NFL: Wohin geht Tom Brady? 5 Fragen zur Zukunft des Quarterbacks der New England Patriots

Marcus Blumberg
17. Februar 202010:35
Tom Brady kann frei entscheiden, wo er in der Saison 2020 in der NFL spielen wird.getty
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Wie geht es weiter für Tom Brady und die New England Patriots? Der Star-Quarterback wird erstmals Free Agent und dürfte zahlreiche Interessenten haben. Doch welche Alternativen hätten dann die Patriots? SPOX blickt auf die wichtigsten Fragen.

1. Tom Brady und die Patriots: Wie ist der Status Quo?

Die Vertragsanpassung, die Brady und die Patriots vor der Saison 2019 ausgehandelt haben, hat zur Folge, dass sich die finalen zwei Jahre des Kontrakts mit Beginn des neuen Liga-Jahres am 18. März in Luft auflösen werden. Übrig bliebe, sollten sich beide Seiten nicht bis zum 17. März auf einen neuen Deal verständigen, in jedem Fall ein Dead Cap von 13,5 Millionen Dollar.

Der Tag vor dem Start des neuen Liga-Jahres und somit vor dem Start der Free Agency ist also womöglich schon die Deadline für die Patriots. Die beiden Wochen zwischen der Scouting Combine - wenn alle NFL-Entscheidungsträger in Indianapolis zusammenkommen und Berater, inoffiziell versteht sich, ein erstes konkretes Gefühl für den Markt ihres Klienten entwickeln können - und dem 17. März bilden die heiße Verhandlungsphase.

Zudem nämlich wurde in Bradys Vertrag vereinbart, dass die Patriots ihren langjährigen Quarterback nicht mit dem Franchise Tag belegen dürfen, wodurch sichergestellt ist, dass Brady erstmals nach 20 Jahren in der Liga Free Agent wird. Brady sicherte sich so ganz bewusst die für ihn erstmalige Freiheit, in einer Free Agency komplett Herr des eigenen Schicksals zu sein.

Beide Seiten hielten sich seit Saisonende bedeckt, was die Zukunft betrifft. Head Coach Bill Belichick ließ sich immerhin lobende Worte für seinen QB entlocken: "Tom ist eine ikonische Figur in dieser Organisation. Es gibt niemanden, der Tom mehr respektiert als ich." Belichick fügte jedoch an: "Eine Person allein kann nicht entscheiden, was jeder tun wird", was Belichicks gewöhnlicher Haltung bei der öffentlichen Diskussion von Personalien entspricht, wenn er denn überhaupt so viel sagt.

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Brady selbst sagte kurz nach der Pleite gegen die Titans in der Wildcard Round: "Ich liebe die Patriots. Es ist die größte Organisation. Da ich all die Jahre für Mr. Kraft und Coach Belichick gespielt habe, gibt es niemanden, der eine bessere Karriere gehabt hat als ich." Brady fügte aber auch selbst in typischer Belichick-Manier an: "Ich weiß nicht, wie die Zukunft aussieht und ich werde sie auch nicht vorhersagen."

Tom Brady wird erstmals Free Agent

Der einzige, der sich offensiver in dieser Sache geäußert hat, war indes der dritte wichtige Mann im Bunde in dieser Sache - Patriots-Eigner Robert Kraft.

Der nämlich wurde vor Wochen gefragt, ob er glaube, dass Brady bleibe. Seine Antwort gegenüber TMZ war: "Das ist der Plan." Als er dann am Rande der Oscar-Verleihung in der Vorwoche in Los Angeles erneut zum Thema befragt wurde, sagte er nur: "Sie wissen, was ich will."

Für Kraft, darum macht er kein Geheimnis, gibt es zwei Wunschszenarien. Priorität 1: Brady bleibt noch für ein bis zwei Jahre, ehe er seine Karriere beendet. Priorität 2: Brady hängt die Pads jetzt an den Nagel. Doch was will Belichick? Worauf legt Brady letztlich am meisten wert in den anstehenden Gesprächen? Und welchen Markt hat der 42-Jährige?

Stand jetzt ist nur eines klar: Tom Brady wird erstmals in seiner Karriere Free Agent und kann dann mit jedem Team über einen Vertrag verhandeln. Die Patriots wiederum könnten erstmals seit 2001 mit einem anderen Starting Quarterback als Tom Brady in die Saison gehen.

