Week 13 brachte mehrere Ergebnisse, die sich als wegweisend entpuppen könnten: Die Defense der San Francisco 49ers entzaubert Tua Tagovailoa und die gefürchtete Dolphins-Offense, während die Seahawks schmerzhafte Schwachstellen offenbaren. Außerdem: Wie geht es weiter in Green Bay? Und was passiert jetzt in Denver?
Woche 13 war leider auch die Woche der Quarterback-Verletzungen bei Playoff-Kandidaten. Ravens-Quarterback Lamar Jackson verletzte sich im Spiel gegen die Broncos am Knie, San Franciscos Jimmy Garoppolo musste nach einer offensichtlich sehr schmerzhaften Szene mit einer Fußverletzung in die Kabine gefahren werden und kam nicht zurück.
Ravens-Coach John Harbaugh erklärte direkt nach dem Spiel, dass es sich bei Jackson nicht um eine Saison-beendende Verletzung handelt. Weitere Tests werden natürlich folgen, Harbaugh sagte aber auch, dass es sich um "Tage bis Wochen" handeln wird, ehe Jackson zurückkehren wird.
Baltimore ist ein Team, das ohnehin größere Defizite in dieser Saison offenbart hat, zumindest was die Offense angeht. Der Mangel an Waffen im Passspiel, die generellen Probleme in der Passing-Offense, eine angeschlagene Line, ein Run Game, das nur phasenweise funktionierte. Die Ravens mit Jackson und einer guten Defense wären ein gefährliches Team, sollte es für die Playoffs reichen. Auch wenn sie dort eine riesige Wundertüte wären.
Garoppolos Verletzung wurde von den Niners während des Spiels von einer "Knöchel-" zu einer "Fußverletzung" umbenannt. Nach dem Spiel bestätigte Kyle Shanahan, dass Garoppolo den Rest der Saison verpassen wird, ein enormer Tiefschlag für die Niners, aber natürlich auch für Garoppolo selbst, der im Frühjahr erneut Free Agent wird.
In zwei Wochen steigt für San Francisco das vielleicht entscheidende Duell mit den Seahawks, davor geht es gegen Tampa Bay. Zwei Niederlagen hier könnten die Niners nicht nur im Rennen um die NFC West, sondern auch im Kampf um ein Playoff-Ticket empfindlich zurückwerfen. Und mit Brock Purdy wird es schwer sein, die aktuelle Schlagzahl auch nur halbwegs aufrecht zu erhalten, auch wenn Purdy sich am Sonntag gegen Miami sehr gut präsentierte.
Verletzungen gehören zum Football dazu, jedes Team hat damit zu kämpfen, und Mitleid gibt es von keinem Team für die Ausfälle des Gegners. Nichtsdestotrotz ist es, aus neutraler Perspektive, schade, dass die Niners mit dieser Defense, diesen Waffen und diesem Play-Caller vermutlich mit dem dritten Quarterback in der Postseason keine große Rolle spielen werden; umso mehr angesichts eines ohnehin fragwürdigen NFC-Playoff-Teilnehmerfeld.
1. Niners-Defense holt Tua auf den Boden zurück
Es ist hochspannend zu sehen, wie die Dolphins und die 49ers sich ausgehend vom gleichen Scheme - Mike McDaniel hat von 2011 bis 2021 durchgehend unter Kyle Shanahan gearbeitet, in Washington, Cleveland, Atlanta und San Francisco - in unterschiedliche Richtungen entwickelt haben.
Die Niners - ich hatte darüber in der Vorwoche bereits geschrieben - haben unter Kyle Shanahan eine klare Identität entwickelt und den Kader auch mit dieser Identität im Hinterkopf zusammengestellt.
