Während sich die Topteams der NFL allmählich auf die Playoffs konzentrieren, stehen am anderen Ende der Liga Teams vor der Frage, wie es in aussichtsloser Situation weitergehen soll. Braucht es einen Rebuild? Wie sähe ein solcher aus und woran können sich etwaige Kandidaten orientieren? Ein Überblick.
Alle Jahre wieder stehen ein paar Teams vor einer Situation, in der ihnen klar wird, dass der eingeschlagene Weg wohl nicht weiter gehen kann. Man dümpelt im Mittelmaß oder sogar darunter, kommt einfach nicht voran und schon gar nicht nach oben. Der Ausweg? Häufig ein Neuaufbau.
Wie ein solcher erfolgreich aussehen kann, zeigen dieser Tage Teams wie die Cleveland Browns, Miami Dolphins oder auch Arizona Cardinals.
Bei allen dreien ist letztlich ein neuer Quarterback das Herzstück dieses Vorhabens - selbstredend gepaart mit einem neuen Head Coach. Die Cardinals wagten sogar zwei Anläufe, um den richtigen QB, nämlich Kyler Murray, zu bekommen. Nachdem ihr 2018er Top-10-Pick Josh Rosen nicht den erwarteten Ertrag und auch keine sonderlich gute Perspektive brachte, zogen sie 2019, dieses Mal sogar an erster Stelle, direkt noch einen QB in Murray und holten damit den idealen Spielmacher für den neuen Head Coach Kliff Kingsbury.
Was bei den Cardinals heraussticht, ist die Mischung aus mehreren Generationen von Spielern. Man hat die ganz große Erfahrung in Larry Fitzgerald, aber auch die junge Riege um einen Murray oder auch Allzweckwaffe Isaiah Simmons. Dazwischen liegen Leute wie Patrick Peterson oder eben hochklassige Trades für Edge-Rusher Chandler Jones und vor allem Wide Receiver DeAndre Hopkins.
Cleveland Browns: Langer Weg zum Rebuild
Während die Cardinals für diesen Turnaround im Grunde zwei bis drei Jahre brauchten - und noch nicht am Ende angekommen sind -, dauerte es bei den Browns bedeutend länger. Vor dieser Spielzeit gelang es ihnen zuletzt 2007, wenigstens acht Siege einzufahren. Zudem fehlte die klare Linie über die komplette Organisation hinweg. Head Coaches wurden teilweise im Jahresrhythmus ausgetauscht, Front Offices alle paar Jahre generalüberholt und die Liste an Quarterbacks ist ein Running Gag auf Twitter.
Die Wende kam letztlich auch hier erst, als mit Baker Mayfield ein halbwegs zuverlässiger QB gefunden und um ihn herum ein Team aufgebaut wurde. Das allein jedoch reichte noch nicht. Es brauchte zudem noch einen fähigen Head Coach, um wirklich die Früchte zu ernten, die in kleineren Portionen über Jahre gesät wurden. Worin Hue Jackson und Freddie Kitchens scheiterten, glänzt Kevin Stefanski nun, in dem er ein schlüssiges System auf die Beine gestellt hat. Topspieler hingegen haben die Browns bereits seit knapp zwei Jahren in verhältnismäßig großer Anzahl mit Leuten wie Odell Beckham, Myles Garrett oder auch Nick Chubb. Nun kam auch noch eine klare Linie rein.
Und dann wären da noch die Dolphins, die - ähnlich wie Cleveland vor Jahren - den radikalen Weg gewählt haben. Sie rüsteten komplett ab über die vergangenen paar Jahre, setzten Head Coach Adam Gase nach durchwachsenen Jahren vor die Tür, akquirierten so viele Draftpicks wie möglich und fingen 2019 von Grund auf neu an.
