Die Kansas City Chiefs und die Philadelphia Eagles werden sich im Super Bowl LVII in Arizona gegenüberstehen - beide Teams hatten sehr unterschiedliche Wege hierher. Was prägte diese Wege? Wie geht es weiter? Könnten die 49ers die große Ausnahme sein? Und gehen die Bengals nochmal für ein Jahr komplett All-In?
1. Die Chiefs: Das Beispiel für "all in jedes Jahr"
Die Chancen waren da für die Chiefs, um dieses AFC Championship Game viel früher in klarere Bahnen zu schieben. Doch Kansas City kickte Field Goals tief in der gegnerischen Hälfte, Andy Reids Game Management hatte einmal mehr viel Luft nach oben. Die Chiefs belohnten sich nicht selbst und nutzten die Phase in der ersten Hälfte nicht, als man das Spiel und auch die Bengals-Offense kontrollierte.
Die Halbzeitführung hätte deutlicher ausfallen müssen, in der zweiten Hälfte kam Cincinnati immer besser rein und der Fumble von Mahomes weckte Erinnerungen an den Fumble von Travis Kelce im Regular-Season-Spiel gegen die Bengals, als die Chiefs das Spiel ebenfalls aus der Hand gaben.
Und doch stehen die Chiefs am Ende einmal mehr im Super Bowl. Weil Mahomes ein Ausnahmespieler ist, der trotz seines angeschlagenen Knöchels und einer B-Receiver-Besetzung im Laufe des Spiels die Offense am Leben hielt. Weil Chris Jones der individuell dominanteste Verteidiger dieser Saison ist, und Cincinnatis offensive Pläne phasenweise im Alleingang zerstörte.
Aber auch, weil im Gesamtbild betrachtet die Idee eindrucksvoll aufging: Die Chiefs sind All-In in jedem Jahr, und diese Saison, die eigentlich zumindest in Grundzügen ein Übergangsjahr werden sollte, hat das eindrucksvoll untermauert.
Chiefs: Stars abzugeben wird Teil der Rechnung
Als die Chiefs Tyreek Hill in der vergangenen Offseason nach Miami tradeten, war das, nach allem was wir wissen, eine sehr bewusste Entscheidung. Während die Packers dem Vernehmen nach bereit waren, Davante Adams finanziell ein ähnliches - vielleicht sogar besseres - Angebot zu machen als das, was er von den Raiders bekommen würde, zogen die Chiefs bei Hill eine klare Linie. Und tradeten ihn dann.
Erst-, Zweit- und Viertrunden-Picks 2022, sowie einen Viert- und Sechstrunden-Pick in diesem Jahr erhielt Kansas City von den Miami Dolphins, die sich ihrerseits in einem All-In-Fenster wähnten, und das ausnutzen wollten, solange Tua Tagovailoa günstig ist.
Miami sah sich so gesehen in der Phase, welche Kansas City gerade verlassen hatte: Die Phase, in der man mehr im Hier und Jetzt als mittel- oder gar langfristig denkt. Doch genau das stand bei den Chiefs ganz oben auf der Prioritätenliste: Wie kann man rund um Patrick Mahomes, der der Franchise mit seinem einzigartigen Zehnjahresvertrag nicht nur enorme Planungssicherheit, sondern auch ein hohes Maß an Flexibilität gegeben hatte, ein Titelfenster über zehn Jahre öffnen?
Das kann nur funktionieren, indem man Leistungsträger auf günstigen Verträgen hat - und der einzige Weg, um das nachhaltig zu schaffen, ist über den Draft. Das machte die sicher nicht einfache Entscheidung, Hill zu traden, letztlich so logisch: Mehrere Elite-Spieler auf teuren Verträgen kann sich Kansas City künftig nicht mehr leisten.
Die Chiefs: Luxussituation und Drahtseilakt zugleich
Aus dem von Miami erhaltenen Draft-Kapital wurden unter anderem Cornerback Trent McDuffie und Receiver Skyy Moore, die Picks Nummer 122 und 197 geben KC dieses Jahr mindestens mal zusätzliche Flexibilität - und die Strategie wird schon sehr bald ein weiteres Mal getestet werden: Der Vertrag von Tackle Orlando Brown läuft aus, lässt Kansas City ihn gehen, wäre ein hoher Compensatory Pick möglich.
Diese Art des Roster Buildings ist genauso eine Luxussituation, wie es bisweilen ein Drahtseilakt sein kann.
Eine Luxussituation deshalb, weil man mit - im Falle der Chiefs - Patrick Mahomes und Andy Reid einen derart hohen Floor hat, dass der Spielraum für Fehler selbst im Roster Building sehr groß ist. Da kann man auch mal einen der gefährlichsten Receiver in der NFL gehen lassen und trotzdem die beste Offense ligaweit nach EPA pro Play (0,179) und Success Rate (50,7 Prozent) aufs Feld bringen. Bei Ersterem machten die Chiefs im Vergleich zum Vorjahr sogar einen deutlichen Sprung.
