Woche 2 ist vorbei, und noch immer sind Ryan Fitzpatrick und Patrick Mahomes die Stars der jungen Saison. Nach Mahomes in der letzten Woche blickt SPOX-Redakteur Adrian Franke diese Woche in seiner Kolumne auf die Buccaneers und das Quarterback-Thema. Außerdem: Die Giants haben ein Problem und Deshaun Watson ist auch nur ein Mensch.
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Big Play Buccaneers - QB-Kontroverse wegen Fitzpatrick?
Es ist - neben Patrick Mahomes, der ja bereits letzte Woche ausführlicher thematisiert wurde - die Überraschung der noch sehr jungen Saison: Ryan Fitzpatrick und die Tampa Bay Buccaneers haben nicht nur ihre ersten beiden Spiele gewonnen, sie sind nach Woche 2 auch eine der explosivsten Offenses der Liga.
Das macht die Quarterback-Position in Tampa plötzlich zu einem echten Thema: Jameis Winston ist noch für ein Spiel gesperrt und so wie sich die Steelers-Secondary aktuell präsentiert, insbesondere ohne Joe Haden, könnte Fitzpatrick nochmals spektakuläre Zahlen auflegen.
Und dann? Setzt man dann den (möglichen) Leading-Passer der NFL auf die Bank? Auch wenn die Position zunehmend schwieriger zu verteidigen wird, sage ich: Ja. Und dafür gibt es drei Gründe.
Einerseits sollten wir nicht vergessen, wie gut Jameis Winston vor allem in der zweiten Saisonhälfte letztes Jahr aussah. Er ist die Zukunft dieser Franchise, nicht der 35-jährige Fitzpatrick - so gut er aktuell auch spielen mag. Die Betonung liegt hier auf "aktuell" - und das führt zu Punkt 2: Ryan Fitzpatrick hatte in seiner ganzen Karriere immer wieder diese Phasen! Er ist einer der extremsten Quarterbacks der letzten zehn Jahre, was Höhen und Tiefen angeht, das ist die eine Konstante seiner Karriere.
Und dann wäre da der dritte Punkt: Seitdem Head Coach Dirk Koetter das Play-Calling an seinen Offensive Coordinator Todd Monken abgegeben hat, sehen wir eine ganz andere Buccaneers-Offense. Und das wird auch Winston ausnutzen können.
Ein Beispiel ist der zweite lange Touchdown der Partie zu O.J. Howard: Die Buccaneers binden gleich vier Verteidiger (hier blau markiert) Underneath, während die etwas tiefere Out-Breaking-Route den Defensive Back auf der rechten Seite der Defense mitzieht. Das lässt Howard in einem Eins-gegen-Eins-Matchup mit einem Linebacker, knapp 15 Yards Downfield und mit lediglich noch einem tief postierten Safety (hier nicht im Bild) dahinter - der allerdings durch Howards Route Richtung Seitenlinie keinen guten Winkel zu dem Tight End hat.
Von da an ist es ein Catch-and-Run mit einem der athletischsten Tight Ends, der auf seiner Seite noch einen Receiver als Blocker mit dabei hat.
Und es gibt weitere Beispiele. Etwa der Touchdown von DeSean Jackson in Week 1 gegen die Saints aus dem Slot heraus, als Monken den tiefen Saints-Safety in Cover 3 ins Eins-gegen-Eins-Matchup mit dem Speedster zwang. Oder der andere lange Pass zu Howard am Sonntag gegen Philly, als Tampa Bay mit vier vertikalen Routes die Seam Routes - also die Bereiche zwischen den Eagles-Coverage-Zonen - attackierte.
Oder gleich das erste Play from Scrimmage gegen Philly, der 75-Yard-Touchdown zu DeSean Jackson: Die Buccaneers kommen dabei bei First and Ten in 21-Personnel raus, mit dem Fullback vor dem Running Back im Backfield. Die Eagles reagieren mit einer 8-Men-Box und Tampas Play Design bestraft das: Jackson bekommt ein Eins-gegen-Eins-Duell Outside, der Safety deckt eher die In-Breaking-Route ab und am Ende ist es ein einfacher Touchdown.
