Welcher Rookie geht aus dem Draft als Favorit auf die Awards heraus? Welche Undrafted Free Agents sollte man kennen? Welche generellen Lektionen bietet der Draft, und wie viel Kaffee kostet eine Draft-Coverage? SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet in seiner Kolumne Eure Fragen.
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Mailbag: Wer wird Offensive und Defensive Rookie of the Year?
Nico Ju: Wer sind deine Early Kandidaten für den Offensive Rookie of the Year und den Defensive Rookie of the Year, und warum?
Letztes Jahr schien die Wahl zu diesem Zeitpunkt relativ offensichtlich: Joe Burrow für die Offense, Chase Young für die Defense. Der unumstrittene Nummer-1-Pick und Quarterback, der sofort starten würde, war die genauso logische Wahl wie der glasklare Elite-Verteidiger in diesem Draft, der zudem noch eine der für jedermann auffälligsten Positionen in der Defense spielt. Sacks und Tackles sind leichter einzuordnen und offensichtlicher als verteidigte Pässe oder Coverage-Snaps ohne Target, weshalb man als DB schon mit Interceptions glänzen muss, um hier eine Rolle zu spielen.
Das Problem ist: eine solche glasklare Defense-Wahl gibt es dieses Jahr nicht, und die besten Defense-Spieler in diesem Draft waren für viele Cornerbacks - während wir in der Offense eher ein Überangebot haben, mit vier, vielleicht fünf Quarterbacks, die früh starten und auch Erfolg haben könnten. Trevor Lawrence ist sicher der Favorit, doch mit einem komplett neuen Trainerstab in Jacksonville und generell einem jungen Team wissen wir auch da nur bedingt, was wir wirklich bekommen.
Meine Wahl Stand heute fällt deshalb so aus:
Offensive Rookie of the Year: Trey Lance, Quarterback, San Francisco 49ers
Alles andere als ein Quarterback würde mich sehr wundern. Dafür gibt es schlicht zu viele Optionen auf der wichtigsten Position, die Chance ist hoch, dass zumindest einer davon schnell einschlägt. Rein was die Gesamt-Volume-Stats angeht wäre Najee Harris wahrscheinlich für viele die Alternative hier.
Meine Vermutung ist aber, dass Lance nicht nur früh starten wird, sondern dass er in San Francisco auch schnell einschlagen wird. Er kommt zum vielleicht besten offensiven Play-Caller und Play-Designer in der NFL, er wird von Anfang an viel Hilfestellung bekommen; mit den zahlreichen Rollouts, mit exzellenten Play-Designs, mit offenen Receivern und Plays, die auf kurze Pässe und Yards nach dem Catch ausgelegt sind. Deshalb vermute ich auch, dass der noch vergleichsweise rohe Lance hier einigermaßen schnell fußfassen kann.
Und dann kommt seine individuelle Upside, der Grund, warum die Niners für ihn hochgegangen sind, dazu: Mit seinem Arm wird er für einige Highlight-Momente sorgen, ich gehe außerdem davon aus, dass er als Runner intensiv in die Offense eingebaut wird, und so Shanahans schon jetzt glänzend funktionierender Maschine noch eine Dimension gibt.
Letztes Jahr hatten in Kyler Murray (822 Rushing-Yards) und Lamar Jackson (1.005) zwei Quarterbacks mehr als 750 Rushing-Yards in der Regular Season. Ich denke, dass Lance diese Marke ebenfalls knackt und in ähnliche Dimensionen vorstößt wie Robert Griffin III in seiner Rookie-Saison unter Shanahan (74 Runs, 822 YDS, 9 TD).
Defensive Rookie of the Year: Micah Parsons, Linebacker, Dallas Cowboys
Die beiden Top-10-Cornerbacks mögen mehr Value haben und wichtigere Rollen übernehmen, aber wie gesagt: Als Corner ist es sehr schwer, diesen Award zu gewinnen. Miamis Jaelan Phillips habe ich hier auf dem Zettel, nach meiner Analyse der beste Pass-Rusher im Draft und sofern er fit bleibt, könnte er in der aggressiven Defense von Brian Flores beachtliche Sack-Zahlen auflegen.