In den zwei Drafts seither wurde dann eine neue Basis aufgebaut mit Leuten, die eines Tages Leistungsträger werden könnten, jedoch vielleicht noch nicht sofort weiterhelfen würden. Der neue Head Coach Brian Flores sorgte für ein schlüssiges Gerüst auf und neben dem Platz, Ryan Fitzpatrick war mehr als nur ein Platzhalter und sorgte auch für Zusammenhalt im Team, während sich in seinem Schatten die Jüngeren in Ruhe entwickeln konnten. 2020 kamen dank aggressiv geschaffenem Cap Space dann auch teure Free Agents dazu, die die Qualität nochmal steigerten.
Mit Tua Tagovailoa wurde schließlich der QB der Zukunft gezogen.
Miami Dolphins: Weiter Raum für Verbesserungen
Die Entwicklung in Südflorida ist weiter in vollem Gange, doch selbst wenn man bis Januar zum Ergebnis käme, dass irgendeiner der avisierten künftigen Eckpfeiler nicht die richtige Wahl sei, hätte das Team mindestens noch einen weiteren Draft mit zahlreichen Picks - ein Dank geht nach Houston -, um nochmals nachzulegen.
Viele verschiedene Wege führen ans Ziel, wie die genannten Beispiele illustrieren. Welche Teams könnten ab diesem Jahr ähnliche Wege beschreiten? Wer braucht den radikalen Cut? Und wie könnten diese mit den vorhandenen Mitteln aussehen?
Houston Texans
Nach vier Playoff-Teilnahmen in den vergangenen sechs Spielzeiten, allesamt unter Head Coach Bill O'Brien, sind die Texans an einem Punkt angekommen, an dem es kaum noch voran geht. In den Playoffs kamen zumeist enttäuschende Auftritte und ein schnelles Ausscheiden, keine Pleite jedoch war so verheerend wie die im Divisional Game im vergangenen Januar bei den Chiefs - 31:51 nach 24:0-Führung.
Danach misslang der Saisonstart 2020 gänzlich.
Houston Texans: Vorhandene Eckpfeiler
- Quarterback Deshaun Watson (Vertrag bis 2025)
- Offensive Tackle Laremy Tunsil (Vertrag bis 2024)
- Offensive Tackle Tytus Howard (Vertrag bis 2023)
Wirklich viele langfristige "Building Blocks" haben die Texans nicht mehr im Kader. Ihr großer Vorteil und wohl auch das beste Argument für einen neuen Coach und GM ist jedoch Watson. Er zählt zu den Top-Quarterbacks der Liga und dürfte dies über die kommenden fünf bis zehn Jahre auch bleiben. Wer eine Franchise von Grund auf neu aufbauen will, braucht in erster Linie einen Quarterback. Den haben die Texans und das ist ein sehr starkes Argument.
Ansonsten steht die Offensive Line mit den Eckpfeilern Tunsil und Howard, dazwischen darf auch noch Center Nick Martin erwähnt werden, der bis 2023 unterschrieben hat. Zu dieser Liste zählt eigentlich auch Wide Receiver Will Fuller, allerdings wird er Free Agent, sodass seine Zukunft erstmal offen ist. Houston könnte ihn über den Franchise Tag vorerst binden.
Defensiv steht Superstar J.J. Watt über allen, wird jedoch 2022 Free Agent, ist bereits 31 Jahre alt und für viele der wohl beste Tradechip, den dieses Team im Frühjahr hat. Will heißen: Für einen ordentlichen Rebuild muss er eigentlich für Draftpicks abgegeben werden. Picks, die Houston dringend braucht.
Houston Texans: Draftpicks und Cap Space 2021
Cap Space: -9,4 Millionen Dollar.
Runde | Anzahl der Draftpicks |
1 | - |
2 | - |
3 | 1 |
4 | 2 (HOU, ARI) |
5 | 1 |
6 | 2 (HOU, MIA) |
7 | 1 |
Dank der zahlreichen Trades von O'Brien, die nicht unbedingt alle Sinn ergaben, ihnen aber immerhin einen Tunsil bescherten, stehen die Texans relativ blank da im kommenden Draft. Erst in Runde 3 sind sie Stand jetzt an der Reihe und haben auch nur einen Pick am zweiten Drafttag. Entsprechend wird es nötig sein, Leute wie Watt abzugeben, um das Draftkapital aufzustocken.
