Die Preseason geht dem Ende entgegen, die Regular Season ist in Sichtweite - und in der NFL geht es bereits jetzt hoch her. SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt auf die vergangene Woche in der NFL zurück und gibt seine persönlichen Einschätzungen ab. Heute mit dabei: Julian Edelman, die Rückkehr der Jaguars zu Blake Bortles sowie zwei sinnvolle Quarterback-Entscheidungen.
1. Der Edelman-Ausfall tut in den wichtigsten Momenten weh
Es dauerte nicht lange, bis die Patriots traurige Gewissheit hatten: Julian Edelman hat sich einen Kreuzbandriss zugezogen und verpasst die kommende Saison. Vermutlich die häufigste Reaktion die ich auf Social Media gesehen habe, war diese: "Bitter und tut weh, aber New Englands Wide-Receiver-Corps ist tief genug." Manchmal noch ergänzt durch: "So lange Brady fit ist..."
Das mag grundsätzlich auch stimmen, die Patriots haben mit Brandin Cooks, Chris Hogan, Danny Amendola, Malcolm Mitchell und Austin Carr wirklich ein beachtliches Arsenal an Passfängern. Trotzdem sollte man die Bedeutung von Edelman für diese Offense nicht unterschätzen.
Edelman, ganz nebenbei auch ein sehr guter Punt-Returner, ist ein Crunchtime-Spieler: Bei Third Down - niemand hatte 2016 mehr Third-Down-Receiving-Yards als Edelman (431), der zudem die zweitmeisten Third-Down-Receptions (28) hatte - und anderen kritischen Situationen im Spiel sucht Tom Brady Edelman konstant, und das nicht ohne Grund. Edelman ist einer der besten Slot-Receiver der Liga und genießt außerdem das vollste Vertrauen seines Quarterbacks. Seine Position ist ein absolut zentrales Element in jeder Offense, und in der der Patriots nochmal ein wenig mehr. Das hat ganz einfach schematische Gründe.
New Englands Offense baut auf Option Routes. Bedeutet simpel ausgedrückt: Der Receiver muss die Defense seinerseits ebenfalls lesen. Je nachdem, wie sie agiert, stehen verschiedene, vorher festgelegte Routes zur Auswahl. Quarterback und Receiver müssen eine Defense also auf die gleiche Art und Weise lesen und verstehen, damit sie die gleichen Schlüsse ziehen. All das passiert in Sekundenbruchteilen und setzt ein hohes Maß an Vertrauen ineinander voraus. Und auf diesem Level hat Brady das mit keinem anderen Receiver.
Ich hatte mit Ex-Patriots-Tackle Sebastian Vollmer Ende letzten Jahres über dieses Thema gesprochen, und er hat das bestätigt: "Was man von anderen Spielern hört, die von anderen Teams kommen, ist, dass die Offense irgendwie anders ist, beispielsweise von der Terminologie her. Dazu kommen die Option Routes. Dafür müssen Receiver und Quarterback voll auf der gleichen Wellenlänge sein. Das kann kompliziert sein und das kann auch ein wenig Zeit sowie gemeinsames Training brauchen."
Cooks, Hogan und Mitchell sehe ich Outside, Amendola ist Stand heute derjenige, dem ich die Edelman-Rolle am ehesten zutraue. Allerdings ist der auch nicht gerade bekannt dafür, eine komplette Saison über fit zu bleiben. Carr wird - bei allem Talent das er fraglos mitbringt - Zeit in der Offense brauchen. Ein großer Trade so kurz vor der Saison ist allein angesichts der Komplexität der Offense unwahrscheinlich.
Stattdessen sind für mich andere Formationen denkbar. Mehr 2-Tight-End-Sets mit Gronkowski und Allen sowie ein stärkerer Einsatz der Running Backs im Passing Game und dabei auch mehr Formationen mit mehreren Running Backs. Der Edelman-Ausfall aber wird sich bemerkbar machen. Trotz Brady und des tiefen Receiver-Corps.