Ein Drahtseilakt, weil man bei all dem nachhaltigen Management der eigenen Ressourcen nicht auch das kurzfristige Ziel aus den Augen verlieren will: Dass eben, solange man Reid sowie Mahomes in dessen Prime hat, jede Saison, in der man nicht um den Titel mitspielt, sich wie ein verlorenes Jahr anfühlt.
Die Neuausrichtung der Chiefs-Offense
Die Chance nach einem weiteren Ring verwehrten Kansas City in der vergangenen Saison eben jene Bengals, die jetzt auch wieder im Weg standen und sehr gut abermals alle Titelträume hätten beenden können. Insofern schloss sich irgendwo mit dem erneuten Duell im AFC Championship Game auch ein Kreis, und mich würde wirklich sehr interessieren, welche Rolle die Niederlage gegen Cincinnati im Vorjahr bei den Planungen der vergangenen Offseason in Kansas City gespielt hat.
Gemeint ist damit nicht die Niederlage an sich, sondern die Art und Weise, wie diese zustande kam: Dass man nach der offensiv dominanten ersten Hälfte komplett in ein Loch fiel, als die Bengals dazu übergingen, vermehrt und drei Rusher zu bringen und acht in Coverage zu droppen.
Nachdem sich die Chiefs im Laufe der 2021er Saison - inklusive eines merklichen Durchhängers - daran angepasst hatten, dass Defenses fast nur noch 2-Deep-Zone-Coverages gegen sie spielten, wirkte das wie die nächste Stufe der Evolution. Nun sind 8-Mann-Coverages nichts, was selbst Kansas City als primäre Defense gegen sich sehen wird, doch schon vor diesem Championship Game hatte es in dieser Saison keine Offense häufiger mit dem 3-Man-Rush zu tun als die Chiefs.
Vielleicht hat dieses Spiel zumindest dazu beigetragen, dass man sich in Kansas City mit der Idee, Tyreek Hill zu traden, anfreunden konnte. Dass die Identität der Offense weniger in dem Big-Play-Spektakel - und natürlich all den Dingen, die Hill im Idealfall für den Rest der Offense öffnen kann - liegt. Sondern dass man seinen Floor künftig im Verteilen des Balls, in Mahomes, in Reid und auch in der Offensive Line findet.
Chiefs-Offense: Entwicklung der bevorzugten Personnel-Groupings
Jahr | 11-Personnel | 12-Personnel | 13-Personnel |
2020 | 72% (#4) | 19% (#18) | 2% (#23) |
2021 | 66% (#8) | 20% (#18) | 5% (#10) |
2022 | 56% (#23) | 28% (#3) | 10% (#4) |
Zahlen von SIS und Sharp Football Stats. In Klammern jeweils das Ranking, wie häufig sie es im Liga-Vergleich gespielt haben.
Die Art und Weise, wie sich die Chiefs in ihren bevorzugten Personnel-Packages umgestellt haben, könnte das unterstreichen. Es macht die Offense schwerer ausrechenbar, es macht es Mahomes einfacher, das Spiel mehr auch "klassisch" aus der Pocket, mit Formationen und Matchups via Personnel-Ideen zu gewinnen.
Chiefs vs. Bengals: Eine Rivalry auf lange Sicht
Und gleichzeitig gibt es sie nach wie vor, die Momente, in denen die individuelle Qualität einfach gewinnt. Der erste Touchdown im Championship Game gegen Cincinnati war so ein Moment, als Mahomes aus der Pocket kam, nochmal kurz abstoppte, und Travis Kelce, als er das registrierte, seine Corner-Route abbrach, Safety Jesse Bates so loswurde und den Touchdown fangen konnte.
Mahomes kann diese Momente noch kreieren, Kelce kann diese Momente noch kreieren. Gleichzeitig sah man gegen die Bengals aber auch, wie der andere Teil der "neuen" Herangehensweise fruchtete: Wie die Chiefs defensiv die Line of Scrimmage gewannen, war vielleicht sogar die zentrale Story dieses Championship Games. Die Bengals fanden dann über ihr Quick Game besser ins Spiel und auch Burrow machte einige Plays, aber in der Crunchtime war der Pass-Rush wieder da.
Dennoch hatte man mehrfach in diesem Duell den Eindruck, dass das Spiel den Chiefs entgleitet. Dass sie ihre Gelegenheiten nicht genutzt hatten, und die Bengals das - einmal mehr gegen Kansas City - bestrafen würden.