Die Free Agency wird ebenso schwierig zu meistern sein, da zunächst einmal der negative Cap Space ausgeglichen werden muss. Ein Mittel, die Situation zu verbessern, sind Vertragsumstrukturierungen. Bei Tunsil könnte man einen Großteil seines Basisgehalts (rund 16 Millionen Dollar) in einen Bonus umwandeln und den Cap Hit so umverteilen.
Gleiches ginge bei Brandin Cooks (12 Mio.), wobei jener natürlich auch erneut ein Trade-Kandidat sein könnte. Zudem stehen zahlreiche Spieler unter Vertrag, die schlicht entlassen werden könnten, um buchstäblich Platz zu schaffen. Es gibt zumindest ein wenig Spielraum für einen neuen GM, um hier zu reagieren.
Houston Texans: Head Coach und General Manager
O'Brien wurde entlassen, sodass gleich zwei zentrale Posten frei geworden sind - er war auch GM in Personalunion.
Idealerweise sollte der Coach einer sein, der einen offensiven Background hat und Watsons Potenzial vollends ausschöpfen kann. Kandidaten gibt es da genügend. Man denke an Eric Bieniemy von den Chiefs, Joe Brady von den Panthers oder auch Josh McDaniels von den Patriots, der im Paket mit einem Nick Caserio als GM vielleicht eine Option wäre.
Detroit Lions
Die Lions steuern klar auf ihre dritte "Losing Season" in Serie zu und das, nachdem sie zuvor in vier Jahren drei "Winning Seasons" und zwei Playoff-Teilnahmen verbucht hatten.
Detroit steht nach der Entlassung von Matt Patricia am Scheideweg und muss entscheiden, wie es mittel- und langfristig weitergeht.
Soll der bisherige Kurs mit bestimmten Korrekturen fortgeführt werden? Oder muss der komplette Neuaufbau her? Beides scheint auf dem Tisch zu sein, zumal sich Teameignerin Sheila Ford Hamp nach Patricias Entlassung nicht explizit für Quarterback Matthew Staffords langfristigen Verbleib ausgesprochen hat. Insofern besteht Spielraum für das künftige Regime.
Detroit Lions: Vorhandene Eckpfeiler
- Cornerback Jeff Okudah (Vertrag bis 2023)
- Edge-Rusher Trey Flowers (Vertrag bis 2023)
- Offensive Tackle Taylor Decker (Vertrag bis 2024)
- Quarterback Matthew Stafford (Vertrag bis 2022)
- Center Frank Ragnow (Vertrag bis 2022)
Zu nennen ist hier im Prinzip auch Wide Receiver Kenny Golladay, allerdings läuft dessen Vertrag zum Saisonende aus. Da er jedoch die Topoption im Passspiel des Teams ist, sollte es hohe Priorität haben, ihn über die Saison zu halten, notfalls per Franchise Tag.
Darüber hinaus gibt es Spieler an der Front auf beiden Seiten, um die herum aufgebaut werden kann, allen voran eben Decker, Ragnow und Flowers auf beiden Seiten des Balls. Das höchste Potenzial dürfte jedoch Okudah mitbringen, der als Rookie noch seine Schwierigkeiten hat und erst noch beweisen muss, dass er die erhoffte langfristige Verstärkung sein kann.
Das größte Fragezeichen ist aber Stafford. Seine Leistungen waren stets auf ansprechendem Niveau, seit seinen Verletzungen im Vorjahr sucht er jedoch noch nach seiner Topform und lässt damit die wichtigste Position im Team zur Baustelle werden.
Detroit Lions: Draftpicks und Cap Space 2021
Cap Space: 13,8 Millionen Dollar.