2. Bortles - ein Fehler in mehrerlei Hinsicht
Blake Bortles geht also doch als Jacksonvilles Starting-Quarterback in die Regular Season. Um zu wissen, dass ich das grundsätzlich bereits für einen Fehler halte, muss man nur meine Kolumne aus der vergangenen Woche lesen. Die Essenz: Bortles' ganze Wurfmechanik ist für mich eine einzige Baustelle - bestenfalls. Eine riesige Ausholbewegung, dazu eine furchtbare Fußarbeit und eine schlimme Wurf-Mechanik, die zu einem absurd langsamen Release führt. Bortles selbst hat sich vor einigen Monaten ja als "keinen natürlichen Werfer" bezeichnet. Man sieht's.
Dazu sagte Charlie Taaffe, Bortles Offensive Coordinator im College, vor einigen Tagen, dass er sich aufgrund von Bortles' Körpersprache Sorgen macht und glaubt, dass seine Probleme aktuell "mentaler Natur" seien. Das hebt die Meinung über Jacksonvilles Quarterback nicht gerade und deutet vielmehr an, dass noch tiefgreifendere Probleme eine Weiterentwicklung zusätzlich blockieren. Die Negativität und das Auseinanderpflücken eines jeden Wurfes tun Bortles sicher nicht gut. Dass die Mechanik aber mit einer besseren Einstellung und dem Vertrauen der Coaches plötzlich funktioniert, ist mir dann doch zu einfach gedacht.
Umso überraschter war ich von der Begründung von Coach Doug Marrone: "Ich schaue immer zuerst darauf, wer uns die beste Chance gibt, Spiele zu gewinnen. Dabei betrachte ich alles, nicht nur die Quarterback-Position - eben wie wir spielen wollen, was wir tun wollen. Ich glaube, Blake hat die Möglichkeiten, um Plays für uns auszudehnen, und das wird uns in meinen Augen helfen."
gettyBitte was? Auf die Nachfrage bezüglich Bortles' schlechter Entscheidungen auf dem Platz fügte Marrone noch hinzu, dass sein Gefühl gut genug sei, "um hier zu stehen und zu sagen, dass er uns die beste Chance gibt, Spiele zu gewinnen." Für mich ist diese gesamte Begründung so absurd, dass ich mich frage, ob Marrone die Entscheidung so letztlich von oben vorgegeben wurde - und er sie eben irgendwie der Presse verkaufen musste.
Denn auch der Zeitpunkt passt für mich überhaupt nicht, hatte Marrone doch gerade erst eine Woche zuvor das Quarterback-Duell für eröffnet erklärt. Sicher, Chad Henne hat dann am Donnerstag gegen die Panthers nicht gerade die Bühne im Sturm erobert - Bortles nach ihm allerdings auch nicht. In meinen Augen hätte dieses Spiel an der Quarterback-Hackordnung überhaupt nichts ändern sollen. Warum für einen so kurzen Zeitraum überhaupt das ganze Quarterback-Fass aufmachen, wenn die Entscheidung nach einem vergleichsweise nichtssagenden Spiel dann doch schnell getroffen wird?
Und es geht ja noch weiter, denn Bortles jetzt zum Starter zu machen birgt für Jacksonville ein großes Risiko: Die bereits gezogene Vertragsoption für 2018 ist nur für den Verletzungsfall garantiert. Sprich: Sollte sich Bortles hinter einer durchaus anfälligen Offensive Line schwer verletzen und seinen Medizincheck im kommenden Jahr nicht bestehen können, wären 18 Millionen Dollar fällig. Egal, welche Quarterback-Pläne die Jags bis dahin verfolgen.
Noch zwei Punkte, bevor ich das Thema abhaken will: Ich kann mir gut vorstellen, dass Henne rein sportlich gesehen die bessere Wahl gewesen wäre. Sicher, er ist das Sinnbild für risikoarmes, eindimensionales Quarterback-Play. Quasi Alex Smith auf Valium. Aber wäre das nicht die bessere Option gewesen, verglichen mit Bortles, der für wilde Turnover immer gut ist? Mit einem guten Run Game und einer sehr guten Defense hätte Henne Jacksonville zumindest in der Theorie in engen Spielen eine bessere Chance gegeben. Und abschließend verstehe ich nicht, warum die Jaguars keine weitere Quarterback-Option geholt haben, um zumindest perspektivisch im Laufe der Saison noch eine Möglichkeit zu haben. Das gilt umso mehr, nachdem Team-Besitzer Shad Khan öffentlich grünes Licht für Colin Kaepernick gegeben hatte.