Es ist eine spektakuläre Yards-after-Catch-Maschine, die schon jetzt wieder auf Hochtouren läuft: Vor diesem 13. Spieltag führte Garoppolo die Liga mit Abstand in Yards nach dem Catch pro Completion an; 6,9 Yards holen Garoppolos Receiver im Schnitt nach dem Catch raus. Tua Tagovailoa stand nach Woche 12 bei 4,5 Yards, Garoppolo also bekommt pro Completion rund 2,5 Yards mehr nach dem Catch als Tua. Bei rund 200 Completions für jeweils beide über die ersten zwölf Spieltage ist das ein gewaltiger Unterschied.
Ähnlichkeiten sieht man etwa darin, dass beide Teams jede Menge Pre-Snap-Motion nutzen, doch Miamis Offense ist signifikant vertikaler; wo bei den Niners die Big Plays häufig nach dem Catch entstehen, attackieren die Dolphins tiefer - und das schnell: Tagovailoa wirft den Ball bei Pässen, die unter 2,5 Sekunden nach dem Snap erfolgen, im Schnitt 7,7 Yards tief. Mit Abstand der Höchstwert in der NFL, Garoppolo wirft den Ball in unter 2,5 Sekunden im Schnitt fast exakt drei Yards kürzer (4,6 Yards).
Dolphins: Tua spielt schnell, die Receiver noch schneller
Das funktioniert, weil Miami diesen irren Speed auf den Receiver-Positionen hat, sowie einen Quarterback in Tagovailoa, der ein hohes Maß an Antizipation und gutes Timing und einen guten Touch in seinen Pässen hat. Das erlaubt es den Dolphins, häufig schon sehr schnell nach dem Snap den Ball vergleichsweise tief zu werfen - was wiederum auch die anfällige Offensive Line schützt.
Die spannende Frage vor diesem Matchup zwischen Meister und Schüler lautete, ob die Niners defensiv die Mittel haben, um diese Pässe zu unterbinden. Die Texans, Browns, Bears und Lions hatten diese Mittel über die letzten vier Wochen erwartungsgemäß nicht, San Francisco war der erste echte Test für die Dolphins-Offense seit Ende September. Anfang Oktober hatte es zwar eine Packung gegen die Jets gehagelt, doch mussten die Dolphins damals ohne Tagovailoa auskommen.
Die 49ers haben diese Mittel, und obwohl San Francisco mit dem 75-Yard-Catch-and-Run-Touchdown von Trent Sherfield einen Horror-Start in die Partie erlebte, wurde diese Tatsache schnell deutlich. Es war früh im Spiel Fred Warner, der zeigte, dass die Mitte des Feldes nicht so offen sein würde, wie es Tagovailoa über weite Strecken dieser Saison gewohnt ist.
Tua wirft den Ball schneller als jeder andere Quarterback in die Intermediate Middle des Feldes, er hat mit weitem Abstand die meisten offenen Receiver, die meisten Completions, und die meisten Yards hier, obwohl er mehrere Spiele verpasst hat. Gegen die Niners war er hier nicht nur mehrfach off, San Francisco ließ auch nicht viel zu.
Dolphins-Offense stockt merklich gegen die Niners
Die Folge war prompt eine Offense, die unrunder aussah. Der Touchdown von Sherfield war ein Fehler in San Franciscos Coverage-Abstimmung, welche Sherfield mit seinem Speed prompt bestrafte - aber immer wieder, wenn Tagovailoa und die Dolphins-Offense die Chance hatte, das Spiel zu übernehmen, umso mehr nach der frühen Verletzung von Jimmy Garoppolo, wackelte Tagovailoa.
Mehrfach verfehlte er Jaylen Waddle. Jeff Wilson hätte er mit einer gut getroffenen Wheel-Route zum Touchdown das Feld runter schicken können, stattdessen musste Wilson seine Route anpassen und ließ den Ball fallen. Er verfehlte Tyreek Hill tief über die Mitte, vor allem aber wurde ein weiterer Punkt deutlich, weshalb ich bei Tagovailoa noch Zweifel dahingehend habe, ob er in die oberen Quarterback-Tiers gehört: Er wurde unruhig in der Pocket.