Runde | Anzahl der Draftpicks |
1 | 1 |
2 | 1 |
3 | 1 |
4 | 1 |
5 | 1 |
6 | - |
7 | - |
Das Draftkapital der Lions ist nach zahlreichen Trades recht überschaubar. Sie haben ihre ersten fünf Picks, darüber hinaus jedoch herzlich wenig. Um mehr Picks zu erlangen, gibt es im Kader allerdings den einen oder anderen Spieler, der für andere Teams interessant werden könnte. Je nach Plan des neuen Trainerstabs wäre Linebacker Jamie Collins jemand, der seinen Wert haben könnte. Der große Move wäre freilich ein Abschied von Stafford - er wäre ein faszinierender Kandidat auf dem Trade-Markt.
Cap-technisch wird es schon schwieriger, auf einfachem Wege viel Cap Space zu kreieren. Das Problem ist, dass die Lions in den vergangenen Jahren unter Patricia ziemlich aggressiv eingekauft haben und die meisten Verträge zu frisch sind, um sie ohne eine gehörige Portion an Dead Money wieder loszuwerden.
Was an Cap-Hits eingespart werden würde, ginge durch den jeweiligen Dead Cap wieder drauf. Und da viele jener Verträge kein wahnsinnig hohes Basisgehalt beinhalten, bringen Umstrukturierungen kaum Besserung. Zudem wird es schwer genug, Golladay und seinen Receiver-Kollegen Marvin Jones mit den vorhandenen Mitteln zu halten.
Detroit Lions: Head Coach und General Manager
Coach Patricia und GM Bob Quinn sind beide raus in Detroit. Quinn war seit 2016 im Amt und stolperte letztlich über die Maßnahme, Caldwell, der ein solides Team anführte, durch Patricia zu ersetzen, den er aus gemeinsamen Zeiten in New England gut kannte.
Patricia war mit der Ansage angetreten, ein Team "mit einigen Baustellen" besser zu machen, woran er letztlich kläglich gescheitert ist. Beide hinterlassen einen beträchtlichen Scherbenhaufen, wobei gerade die Defense komplett am Vorhaben scheiterte, das nachzubauen, was Patricia als Ideal seines Mentors Bill Belichick ansah: Press-Coverage und Pass Rush vor allem durch gutes Blitzing. Es scheiterte schon an der eher schwachen Secondary.
Wer auch immer hier übernimmt, wird zunächst mal entscheiden müssen, inwieweit man das bisher aufgebaute Konstrukt fortführen und verbessern kann und will. Und hier liegt schon das nächste Problem: Soll es ein Coach mit offensivem Hintergrund sein, um Stafford nochmal auf Vordermann zu bringen, oder doch lieber einer mit Defense-Expertise, um die Großbaustelle Defensive anzugehen? Bei Letzterem könnte ein Robert Saleh von den 49ers eine interessante Option darstellen, basierend auf dem, was die Niners defensiv seit Jahren liefern.
Chicago Bears
"Da Bears" standen 2018 zuletzt in den Playoffs und davor war dies 2010 der Fall. 2018 war zugleich die erste "Winning Season" (12-4) des Teams seit 2012. Entsprechend stellt sich auch hier die Frage, ob der eingeschlagene Weg fortgeführt werden sollte.
Trivial zusammengefasst verfügt das Team fast schon naturgemäß über eine starke Defense, die vielen Teams das Leben schwer machen kann. Doch offensiv fehlt schlicht die wichtigste Zutat - der Quarterback. Entsprechend sorgte die Maßnahme, Nick Foles per Trade in der Offseason zu holen und ihn mit Mitchell Truibisky konkurrieren zu lassen, für Stirnrunzeln.
Nach nunmehr zwei Dritteln der Saison 2020 dürfte klar sein, dass die Kritiker im Frühjahr Recht behalten sollten. Hast Du zwei - noch dazu schlechte - Quarterbacks, hast Du gar keinen Quarterback!