Dieses Mal hatten die Chiefs das bessere Ende auf ihrer Seite, weil Joseph Ossai in der absoluten Crunchtime ein wahnsinnig bitterer Fehler unterlief. Aber diese Rivalry ist gekommen, um zu bleiben; die Chiefs haben gezeigt, dass sie bereit sind, auch das langfristige Spiel mitzugehen.
2. Der kuriose Fall der San Francisco 49ers
Die San Francisco 49ers sind ein so wunderbares Paradoxon, dass ich überlegt habe, diese Kolumne unter den Titel "Der kuriose Fall der San Francisco 49ers" zu stellen.
Denn in mehrfacher Hinsicht ist dieses Team herrlich widersprüchlich sich selbst gegenüber:
- Kyle Shanahan ist ein herausragender Play-Caller, vielleicht der Beste in der NFL, und er hat sich ein spektakuläres Waffenarsenal aufgebaut, welches ideal in seine Offense passt. Trotzdem sind wenige Coaches so konservativ wie Shanahan, wenn es um Fourth-Down-Entscheidungen geht, was seinem Team mitunter ernsthaft schaden kann. Gegen die Cowboys in der Divisional-Runde hatte er bereits Glück, dass Mike McCarthy das Spiel ähnlich vorsichtig anging.
- Shanahans Scheme ist die Nummer 1 in der NFL, wenn es darum geht, offene Receiver und Räume im Run Game zu kreieren. Immer wieder hatte er Erfolg mit Tag-3-Draft-Picks oder anderweitig günstig erworbenen Optionen. Dennoch haben die Niners in den letzten beiden Jahren Top-100-Picks in Tyrion Davis-Price und Trey Sermon investiert - nur um dann zu sehen, wie Sechstrunden-Pick Elijah Mitchell besser funktionierte als beide, und um dann Christian McCaffery via Trade zu holen.
- Das dritte Paradoxon ist der größte, und in meinen Augen auch interessanteste, Diskussionspunkt, den diese Saison ohne Erbarmen in den Mittelpunkt gerückt hat: Wenn Shanahan eine Offense gebaut hat, in der durchschnittliche Quarterbacks Elite-Zahlen auflegen können - warum hat man dann drei Erstrunden-Picks in Trey Lance investiert?
Um die letzte Frage ganz simpel zu beantworten: Weil Shanahan sieht, dass sein Scheme zwar einen immens hohen Floor bereiten und sehr viele Probleme, die Defenses präsentieren, lösen kann - aber selbst Shanahan braucht für nachhaltigen Erfolg einen Quarterback, der gelegentlich selbst Probleme außerhalb des Schemes lösen und den Spielraum für Fehler erhöhen kann.
Ein kompletter Kader bleibt nicht lange komplett
Garoppolo selbst war in den Vorjahres-Playoffs ein Paradebeispiel dafür, wie sehr seine Fehler selbst zum Problem werden können, ohne dass er selbst diese reparieren kann. Es geht einerseits um entscheidende Prozentpunkte in der entscheidenden Phase der Saison, und andererseits aber auch darum, wie man das hohe Level halten kann, wenn früher oder später unweigerlich Kaderbaustellen auftreten.
Das NFC Championship Game dieser Saison bietet in der Hinsicht kaum Lehren. Eine ganze Halbzeit mehr oder weniger ohne Quarterback, der den Ball werfen kann, zu bestreiten, nachdem man seine Quarterbacks 3 und 4 verloren hat - das ist kein Spiel, aus dem man viel mitnehmen kann. Wenngleich selbst hier zu sehen war, wie stark San Francisco auf der defensiven Seite ist - die Defense hielt dieses Spiel lange offen, bis dann schließlich alle Dämme brachen.
Aktuell haben die Niners gemeinsam mit den Eagles den komplettesten Kader in der NFL. Es ist dementsprechend kein Zufall, dass diese beiden Teams im NFC Championship Game aufeinandertrafen, genauso wenig wie es ein Zufall ist, dass beide über die letzten Jahre gut darin waren, zusätzliche Draft-Ressourcen anzusammeln, während beide den Vorteil günstiger Quarterback-Verträge auf ihrer Seite haben.
Doch das wird nicht immer so sein, irgendwann wird der Kader Risse bekommen, die Defense mal ein schlechtes Jahr haben, Gegner einen besseren Zugriff auf das Scheme bekommen.
Selbst wenn man es nicht gleich in größerem Rahmen prognostiziert, dann können diese und vergleichbare Probleme in einzelnen Spielen immer auftreten, und dann einen Quarterback zu haben, der der Offense nicht nur eine zusätzliche Dimension geben, sondern der eben auch Defizite aus eigener Kraft überwinden kann, kann insbesondere in den Playoffs den Unterschied machen.