Die Buccaneers gegen die Eagles bei First Down
Play/Chronologie | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 |
Run (Raumgewinn) | +9 | +9 | +4 (Strafe) | -6 | +1 | +7 | +8 | 0 | +2 | +2 | 0 | +3 | -3 | +2 | 0 |
Pass (Raumgewinn) | +75 TD | INC | +1 | INC | +75 TD | +20 | +9 | +8 | SACK |
Dargestellt sind die First Down Plays der Buccaneers sowie der jeweilige Raumgewinn. Runs und Pässe in sich sind chronologisch dargestellt. Die letzten 3 Runs kamen beim finalen Buccaneers-Drive zustande, Kneel-Downs sind nicht berücksichtigt.
Tampa Bay war gegen die Eagles generell mutig bei First Down, mit mehreren langen Pass-Versuchen und - klammert man den letzten Drive mal aus - auch auf dem Weg hin zu einem guten First-Down-Run-Pass-Verhältnis.
Und sie zeigen auch in der Red Zone Kreativität.
Der kurze Touchdown-Pass zu Mike Evans etwa ist ein Beispiel dafür. Was ich bei den Chiefs stets lobe, sieht man auch hier: Die Buccaneers bauen Ablenkungen weg vom eigentlichen Play ein. Der erste, klare Read ist Mike Evans am oberen Bildschirmrand, der angetäuschte Screen auf der anderen Seite aber sorgt für Ablenkung.
Gleichzeitig hilft der Running Back als zusätzlicher Blocker, so wie es die Bucs generell gerne machen, und Evans bekommt ein Eins-gegen-Eins-Matchup mit In-Breaking-Route. Das ist ein für einen Verteidiger extrem undankbares Matchup und Fitzpatrick bekommt den Ball genau zwischen den Linebacker und den etwas tiefer postierten Safety zu Evans. Touchdown.
All das soll nicht heißen, dass Fitzpatrick aktuell nicht gut spielen würde - im Gegenteil! Er hat aktuell regelmäßig tolle Pässe Downfield, in enge Fenster und mit perfektem Timing. Der lange Pass zu DeSean Jackson früh im dritten Viertel bei Third Down etwa war spektakulär - und hier könnte man allein aus dem Saints-Spiel mehrere weitere aufzählen.
Es gilt nur, die Perspektive zu wahren, die Umstände zu erkennen und die Ursachen zu berücksichtigen. Ich bin sehr gespannt, was die Buccaneers machen, sollte die Offense gegen Pittsburgh nochmals explodieren. Persönlich würde ich immer noch zu Winston zurück gehen.
Jaguars vs. Patriots: Wenn Tom Brady die Waffen ausgehen
Die spannende Matchup-Frage im Vorfeld dieser Partie war: Würde Jacksonville die Identität seiner Defense aufbrechen, um Rob Gronkowski aus dem Spiel zu nehmen? Wäre das der Fall gewesen, das Spiel hätte ganz anders ablaufen können. Sicher, mit einer Jalen Ramsey/Safety-Kombination hätte man Gronkowski mutmaßlich weitestgehend ausschalten können - die daraus aber entstehenden Lücken hätte New England ohne jede Frage gezielt attackiert.
Stattdessen haben wir etwas gesehen, das man nicht häufig sieht und das sich letztlich ganz einfach herunterbrechen lässt - Tom Brady gingen in Jacksonville die Waffen aus. Gemeint ist: Weil es Jacksonville eben gelang, Gronkowski innerhalb der Struktur der eigenen Defense nahezu komplett aus dem Spiel zu nehmen (2 REC, 15 YDS), war der Rest der Patriots-Offense individuell so klar unterlegen, dass Brady kaum eine Chance hatte.
So fehlte New England der verlässliche Slot-Receiver, um Jacksonville Underneath zu attackieren - Julian Edelmans Rückkehr sollte diesem Team ein komplett anderes Gesicht geben. Dass das Run Game gegen diese Jaguars-Front nicht funktionieren würde, war wenig überraschend, doch durch das Gronk-Matchup hatte New England gegen das herausragende Outside-Corner-Duo der Jaguars mit seinen Receivern ebenfalls keine Chance.