Chicago Bears: Vorhandene Eckpfeiler
- Edge Rusher Khalil Mack (Vertrag bis 2024)
- Edge Rusher Robert Quinn (Vertrag bis 2024)
- Safety Eddie Jackson (Vertrag bis 2024)
- Linebacker Roquan Smith (Vertrag bis 2021)
Wenig überraschend liegt der Kern des Teams in der Defense. Um diese Spieler sollte langfristig aufgebaut werden, zumal speziell Mack, aber auch Quinn aufgrund ihrer Verträge auch kaum bewegt werden können. Smith zwar schon, doch ihm gehört die Zukunft. Im Frühjahr steht seine Fifth-Year-Option an und sollte nach menschlichem Ermessen in jedem Fall gezogen werden. Cornerback Kyle Fullers Vertrag könnte nächstes Jahr ein Thema werden.
Offensiv dagegen wirkt vieles austauschbar. Ein möglicher Eckpfeiler wäre in erster Linie Wide Receiver Allen Robinson, doch wird jener Free Agent nach der laufenden Spielzeit und muss entsprechend bezahlt werden - per Franchise Tag oder neuem langfristigen Vertrag.
Chicago Bears: Draftpicks und Cap Space 2021
Cap Space: 655.428 Dollar
Runde | Anzahl der Draftpicks |
1 | 1 |
2 | 1 |
3 | 1 |
4 | - |
5 | 1 |
6 | 1 |
7 | - |
Positiv betrachtet haben die Bears erstmals seit 2018 wieder einen Pick in Runde 1. Durch den Blockbuster-Trade für Edge-Rusher Khalil Mack seinerzeit wanderten unter anderem die zwei vergangenen Erstrundenpicks der Bears nach Oakland beziehungsweise Las Vegas. Nun dürfen sie endlich mal wieder an Tag eins ziehen. Dennoch sind fünf Picks in den ersten sechs Runden überschaubar, wenn man komplett neu aufbauen will.
Der Cap Space wiederum ist im Grunde bei null, weshalb hier akuter Handlungsbedarf besteht. Wirklich elegante Lösungen gibt es jedoch kaum. Naheliegend wäre eine Umstrukturierung von Macks Vertrag. Sein Basisgehalt von rund 17 Millionen könnte als Bonus auf die kommenden vier Jahre verteilt werden. Ebenso ginge dies bei Quinn (11,5 Millionen Dollar), würde jedoch nicht ganz so viel Ertrag bringen. Ansonsten sind die Vertragslängen der übrigen Topverdiener zu kurz für ein solches Manöver.
Ein weiterer offensichtlicher Schritt sind Entlassungen und Trades. Ein Abgang von Tight End Jimmy Graham etwa brächte vier Millionen Dollar an neuem Cap Space. Trennt man sich vom produktiven D-Liner Akiem Hicks, wären sogar neun Millionen Dollar an Cap Space drin.
Chicago Bears: Head Coach und General Manager
GM Ryan Pace ist seit 2015 im Amt, Matt Nagy (seit 2018) ist sein zweiter selbst engagierter Head Coach. Zusammen führten sie die Bears zu deren bester Saison seit 2006, sind seither aber wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgekommen.
2020 begannen die Bears sehr gut mit einer 5-1-Bilanz. Seither haben sie fünf Spiele in Serie verloren und dürften nun auch selbst zur Erkenntnis gekommen sein, dass die eigene Offense mit Trubisky oder Foles nicht funktionieren wird. Es braucht also mindestens einen neuen Quarterback, ob nun im Draft oder der Free Agency.
Doch ist die übergeordnete Frage eine andere: Dürfen Pace und Nagy einen etwaigen Rebuild überhaupt selbst durchführen? Oder muss ein komplett neues Regime her, nachdem es den beiden nicht gelungen ist, nach 2018 das Team entscheidend weiterzuentwickeln? Nachdem 2019 (8-8) als Rückschritt gesehen werden darf, ist 2020 nun ein absehbarer Stillstand. Kein gutes Argument für ein Festhalten an der bisherigen Führung.