Die 49ers woll(t)en ebenfalls einen Elite-Quarterback
Diese Perspektive ist generell wichtig, wenn man auf Shanahan und die Quarterback-Situation in San Francisco blickt.
Denn wir sprechen dabei eben nicht davon, zehn Spiele in der Regular Season zu gewinnen und dann in den Playoffs mal besser, mal schlechter abzuschneiden, sondern davon, ein jährlicher Titelanwärter zu sein und ich denke all diese Punkte haben dazu beigetragen, dass Shanahan und John Lynch so viel investierten, in der Hoffnung, ebenfalls einen Elite-Quarterback zu finden.
Dieser Part, dass Shanahan es selbst als notwendig erachtete, ein Quarterback-Upgrade zu finden, dürfte kaum diskutabel sein: Trotz des Erfolgs, auch in den Playoffs, den Shanahan mit Garoppolo hatte, war man bereit, massive Ressourcen abzugeben, um seinen Elite-Quarterback zu bekommen.
Brock Purdy, ich denke da würden selbst seine größten Befürworter zustimmen, ist das nicht - aber was genau ist Purdy eigentlich? Und je nachdem, zu welcher Antwort man hier kommt: Was verrät uns Purdys Erfolg in der Offense über die Art und Weise, wie San Francisco grundlegend und jetzt auf die unmittelbare Zukunft geblickt, die Quarterback-Position angehen sollte?
Purdy liefert exzellente Stats - wie viel sind die wert?
Purdy ist nicht nur eine faszinierende Geschichte, er war, seit er gezwungenermaßen für den verletzten Garoppolo übernehmen musste, gemessen an den Erwartungen eine ganz klare Positiv-Überraschung. Er setzte die Offense schnell konstant um, und bisweilen bot er sogar ein wenig mehr als Garoppolo, mit einer gewissen Kreativität und Mobilität unter Druck.
Purdy: Sehr gute Stats über kleine Sample Size
Kategorie | Stat (Liga-Rang) |
Expected Points added pro Play | 0,246 (2) |
Success Rate | 50,5% (7) |
Yards pro Pass | 8,4 (2) |
Pressure-to-Sack-Percentage | 16,5% (11) |
Quarterback Rating Regular Season | 65,5 (5) |
Quarterback Rating Playoffs | 74,6 (5) |
Zahlen von PFF und RBSDM. Beinhaltet sind alle Quarterbacks mit mindestens 220 Plays zwischen Week 1 und der Divisional-Runde.
Eindrucksvolle Zahlen, aber es ist nicht so, als hätten wir das nicht schon vorher in dieser Offense gesehen. Garoppolo steht in dieser Saison nach EPA pro Play auf dem vierten und nach Success Rate auf dem sechsten Platz, diese Stats sind eben auch Offense-Stats.
Von Purdys 1.920 Passing-Yards vor dem NFC Championship Game kamen 841 via Play Action und Screen, seine 10,1 Yards pro Play-Action-Pass waren genauso der zweithöchste Liga-Wert wie seine 7,6 Yards pro Screen Pass. Nur Ryan Tannehill lag in beiden Kategorien noch höher. Purdys 6,2 Yards nach dem Catch pro Completion wurden in der Regular Season von nur zwei Spielern übertroffen: Patrick Mahomes - und Jimmy Garoppolo.
Die Niners blieben ein Titelkandidat, weil sie nach der Verletzung von Garoppolo weiterhin Garoppolo-ähnliche Leistungen auf der Quarterback-Position bekamen, und situativ sogar ein wenig mehr. Das konnte niemand von Mr. Irrelevant erwarten, unabhängig davon, dass das Interception-Glück ihm meist hold war.
Sind die 49ers die große Quarterback-Ausnahme?
All das soll Purdys Leistungen nicht schmälern, es soll sie lediglich in den entsprechenden Kontext einordnen und unterstreichen, dass wir diese Version der 49ers-Offense schon gesehen haben. Nicht komplett exakt deckungsgleich natürlich, aber sehr nah dran, und das sind wichtige Punkte, wenn es darum geht, die weiteren Quarterback-Weichen zu stellen.
Und eine schnelle Entscheidung ist hier nicht notwendig, zumal man jetzt ohnehin erst einmal abwarten muss, wie gravierend Purdys Ellbogenverletzung ist. Mit Purdy und Lance noch jeweils auf dem Rookie-Vertrag kann man auch mit beiden in die kommende Saisonvorbereitung gehen, und beide weiterhin evaluieren.
Aber worauf ich als übergreifenden Punkt hinaus will: Wenn Shanahan einen Quarterback mit Top-5-Potenzial haben möchte, dann ist Trey Lance weiterhin derjenige, der ihm am ehesten eine Chance darauf gibt.