3. Quarterback-Entscheidungen, die Sinn machen
Die Quarterback-Entscheidung in Jacksonville war ja aber glücklicherweise nicht die einzige geklärte QB-Frage der vergangenen Woche: Die Browns und die Broncos haben ebenfalls ihre jeweilige Wahl getroffen. Und die sind in meinen Augen bedeutend sinnvoller.
Die Broncos hatten unter dem Strich ja gar keine Wahl. Paxton Lynch mag einige gute Tage im Training Camp gehabt haben, in der Preseason hat man davon allerdings herzlich wenig gesehen. Kurz zusammengefasst: Das Spiel wirkt zu schnell für ihn, er hält den Ball deshalb zu lange und wartet auf ein perfektes Fenster für den Wurf. Außerdem hat er kein gutes Gefühl für den Pass-Rush. Das war auch am Samstagabend in seinem kurzen Auftritt sichtbar, ehe er mit einer Schulterverletzung raus musste.
Das bedeutet nicht, dass Trevor Siemian eine sonderlich herausragende Preseason gespielt hätte - er war eben solide. Ein paar Fehler, ein paar gute Würfe, und ein sichtlich höherer Komfort-Level in der neuen Offense. Das reichte dann eben auch schon. Letztlich muss er nur die Fehler auf einem Minimum halten. Über den Erfolg dieser Offense wird, und das hat die Preseason gezeigt, in der Offensive Line und im Run Game entschieden. Und das Running-Back-Corps der Broncos könnte sich mit Anderson, Charles und Henderson als das tiefste in der NFL entpuppen.
Dann wären da noch die Browns, die dem Rookie die Chance geben. Grundsätzlich bin ich in den allermeisten Fällen ein Fan davon, dem Rookie-Quarterback wenigstens ein Jahr auf der Bank zu geben, um die Umstellung vom College auf die NFL sanfter zu gestalten und ihn nicht zu verbrennen. Trotzdem ist die Entscheidung für DeShone Kizer der richtige Schritt.
Das hat vor allem mit den Umständen in Cleveland zu tun: Die Browns sollten mindestens eine Top-8 Offensive Line aufbieten können. Dass ein junger Quarterback dahinter also direkt zu Kleinholz verarbeitet wird und sein Selbstvertrauen einen möglicherweise irreparablen Knacks bekommt, ist zumindest unwahrscheinlicher. Im Gegenteil: Das Beispiel Dak Prescott zeigt auch, wie ein Quarterback innerhalb einer Saison reifen kann, wenn er den Luxus einer Elite-Protection und eines starken Run Games hat.
Kizer wird Fehler machen, dass weiß jeder. Auch die Browns-Coaches. Sein College-Tape offenbart deutliche Höhen und Tiefen, die wird man in seiner NFL-Rookie-Saison ebenfalls sehen. Aber die Offensive Line und die Quarterback-freundliche Offense von Hue Jackson sollte es ihm ermöglichen, aus diesen Fehlern tatsächlich zu lernen und sich so auch schneller zu verbessern.
Kizer hat sich in der Preseason als der klar beste Quarterback dieses Teams hervorgetan und damit die Eindrücke aus dem Training bestätigt. Und dabei hat er auch insbesondere gezeigt, dass er mit Pressure umgehen kann - ganz im Gegensatz etwa zu den Auftritten von Jared Goff in der vergangenen Preseason. Deshalb glaube ich, dass wir hier die seltene Situation haben, in der es dem Rookie-Quarterback gut tun wird, früh zu spielen. Ganz zu schweigen davon, dass die Browns auch eher erfahren, was sie in Kizer haben.