Jacksonville Jaguars
Die Jaguars waren vor der Saison schon der Topfavorit auf den Top-Pick im kommenden Draft, haben dann aber überraschend Spiel 1 der Saison gegen die Colts gewonnen und damit wohl die Chance auf selbigen vertan. Rang 2 aber ist weiter in Sichtweite.
Dies ist eine Franchise, die nicht wahnsinnig viel richtig gemacht hat in den vergangenen 20 Jahren. Nachdem sie 2007 zuletzt in den Playoffs standen, legten sie bis heute nur noch eine Saison mit positiver Bilanz hin. Das war die überraschend starke Spielzeit 2017, in der sie als Gewinner der AFC South sogar das Championship Game erreichten.
Damals hatten sie im ersten Jahr unter Head Coach Doug Marrone in erster Linie eine herausragende Defense. Davon ist allerdings wenig übrig in der aktuellen Saison, zudem ist die Quarterback-Situation seit Jahren eine Großbaustelle.
Jacksonville Jaguars - Vorhandene Eckpfeiler
- Linebacker Myles Jack (Vertrag bis 2023)
- Edge-Rusher Josh Allen (Vertrag bis 2022)
- Cornerback CJ Henderson (Vertrag bis 2023)
- Wide Receiver Laviska Shenault (Vertrag bis 2023)
- Edge Rusher K'Lavon Chaisson (Vertrag bis 2023)
Wenn man so will, hat der Neuaufbau der Jaguars eigentlich schon vor dieser Saison begonnen. Weit davor sogar. Die einst so dominante Defense wurde nach und nach abgerüstet, zuletzt wurden noch Cornerback Jalen Ramsey sowie Edge Rusher Yannick Ngakoue getradet, sodass von damals nur noch Jack übrig ist.
Diese Abrüstung brachte jede Menge Draftpicks, die unter anderem für Henderson, Shenault und Chaisson genutzt wurden. Im Vorjahr kam zudem mit Jawaan Taylor ein neuer Right Tackle. Insofern ist durchaus langfristig Potenzial vorhanden, zumal auch Wide Receiver DJ Chark noch mindestens ein weiteres Jahr unter Vertrag steht und in den weiteren Planungen eine hohe Priorität genießen dürfte.
Jacksonville Jaguars - Draftpicks und Cap Space 2021
Cap Space: 82,3 Millionen Dollar.
Runde | Anzahl der Draftpicks |
1 | 2 (JAX, LAR) |
2 | 2 (JAX, MIN) |
3 | 1 |
4 | 2 (JAX, LAR) |
5 | 2 (JAX, CLE) |
6 | - |
7 | 2 (JAX, TEN) |
Mit elf Picks, darunter zwei in Runde 1 und fünf an den ersten beiden Tagen, gehen die Jaguars sehr gut bestückt in den kommenden Draft. Zudem verfügen sie über den größten Cap Space aller Teams.
Entsprechend haben sie die Wahl, welchen Quarterback sie - höchstwahrscheinlich nach Trevor Lawrence - gerne hätten. Das wäre dann auch das Ende für Minshew Mania - womöglich ist Gardner Minshew noch ein Trade-Kandidat, um weitere Picks zu sammeln. Zudem dürften einige andere Baustellen beackert werden.
Jacksonville Jaguars: Head Coach und General Manager
General Manager Dave Caldwell wurde nach acht Jahren im Amt bereits entlassen. Und es wäre zumindest mal überraschend, wenn Head Coach Doug Marrone die laufende Saison überstehen würde. Will Besitzer Shahid Khan einen kompletten Neuanfang, dann muss der künftige GM auch seinen Coach mitbringen dürfen.