Und auch hier gehört mehr Kontext dazu. Left Tackle Terron Armstead konnte nicht mitwirken, und die Dolphins hatten definitiv nicht immer den besten Plan gegen Nick Bosa. Das macht einige Dinge schwieriger, doch gleichzeitig ist es eine von Tuas besten Qualitäten in dieser Saison, dass er mit diesem irren Tempo spielt.
Es sollte eine seiner Kernkompetenzen sein, eine schwache Line zu kompensieren. Gegen San Francisco war zu häufig das Gegenteil der Fall, nämlich dass Tagovailoa merklich unruhig wirkte, dass seine innere Uhr sehr schnell runter tickte, und wenn dann die schnellen Pässe nicht da waren - oder er sie nicht traf - stockte der Motor merklich.
Tua bricht nach der Pause ein
Mehr noch als das: Nach der Garoppolo-Verletzung hätte Miami eine solide Vorstellung der eigenen Offense gebraucht, um das Spiel dann idealerweise aus einer eigenen Führung heraus zu verwalten. Doch nicht zuletzt Tagovailoas Spiel unter Druck verhinderte, dass das Pendel zu irgendeinem Zeitpunkt in diese Richtung ausschlug.
Sein zumindest bis dato bestes Play hatte er direkt nach der Halbzeitpause mit tollem Pocket-Movement und einem Pass auf Tyreek Hill - unmittelbar danach hatte er fraglos Pech bei der Interception, weil Wilson ausrutschte, doch hätte er den Ball auch schlicht eine Ebene tiefer legen können, wenn nicht müssen.
Die zweite Interception bietet keinerlei Ausreden. Ein absoluter Gimmick-Wurf, um Tagovailoa via Rollout aus der Pocket zu bringen und dann einen offenen Wurf zu kreieren. Der war auch da, und Tua hatte die Zeit - aber sein Wurf verfehlte Hill komplett und landete stattdessen bei der Niners-Defense.
Umso positiver war es, zu sehen, dass Tagovailoa das Schlussviertel mit einem Shot auf - einen zugegebenermaßen sehr offenen - Hill zum Touchdown eröffnete.
Tuas Leistungen und der richtige Kontext
Tagovailoa hatte gegen Pittsburgh ein schlechtes Spiel, die Vorstellung gegen San Francisco war seine schlechteste Partie. Dementsprechend sollte man hier auch nicht komplett überreagieren.
Aber ich denke, es ist ein guter Zeitpunkt, um sich anzuschauen, gegen welche Gegner Tagovailoa gut aussah, wie diese Offense funktioniert, und dass die Fragezeichen auch nach guten Spielen gegen Detroit, Chicago, Cleveland und Houston, sowie einer guten Halbzeit gegen die Ravens berechtigt waren. Genau wie jetzt nach seinem zweiten schlechten Spiel nicht die Welt untergeht, war Tua nicht plötzlich ein Elite-Quarterback, weil er in einer herausragenden Offense-Maschinerie den Ball sehr schnell - und sehr gut! - verteilte.
Es ist faszinierend, zu sehen, wie Miami selbst in einem Spiel, in dem lange nichts geht, doch mit explosiven Big Plays antworten kann. Deshalb kann man die Dolphins nie abschreiben, und daran hat Tagovailoa seinen Anteil. Gleichzeitig hat diese Partie auch klar seine Limitierungen gezeigt, beide diese Dinge können wahr sein. Weitere Datenpunkte in Form von Spielen gegen starke Defenses werden weiteren Aufschluss geben und das Bild klarer zeichnen.
Die gute Nachricht: Es wird weitere solcher Tests geben, ehe Miami - und davon gehe ich nach wie vor fest aus - in die Playoffs einzieht. Buffalo steht noch auf dem Schedule, genau wie die Patriots und die Jets. Nächste Woche warten die Chargers mit Justin Herbert in einem Spiel, dessen Storyline man sich leicht ausmalen kann.