Selbst wenn sich Purdy auch langfristig als eine leicht bessere Option als Garoppolo herausstellt, so wäre er für die grundsätzliche Überlegung eben doch näher dran an dem Garoppolo-Quarterback-Tier, als an der Top-5-Gruppe. Das Problem wäre gewissermaßen nicht gelöst, es wäre nur verschoben - und das auf eine bedeutend günstigere Version.
Das ist nämlich der andere Teil der Überlegung. Und vielleicht ist San Francisco hier die große Ausnahme.
Vielleicht ist San Francisco das Team, das alle paar Jahre den Quarterback austauschen kann, und solange man einen guten Scheme-Fit auf der Position findet, mit dem man erfolgreich sein kann. Weil man dann Ressourcen in alle anderen Premium-Positionen stecken kann, weil man das Gesamtlevel des Kaders so extrem hoch hält, und weil man Kyle Shanahan hat.
3. Die Cincinnati Bengals: Timing ist fast alles
Timing ist eine kritische Sache, wenn es um Erfolg in der NFL geht. In den großen Momenten, wie auch in den Details auch im Championship Game gegen Kansas City schien Cincinnati - zum wiederholten Male in diesem Matchup - das richtige Timing auf seiner Seite zu haben.
Der Fumble von Mahomes hätte der Moment sein können, in dem das Spiel komplett in Richtung der Bengals kippt, nachdem es sich zum Ende der ersten und dann über Teile der zweiten Hälfte schon so angefühlt hatte, dass dieser Moment kommen könnte.
Doch waren es dieses Mal die Bengals, denen ein kostspieliger Fehler im schlimmsten Moment unterlief, sodass die Chiefs das bessere Ende für sich hatten.
Es war ein Spiel, in dem Cincinnati mit den Refs unzufrieden sein wird, und das nicht gänzlich grundlos. Und dennoch hatte Cincinnati seine Chancen, um das Spiel mit der eigenen Offense zu beenden. Und dann war es nach all den Anstrengungen in der Free Agency und nach all den Diskussionen infolge des starken Auftritts gegen Buffalo in der Vorwoche doch das Mismatch an der Line of Scrimmage, welches das verhinderte.
Timing-Frage prägt auch dieses Bengals-Team
Dass Timing kritisch ist, das gilt natürlich irgendwo für so ziemlich alle Sportarten, aber das System mit Draft, Free Agency und Salary Cap führt Jahr für Jahr zu größeren Kader-Turnarounds, sodass Teams, ob freiwillig oder nicht, permanent ihr Gesicht verändern.
Titelfenster bleiben so selten lange offen; die Rams nutzten ihre Chance im Vorjahr, während die laufende Saison selbst vor den zahlreichen Ausfällen die Fragilität dieses Gebildes offenbarte.
Die Frage nach dem richtigen Timing prägt auch dieses Bengals-Team - und manchmal ist das richtige Timing irgendwo auch Glückssache. "Zur richtigen Zeit am richtigen Ort" eben.
Wie das Burrow im Draft war, als die Bengals den Nummer-1-Pick hatten. Oder dass sie im Jahr danach infolge von Burrows Verletzung so viele Spiele verloren, dass sie Ja'Marr Chase draften konnten.
Bengals-Defense: Erstaunlich lineare Entwicklung
Es gibt jedoch noch eine andere Perspektive auf den ganzen Timing-Aspekt: Die Perspektive der Geduld. Und Geduld zu bewahren ist ein schmaler Grat - denn zu lange an etwas festzuhalten kann dazu führen, dass letztlich alles daran scheitert. Zu früh die Reißleine zu ziehen ist derweil häufig ein Garant dafür, dass sich nie Automatismen auf dem Level bilden können, die es braucht, um auf echtem Championship-Level zu spielen.
Für Defenses gilt das noch ein wenig mehr als für Offenses, weil hier permanent reagiert, angepasst und umgestellt werden muss, und das im Kollektiv. Jeder muss wissen, was der andere macht und wie er reagieren muss. Dieses Level an Abstimmung untereinander und Vertrautheit mit dem Scheme braucht Zeit.
"Es gibt jetzt Dinge, die wir machen können, die wir vor zwei Jahren so einfach nicht machen konnten", brachte es Linebacker Logan Wilson vor einigen Tagen auf den Punkt. "Ich bin damals wie ein kopfloses Huhn rumgerannt. Aber das ist normal, man versucht, alles zu verstehen und es ist einfach wahnsinnig viel. Jetzt, wo wir seit einer Weile in dem System spielen, kennt es jeder in- und auswendig."
Seit 2019 coacht Lou Anarumo die Defense der Bengals, und es ist nicht häufig, dass man eine derart lineare Steigerung gerade auf dieser Seite des Balls feststellen kann.