Für Parsons sprechen zwei Dinge: Er wird als Linebacker - umso mehr hinter dieser Defensive Line - Tackles ohne Ende sammeln; und ja, ich vermute, dass Parsons starten wird, trotz des Überangebots auf der Position. Dafür ist er ein zu großer athletischer Freak, der zudem auch den einen oder anderen Sack einsammeln wird.
Und: Er spielt in Dallas. Viel mehr Medienaufmerksamkeit für einen Verteidiger ist kaum möglich, als Linebacker für die Dallas Cowboys zu spielen.
SvenSchüler: Wie siehst du die Chance der Zweit- und Drittrunden-QBs Trask, Mond und Mills, in den nächsten zwei bis drei Jahren Starter in ihren Teams zu sein?
Alles in allem - relativ überschaubar. Ich hatte vor dem Draft gesagt, dass ich mir vorstellen könnte, dass in der ersten Runde fünf und insgesamt aber keine zehn Quarterbacks gedraftet werden. Am Ende waren es genau zehn, die genommen wurden, mich würde es nicht wundern, wenn keiner außerhalb der ersten Runde letztlich einen Impact hätte.
Kyle Trask, Tampa Bay Buccaneers (2. Runde, Pick 64): Für Trask selbst hätte ich mir keinen besseren Spot vorstellen können: Er kann noch ein bis (Brady-Alter-Scherz hier einfügen) Jahre hinter dem besten Pocket-Quarterback aller Zeiten lernen und sollte aus mentaler Sicht bestmöglich vorbereitet sein, wenn er rein kommt. Das wäre hier am ehesten auch meine Wahl, ich mochte Trask als Game Manager und wenn Brady dann irgendwann aufhört, könnte er zumindest eine valide und stilistisch vergleichbare Übergangslösung darstellen.
Kellen Mond, Minnesota Vikings (3. Runde, Pick 66): Die Wildcard aus diesem Trio. Ich verstehe, wenn man bei Mond physisches Potenzial sieht und darauf zockt - gleichzeitig würde ich aber auch ganz deutlich darauf hinweisen, dass er mit all seiner College-Erfahrung immer noch ein massiv inkonstanter Quarterback ist, der im Pocket-Verhalten häufig nicht gut ist und den Ball mit überschaubarer Qualität vertikal wirft. Vielleicht wird auch er mal eine Übergangslösung, ich vermute eher einen Backup.
Davis Mills, Houston Texans (3. Runde, Pick 67): Ja, der Pick ist in der Top 3 der absurdesten Picks in diesem Draft. Die Texans haben entweder Deshaun Watson, oder aber sie haben - falls Watson in Houston auf die eine oder andere Art fertig ist - mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Top-3-Pick im kommenden Draft, wo sie dann den Quarterback auswählen. Ich fand Mills ohnehin deutlich limitiert und mit Backup-Ceiling, der Pick für die Texans ergibt für mich keinen Sinn. Ich sehe ihn dort auch maximal als Backup, ob hinter Watson, oder hinter einem 2022 hoch gepickten Quarterback.
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Mailbag: Undrafted Free Agents und Lektionen aus dem Draft
CH for Football, ritratto: Könntest du in einigen Tagen eine kurze Einschätzung der UDFA-Klasse abgeben?
Ich hab mir lange überlegt, wie genau ich das am besten aufziehe, und man muss bei allen Gesprächen über UDFAs (und Late Rounder) im Hinterkopf behalten, dass die meisten dieser Spieler am Ende nicht im Kader stehen werden. Nichtsdestotrotz macht es natürlich Spaß, zu fachsimpeln, welcher Sleeper nicht doch einschlagen könnte!
