Die Tampa Bay Buccaneers haben den nächsten Transfercoup gelandet: Mit Tight End Rob Gronkowski kommt der zweite Superstar von den New England Patriots nach Florida. Doch wie fit ist er eigentlich und warum war er so günstig zu haben? Und: Wie passt er rein ins System von Head Coach Bruce Arians? SPOX-Redakteur Marcus Blumberg beantwortet die wichtigsten Fragen.
1. Warum war der Gronkowski-Trade so günstig für die Buccaneers?
Die Tampa Bay Buccaneers haben für Rob Gronkowski lediglich einen Viertrundenpick im diesjährigen Draft abgegeben und dafür sogar noch einen Siebtrundenpick der Patriots bekommen. Auf den ersten Blick ein ziemlich überschaubarer Preis für den womöglich besten Tight End in der Geschichte der NFL.
Grundsätzlich mag diese Aussage stimmen, allerdings haben ähnliche Deals für eigentlich im Ruhestand befindliche Spieler in der jüngeren Vergangenheit kaum einen solchen Preis erzielt. Die Seattle Seahawks etwa gaben 2018 Marshawn Lynch an die Oakland Raiders ab und tauschten im Prinzip einen Sechst- gegen einen Fünftrundenpick und auch sonst ist es nicht üblich, überhaupt einen Viertrundenpick zu investieren.
Man muss schon lange zurückgehen, um einen ähnlich hohen Preis für einen "Football-Rentner" zu finden: Im Jahr 2008 nämlich hatten die New York Jets für Brett Favre einen Conditional-Viertrundenpick nach Green Bay geschickt, wobei Favre da technisch gesehen schon seinen Rücktritt vom Rücktritt erklärt hatte.
Viertrundenpick für Gronk - teuer oder günstig?
Vielmehr ist der Viertrundenpick ein stattlicher Preis, wenn man bedenkt, dass New England eigentlich kaum Verhandlungsspielraum hatte. Die Patriots standen gewissermaßen mit dem Rücken zur Wand.
Zunächst mal erklärte Gronk ihnen gegenüber, dass er gerne wieder Football spielen wolle, aber eben zusammen mit seinem Quarterback Tom Brady in Tampa Bay. Für die Patriots hätte er also sehr wahrscheinlich ohnehin nicht mehr gespielt und einen Trade-Markt mit verschiedenen Bietern hätte es ebenfalls nicht gegeben.
Dann muss man bedenken, dass die Patriots aktuell nur knapp eine Million Dollar an Cap Space haben, Gronkowski wiederum steht mit einem Cap Hit von zehn Millionen Dollar zu Buche, sobald er aus dem Ruhestand zurückkehrt.
Das hätte also zu massiven Problemen bei den Patriots geführt, hätte es Gronkowski darauf angelegt. Der Tight End hätte auch aus dem Ruhestand zurückkehren und den Pats die Pistole auf die Brust setzen können. Insofern kann man sogar argumentieren, dass die Bucs vielleicht sogar mehr bezahlt haben als nötig gewesen wäre.
New England derweil erhält einen Viertrundenpick für einen Spieler, der ohnehin nicht mehr für die Patriots gespielt hätte.
2. Was bedeutet der Gronk-Trade für die Buccaneers?
Die Bucs haben mit dem Trade für Gronkowski den nächsten großen Coup dieser Offseason gelandet. Nach Tom Brady auch noch dessen mit Abstand gefährlichsten Passempfänger zu bekommen ist zunächst einmal die weitere Maximierung eines All-In-Moves.
Brady warf 78 Touchdown-Pässe auf Gronk, mehr als doppelt so viele wie auf jeden anderen Spieler und mehr als auf Randy Moss (39) und Julian Edelman (36) zusammen - ist eine überragende Errungenschaft. Ein Move, der die ohnehin schon imposant aussehende Offensive in Tampa Bay nochmal ein wenig furchteinflößender erscheinen lässt.
Gronkowski hilft diesem Team und Brady in gleich drei wichtigen Bereichen. Zum einen dürfte er weiterhin die Mitte des Feldes dominieren, was er aufgrund seiner Masse und seiner Präsenz seit jeher getan hat. Dann ist er weiterhin ein herausragender Blocker und kann dabei helfen, Brady zu schützen und die im Vorjahr eher wacklige Offensive Line zu unterstützen.
