ein ehemaliger MVP, der für ein dementsprechend hohes Ceiling der Offense steht. Zudem hoffen die Patriots bereits in der kommenden Saison mit ihren teuren Investments aus der Offseason angreifen zu können. Baut Jones in den kommenden Wochen auf seine Leistung gegen Washington auf, ist ein Aufstieg zum Starting Quarterback während der Saison dennoch alles andere als ausgeschlossen.

Kyle Pitts' Pause ist ein gutes Zeichen

Die Offense der Atlanta Falcons gehörte zu den größten Enttäuschungen des ersten Preseason-Wochenendes. A.J. McCarron und Feleipe Franks hatten beide große Probleme in der Passing-Offense, Atlanta kam auf miserable 2,5 Yards pro Passversuch.

Einer der Spieler, die dabei nicht auf dem Feld standen war Kyle Pitts.

Dass der Erstrundenpick der Falcons komplett geschont wurde, kam durchaus überraschend. Rookies sollen für gewöhnlich möglichst viel Spielzeit sammeln, um sich an das Tempo und das Niveau in der NFL gewöhnen zu können. Head Coach Arthur Smith betonte allerdings, die Entscheidung, Pitts gegen die Titans zu schonen, sei ihm leicht gefallen. "Kyle ist genau da, wo wir ihn haben wollen", so Smith. "Hätte er Nachholbedarf, hätten wir ihn wohl spielen lassen."

Für Pitts sind das hervorragende Neuigkeiten. Tight End zählt zu den kompliziertesten Positionen in der NFL, dementsprechend lange brauchen Rookies für gewöhnlich, um sich als Tight End auf dem Profilevel beweisen zu können. Ob Pitts der Sprung in die NFL wirklich so viel schneller als einem T.J. Hockenson oder Noah Fant gelingt, bleibt abzuwarten. Die ersten Signale seiner Coaches sind jedoch vielversprechend.

Die Kicker-Fabrik der Ravens läuft weiter auf Hochtouren

Kicker-Probleme, es gibt kaum ein Team, das in den letzten Jahren nicht irgendwann mal mit diesen zu kämpfen hatte. Auch in der ersten Preseason-Woche erwischten einige Kicker nicht ihren besten Tag: Beim Washington Football Team vergab beispielsweise Dustin Hopkins seine beiden Field-Goal-Versuche aus 40 und 50 Yards, bei den Rams verfehlten die Kicker Austin McGinnis und Matt Gay sowohl ihren Field-Goal-Versuch aus 40 Yards als auch den Extrapunkt.

Die Ravens wiederum trafen alle ihrer drei Field-Goal-Versuche gegen die Saints und das aus 42, 53 und 56 Yards Entfernung. Bemerkenswert: Nur eines der drei Field Goals schoss Kicker-Legende Justin Tucker. Undrafted Free Agent Jake Verity verwandelte seine beiden Versuche.

Verity könnte sich damit in eine lange Liste von Kickern, die über die Ravens in die NFL kamen, einreihen. Einige Namen auf besagter Liste: Wil Lutz, Robbie Gould, Graham Gano und Stephen Hauschka, 2019 tradeten die Vikings sogar einen Fünftrundenpick für Ravens-Kicker Kaare Vedvik. Dass etwas Ähnliches erneut passiert, darf allerdings bezweifelt werden: Vedvik wurde damals nur wenige Wochen später wieder entlassen.

Das Modell von Sean McVay findet immer mehr Nachahmer

Als Sean McVay sich im Jahr 2018 dazu entschloss, seine Starter in der Preseason praktisch durch die Bank weg zu schonen, sorgte dies durchaus für einige Schlagzeilen und etwas Stirnrunzeln. Bis dahin war es eigentlich Usus gewesen, seine Starting Offense mindestens den ersten Drive im dritten Preseason-Spiel spielen zu lassen - in der Regel eher mehr.

Doch McVay blieb seiner Marschroute treu. In den vergangenen drei Jahren (2020 fiel die Preseason aus) kamen Spieler wie Jared Goff oder Aaron Donald nicht einen Snap in der Preseason zum Einsatz. Auch in diesem Jahr stellt McVay die Gesundheit seiner Spieler eindeutig über die Spielpraxis. Selbst Backup-Quarterback John Wolford soll in der Preseason nicht spielen.

Mittlerweile findet McVay einige Nachahmer in der Liga. Justin Herbert soll laut Chargers-Coach Brandon Staley (im Vorjahr noch Defensive Coordinator unter McVay) keine Snaps in der Preseason spielen. Auch Spieler wie Dak Prescott und Joe Burrow werden in der Preseason vorsichtshalber keinen Snap spielen, beide kehren von einer schwerwiegenden Verletzung zurück. Es bleibt zu beobachten, wie sich dieser Trend in den kommenden Jahren weiter entwickeln wird.

Es ist und bleibt nur die Preseason

17 Spiele sind gespielt und die Hot Takes beginnen heißer und heißer zu werden. Ist Trevor Lawrence overrated? Sind die Vikings ein mieses Team? Es sei daher daran erinnert: Es ist nur die Preseason. Zu stark sollte man sich von den Eindrücken der letzten Tage nicht beeinflussen lassen.

Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass die strategischen Ausrichtungen der Teams in der Preseason aussagekräftiger sind als Statlines von einzelnen Spielern. Erkenntnisse aus der Preseason zu ziehen, ist also möglich, es kommt nur darauf an, auf die richtigen Dinge zu achten.

Natürlich spielt es eine Rolle, wie Fields, Jones und Co. in ihrem ersten NFL-Spiel gespielt haben. Zu drastisch sollte sich das Bild der Spieler vor Beginn der Regular Season aber eher nicht ändern.