Ich habe mich dann entschieden, die Undrafted Free Agents aufzulisten, die mir entweder Pre-Draft besonders gut gefallen haben, oder bei denen ich eine halbwegs realistische Chance sehe, dass sie am Ende wirklich eine Rolle spielen könnten:
- Safety Ar'Darius Washington nach Baltimore: Washington ist Undersized und ich wusste schon vor dem Draft, dass ich ihn verglichen mit der Sichtweise der NFL-Teams zu hoch (Ende Runde 3) auf meinem Board habe. Dass er aber nicht mal in den späteren Runden ausgewählt wurde, hat mich doch überrascht. Ein Safety der mit derart guten Instinkten spielt und permanent in Ballnähe ist, sollte zumindest eine Chance bekommen können. Dass er die jetzt in einer der flexibelsten Defenses der NFL erhält, ist umso besser für ihn.
- Wide Receiver Cade Johnson und Tamorrion Terry nach Seattle: Die Seahawks hatten so wenige Draft Picks, dass Undrafted Free Agents nochmal eine größere Chance auf einen Kaderplatz haben könnten. Ich mag die beiden Receiver, die sie da geholt haben: Cade Johnson könnte ebenfalls die Jet-Sweep-Rolle übernehmen, die D'Wayne Eskridge auch spielen kann, Terry ist ein Deep Threat und wäre somit ebenfalls ein logischer Fit mit Russell Wilson.
- Running Back Pooka Williams nach Cincinnati: Das war eines meiner Lieblings-Gadget-Prospect in diesem Draft. Ein reiner Gadget-/Receiving-Back, der nur eine Ergänzung darstellt. Aber in dieser Rolle, als Receiver, im Screen Game, als ein Back, der Yards kreieren kann, mochte ich ihn sportlich sehr. Vielleicht ein Kandidat, um die Gio-Bernard-Rolle zu übernehmen.
- Wide Receiver Jonathan Adams und Sage Surratt nach Detroit: Die Lions hatten enormen Wide-Receiver-Bedarf - jetzt haben sie zumindest jede Menge Optionen, die sie testen können. Amon-Ra St. Brown ist da für mich fast der sicherste Kandidat, weil man ihn leicht in die Big-Slot-Rolle prognostizieren kann. Tyrell Williams und Breshad Perriman außen sind Durchschnitt, maximal. Mit Adams und Surratt kommen zwei Contested-Catch-Monster als UDFAs dazu, beide waren im College unheimlich dominant am Catch Point. Es ist offensichtlich, dass Detroit Outside Größe und Physis haben will, und angesichts der vielen offenen Fragen in dieser Receiver-Gruppe könnte zumindest einer der beiden am Ende im Team stehen.
- Linebacker Dylan Moses nach Jacksonville: Moses wäre mit Sicherheit ein Kandidat für die ersten drei bis vier Runden gewesen, aber nach einem Kreuzbandriss 2019 und einer Meniskusverletzung 2020 gab es große medizinische Fragezeichen. Er wird auch in Jacksonville zunächst in der Reha anzutreffen sein, das ist aber eine Verpflichtung, die sich in zwei Jahren auszahlen könnte.
- Wide Receiver Josh Imatorbhebhe nach Jacksonville: Jump-Ball-Monster, springt irre hoch am Catch Point und hat diese Athletik auch bei seinem Pro Day bestätigt. Davon abgesehen ist er athletisch limitiert, aber zumindest als Red-Zone-Waffe vielleicht eine Option. Dafür müsste er intern vermutlich den ebenfalls gigantisch großen Collin Johnson ausstechen.
- Guard David Moore nach Carolina: Ich hätte gedacht, dass Moore an Tag 3 ausgewählt wird. Er wird noch Zeit brauchen, aber Moore kann beide Guard-Spots und Center spielen, er bringt eine gewaltige Power mit und bewegt sich dafür gut. Eher ein Kandidat für 2022 vermutlich, aber die Panthers haben in der Interior Line sehr überschaubare Qualität, kurz- und mittelfristig.
- Wide Receiver Austin Watkins nach San Francisco: Ins Backfield haben die Niners im Draft investiert, Wide Receiver blieb ein wenig auf der Strecke und hinter Deebo Samuel und Brandon Aiyuk beginnt das große Rätselraten. Für einen UDFA wie Austin Watkins könnte das eine spannende Situation sein: athletisch limitiert, aber er ist ein sehr weit fortgeschrittener Route Runner und hat das auch beim Senior Bowl bestätigt. Er hat schon einen guten Release, gewinnt mit Technik. Die Niners haben jede Menge Speedster und physische Spieler, Watkins stellt vielleicht eine interessante Ergänzung dar.