2. Was wollen die New England Patriots?

Solange Bill Belichick der Head Coach der Patriots ist, gilt in Fragen wie dieser eines ganz besonders: Niemand weiß wirklich, was der Plan für das weitere Vorgehen ist. Und bis die Patriots irgendwas machen, wird dies auch ein Mysterium bleiben. Besonders interessant wird hierbei auch das Spiel hinter den Kulissen, von dem man als Außenstehender maximal einen Bruchteil mitbekommt: Was passiert, falls Belichick und Kraft unterschiedlicher Meinung sind?

Von außen betrachtet sollte jedoch klar sein, dass die Patriots auch 2020 konkurrenzfähig sein wollen. Viele Teile des Kaders sind im Win-Now-Modus. Und auch wenn Bradys Leistungskurve in den vergangenen zwei Jahren sukzessive gen Süden ging, scheint er immer noch die beste Option auf Quarterback für New England zu sein.

Allerdings haben die Patriots nicht die Tendenz, unvorbereitet in eine Situation zu gehen. Ein Plan B für den Fall, dass Brady doch ginge, dürfte bis zum Start der Free Agency in der Schublade liegen. Mehr noch, da man erst im Vorjahr einmal nicht gut vorbereitet war, als Tight End Rob Gronkowski sein Karriereende bekannt gab.

Damals hatte man seine Hausaufgaben nicht gemacht und essenziell das Rennen um jeden anderen Top-Tight-End auf dem Markt verpasst. Ein verspäteter Versuch, Jared Cook zu holen, scheiterte schlicht daran, dass die Saints einfach schneller waren.

Den Patriots stehen wegweisende Entscheidungen ins Haus, die allesamt aber darauf aufbauen, wie die Quarterback-Frage beantwortet wird. Erst wenn klar ist, ob Brady bleibt, werden weitere Dominos im Personalkarussell fallen.

Stand jetzt haben die Patriots - vorausgesetzt Brady verlängert nicht vor Start des Liga-Jahres - knapp 30 Millionen Dollar an Cap Space, wovon ein großer Teil für einen Top-Quarterback in der heutigen Zeit draufginge. Entlassungen und Vertragsumstrukturierungen sind immer möglich, aber die QB-Personalie steht über allem. Schon deshalb, weil etwaige Free Agents sicher auch besonders daran interessiert wären, wer denn künftig die Pässe wirft.

3. Was will Tom Brady?

Tom Brady will in erster Linie seine Freiheit auskosten. Brady kam 2000 als Sechsrundenpick in die Liga und kam nie wirklich in die Nähe des freien Marktes. Er verlängerte stets lange vor der Free Agency bei den Patriots und das auch noch zu vergleichsweise teamfreundlichen Konditionen. Lediglich nach seiner Verlängerung zu Beginn des Jahrzehnts war Brady mal einer der Topverdiener der Liga.

Freilich dürfte es Brady auch in diesem Jahr nicht zwangsläufig darum gehen, der Topverdiener der Liga zu sein; doch ein Bieterwettkampf scheint nicht ausgeschlossen, sollte er wirklich auf den offenen Markt kommen. Bradys Antrieb bislang war jedoch stets der Teamerfolg - die Überlegung war, dass Brady auf eine gewisse Summe verzichtet, damit das Team genügend Ressourcen für die Finanzierung weiterer Topspieler hätte.

Gerade im Vorjahr ging diese Rechnung aber nicht auf, da zwar Geld in die Hand genommen wurde, der Ertrag jedoch überschaubar blieb. Zu viele Investitionen stellten sich als Fehlgriffe heraus, allen voran die neun Millionen Dollar, die in Wide Receiver Antonio Brown gesteckt wurden - er flog bereits nach einem durchaus guten Spiel aufgrund privater Entgleisungen wieder raus. Davon erholten sich die Patriots offensiv nie so richtig, zumal weitere Top-Targets entweder verletzt waren oder unter Leistungsschwankungen litten.

Geht man nun davon aus, dass Brady auch in der kommenden Saison - und realistischerweise über die kommenden zwei bis drei Jahre, da er erklärtermaßen bis 45 spielen will - erfolgreich sein will, dann muss Bradys kommender Arbeitgeber konkurrenzfähig sein.