Miami ist ein gefährliches Team, weil die Dolphins gegen jeden Gegner schnell scoren können. Und das ist eine Eigenschaft, die kaum ein Team in der heutigen NFL mitbringt.
2. Wie geht es weiter bei den Green Bay Packers?
Wenn man sich mit der Anatomie einer gescheiterten Saison auseinandersetzt, kann man diesen Prozess grob in zwei Teile unterteilen: Die Analyse der Fehler, die gemacht wurden, die Ursachenforschung, wenn man so will - und dann im nächsten Schritt die kritische Frage: Lassen sich die Fehler bereinigen? Oder braucht es einen radikalen Neustart?
Der erste Teil dieses Prozesses ist mit Blick auf die Green Bay Packers zur Genüge geschehen. Die Art und Weise, wie Green Bay die Receiver-Position nicht nur, aber ganz besonders in der vergangenen Offseason angegangen ist. Die generellen offensiven Ungereimtheiten, die enttäuschende Defense - aber auch die Tatsache, dass man einiges an Coaching-Qualität hinter den Kulissen verloren hat.
Christian Watson hatte sein Breakout-Spiel gegen die Cowboys und zeigte, zu was er mit seinem Speed in der Lage ist. Er ist der Shootingstar dieses Teams, und mittlerweile ein mehr als legitimer Offensive-Rookie-of-the-Year-Kandidat. Green Bay hat nach wie vor ein gutes Run Game, und ich bin weiterhin der Meinung, dass Rodgers zwar unrund spielt, aber noch immer absolut spektakulär sein kann.
Doch je länger die Saison geht, je mehr sich die Niederlagen zuletzt häuften, während der restliche Schedule immer weniger Grund zur Hoffnung bietet, desto mehr rücken die Fehler der Vergangenheit in den Hintergrund und die perspektivischen Fragen in den Vordergrund - nie war das präsenter, als in dem Moment, als Rodgers gegen die Eagles verletzt raus musste und Jordan Love einige Snaps erhielt. Und natürlich dreht sich in diesem Fall alles um eine Frage:
Was will Aaron Rodgers?
Ich bin kein großer Fan davon, die Körpersprache eines Spielers zu analysieren, oder sich in Diskussionen zwischen Spielern an der Seitenlinie - oder auch ein paar deutlichen Worten von Rodgers gegenüber Head Coach Matt LaFleur - zu verlieren. In den allermeisten Fällen kann man davon ausgehen, dass, wenn eine solche Szene auf Social Media die Runde macht, Fans und Medien signifikant mehr darüber diskutieren, als die betroffenen Spieler selbst.
Bei Rodgers fällt es zugegebenermaßen schwer, nicht gelegentlich in dieser Schiene zu landen. Wenn er Samori Toure nach einer Incompletion anfährt, obwohl es Rodgers war, der den Ball unterworfen hatte. Oder wenn er in der Pat McAfee Show darüber spricht, dass manche seiner Mitspieler, die "zu viele Fehler machen, nicht spielen sollten. Wir müssen einige Snaps kürzen. Und vielleicht Jungs, die nicht spielen, eine Chance geben."
Rodgers mit Tendenzen wie unter McCarthy
Er ist schon, sagen wir, auffällig in dieser Hinsicht. Gar nicht mal nur in der Körpersprache, sondern auch in den Dingen, die er tatsächlich kommuniziert. Vor allem aber ist auffällig, und vermutlich auch aussagekräftiger, dass Rodgers rein sportlich betrachtet in einige Tendenzen aus dem Ende der McCarthy-Ära verfallen ist. Ein bisschen was davon war auch gegen die Bears am Sonntag zu sehen, in einem Spiel, das Green Bay eigentlich klar hätte gewinnen sollen.
Dass er versucht, Hero-Ball zu spielen. Dass die Offense insgesamt statischer wirkt, weniger Under-Center-Runs mit Passing-Designs kombiniert und stattdessen mit Rodgers aus der Shotgun versucht, Defenses zu sezieren. Ohne die notwendige Geduld, ohne die notwendige Receiver-Qualität, ohne auch die notwendigen Play-Designs.