- Wide Receiver Tre Walker nach Buffalo: Small-School-Prospect mit einem horrend schlechten Pro Day - das lässt einen auch mal aus der siebten Runde fallen. Aber wenn man Walker spielen sieht, muss man sagen, dass das Talent da ist. Er hat Speed, er attackiert den Ball aggressiv, er ist agil und subtil in seinen Routes. Ich würde ihn gerne als Slot-Deep-Threat sehen. In Buffalo sind vier Receiver-Spots fest besetzt (Beasley, Diggs, Davis, Sanders), dahinter ist Spielraum. Und Buffalo spielt mehr 4-Receiver-Sets als fast jedes andere Team.
- Defensive Tackle Marvin Wilson nach Cleveland: Fiel ähnlich wie Dylan Moses aufgrund von Verletzungen, sah aber außerdem auch 2020 längst nicht so gut aus wie 2019. Athletisch limitiert, aber er hat eine Pass-Rusher-Upside. Die Browns gewannen letztlich ein Wettbieten und zahlen Wilson einen Signing Bonus in Höhe von 30.000 Dollar sowie 162.000 Dollar garantiertes Basisgehalt. Ein aussichtsreicher Kandidat, um in die D-Line-Rotation zu kommen, sofern er fit bleibt.
- Tight End Cary Angeline nach Arizona: Es ist nicht so sehr, dass ich Angeline höher als der Konsens auf dem Board hatte oder ein großer Fan wäre. Das Thema ist eher, dass Arizona absolut keinen Receiving Tight End im Kader hat. Maxx Williams ist der In-Line-Blocker, die Dan-Arnold-Rolle wurde bisher nicht ausgefüllt. Das gibt Angeline, dessen Stärken ganz klar auf der Receiver-Seite und in seinen Routes liegen, eine realistische Chance, als Undrafted Free Agent am Ende den Kader zu schaffen.
Christoph Hilgert: Was hast du aus diesem Draft gelernt?
Das ist immer eine spannende Thematik, auch nach der Free Agency oder im Rückblick auf die Saison - und natürlich sollte man nicht überreagieren. Manchmal entwickelt sich eine Situation auf eine Art und Weise, die überhaupt nicht vom entsprechenden Team geplant war und es bleibt eine Ausnahme, kein Trend.
Ich versuche mich mal an zwei Themenkomplexen, die mir aufgefallen sind und die man vielleicht ins nächste Jahr mitnehmen kann.
Teams investieren viel in ihre Baustellen
Es gab einige Teams gerade auch im aktuell oberen Drittel der Liga - also potenzielle Contender -, die mit klaren Baustellen in die Offseason gegangen sind; ich fand es bemerkenswert, zu sehen, wie viele Ressourcen diese Teams investiert haben, um ihre entsprechenden Baustellen zu schließen. Und das ist keineswegs negativ gemeint.
Spieler-Bewertungen, insbesondere natürlich im Draft, sind sehr weit davon entfernt, eine "sichere Sache" zu sein. Mehr Ressourcen zu investieren, um die Chance zu erhöhen, dass man seine größte Baustelle in einem ansonsten starken Kader schließt, ist alles andere als eine schlechte Idee. Insbesondere wenn diese Baustelle in einer wertvollen Positionsgruppe liegt. Und das gab es dieses Jahr mehrfach:
Die Offensive Line der Chiefs: Orlando Brown per Trade mit dem Gesamt-Value eines späten Erstrunden-Picks, Joe Thuney für sehr viel Geld, Kyle Long aus dem Ruhestand geholt, Creed Humphrey in der zweiten Runde, Trey Smith an Tag 3: Kein Team hat in dieser Offseason derartige Ressourcen in die Offensive Line gesteckt. Vielleicht ist es eine Überreaktion infolge des Super Bowls, aber die Line, in der außerdem Lucas Niang und Laurent Duvernay-Tardif nach Opt-Out zurückkehren, sollte in jedem Fall deutlich tiefer und besser sein.
