Die Tampa Bay Buccaneers haben das Aufeinandertreffen mit den New England Patriots bei der Rückkehr von Tom Brady knapp für sich entschieden. Dabei zeigte sich: Auch Brady ist nur ein Mensch. Außerdem: Die Patriots haben größere Probleme als Mac Jones und die Bucs sind noch nicht in Super-Bowl-Form.
1.: Tom Brady ist auch nur ein Mensch
Dass das vierte Saisonspiel der Buccaneers für Tom Brady nicht einfach ein weiteres Spiel unter deutlich über 300 weiteren Auftritten in der NFL werden würde, stand bereits seit Monaten fest: Erstmals in seiner mehr als 20 Jahre währenden Karriere als Profi in der besten Football-Liga der Welt lief Brady nicht als der Quarterback des Heimteams, sondern als Gast im Gillette Stadium in Foxborough, Massachusetts auf.
Das Treffen mit Patriots-Owner Robert Kraft in den Katakomben, die Sprechchöre der Patriots-Fans beim Aufwärmen, das Video, das zu seinen Ehren kurz vor dem Kickoff auf der Videoleinwand gezeigt wurde, die lautstarken Buhrufe, als die Bucs-Offense das erste Mal auf den Rasen lief - all das dürfte auch Brady, der in seiner unglaublichen Karriere eigentlich jeden Moment irgendwann schon mal erlebt zu haben schien, nicht ganz kalt gelassen haben.
Seit Tagen hatte es sowohl rund um die Bucs als auch rund um die Patriots eigentlich nur ein Thema gegeben. Über 500 Journalisten erhielten eine Akkreditierung für das Sunday Night Game, alleine der übertragende Sender NBC schickte über 250 Reporter. Zum Vergleich: In den bisherigen Saisonspielen der Patriots waren jeweils nur rund 200 Journalisten insgesamt vor Ort gewesen. Der Medienzirkus glich eher einem Super Bowl als einem von über 250 Spielen in der diesjährigen Regular Season.
Als wäre all das nicht genug kam auch noch ein weiterer historischer Meilenstein hinzu: Beim zweiten Drive der Bucs zog Brady nach einem Screen-Pass an Passing-Yard-Leader Drew Brees vorbei. Das Spiel wurde kurz unterbrochen, Brady einmal mehr gefeiert.
"Es gab ein paar emotionale Momente, in denen ich an die Menschen dachte, die in meinem Leben so viel bedeutet haben", gab Brady nach dem Sieg seiner Patriots zu. "Meine Football-Reise hat mich woanders hin getragen."
Tom Brady: Durchwachsenes Spiel gegen die Patriots
Darüber hinaus begann es bereits drei Stunden vor dem Kickoff im Gillette Stadium zu regnen, die Patriots und Bucs bestritten das gesamte Spiel im Regen. Es war eine Erfahrung, die Brady nur zu gut aus seinen 20 Jahren an der Ostküste kannte, mit New England hatte der 44-Jährige zahlreiche Heimspiele im Regen oder gegen den Wind bestreiten müssen. Bedingungen, die für einen Quarterback nicht optimal sind. Selbst für einen Quarterback mit so viel Erfahrung wie Brady.
Dementsprechend verkam Bradys Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte nicht zu einer Demonstration der schieren Qualität des wohl größten Spielers, der jemals ein Football-Feld betreten hat. Brady brachte nur etwas mehr als die Hälfte seiner Pässe zum Mitspieler, verfehlte seine anvisierten Receiver einige Male deutlich und leistete sich so manchen eher ungewöhnlichen Wackler. Sein Quarterback Rating von 70,8 war Bradys mit Abstand schwächstes in der laufenden Saison.
Verschiedene Metriken wie EPA/Play oder Completion Percentage over Expectation bescheinigten Brady nach dem Sieg über die Patriots einen eher durchwachsenen Auftritt. Sein Gegenüber Mac Jones schnitt in den meisten Statistiken besser ab als der siebenmalige Super-Bowl-Champ. Dass Tampa Bay den Sieg nicht dank eines unaufhaltsamen Drives von Brady, sondern durch ein verschossenes Field Goal auf der Gegenseite gewann, passte ins Bild.
Welchen Anteil die emotionale Rückkehr, der mediale Rummel rund um seine Person sowie das ungemütliche Wetter jeweils an dem wenig spektakulären Auftritt von Brady hatten, dürfte wohl nur Brady selbst einschätzen können - wenn überhaupt. Dass die besonderen Umstände den 44-Jährigen aber durchaus beeinflussten, lässt sich wohl kaum von der Hand weisen. Auch Brady ist eben nur ein Mensch.