Und hier gilt dann, dass dem neuen Regime ein durchaus attraktives Gesamtpaket geboten wird. Jede Menge Cap Space, unzählige Draftpicks und die Chance, auf einen der Top-Quarterbacks im kommenden Draft. Zudem scheinen die diesjährigen Top-Rookies gute Griffe zu sein, sodass die Neuen nicht gänzlich bei null anfangen müssten. Viel ansprechender kann ein Job in der NFL kaum sein.
New York Jets
Der ultimative Rebuild-Kandidat in diesem Jahr sind zweifelsohne die Jets. Gang Green macht nicht den Eindruck, als könnte sie überhaupt ein Spiel gewinnen, und dieser hält sich seit Woche 1 stetig. Letztmals standen sie 2010 in den Playoffs und hatten seither noch eine "Winning Season" (10-6, 2015). Die sieben Siege des Vorjahres wirken da schon fast wie eine Anomalie, nachdem zwischen 2016 und 2018 nur 14 Spiele insgesamt gewonnen wurden.
New York Jets: Vorhandene Eckpfeiler
- Offensive Tackle Mekhi Becton (Vertrag bis 2023)
- Wide Receiver Denzel Mims (Vertrag bis 2023)
- Defensive Tackle Quinnen Williams (Vertrag bis 2022)
Diesem Kader fehlt es an allen Ecken und Enden, doch immerhin saßen die hohen Picks der vergangenen zwei Drafts. Becton sieht aus wie ein Spieler, der die nächsten zehn Jahre Leistungsträger sein kann, Mims wie ein aussichtsreicher künftiger Nummer-1-Receiver. Zudem hat Williams mittlerweile nachgewiesen, warum er als einer der Topspieler im Draft 2019 gehandelt wurde.
Darüber hinaus jedoch gibt es kaum einen Spieler, den man unbedingt halten muss, wobei die Wide Receiver Breshad Perriman und Jamison Crowder zumindest mal wie gute Sekundärparts aussehen. Safety Marcus Maye ist der wichtigste Name auf der anderen Seite des Balls, sein Vertrag läuft wie der von Perriman aus. Crowder ist noch ein Jahr an Gang Green gebunden.
New York Jets: Draftpicks und Cap Space 2021
Cap Space: 80,9 Millionen Dollar.
Runde | Anzahl der Draftpicks |
1 | 2 (NYJ, SEA) |
2 | 1 |
3 | 2 (NYJ, SEA) |
4 | 1 |
5 | 2 (NYJ, NYG) |
6 | - |
7 | 1 |
Hier wird die Sache interessant! Die Jets haben nicht nur fünf Picks an den ersten zwei Drafttagen durch den Trade von Safety Jamal Adams, sie liegen auch auf der Pole Position, was den Hauptpreis im kommenden Draft angeht - Quarterback Trevor Lawrence!
Und darüber hinaus haben sie den zweitmeisten Cap Space überhaupt in der NFL. Fruchtbarer Nährboden also für einen totalen Neuaufbau in New Jersey, der mit einem potenziellen Trade von Sam Darnold noch mehr Optionen erhalten könnte.
New York Jets: Head Coach und General Manager
GM Joe Douglas wurde erst 2019 - nach dem Draft - installiert und hat seither durchaus einiges richtig gemacht. Unter anderem ist er für die Draftklasse 2020 und den Adams-Deal verantwortlich, der noch länger Früchte trägt. Er hat eine solide Grundlage geschaffen.
Nun geht es darum, auch einen geeigneten Head Coach zu finden, schließlich scheint Adam Gase, der seit 2019 im Amt ist, komplett überfordert zu sein. Kurzum: Wollen die Jets einen umfassenden Neuanfang, muss auch ein neuer Coach her. Und gehen wir davon aus, dass Lawrence in der Tat der Top-Pick wird, dann sollte das einer mit offensiver Expertise sein.
Insgesamt aber sind die Jets das attraktivste Team für einen Coach, was einen Neuaufbau angeht, nicht nur wegen Lawrence.
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