Und wie sah der Plan aus? Bei den allermeisten der gut 30 Routes des Tight Ends lautete Jacksonvilles Antwort Tashaun Gipson. Der Safety ließ laut NBC Sports bei 13 Duellen mit Gronk keinen Catch zu, teilweise nutzte Jacksonville auch eine Safety-Double-Coverage gegen den Tight End. Außerdem gab es einige Linebacker-Safety-Double-Coverages.
Kaum einmal dagegen kam es zu dem von vielen erhofften Duell mit Ramsey, und zumindest ein Mal konnte New England das zu seinem Vorteil ausnutzen; beim Hogan-Touchdown kurz vor Schluss.
Dabei wurde Gronkowski auf einer Seite der Formation isoliert, um so Ramsey ins direkte Duell zu zwingen. Die Patriots starteten den Spielzug mit einem Play-Action-Fake sowie Motion eines Receivers, der dann in die Flat geht, und auf diese Art wurden zwei Jaguars-Verteidiger (gelb markiert) schnell aus dem Play genommen. Gronkowski zog Ramsey mit sich und dann brauchte es nur noch einen schlechten Winkel des tiefen Safetys, um Hogan zum Touchdown durchmarschieren zu lassen.
Die Tatsache, dass Jacksonville Gronkowski verteidigen konnte, ohne sich Coverage-mäßig zu weit von der eigenen Identität zu entfernen, ist ein riesiger Mutmacher für die Jaguars, sollte es in den Playoffs zu einem erneuten Duell kommen. Auch wenn dann die Statik der Defense durch die Edelman-Gronk-Kombination nochmals ganz anders getestet werden würde.
Gleichzeitig aber gilt es auch, Lob für Jacksonvilles Offense auszusprechen. Abgesehen von einer weiteren hässlichen Interception über die Mitte hatte Bortles ein phasenweise spektakuläres Spiel, mit präzisen tiefen Pässen, kritischen Scrambles für neue First Downs und insgesamt einfach einer sehr guten Partie.
Dabei muss man auch die Coaches loben: Die Jaguars, ohne den verletzten Leonard Fournette, warfen den Ball in 65 Prozent der Fälle für 8,3 Yards pro Passversuch und waren in ihrem ganzen Ansatz viel aggressiver als sonst oftmals zu beobachten ist: Bortles warf 17 (!) Pässe über 10 Air Yards weit Downfield (10 Completions, 157 YDS, 3 TD), davon fünf über 20 Yards. Brady hatte zum Vergleich nur sieben solcher Pässe (2 Completions, 26 YDS, TD). Die Jaguars waren bei First Down mutiger, Bortles steht jetzt bei 4-0 in Spielen ohne Leonard Fournette.
Die Atlanta Falcons in der Red Zone: Plötzlich gut?
Die Probleme in der Red Zone der Falcons waren nach der Auftakt-Pleite gegen Philadelphia (schon wieder) das große Thema: Matt Ryan brachte gegen die Eagles einen von neun Pässen an, blieb ohne Touchdown und warf einen Pick. Vor allem die gleichen wenig inspirierenden Play Designs waren dabei ein Thema. Gegen die Panthers sah das dann - nicht nur aufgrund der perfekten 4/4-Quote in der Red Zone - merklich anders aus.
Gleich der erste Touchdown von Calvin Ridley zeigt Lerneffekte: Die Falcons nutzen die Breite des Feldes, indem sie fünf Routes laufen lassen und Ryan in der Pocket bleibt.
Die beiden In-Breaking-Routes von Julio Jones und Mohamed Sanu am oberen Bildrand binden die drei Defensive Backs auf dieser Seite. Der Tight End Underneath zieht Linebacker Luke Kuechly auf sich und die Flat-Route des Running Backs zwingt einen Verteidiger, mit nach außen zu gehen, um Ryan eine freie Wurfbahn zu ermöglichen.
Nur wenige Minuten später konnte Atlanta noch vor der Halbzeitpause um einen weiteren Red-Zone-Touchdown erhöhen, dieses Mal bei einem kurzen Second Down. Und das Muster ist auffallend ähnlich.