2.: Das Problem der Patriots heißt nicht Mac Jones
Die ersten drei Heimspiele der neuen Saison allesamt verloren. Nur ein Sieg aus den ersten vier Spielen, dieser zudem über die Jets, dem vielleicht schlechtesten Team der NFL. Der Saisonstart der Patriots verlief sicher nicht nach den Vorstellungen von Head Coach Bill Belichick.
Die Bills haben sich in der AFC East nach nur vier Wochen schon wieder von der Konkurrenz abgesetzt, fünf weitere Teams aus der AFC West und der AFC North haben zudem bereits drei Siege auf dem Konto. Der Einzug in die Playoffs könnte für die Patriots also auch in diesem Jahr wieder zu einem schwierigen Unterfangen werden.
Dabei sind die Patriots sehr wahrscheinlich besser als ihre Bilanz aktuell den Anschein erwecken mag. Der Erfolg über die Jets war ein Pflichtsieg, die Pleite bei den Saints ein Reinfall. Die Spiele gegen die Dolphins und Buccaneers hätten mit etwas mehr Glück oder Mut jedoch ebenso gut an New England gehen können. Dass das Team in vier Wochen wieder eine ausgeglichene Bilanz aufweisen können wird, scheint somit nicht unvorstellbar. Im Oktober geht es für die Pats gegen die Texans, Cowboys, Jets und Chargers.
Belichicks Pass-Defense wirkt einmal mehr unangenehm. Der Pass-Rush ist solide, die Secondary gut und durch die Rückkehr von Star-Cornerback Stephon Gilmore könnte New England in zwei Wochen einen zusätzlichen Boost erhalten. Texans-QB Davis Mills könnte am kommenden Sonntag zudem das nächste Katastrophenspiel bevorstehen.
Der Schuh drückt vor allem offensiv. Bislang knackten die Patriots in dieser Spielzeit erst ein einziges Mal die 20-Punkte-Marke - und das gegen die Jets, als die eigene Defense vier Interceptions gegen Zach Wilson forcierte.
New England Patriots: Laufspiel ist eine Katastrophe
Und dabei ist Mac Jones nicht mal eines der größten Probleme der Patriots-Offense. Ja, Jones macht noch Fehler, das war insbesondere gegen die Saints zu sehen, und nein, er ist noch nicht der schlafwandlerisch sichere Pocket-Passer, den manch einer beim Draft in ihm gesehen haben will. Doch angesichts der Umstände in der Offense spielt Jones weitestgehend so gut, wie man es von einem Rookie-Quarterback zu Beginn seiner Karriere eben erwarten kann.
Gegen die Bucs ließen die Patriots den 23-Jährigen 40-mal bei Early Downs passen, nur achtmal setzten sie auf das - zugegeben völlig ineffiziente - Run-Game. Jones erledigte seine Aufgabe dabei meist gut. Er wurde den Ball schnell los und fand offene Receiver. Probleme bekam der Rookie eher, wenn er in lange Third Downs geriet - so wie bei seiner Interception im ersten Viertel.
Noch lässt Jones zu häufig Big Plays liegen, der Patriots-Quarterback agiert praktisch ausschließlich im Kurzpassspiel. Hier wird er im Laufe der Saison aggressiver werden müssen. Mindestens genau so wichtig wäre jedoch, dass die Patriots ihm endlich mehr Hilfe an die Seite stellen können.
New Englands Laufspiel ist bislang eine Katastrophe. Gegen die Bucs liefen die Running Backs sechsmal für -4 Yards, gegen die Saints waren es elf Runs für 21 Yards. Jones wird die Offense so früh in seiner Karriere nicht alleine tragen können, zumal die Offensive Line gemessenen an den Erwartungen vor der Saison bislang auch eher enttäuschend auftritt.
Noch ist Jones in der NFL selbst sehr wohlwollend betrachtet allenfalls ein durchschnittlicher Starting Quarterback, viel mehr durfte man von ihm als Rookie allerdings auch noch nicht erwarten (siehe Trevor Lawrence, Zach Wilson, Justin Fields und Davis Mills). Nun ist es an der Zeit, dass er die Offense endlich nicht mehr allein schultern muss.
3.: Die Bucs sind noch nicht in Super-Bowl-Form
Drei Siege aus den ersten vier Spielen, zurück auf Platz eins in der eigenen Division. Im Gegensatz zu den Patriots können die Bucs mit ihrem Start in die Saison auf dem Papier durchaus zufrieden sein.