Bengals-Defense: Entwicklung unter Lou Anarumo
Jahr | EPA/Play (Platzierung) | Success Rate (Platzierung) |
2019 | 0,097 (30) | 44,3% (18) |
2020 | 0,098 (26) | 46,1% (15) |
2021 | -0,015 (11) | 44,1% (14) |
2022* | -0,043 (7) | 42,3% (7) |
*2022 nur bis einschließlich der Divisional-Runde der Playoffs.
Die Bengals haben ihr Personal über diesen Zeitraum zweifellos verbessert, aber sie haben keine Superstars in diese Unit gepackt.
Trey Hendrickson erwies sich als Free-Agency-Volltreffer, im Gegenzug ließ man aber auch Carl Lawson, einen bis dato sehr produktiven Pass-Rusher ziehen. D.J. Reader ist ein Anker für die Front, Mike Hilton glänzt in seiner flexiblen Slot-Rolle Wilson und Linebacker-Kollege Germaine Pratt haben sich merklich weiterentwickelt. Aber keiner dieser Spieler gehört in die Gruppe der Elite-Verteidiger.
Joe Burrows eindrucksvolle Entwicklung
In gewisser Weise steht das sinnbildlich für Anarumos Herangehensweise. Der Fokus liegt auf der Gruppe und darauf, wie man im Kollektiv möglichst schwer ausrechenbar sein kann. Als "verrückten Professor" hatte Cornerback Eli Apple seinen Defensive Coordinator nach dem Sieg in Buffalo bezeichnet. Der war Anarumo auch vorher schon - jetzt aber sieht man die volle Entfaltung seiner Ideen.
Man kann die Sache mit dem Timing aber auch auf die Offense übertragen, und das über die Draft-Slot-Thematik hinaus - indem man ganz kleinteilig wird. Konkret, und im Detail angefangen, mit der Entwicklung von Joe Burrow.
Als Burrow in der vergangenen Offseason darauf angesprochen wurde, dass er so wahnsinnig viele Sacks kassiert hatte - 70, um genau zu sein, 19 alleine in den Playoffs - überraschte Burrow mit seiner Antwort. Es gäbe "gute und schlechte Sacks. Ja, ich habe viele Sacks kassiert. Aber man muss sich anschauen, wann sie passiert sind: war es bei Third Down? Wen interessieren Sacks bei Third Down? Da versuche ich, das Play möglichst lange am Leben zu halten, bis ich ein First Down bekommen kann, außer wenn wir in Field-Goal-Reichweite sind. Dann werfe ich den Ball weg".
Burrow lag hier keineswegs komplett daneben, aber natürlich gehören mehr Nuancen zu dieser Diskussion. Cincinnatis Line in der vergangenen Saison war furchtbar - und gegen die physische Chiefs-Front zeigte sie im AFC Championship Game ihr hässlichstes Gesicht -, doch wie stark Sacks dann doch durch Quarterbacks "vorgegeben" werden, unterstreicht diese Saison.
Burrows gesamtes Timing nämlich stellte sich um. Aus dem Big-Play-Hunter wurde der beste Quick Game Ballverteiler dieser Saison. Das gab der Bengals Offense das Fundament, den Floor, die Konstanz, die letztes Jahr gefehlt haben. Und das gibt ihnen die Basis auch über diese Saison hinaus.
Die Bengals: Ab 2024 wird der Spaß teuer
Einen Quarterback zu haben, der diese Basis bereitstellen kann, ist ein riesiger Trumpf - selbst wenn man diesen Quarterback dann bezahlen muss, und das führt unweigerlich zu dem großen Thema, welches den Blick auf die Bengals ab jetzt und über die kommenden Monate bestimmen wird.
Dieses Team war auch deshalb gut, weil es den ultimativen finanziellen Spielraum hatte.
Mit in erster Linie Burrow, Chase und Higgins auf dem Rookie-Vertrag ist ein Cap Hit über 11,4 Millionen Dollar für Running Back Joe Mixon, oder ein Cap Hit über 13,6 Millionen Dollar für Nose Tackle D.J. Reader zusätzlich zu dem Cap Hit über 8,3 Millionen Dollar, den Defensive-Tackle-Kollege B.J. Hill in dieser Saison kostet, sehr viel einfacher zu schlucken. Die beiden Safeties Vonn Bell und Jessie Bates alleine belasten den Cap in dieser Saison mit über 20 Millionen Dollar.
2023 wird das letzte Jahr sein, in dem Cincinnati diesen Luxus genießt, und die Planungen für die Zeit danach dürften längst laufen. Der Vertrag von Burrow wird in dieser Offseason ein Thema sein, Higgins könnte 2024 ein Tag-Kandidat werden, sollte er keinen neuen Deal erhalten. Chase könnte dann danach auf einen Receiver-Rekordvertrag gehen, während 2024 auch etwa Hendrickson, und bereits 2023 D.J. Reader in ihr jeweils letztes Vertragsjahr gehen.