Wieder spielt Atlanta ein 5-Route-Konzept, wieder ist eine Seite der Formation - die rechte - gewissermaßen isoliert: Die Falcons haben hier das Matchup zwischen dem Tight End und dem Running Back gegen zwei Verteidiger. Und wieder gibt es eine kurze Flat-Route des Running Backs, um einen Verteidiger zu binden und den Weg so für den Pass frei zu räumen.
Gleichzeitig ist das Konzept gegen die Zone-Man-Mischung, die Carolina hier spielt, ideal - die Route-Konzepte auf beiden Seiten der Formation ignorieren die Mitte des Feldes, was die beiden hier postierten (Zone-)Coverage-Spieler der Panthers quasi aus dem Play nimmt. Das ist in der Summe ein vergleichsweise einfacher Read für Ryan, der, als der Tight End seine Route gegen einen Linebacker gewinnt, im Prinzip sofort weiß, wo er mit dem Ball hingehen muss.
Ist damit auf einen Schlag wieder alles gut in Atlanta? Natürlich nicht. Aber die Falcons haben bei der wichtigsten Baustelle die bestmögliche Reaktion gezeigt. Das ist zumindest in jedem Fall ermutigend.
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Eli Manning, Packers, Raiders, Deshaun Watson, Cardinals - eure Fragen
Dominik Christ: Kurz ein paar Worte zu Clay Matthews und der Flagge? Je öfter ich die Bilder sehe, desto weniger verstehe ich die nämlich. Vor allem im Bezug auf andere Quarterback-Hits ohne Strafe.
Schön, dass die Frage noch kam, andernfalls hätte ich das Thema in einem eigenen Part kurz angesprochen. Der Zusammenhang: Eine Strafe gegen Clay Matthews nach einem Quarterback-Hit radierte die entscheidende Interception aus, hielt Minnesotas Drive am Leben und ebnete letztlich den Weg für das spätere Unentschieden. In Week 1 gab es einige solcher Calls, in diesem Spiel auch einen gegen Minnesota.
Erst einmal: Die Erklärung von Schiedsrichter Tony Corrente ist lächerlich. Er sagt, dass Matthews Kirk Cousins hoch gehoben und dann zu Boden gedrückt hätte. Wer sich die Szene anschaut, der sieht, dass nichts davon stimmt. Matthews trifft Cousins nicht zu spät nach dem Pass, er trifft ihn mittig, also weder zu hoch noch zu tief und weil Cousins nach dem Wurf abspringt, ist er in der Luft. Beim Fallen stützt sich Matthews sogar noch ab, damit er eben nicht mit seinem ganzen Körpergewicht auf Cousins landet.
Natürlich will niemand, dass sich einer der Superstar-Quarterbacks verletzt. Es schadet dem Spiel, der Liga und letztlich dem ganzen Produkt. Deshalb genießt er ja auch schon ein erhöhtes Maß an Schutz und niemand sagt, dass Quarterbacks wie Freiwild behandelt werden sollten. Aber, und das kann man nicht klar genug sagen: es muss schon noch erlaubt sein, den Quarterback zu sacken und zu hitten. Solche Szenen sollten Spiele nicht entscheiden.
Nick Tremonia: Die New York Giants verzweifeln an der eigenen Offensive Line und scheinen darauf keine Antwort zu haben! Lag das an den guten Defensive Lines der Jags und Cowboys oder wird sich das wie ein roter Faden durch die ganze Saison ziehen?
Zum Teil kann man sicher auch auf den Gegner blicken, gerade Jacksonville hat eine der zwei, drei besten Defensive Lines der Liga und wird vielen Teams Probleme bereiten. Die Cowboys haben einen Star-Pass-Rusher in Demarcus Lawrence und hatten gegen die Giants am Sonntagabend sehr gute Blitz-Pakete, auf die New York keine Antwort hatte.