Die Wide Receiver der Ravens: Outside Receiver, um genau zu sein. Das war ein sehr konstantes Problem in Baltimore, die Ravens hatten keine Spieler, die Defenses dazu zwangen, das Feld in der Breite zu verteidigen. Das sollte sich jetzt ändern: Nach Sammy Watkins in der Free Agency kamen Rashod Bateman und Tylan Wallace im Draft noch mit dazu. Eine rundum erneuerte Gruppe, die wesentlich mehr Möglichkeiten bietet.
Der Pass-Rush der Bills: Eines der konstanten Probleme der Bills-Saison 2020, die erst im AFC Championship Game endete, war die Tatsache, dass Buffalo nicht konstant genug mit dem 4-Men-Rush zum Quarterback kommen konnte. Es fehlte an Alternativen hinter Jerry Hughes, hier hat Buffalo gleich doppelt angesetzt und den Großteil seines Draft-Kapitals investiert: Gregory Rousseau in Runde 1, Carlos Basham in Runde 2.
Die Linebacker Browns: Zugegeben, etwas gemogelt bei dieser Wahl. Aber Fakt ist, dass die Browns ganz offensichtlich daran arbeiten, eine extrem flexible Defense aufs Feld zu bringen. Wir werden vermutlich ligaweit mit die meisten 3-Safety-Sets von den Browns sehen, und so interpretiere ich auch die Free-Agency-Verpflichtung von John Johnson, zusätzlich zu den bereits vorhandenen Grant Delpit und Ronnie Harrison. In der fünften Runde kam noch Safety Richard LeCounte dazu, und dann fällt natürlich auch Hybrid-Linebacker Jeremiah Owusu-Koramoah in diese Rechnung. Linebacker war eine Problemzone, ich vermute, dass Cleveland eine kreative Lösung im Hinterkopf hat und die in dieser Offseason intensiv adressiert hat.
Die Offensive Line der Chargers: Die zentrale Story rund um Justin Herberts Rookie-Saison war die Tatsache, dass er exzellent gegen Pressure spielte. Dennoch musste es das Ziel des neuen Regimes in L.A. sein, den Druck auf Herbert zu minimieren - und in der Folge werden wir vermutlich vier neue Starter in der Line sehen. Die Free-Agency-Neuzugänge Corey Linsley, Matt Feiler und Oday Aboushi innen sowie Left Tackle und Erstrunden-Pick Rashawn Slater als Rookie-Starter.
Umso auffälliger ist es dann im Umkehrschluss, wenn andere Teams zaghafter vorgehen. Wie die Packers über die letzten Jahre bei den Wide Receivern, oder die Colts dieses Jahr auf Tackle, oder die Steelers in der Offensive Line.
Neue GMs, zurückhaltende Strategie?
Es war schon spannend zu sehen, wer in der ersten Runde des Drafts - trotz vermeintlichem kurz- oder mittelfristigen Need - auf einen Quarterback verzichtete: Die Falcons, die Lions, die Panthers, die Broncos, Washington.
Was haben diese Teams noch gemeinsam? Sie alle haben einen neuen GM. Terry Fontenot in Atlanta, Scott Fitterer in Carolina, George Paton in Denver, Brad Holmes in Detroit, Martin Mayhew in Washington.
Einzig Trent Baalke in Jacksonville mit dem No-Brainer-Nummer-1-Pick, sowie Houstons Nick Caserio wählten in diesem Draft unter den neuen GMs einen Quarterback. Ich halte das für keinen Zufall: All diese GMs sind nicht kurzfristig unter Druck, sie können diese letztlich für jeden GM alles definierende Frage mehr vor sich herschieben - im Gegensatz etwa zum Regime in Chicago, das unbedingt etwas machen musste.