Zumal aktuell wenig dagegen spricht, dass Tampa Bay in den kommenden Wochen eine Siegesserie starten können wird. Die nächsten Gegner des Teams heißen Dolphins, Eagles, Bears, Saints, Football Team, Giants, Colts und Falcons. Erst Mitte Dezember treffen die Bucs mit den Bills auf ein Team, das ebenfalls im erweiterten Contender-Kreis eingeordnet wird.
Und doch läuft beim amtierenden Champion noch nicht alles rund. Gegen die Patriots konnte Tampa Bay sein offensives Potenzial nicht voll abrufen, Brady präsentierte sich - anders als in den ersten drei Spielen dieser Saison - nicht in MVP-Form.
Das sollte allerdings noch kein Grund zur Sorge sein. Für Brady war das Spiel schließlich in jeder Hinsicht ein besonderes. Der offensive Floor ist alleine aufgrund der schieren Qualität in der Offense unglaublich hoch. Brady ist nach wie vor ein sehr guter Quarterback, die Offensive Line zählt ligaweit zur Top-10 und der Receiving Corps mit Mike Evans, Chris Godwin, Antonio Brown und - wenn er wieder fit ist - Rob Gronkowski sucht ligaweit seinesgleichen.
Fragezeichen gibt es aktuell eher auf der anderen Seite des Balls: Tampa Bays Run-Defense ist zwar nach wie vor das Nonplusultra in der NFL, daran scheint sich im Sommer wenig geändert zu haben. Von der dominanten Pass-Defense ist bislang allerdings wenig zu sehen. Und Besserung scheint aktuell nicht in Sicht.
Tampa Bay Buccaneers: Verletzungssorgen in der Secondary
Mit Sean Murphy-Bunting verletzte sich ein wichtiger Pass-Defender bereits beim Saisonauftakt gegen die Cowboys, das Spiel gegen die Patriots verpasste zudem auch Cornerback Jamel Dean. Dean sollte zwar nicht allzu lange ausfallen, mit Carlton Davis und Antoine Winfield Jr. kamen jedoch gleich zwei neue Verletzte in der Secondary hinzu. Davis dürfte den Bucs mit einer Quadrizeps-Verletzung länger fehlen, wie lange Winfield mit seiner Gehirnerschütterung ausfällt, ist noch unklar.
Tampa Bays Defensive Coordinator Todd Bowles setzt gerne auf Aggressivität. Bowles blitzt viel und hat keine Angst, in seiner Secondary viel Man Coverage spielen zu lassen. Damit hatte der 57-Jährige in den vergangenen Jahren viel Erfolg, die Taktik geht allerdings nur auf, solange einer Defense genügend Defender zur Verfügung stehen, die ihre Gegenspieler im Eins-gegen-eins ohne Hilfe verteidigen können. Ob Bowles in den kommenden Wochen auf genügend solcher Spieler zurückgreifen können wird, ist fraglich.
Richard Sherman wurde unter der Woche von den Bucs verpflichtet und durfte gegen die Patriots gleich starten. Bei neun Targets ließ Sherman in seinem ersten Spiel allerdings neun Catches für 102 Yards zu, hinzu kam eine Pass-Interference-Strafe. Inwieweit Sherman, der bislang ausschließlich in Zone-lastigen Schemes spielte, zu Bowles' defensivem Ansatz passt, darf durchaus bezweifelt werden.
Dank ihres so angenehmes Programms in den kommenden Wochen dürften die Bucs vorerst allerdings entspannt bleiben. Mit den Dolphins und den Bears empfängt Tampa Bay in seinen nächsten beiden Heimspielen zwei der schwächsten Offenses der NFL. Jalen Hurts und die Eagles taten sich die gegen die 49ers und Cowboys offensiv zudem ebenfalls schwer.
Noch muss man sich also keine allzu großen Sorgen um den amtierenden Champion machen. Noch größer sollten die Verletzungsprobleme - vor allem in der Secondary - allerdings besser nicht werden.
Tampa Bay Buccaneers: Die nächsten fünf Spiele
Datum | Uhrzeit | Gegner |
10.10 | 19.00 Uhr | Miami Dolphins |
15.10. | 2.20 Uhr | Philadelphia Eagles |
24.10. | 22.25 Uhr | Chicago Bears |
31.10. | 21.25 Uhr | New Orleans Saints |
14.11. | 19.00 Uhr | Washington Football Team |
Meistgelesene Artikel
Das könnte Dich auch interessieren

.jpg?quality=60&auto=webp&format=pjpg&width=317)