Sprich: Die Offense muss gut bestückt sein mit Targets, die Plays machen. Die Offensive Line muss stabil stehen und im Idealfall sollte auch die Defense produktiv sein. Das dürfte auch Bradys klares Signal an die Patriots sein, mit denen er nach eigener Auskunft in Kontakt steht: Verbessert die Offense, dann könnte ich bleiben!

Zudem wäre es sicherlich sinnvoll, ein System zu spielen, dass Brady als traditionellem Pocket-Passer entgegenkommt. Wer ihm dies bietet, hat sicher gute Chancen auf Brady, der dieses Mal aber wohl doch zumindest in der Nähe der Topverdiener entlohnt werden will. Und eine nette Gegend dürfte auch nicht schaden für die Familie um Topmodel Gisele Bündchen.

4. New England Patriots: Was sind die Alternativen zu Tom Brady?

Sollte der Fall eintreten, dass Brady die Patriots verlässt, muss sich New England nach einer Alternative umsehen. Die Möglichkeiten hier sind vielschichtig.

Eine Variante wäre es, den letztjährigen Rookie Jarrett Stidham ins kalte Wasser zu werfen. Stidham beeindruckte im Laufe der letzten Saison im Training und kann dem Vernehmen nach "alle Würfe" machen. Was das allerdings über seine Spielbereitschaft aussagt, ist unklar. Und selbst wenn Stidham ein ernsthafter Kandidat wäre, bräuchte es zur Absicherung wohl mindestens noch einen Veteran in der Hinterhand.

Die vielleicht naheliegendste Free-Agent-Lösung wäre indes wohl Teddy Bridgewater, der in begrenzter Spielzeit für die Saints in den vergangenen zwei Jahren regelmäßig gut aufspielte und nachwies, dass er sich von seiner katastrophalen Knieverletzung aus seiner Zeit in Minnesota endgültig erholt hat. Er wäre allerdings auch eine eher unspektakuläre Lösung, gilt er doch vorwiegend als Game Manager. Das aber könnte mit der zuletzt bärenstarken Defense ausreichen, um auch 2020 erfolgreich zu sein.

Weiter möglich wäre die Verstärkung via Trade. Zum einen könnten die Patriots per Trade direkt einen Nachfolger holen. Was wäre etwa, wenn sich das eher windige Gerücht um die Dallas Cowboys und Brady bewahrheiten sollte? Wäre dann Dak Prescott, der sicherlich mit dem Franchise Tag belegt werden wird, eine Option für New England? Oder etwa Cam Newton, dessen Zukunft in Carolina alles andere als sicher ist?

Patriots: Brady-Alternative aus Draft oder Free Agency?

Eine zweite Alternative wäre ein Up-Trade im Draft. Aktuell wären die Patriots an Position 23 erstmals an der Reihe. Ein Trade in die Top 5 etwa könnte ihnen im Idealfall einen Tua Tagovailoa oder Justin Herbert einbringen, was die vielleicht günstigste Variante für die Zukunft repräsentieren würde.

In jedem Fall müsste Offensive Coordinator Josh McDaniels allerdings seine Offense gehörig anpassen. Keiner der verfügbaren weiteren Kandidaten kommt mental an Mastermind Tom Brady heran, athletisch stärker wären sie jedoch allesamt.

Die Patriots dachten offenbar schon 2018 über Lamar Jackson nach, ist nun vielleicht die Zeit gekommen, es ähnlich wie Baltimore zu machen und auf einen athletisch starken QB zu setzen, der stark ins Laufspiel involviert wäre? Brady zu halten scheint für die nahe Zukunft den größten Erfolg zu versprechen, wenn man zugleich die Skill-Positionen upgradet. Doch langfristig könnte ein Schritt in eine völlig andere Richtung schon jetzt hochinteressant sein für alle Beteiligten.

5. Tom Brady: Was sind die Alternativen zu den New England Patriots?

Wer Bradys Schaffen bis hierhin verfolgt hat, weiß, dass ihn vor allem der Erfolg antreibt. Unbändiger Siegeswille, das Verlangen, auf ganz hohem Niveau um Super Bowls zu spielen. Entsprechend ist es schwer vorstellbar, dass sich Brady nun zum Ausklang seiner Karriere einem x-beliebigen Team anschließt, das auf der Suche nach einem PR-Schub ist.