Das ist zuletzt etwas besser geworden, womöglich auch bedingt dadurch, dass Rodgers' Daumenverletzung ihm weniger zu schaffen macht. Doch wie fruchtbar kann die Rodgers-LaFleur-Ära noch sein? Oder die Rodgers-Brian-Gutekunst-Ära, weil er genug hat von den Kader-Entscheidungen?
Ist eine Trennung das erwartbare Ende nach dieser schon jetzt überaus enttäuschenden Saison? Sollten die Packers sogar gewillt sein, Rodgers abzugeben und den Neustart einzuleiten? Falls die Zeit von Aaron Rodgers jetzt tatsächlich ihrem Ende entgegen geht, gibt es im Kern drei Optionen, wie das ablaufen kann:
- Die Packers traden Rodgers: Dead Cap über 40,3 Millionen Dollar
- Rodgers tritt zurück: Dead Cap über 40,3 Millionen Dollar
- Die Packers entlassen Rodgers: Dead Cap über 99 Millionen Dollar
Aus Cap-Perspektive gäbe es jeweils die Möglichkeit, den Dead Cap Hit auf zwei Jahre aufzuteilen - eine Entlassung können wir dennoch mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen.
Falls Rodgers rücktritt, könnten sich beide Seiten auf einen angepassten Vertrag einigen, damit Green Bay den Dead Cap Hit aufteilen kann.
Bei einem Trade wäre das Timing kritisch: Ein Trade vor dem 1. Juni würde die 40,3 Millionen Dollar Dead Cap direkt auf den Packers-Cap für 2023 veranschlagen. Ein Trade nach dem ersten Juni würde 24,48 Millionen Dollar davon aus Cap-Perspektive auf 2024 schieben.
Packers: Der Neustart kommt - aber wie deutlich?
Doch wie wahrscheinlich ist diese Option? Sollte Rodgers wirklich per Trade zu haben sein - würden Teams dann bis in den Sommer warten? Und würde Green Bay selbst so lange warten wollen, in dem Wissen, dass man dann für 2023 keine Picks bekommt? Aus Cap-Perspektive würde Rodgers sein potenzielles neues Team nach einem Trade 2023 und 2024 je unter 20 Millionen Dollar kosten, was den Trade-Value noch attraktiver macht.
Der Dead Cap Hit über 40,3 Millionen Dollar im Falle eines Trades wäre noch nicht einmal der höchste Dead Cap Hit aller Zeiten: Matt Ryan steht dieses Jahr nach seinem Trade nach Indianapolis in der Offseason mit 40,525 Millionen Dollar in den Büchern der Atlanta Falcons, die höchste Dead-Cap-Zahl aller Zeiten.
Rodgers wäre insofern kein Novum, doch haben die Packers Stand jetzt 3,5 Millionen Dollar Cap Space für die kommende Saison - mit Rodgers' Cap Hit in Höhe von 31,6 Millionen Dollar eingerechnet, also knapp neun Millionen weniger als im Falle eines Trades in den Büchern stehen würde. Einige weitere Anpassungen wären also nötig, und zumindest ein softer Rebuild wäre die Folge - wie aber vermutlich in jedem Szenario, wenn Aaron Rodgers die Packers verlässt.
Und dass Rodgers noch einen Markt hätte, daran habe ich keinen Zweifel. Es bräuchte einen Head Coach, der ihn managen kann, aber nach wie vor zeigt Rodgers Woche für Woche einige irre Würfe, bringt Bälle in engste Fenster Downfield. Es wird genug Teams geben, die Rodgers für ein, zwei Jahre haben wollen. Washington könnte eine Option sein - oder vielleicht sogar in bester Brett-Favre-Manier die Jets?