Bengals: Jedes Jahr mit Burrow Titelanwärter
Ein Umdenken in der Art und Weise, wie man den Cap und das gesamte Roster Building angeht, ist dann unausweichlich; die Chiefs, deren Timeline einige Jahre früher gestartet wurde, sind ein gutes Beispiel dafür. Das richtige Gespür für Geduld und für das richtige Timing wird dann abermals getestet werden.
Deshalb erwarte ich auch nicht, dass Cincinnati eine All-In-Offseason hinlegt, um 2023 nochmals alle Register zu ziehen. Burrow hat das ja bereits gesagt: Das Titelfenster für die Bengals ist seine gesamte Karriere.
In dieser Saison hat zumindest er selbst klar gezeigt, dass er bereit ist, seinen Teil zu dieser Prognose beizutragen.
4. Die Philadelphia Eagles als Roster-Building-Musterbeispiel
An zwei Dinge muss ich fast jedes Mal denken, wenn ich auf den Eagles-Kader schaue, und das Spiel am Sonntag war da keine Ausnahme: Einerseits daran, was für ein Musterbeispiel die Eagles in puncto Roster Building und Weitsichtigkeit beim Umgang mit den eigenen Ressourcen sind - und andererseits daran, was für eine klare Handschrift man erkennt, wenn man auf diesen Kader schaut.
Unter Howie Roseman haben die Eagles seit jeher die Trenches priorisiert, auf beiden Seiten des Balles. Das war im NFC Championship Game deutlich zu sehen: Philadelphia dominierte insbesondere defensiv mit seiner Front das Geschehen, hier kann man argumentieren, dass das auch der entscheidende Faktor gewesen wäre, hätten die Niners Purdy nicht verletzungsbedingt verloren. Und es könnte auch der entscheidende Faktor im Super Bowl werden.
Das Resultat dieser Priorisierung ist die in meinen Augen beste Offensive Line in der NFL, sowie seit diesem Jahr wieder eine Defensive Front, die sich ebenfalls ganz weit oben im Ligavergleich einsortiert. Eine ähnliche Formel wie beim Super-Bowl-Run mit Nick Foles.
70 Sacks verzeichneten die Eagles als Team in der Regular Season, damit ordnen sie sich in der historischen All-Time-Liste auf dem dritten Platz ein.
Aber, und das unterstreicht Rosemans Herangehensweise, in einer Kategorie erreichten sie eine neue Bestmarke: Die 2022er Eagles waren das erste Team, das vier Spieler mit je individuell mindestens zehn Sacks hatte.
Die Playoffs unterstreichen die D-Line-Bedeutung
Hier steckt auch ein übergreifender Takeaway dieser Playoffs drin: Die Dominanz von Defensive Fronts ist aktuell ganz klar zu sehen. Die Eagles und die Niners sind die beiden Paradebeispiele, doch auch die Bengals haben eine sehr unterschätzte Front, während die Chiefs den besten Defensive Tackle außerhalb von Aaron Donald haben, sowie zumindest physische Pocket-Pusher auf den Edge-Positionen.
Auch andere Teams konnten mit starken Defensive Fronts ihren Floor merklich erhöhen. Die Giants etwa, oder die Ravens, die auch dank einer physischen Defensive Line Cincinnati in der Wildcard Round am Rande einer Niederlage hatten.
Die Cowboys waren in der Divisional-Runde trotz eines schwachen Auftritts der eigenen Offense dank ihrer Defensive Line überhaupt erst im Spiel. Und die Bills hätten gegen Cincinnati eine solche Front dringend gebrauchen können. Im AFC Championship Game prägte dann die Chiefs-Front die Partie.
Während Man-und-Blitz-Heavy-Defenses immer mehr verschwunden sind, ist der Wert dominanter Defensive Lines nach oben geklettert. Hier können Teams ihren Floor signifikant anheben, und eine dominante Front kann einen in Spielen halten, in denen man ansonsten unterlegen wäre.
Die Eagles zeigen, wie man langfristig plant
In einer solchen Situation waren die Eagles in dieser Saison relativ selten, was natürlich nichts daran änderte, dass ihre Defensive Front Spiele an sich reißen konnte. Dass die Eagles selten in solchen Situationen waren, liegt auch an der Art und Weise, wie Philadelphia insgesamt betrachtet diesen Kader aufgebaut hat.
Und hier würde ich grundsätzlich in zwei Kategorien unterteilen: Die Spieler, die man verpflichtet oder gedraftet hat - und die Art und Weise, wie man mit seinen Ressourcen umgeht.