Darüber hinaus wird er ebenfalls als Blocker auch das Laufspiel befeuern, was er auch 2018 bei den Patriots gerade in den Playoffs unter Beweis gestellt hat.
Gronkowski in Tampa: Sicherheitsnetz für Brady
Im Passspiel an sich gibt er Brady nicht nur eine bekannte und sichere Anspielstation, er nimmt auch unweigerlich den Fokus von den Kollegen. Die Buccaneers haben nun mit Gronk, Mike Evans, Chris Godwin und den Tight Ends O.J. Howard - zu ihm später mehr - und Cameron Brate eine Handvoll Targets, die für sich betrachtet ohnehin schon schwer zu covern sind.
Da drei bis vier von diesen permanent auf dem Feld stehen werden, steht der Gegner vor zahlreichen Matchup-Problemen, vor allem, weil er es sich eigentlich nicht leisten kann, auch nur einen davon doppelt zu decken. Und in Man-Coverage sind alle von ihnen nur schwer zu stoppen.
Abgesehen davon könnte Gronk der Offense von Bruce Arians, die sehr auf Vertikalität ausgerichtet ist, noch ein weiteres Level - die Mitte des Feldes und die mittleren Distanzen - eröffnen. Das gibt der Unit mehr Variabilität und macht sie noch unberechenbarer - und kommt Brady auch entgegen.
Arians - der in seiner Offense traditionell eher weniger auf Tight Ends setzt - hatte nach dem Brady-Coup bereits gesagt, dass er und sein neuer Quarterback sich in puncto Offense-Philosophie annähern werden. Gronk scheint die Personifizierung dieser Aussage zu sein.
NFL: Receiver mit meisten Touchdown-Receptions von Brady
Spieler | Position | Touchdown-Receptions |
Rob Gronkowski | Tight End | 78 |
Randy Moss | Wide Receiver | 39 |
Julian Edelman | Wide Receiver | 36 |
Wes Welker | Wide Receiver | 34 |
James White | Running Back | 24 |
3. Wie fit ist Gronkowski nach einem Jahr Pause?
Die große Frage, die sich alle stellen bei Gronkowski, ist die nach der Fitness. Gronk beendete seine Karriere nach dem Super-Bowl-Erfolg nach der Saison 2018 auch deshalb, weil er körperlich einfach am Ende war.
Er hatte zahlreiche Operationen an Rücken, dem Arm und dem Knie hinter sich und wurde speziell nach Super Bowl LIII von einem wochenlang schmerzenden Bluterguss im Oberschenkel geplagt. Nach eigenen Angaben konnte er in der Zeit kaum laufen.
Gronks Gastauftritt bei der WWE
Seither arbeitete er als TV-Experte bei FOX, machte Werbung für sogenannte "Edibles", also Marijuana in Bonbon-Form, wenn man so will, und gab zuletzt sein Debüt bei der WWE, wo er sogar - wie auch immer das funktioniert - den Championship-Gürtel für den "24/7 Champion" geholt hat.
Rein optisch betrachtet hat Gronk ein wenig von seinem Kampfgewicht seiner NFL-Tage eingebüßt, sah aber immer noch äußerst sportlich und austrainiert aus. An der Muskelmasse und dem NFL-Körper soll er bereits seit einigen Wochen wieder arbeiten. Zudem hat Gronk bereits den Medizincheck bei den Bucs bestanden, ist also offiziell fit genug für die NFL.
Bis zum Saisonstart sind es zudem noch fast fünf Monate, genug Zeit also für Trainingsweltmeister Gronkowski, um sich die finalen Kilogramm an Muskelmasse wieder drauf zu schaffen.
Im Alter von 30 Jahren sollte er also immer noch in der Lage sein, Höchstleistungen zu erzielen. Ob er an sein Topniveau herankommen wird, ist natürlich dennoch fraglich und womöglich wird er rein von der Quantität her etwas reduzierter zum Einsatz kommen.
Aber die Frage nach dem Topniveau gilt auch für den dann 43 Jahre alten Tom Brady, der aber nun so viele Top-Targets um sich hat, dass absolutes Topniveau vielleicht gar nicht erforderlich sein wird.