Das macht es wesentlich einfacher, sich erst einmal auf die Umstände zu fokussieren und dann in ein bis zwei Jahren über einen Quarterback nachzudenken. Aus Team- und Value-Sicht mag das nicht der sinnvollste Weg sein, aber als GM müsste man schon extrem von einem Quarterack-Prospect überzeugt sein, damit man dieses mit dem ersten Pick der eigenen Amtszeit auswählt - und sich so natürlich, rein "egoistisch" betrachtet, eine Bürde auflastet. Denn wenn der Top-10-Quarterback floppt ist das Image deutlich eher angekratzt als wenn ein Top-10-Cornerback nicht vollends einschlägt. Und die Quarterback-"Trumpfkarte" behält man noch für ein späteres Jahr in der Hinterhand.
Dafür sahen wir etwas, das in der NFL gerne als "identitätsstiftender" Draft bezeichnet wird. Also ein Draft, der gewissermaßen sportlich das widerspiegelt, wofür der neue Head Coach oder das gesamte neue Regime stehen wollen.
Die Lions mit ihrem Fokus auf Physis und Toughness wären hier klar das Musterbeispiel, die ersten drei Picks gingen allesamt in die Trenches (Penei Sewell, Levi Onwuzurike, Alim McNeill), gefolgt vom großen, schweren Cornerback Ifeatu Melifonwu und einem der physischsten Slot-Receiver im Draft in Amon-Ra St. Brown.
Selbst Teile der UDFA-Klasse (Jonathan Adams, Sage Surratt) passen in diese Richtung.
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Late-Rounde-Spieler, Owusu-Koramoahs Fall, Moores Rolle
Philip: Welcher Spieler aus den späteren Runden hat das Potenzial, im bereits ersten Jahr eine tragende Rolle zu haben? Ich denke da an Michael Carter bei den Jets oder Smith-Marsette?
Carter habe ich hier ganz klar auf dem Zettel. Die Jets haben relativ wenig (gute) Konkurrenz im Backfield, während die Offensive Line weiter verbessert wurde und Carter auch schematisch passen sollte. Plus, er hat eine nette Receiving-Upside. Carter ist vermutlich zu klein, um eine alleinige Backfield-Rolle zu bekommen, aber ich sehe ihn in seiner Rookie-Saison als Leader in einem geteilten Backfield.
Amon-Ra St. Brown in Detroit. Die Lions haben so wenig im Wide Receiver Corps und ich sehe St. Brown als logischen und besten Big-Slot-Starter ab dem ersten Spiel.
Tragende Rolle ist vielleicht etwas stark, aber Tommy Togiai sehe ich sofort als konstanten Teil der Browns-DT-Rotation, ein High-Motor-Tackle, der auch zum Quarterback kommen kann.
Seahawks-Corner Tre Brown ist ein kurioser Pick für Seattle, weil er so gar nicht ins physische Profil passt - aber trotz seiner geringen Größe soll er Outside spielen und wäre dementsprechend auch ein Kandidat, um direkt zu starten. Der neue Broncos-Safety Jamar Johnsonmuss nicht sofort starten, aber es würde mich nicht wundern, wenn er Kareem Jackson im Laufe der Saison ersetzen würde.
Cornell Powell sehe ich in absehbarer Zeit als besten echten Outside-Receiver im Kader der Chiefs und er bringt eine Physis mit, die so kaum ein Spieler in diesem Receiving Corps hat.
Szabty: Wie erklärst Du Dir den Drop von Jeremiah Owusu-Koramoah? Adam Schefter twitterte, dass es u.a. an Herzproblemen lag. Andere Quellen besagen, dass auch die fehlenden 40 Yards beim Pro Day z.T. für den Drop gesorgt haben. Am Draft Day selbst hieß es, dass Teams nicht wissen, wie sie JOK einsetzen sollen.
In welchem Ausmaß an den medizinischen Bedenken konkret etwas dran ist, weiß ich natürlich nicht - laut Schefters Aussage soll das ja mehrere Teams zumindest mal besorgt haben. Allerdings hat er im gleichen Tweet klargestellt, dass die Ärzte ihm ultimativ grünes Licht gegeben haben, das sollte nicht unerwähnt bleiben.