4. Meine Notizen zur NFL-Woche
- Ich weiß, ich weiß: Die erste Reaktion bei scheinbaren Patriots-Problemen ist stets: "Das sind die Patriots. Die bekommen das schon hin." Und ich weiß auch, dass Bill Belichicks Defense nicht auf dominante Edge-Rusher angewiesen ist. Trotzdem würde es mich nicht wundern, wenn die Pats hier nochmal aktiv werden - etwa indem einer der Running Backs in einen Trade eingeflochten wird. Der Rücktritt von Rob Ninkovich, die schwere Verletzung vom vielversprechenden Rookie Derek Rivers und jetzt die Entlassung von Kony Ealy, der offenbar nicht in die von vielfältigen Fronts geprägte Patriots-Defense gepasst hat. New England ist auf den Edge-Positionen mittlerweile gefährlich dünn besetzt.
- Die Verletzungen haben in den Spielen jetzt doch ganz gut zugeschlagen. Odell Beckham, Spencer Ware, Julian Edelman, Anthony Hitchens, Cam Meredith, um nur einige zu nennen. Jahr für Jahr sind die Anzahl der Preseason-Spiele ein Thema, spätestens sobald die ersten prominenteren Verletzungen auftreten. Coaches gehen mit ihren Stars immer zögerlicher um, was zwangsläufig auch dazu führt, dass das Produkt unattraktiver wird. Viele Teams arbeiten inzwischen mit ihren Startern deutlich intensiver in den Scrimmage-Trainingseinheiten mit anderen Teams. Natürlich können hier auch Verletzungen auftreten, doch der Rahmen ist kontrollierter und die Möglichkeit, an spezifischen Dingen zu arbeiten, höher. Kurz: Die Vorteile für die Teams deutlich größer. Rooger Goodell hat bereits gesagt, dass er eine kürzere Preseason befürworten würde und ich glaube, dass das absolut Sinn macht und zeitnah umgesetzt wird. Drei Preseason-Spiele reichen völlig, um Wackelkandidaten in Spielsituationen zu sehen. Für alles andere sind Trainingseinheiten mit anderen Teams einfach sinnvoller.
- Bislang habe ich immer die Ansicht vertreten, dass die Jets keine 0-16-Saison spielen werden. Irgendwo würden schon ein, zwei Siege kommen, dank der starken Defensive Line beispielsweise. Inzwischen aber bin ich so nah dran wie noch nie, zu sagen, dass New York eine echte "Chance" (wenn man das so nennen will) auf die historische Negativmarke hat. Das Spiel gegen die Giants am Samstag war schlicht eine Katastrophe, gekrönt dadurch, dass sich Brice Petty auch noch am Knie verletzt hat. Natürlich wird Josh McCown die Saison beginnen, doch dass der verletzungsanfällige McCown in dieser katastrophal besetzten Offense 16 Spiele bestreitet, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Und wer sich Christian Hackenberg in der Preseason angeschaut hat, der sieht 0-16 dann plötzlich ein gutes Stück näher gerückt. Und die Line - gerade nochmals mit Kony Ealy verstärkt - wird durch viel zu viele Snaps früh müde sein. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, schon einmal ein derart schwach besetztes Team gesehen zu haben. Inklusive der Browns aus der vergangenen Saison.
- Abschließend: Ich hatte letzte Woche in meinen Notizen bereits gesagt, dass ich den Eindruck habe, dass die Bills eine Offense zusammenbauen, die Tyrod Taylor nicht liegt und eher etwas für Rookie Nathan Peterman sein könnte. In seinem Kurzeinsatz gegen Baltimore wirkte Taylor erneut einfach wie ein Fremdkörper und schlicht ein wenig verloren. Jetzt fällt er erst einmal mit einer Gehirnerschütterung aus, und auch wenn Coach McDermott nach dem Spiel sofort sagte, dass Taylor sein Starting-Quarterback ist: Ich bin mir von Woche zu Woche sicherer, dass Taylor diese Saison (unabhängig von Verletzungen) nicht als Starter beenden wird.