Das klammert zahlreiche potenzielle Anwärter aus. Bleiben also Teams, die nah dran sind am Erfolg, aber noch keinen etablierten (Star-)Quarterback haben. Die Los Angeles Chargers stechen da ins Auge. Sie ziehen in ein gigantisches neues Stadion, haben - vergessen wir mal 2019 - ein ausgeglichen und hochwertig besetztes Team und spielen zudem im zweitgrößten Medienmarkt der USA.

Brady - und Giselle natürlich auch - könnte hier nicht nur sportlich für Furore sorgen, sondern zudem sein Brand "TB12" auch an der Westküste medienwirksam etablieren. Außerdem verkündeten die Chargers erst kürzlich, dass Philip Rivers nicht zurückkehren wird. Das mit Abstand größte Fragezeichen bei den Chargers wäre die Offensive Line, die im Vergleich zu der Vorjahres-Patriots-Version ein signifikantes Downgrade darstellen würde. Die Receiving-Waffen dagegen sind fraglos deutlich besser.

Ebenfalls medienwirksam wäre ein Sprung nach Las Vegas: Auch hier wartet ein brandneues, gigantisches Stadion, sowie eine QB-Situation, die keineswegs verzwickt wäre. Derek Carr ist zwar da, könnte jedoch ohne größere finanzielle Probleme abgegeben werden. Die Offensive Line gehört zu den besseren der Liga und die Skill-Positionen können sich ebenfalls sehen lassen. Überdies verfügen die Raiders über genügend Cap Space, um neben Brady noch andere Topleute in die Stadt der Sünde zu locken. Ein Unterfangen, das durch das Argument Brady sicher leichter fiele als mit Carr under Center.

Als Hindernis darf jedoch Head Coach Jon Gruden betrachtet werden, dessen Philosophie und Herangehensweise womöglich nicht unbedingt mit der von Brady vereinbar wäre. Doch wer weiß, vielleicht wäre einer von beiden ja bereit, sich auf den anderen einzustellen.

Tom Brady zu den Dallas Cowboys?

Ebenfalls erwähnen muss man in der Theorie ein Szenario, dass Brady bei den Cowboys sieht. Hall-of-Fame-Wide-Receiver und einstiges Mitglied der legendären Triplets, Michael Irvin, sagte kürzlich, er habe von wichtigen Leuten gehört, dass die Cowboys durchaus Brady verpflichten und Dak Prescott traden könnten. Einen Tag später allerdings relativierte der NFL-Network-Experte die Aussagen und ergänzte, dass besagte wichtige Leute nichts mit den Cowboys zu tun hätten.

Dennoch sei erwähnt, dass die Cowboys diesen Plan durchaus realisieren könnten. Sie haben gerade knapp 74 Millionen Dollar an Cap Space, ein Franchise Tag für Prescott würde wohl im Bereich von 30 Millionen Dollar kosten und Brady ebenso viel. Hieße: Man hätte sogar noch Geld übrig bis zu einem Trade von Prescott, der dann auf einen Schlag sehr viel mehr Ressourcen für weitere Verstärkungen freimachen würde.

Dass ein solcher Move aus Cowboys-Sicht bis auf die immensen Schlagzeilen, denen Jerry Jones stets hinter schmachtet, wenig Sinn ergibt, muss aber auch gesagt sein. Brady war leistungstechnisch objektiv betrachtet in den vergangenen paar Jahren auf dem absteigenden Ast, Prescott dagegen gehört in zahlreichen Statistiken bereits zur Top 5 der Liga und hat sicherlich noch zehn gute Jahre vor sich. Warum also die langfristige Zukunft aufs Spiel setzen, um kurzfristig vielleicht für mehr Aufmerksamkeit zu sorgen?

Ebenfalls reizvoll aus Bradys Sicht wären vielleicht auch die Indianapolis Colts. Sie haben immensen Cap Space (rund 86 Millionen Dollar), ein junges, talentiertes Team samt einer der besten O-Lines der Liga und einen Quarterback (Jacoby Brissett), der wohl nicht die langfristige Antwort repräsentiert. Die Frage ist nur, ob Brady unbedingt an Erzrivale Peyton Mannings alter Wirkungsstätte seine Karriere ausklingen lassen will? Und ist Deflate Gate wirklich komplett vergessen?

Es gibt also genügend Alternativen zu den Patriots für Brady, die größte Frage ist jedoch, ob das Gras für den GOAT anderswo wirklich grüner ist als in New England.