Für mich war der Drop live insofern nur bedingt überraschend, als dass er eben eine sehr spezifische Rolle braucht. Micah Parsons, Jamin Davis, und selbst Zaven Collins - die drei Erstrunden-Linebacker - kann man vergleichsweise klar als Middle Linebacker prognostizieren, auch wenn Collins und insbesondere Parsons auch Edge-Kompetenzen haben. Bei Owusu-Koramoah ist das deutlich schwieriger.
Er hat bei Notre Dame die Overhang-Rolle gespielt, die in der Übertragung auf die NFL eher ein Slot als ein Linebacker im klassischen Sinne wäre. Er hat in der Folge wenig zwischen den Tackles in der Box gespielt, und mit seinen physischen Maßen wird das auch nicht sein bester Platz in der NFL sein. Er ist eben kein "klassischer Linebacker", weshalb er längst nicht für jede NFL-Defense ein logischer Fit ist.
In Cleveland mag ich den Fit sehr. Die Browns bauen sich gerade mit John Johnson, Grant Delpit, Ronnie Harrison und jetzt JOK eine wahnsinnig flexible Safety-/Linebacker-Gruppe zusammen und sollten unheimlich vielseitig defensiv auftreten können. Das erfordert entsprechende Kreativität und damit liegt der Ball jetzt bei Defensive Coordinator Joe Woods. Klar ist aber, dass die Strategie der Browns eindeutig in diese flexible Richtung geht, die haben Owusu-Koramoah nicht einfach genommen, weil er eben noch als bester verfügbarer Spieler auf dem Board war.
Marcel: Welche Rolle siehst du für Rondale Moore bei den Cardinals? Eher der Gadget-Player oder schon während der nächsten Saison das Potenzial die Nummer 2 hinter Hopkins zu werden?
Nummer 2 ist natürlich relativ zu betrachten - Moore wird sicher keine Outside-Rolle einnehmen. Ich denke, dass Arizona plant, Moore in einer Tyreek-Hill-ähnlichen Rolle einzusetzen. Viel im Slot, viel herumbewegen, Jet Sweeps, und vor allem auch Screens.
Kingsbury will, wie Andy Reid ja auch, intensiv mit Screen-Pässen arbeiten: Murray warf letztes Jahr Screens bei 11,8 Prozent seiner Dropbacks, Mahomes bei 8,9 Prozent. Ein maßgeblicher Unterschied? Mahomes verzeichnete 5,8 Yards pro Screen-Pass (7 TDs), Kyler Murray 3,8 (1 TD). Wenn wir auf die Top-10-Offenses in puncto Screen-Nutzung schauen - also rein vom Umfang her - war keine Offense dabei so ineffizient wie die der Cardinals.
Arizona fehlte im Wide Receiver Screen Game jegliche Dynamik, viele dieser Pässe gingen zu Larry Fitzgerald, und das ist für mich auch direkt die primäre und logische Rolle für Rondale Moore. Auf dieser Rolle kann man dann perspektivisch aufbauen, aber angesichts der Art und Weise, wie Arizonas Offense funktioniert, würde es mich nicht wundern, wenn Moore - sofern er fit bleibt natürlich - die Saison in der teaminternen Top-3 was Targets angeht beendet und sich jenseits der 50 Touches bewegt.
Renke Onken: Welches Team hat Stand Jetzt die größten Chancen auf den Nummer-1-Pick?
Das muss hier Houston sein. Natürlich, wenn Deshaun Watson - und das wäre an diesem Punkt definitiv eine Überraschung - nicht nur in Houston bleiben, sondern auch die komplette Saison spielen würde, wäre die Prognose nicht ganz so klar. Aber selbst mit Watson in Gala-Form hat Houston letztes Jahr nur vier Spiele gewonnen.
Es gibt immer ein Team, das etwas überraschend ganz weit unten mit dabei ist, und mit Watson wären die Texans eine etwas größere Wildcard. Aber selbst dann ist das Team um ihn herum eher schlechter als letztes Jahr. Houston wäre Stand heute meine ganz klare Prediction für den Nummer-1-Pick.
Guybrush23: Wieviel Liter Kaffee hast du während des Drafts vernichtet?
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