4. Was passiert mit O.J. Howard?
Bereits seit ein paar Wochen schon kursiert der Name O.J. Howard in Trade-Gerüchten. Der Erstrundenpick der Bucs aus dem Draft 2017 galt seither als vielversprechender Tight für die Zukunft, wartet aber auch in seinem finalen Jahr des Rookie-Vertrags - die Option für das fünfte Jahr wurde noch nicht gezogen, die Deadline ist der 30. Mai - noch auf seinen Durchbruch.
Spätestens mit der Ankunft von Gronk dürften sich die Anfragen für Howard nun wieder häufen. Aus Sicht der Bucs nämlich ist er nun absolut entbehrlich, zumal auch bei ihnen nur fünf "Receiver" auf dem Platz stehen können. Und da Tight-End-Kollege Cameron Brate bereits bis 2023 verlängert hat, ist Howard derjenige, der am ehesten gehen wird.
Für andere Teams wiederum dürfte Howard nicht nur wegen seines ohne Zweifel vorhandenen Potenzials attraktiv sein. Er befindet sich noch in seinem Rookie-Vertrag und ist entsprechend günstig.
Im Draft wiederum gibt es kaum vielversprechende Tight Ends in diesem Jahr, sodass Howard als einigermaßen bekannte Größe vielleicht die zumindest kurzfristig bessere Lösung wäre. Und nach einem Jahr schaut man eben, ob man mit ihm verlängern will oder eben nicht. Das Risiko - und der mögliche Preis für ihn - dürfte überschaubar sein.
O.J. Howard bis 2021 unter Teamkontrolle
Und sollte sich ein Team dann doch sicher sein, dass Howard eine direkte Verstärkung wäre, könnte es frei entscheiden, ob nicht doch die Option fürs fünfte Jahr gezogen wird vorm Start der kommenden Saison. Das neue Team hätte also Teamkontrolle bis Ende 2021, wenn es die denn wollte.
Mögliche Kandidaten für einen solchen Trade sind vor allem die Washington Redskins, Indianapolis Colts und wohl auch die Dallas Cowboys, die allesamt gute Tight Ends abgegeben haben und nun auf der Suche sind.
5. Was sind die Folgen des Gronk-Trades für die Patriots?
Pragmatisch betrachtet - der einzige Weg, wie Head Coach Bill Belichick irgendetwas betrachtet - haben die Patriots für einen Spieler, den sie essenziell nicht hätten einsetzen können, einen Viertrundenpick geschenkt bekommen. Von daher ist der Gronk-Trade für sie ein gutes Geschäft.
New England geht damit Stand Mittwochmorgen mit zwölf Picks in den Draft, sechs in den ersten vier Runden. Sehr viel Munition also für diverse Szenarien.
Die Patriots könnten all diese Picks nutzen, diverse Baustellen zu beackern. Tight End wäre eine solche. Seit Gronkowskis Rücktritt ist dies eine Position, die bei den Patriots unterdurchschnittlich besetzt ist und Brady im Vorjahr schon merklich Probleme bereitet hatte.
An Position 23 wäre vermutlich Tight End Cole Kmet von Notre Dame zu haben, wollen die Patriots also genau hier Verstärkung, ginge dies wohl direkt im Draft. Ein wirkliches Erstrunden-Talent gibt es unter den Tight Ends im diesjährigen Draft jedoch nicht.
Sie könnten jedoch auch versuchen, hochzutraden und vielleicht einen Quarterback verpflichten, der an 23 nicht zu haben wäre - etwa, falls Tua Tagovailoa tatsächlich etwas abrutscht. Die Tight-End-Position bliebe dann allerdings weiterhin eine Schwachstelle.
Grundsätzlich jedoch gibt es, sollte der 139. Pick nicht gerade zu einem Glücksgriff oder Trade führen, keine großen Konsequenzen für die Patriots, was dieses Gronk-Comeback betrifft. Er war bereits zuvor schon kein Thema mehr in der Teamplanung, sodass dieser Abgang nun keinen Einfluss haben wird.
Im stillen Kämmerlein allerdings dürfte es schon den einen oder anderen Verantwortlichen in Foxborough/MA - und selbstredend zahlreiche Fans - komisch vorkommen, sein Top-Offensiv-Duo des vergangenen Jahrzehnts nun in Rot und in Florida womöglich groß aufspielen zu sehen.
Doch so ist das Geschäft in der NFL.
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