Aber auch die andere Seite der Medaille ist korrekt. Die Giants haben enorme Probleme in der Offensive Line und das betrifft tatsächlich nicht nur Ereck Flowers. Das wird wieder ein Thema sein, das New York begleitet - vor allem in Kombination mit Eli. Gegen die Cowboys war Manning in der Pocket erneut oftmals ein einfaches Ziel, er identifiziert Blitzer nicht korrekt, er kann dem Pass-Rush meist nicht ausweichen und wenn Pressure kommt, dann nimmt er auffallend häufig schnell die Augen runter und beendet so das Play.
Pat Shurmurs Offense in Minnesota hat letztes Jahr - trotz wackliger Line - auch deshalb funktioniert, weil Keenums Pocket-Movement mitunter herausragend war und er in der Struktur des Plays blieb, mit den Augen Downfield und dem Mut, lange Pässe zu wagen. Davon sehe ich aktuell wenig bei den Giants und Manning.
New Yorks Entscheidung für Saquon Barkley war in dem Gedanken, damit jetzt nochmals das Titelfenster zu öffnen. Wenn die Line so spielt, die Defense voller Löcher ist und auch Manning dem Team wenig helfen kann, dann sind die Giants in der NFC aber so weit weg vom Titelfenster, wie man es sich nur vorstellen kann. Und die Entscheidung gegen Darnold oder Rosen könnte die G-Men noch lange verfolgen.
MTitans97: Den Raiders ist letzte und auch diese Woche die Puste, nach vielversprechendem bis sogar starkem Start, ausgegangen. Wo könnten da die Gründe liegen? Ein 2:0 statt eines 0:2, hätte ich nach dem Gesehen, für nicht unmöglich gehalten.
Am Ende kommen wir bei den Raiders aktuell - und ja, infolge des Khalil-Mack-Trades hat es eine gewisse Ironie, dass Gruden es aktuell jede Woche selbst nach den Spielen thematisiert - immer wieder auf den Pass-Rush zurück. Das war gegen Denver erneut ein Thema, nachdem die Raiders gegen die Rams ganze fünf (!) Pressures zustande gebracht hatten. Ohne Pressure fällt irgendwann jede Secondary auseinander - und Oaklands defensives Backfield ist sicher kein Elite-Vertreter.
Diese Baustelle muss Oakland irgendwie geschlossen bekommen, andernfalls wird man immer wieder Spiele verlieren, weil die eigene Defense früher oder später einknickt. Selbst wenn die Offense, und hier muss man Gruden für sein Play-Calling und seine Play-Designs auch einfach mal ganz klar loben, solche Auftritte hat wie über weite Strecken gegen die Broncos.
Chris Hook: Muss man sich langsam Sorgen um Deshaun Watson machen? Und wie viel Schuld trägt Coach Bill O'Brien?
Bei Watson muss man vor allem eine Sache bedenken: Die vergangene Saison wurde rückblickend vielerorts mit einer großen rosa Brille betrachtet, und dabei wurde zu häufig die Tatsache ignoriert, dass die unglaublichen Big Plays nicht nur mit enormem Risiko, sondern auch mit viel Glück zustande kamen.
Nur wenige Quarterbacks haben so viele Risiko-Pässe geworfen - also Pässe, die auch in Interceptions hätten enden können - wie Watson. Und aktuell sehen wir, der Pick in Double Coverage in der Endzone gegen Tennessee am Sonntag war das beste Beispiel dafür, hier eine statistische Rückkehr Richtung Norm. Watsons Deep Passing Game 2017 war spektakulär, keine Frage. Aber aus mehreren Gründen war es so nicht wiederholbar, und das ist ein ganz zentraler dabei.
Ansonsten ist hier natürlich auch die Offensive Line ein Thema und dabei haben sich die Offseason-Befürchtungen bestätigt: Houston kann Watson nicht beschützen. Das wiederum macht es extrem schwierig, eine Offense zu kreieren, in der der Quarterback aus der Pocket das Spielgeschehen bestimmt.
Im Endeffekt könnte man also sagen, dass die erwartbaren Rückschritte eingetreten sind, diese allerdings auch durch individuell schlechte Momente von Watson selbst nochmals maximiert wurden. Es könnte durchaus sein, dass Houston weite Teile dieser Saison benötigt, um hier die Trendwende einzuleiten.