Denn sind wir ehrlich, jeder will einen GM, der beim ersten Punkt eine möglichst hohe Trefferquote hat. Aber jeder GM haut mal mit einzelnen Personalentscheidungen daneben, auch im großen Rahmen: Jalen Reagor über Justin Jefferson zu draften, ein Jahr nachdem man J.J. Arcega-Whiteside über DK Metcalf ausgewählt hatte, wären zwei der prominenteren Beispiele spezifisch für Roseman und die Eagles.
Wenn wir das erst einmal als Prämisse vorausschicken, ist der andere Aspekt umso wichtiger: Was macht ein GM, um dem Team nachhaltig eine bessere Chance zu geben? Was macht er, um maximale Flexibilität und einen Vorteil im Ansammeln von Ressourcen zu haben?
Hier ist Roseman vielleicht der beste GM in der NFL aktuell.
Die Eagles: Stets auf der Suche nach neuem Kapital
Abgegeben | Trade-Partner | Erhalten |
QB Carson Wentz | Indianapolis Colts | 3rd Rounder 2021, Cond. 1st Rounder 2022 |
2021 1st Rounder, 5th Rounder 2021 | Miami Dolphins | 1st Rounder 2021, 4th Rounder 2021, 1st Rounder 2022 |
2022 1st Rounder (2x), 2022 6th Rounder | New Orleans Saints | 2022 1st Rounder, 2022 3rd Rounder, 2022 7th Rounder, 2023 1st Rounder, 2024 2nd Rounder |
2022 1st Rounder, 2022 3rd Rounder | Tennessee Titans | WR A.J. Brown |
Natürlich ist Roseman nicht der einzige GM, der eine gewisse Weitsicht in seinen Trades an den Tag legt und mit seinen Ressourcen Premium-Positionen klar priorisiert. Aber ich würde sagen, dass er derjenige ist, der aktuell in der Hinsicht am meisten herausragt.
Die Eagles haben es, fünf Jahre nach ihrem letzten Titel mit neuem Head Coach und neuem Quarterback, nicht deshalb erneut bis in den Super Bowl geschafft, weil sie so gut draften. Sondern weil sie ihre Ressourcen maximieren, Premium Positionen priorisieren und nicht damit aufhören, in diese Positionen zu investieren. Inklusive der Quarterback-Position.
Drei Erstrunden-Picks hatten die Eagles letztes Jahr, nach den Trades mit den Dolphins und den Colts.
Aus zwei davon machten sie unter anderem einen Erstrunden-Pick 2023 sowie einen Zweitrunden-Pick 2024, was sich einerseits als kluge Spekulation herausstellte - der Erstrunden-Pick, der dieses Jahr von den Saints nach Philadelphia wandert ist der Nummer-10-Overall-Pick - andererseits aber genau den Weitblick demonstrierte, der bei vielen GMs oft fehlt: hätte Jalen Hurts nicht diesen Sprung hingelegt, hätte Philadelphia die Flexibilität gehabt, um via Draft oder Trade auf dem Quarterback-Markt aktiv zu werden.
Wie sieht Philadelphias nächste Phase im Roster Building aus?
Diese Option für die Zukunft einzubauen, während man gleichzeitig von dem angesammelten Kapital etwas ausgibt, um sich in A.J. Brown einen sicheren Nummer-1-Receiver zu holen und Hurts so bestmögliche Umstände für besagten Sprung zu kreieren, damit haben die Eagles in der vergangenen Offseason die ideale Balance gefunden.
Das zusätzliche Draftkapital gibt ihnen einerseits die Option, weiter einen gewissen Vorrat an Picks vor sich her zu schieben - aber jetzt konkret gibt es ihnen auch die Möglichkeit, weiter an einem jungen Kern zu feilen. Auch mit Blick darauf, dass Hurts bald nicht unerheblich teurer werden wird.
Denn an diesem Punkt stehe ich mit den Eagles ganz klar: Ich denke, dass sie Hurts als ihre langfristige Option sehen, und ihn dementsprechend auch bezahlen werden. Dass das keine Ehe auf Lebenszeit sein muss, das haben die Eagles mit Carson Wentz eindrucksvoll aufgezeigt - nachdem man ihn bezahlt hatte.
Die Eagles sind an diesen Punkt gekommen, weil sie mit Weitsicht geplant haben und weil sie wiederholt Premium Ressourcen in Premium Positionen investiert haben: von A.J. Brown über Haason Reddick und DeVonta Smith bis hin zu Darius Slay - und eben Hurts selbst.
Und während Rosemans übergreifende Strategie einerseits eine gute Guideline für so manche andere Franchise darstellen sollte, wird die nächste Phase im Roster Building nicht weniger spannend: Wie gelingt es den Eagles, sich einerseits diesen Ressourcen-Vorteil beizubehalten, während man gleichzeitig All-In mit einem dann teuren Quarterback ist?