Herr Bert: Gute O-Line = gute Offense? Oder der Umkehrschluss: Sind hohe Draft-Picks in Skill Position Player (Quarterback ausgenommen) verschwendet, wenn das Gerüst nicht steht? Siehe Giants...
Ganz so drastisch würde ich es nicht sagen, mit einem einfachen Grund: Ein echter Elite-Receiver verändert die Struktur einer Offense und ist eine wirkliche Waffe, die Coverage-Konzepte der Defense in gewisse Richtungen zwingen und so das defensive Play-Calling massiv beeinflussen kann. Deshalb würde ich das hierbei ausschließen - bei den Running Backs dagegen fällt endlich immer mehr Leuten auf, dass die Position für sich betrachtet einfach einen geringen Wert hat.
Zu viele Umstände spielen bei einem erfolgreichen Run Game eine Rolle und über einen längeren Zeitraum ist das Blocking in den allermeisten Fällen über dem Running Back anzuordnen. Ganz zu schweigen davon, dass das Run Game in der heutigen NFL statistisch entschieden geringere Auswirkungen auf den Ausgang eines Spiels hat als das Passspiel. Ein Running Back ist keineswegs wertlos - aber er ist in den allermeisten Fällen austauschbarer als nahezu jede andere Position, was hohe Draft-Picks unsinnig macht.
Ich hatte außerdem ja bereits in mehreren Artikeln darauf hingewiesen, dass es statistisch inzwischen klar ist, dass ein erfolgreiches Run Game und ein erfolgreiches Play Action Game in keinem direkten Zusammenhang stehen; Verteidiger lesen auf dem Feld in dem Sekundenbruchteil ihre Reads, ergo das Verhalten der Linemen und des Quarterbacks. Ist der Fake gut, wird die Defense zumindest in Teilen darauf reinfallen. Egal, ob der Gegner für 1,3 oder 8,5 Yards pro Run läuft.
Eine starke Offensive Line als das Gerüst einer Offense kann ein Team tragen, weil sie das Run Game wie gesagt mehr beeinflusst und gleichzeitig natürlich auch das Passspiel maßgeblich prägt. Wenn ich mir heute eine Offense aus dem Nichts aufbauen würde, wäre die Line nach dem Quarterback mein erster Fokus.
Oliver Fa: Kann man die Cardinals-Saison jetzt schon als Umbruch verbuchen und auf bessere Zeiten hoffen? Wo ist der Unterschied von Wilks zu McVay, der ja direkt eingeschlagen ist wie eine Rakete?
McVays Turnaround bei den Rams ist natürlich eine hohe Messlatte und war in vielerlei Hinsicht historisch. Er ist ein toller Coach, der eine moderne, spektakuläre und toll geschemte Offense spielen lässt, da gibt es keinen Zweifel. Und natürlich hatte er mit der runderneuerten Offensive Line und einem deutlich verbesserten Receiving-Corps auch eine gute individuelle Basis für den Start. Die brauchen auch gute Coaches, dafür müssen wir nur auf die ersten neun Spiele von Kyle Shanahan als Head Coach der 49ers blicken.
Was die Cardinals angeht: Ja, man kann die Saison als Umbruchsjahr verbuchen. Sam Bradford, der Eindruck hat sich für mich am Sonntag nochmals bestätigt, sieht so aus, als wäre er physisch fertig. Accuracy generell sowie Power etwa bei Out-Routes sind weg, Downfield-Pässe scheint er ohnehin nicht in seinem Arsenal zu haben und all die Misdirection- und 2-Back-Elemente, die man über den Sommer gesehen hat, sind scheinbar weg. Auch David Johnson wird im Passspiel falsch und generell zu wenig eingesetzt.
In der Folge ist eigentlich die einzig wirklich interessante Frage in der Wüste: Wann kommt Josh Rosen? Ich glaube nicht, dass er in dem aktuellen Setup wahnsinnig viel lernt, und hier kann man sicher argumentieren, dass die Reps im Spiel ihm mehr helfen würden. Und möglicherweise würde das dann auch ziemlich schnell für das ganze Team zutreffen, wenn etwa das Downfield-Passing-Game wieder eine ernsthafte Bedrohung für Defenses ist.
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