3. Die Eagles-Offense zeigt ein wichtiges Puzzleteil
So ziemlich jede Saison bietet ein, zwei Shootingstar-Teams. Teams, die zwar in der Offseason auf dem Papier spannend daherkommen und denen man durchaus eine reelle Chance für einen großen Sprung gegeben hat - aber die auch einige Fragezeichen mitbringen, nicht selten auf der Quarterback-Position, was im schlimmsten Fall auch jeden Optimismus der Offseason ad absurdum führen kann.
Wenn dann diese Teams selbst die positivsten Prognosen übertreffen, lässt sich häufig ein Jahr für Jahr ähnlicher Dialog beobachten: Eine Diskussion darüber, wie stark besagtes Team - oder auch der Quarterback für sich betrachtet - wirklich ist, mit sehr positiven Analysen, angelehnt an den Leistungen der bisherigen Saison, auf der einen Seite, und skeptischeren Betrachtungsweisen auf der anderen Seite
Ich persönlich falle meist in die zweite Kategorie, was irgendwo sicher auch in der Natur der Sache als Analyst liegt: Eine gewisse natürliche Skepsis, die einen zögern lässt, zu früh schon ein Team als sattelfesten Titelanwärter zu krönen. Was dann wiederum zu besagten Diskussionen führt zwischen dem Fan, den die Skepsis des Analysten trotz guter Ergebnisse irgendwann nervt, und dem Analysten, der die Schwierigkeiten der kleinen Sample-Size und der eigenen Meinung über bestimmte Spieler umschiffen muss.
Wie gut sind die Eagles wirklich?
Die Philadelphia Eagles sind ein wunderbares Beispiel dafür. Ein Team, das mit einem sehr kompletten Kader an den Start dieser Saison gegangen ist, das auf Kurs ist, sich den Nummer-1-Seed in der NFC zu holen. Ein Team, das Gegner bisweilen dominieren kann. Und ein Team, das mit einem klaren Quarterback-Fragezeichen in die Saison gegangen ist.
Dabei steht es außer Frage, dass Jalen Hurts merkliche Fortschritte zeigt. Dennoch bin ich nach Woche 13 noch nicht davon überzeugt, dass Jalen Hurts der nächste 45-Millionen-Dollar-Quarterback werden sollte. Und was die kurzfristige Perspektive angeht, ging ich in diese Woche 13, auch noch nicht davon überzeugt, dass die Eagles Spiele gewinnen können, in denen ihr Passspiel sie komplett tragen muss.
Das Spiel gegen die Titans war ein wichtiges Puzzleteil in der Analyse dieses Eagles-Teams für mich in dieser Hinsicht. Denn es war von Anfang an so, dass Tennessee den Run immer wieder sehr schnell stoppen konnte - und vor allem schossen sich die Eagles immer und immer wieder in den eigenen Fuß.
False Starts häuften sich bereits beim ersten Drive, die Eagles hatten sechs Strafen (!) allein im ersten Viertel und standen Mitte des zweiten Viertels bei neun kassierten Flaggen. Das führte unweigerlich auch immer wieder zu langen Down-and-Distance-Situationen - und es war eindrucksvoll zu sehen, dass das quasi keine Rolle spielte.
Eagles finden immer wieder Big Plays
Hurts fand auch in offensichtlichen Passing-Situationen von Anfang an offene Receiver. Und selbst verpasste Gelegenheiten wurden nicht bestraft: Beim ersten Drive verfehlte er Quez Watkins, direkt danach fand er DeVonta Smith zum tiefen Touchdown. Der Wurf war nicht einmal ideal - aber es spielte keine Rolle.
Wenig später hatte er A.J. Brown zum 41-Yard-Touchdown via Go-Route, doch Browns Fuß war knapp im Aus aufgekommen. Direkt das nächste Play war ein weiterer - dieses Mal regelkonformer - 41-Yard-Touchdown auf Brown, der buchstäblich über Kristian Fulton gebulldozert war und komplett allein in der Endzone stand.
Es war eindrucksvoll zu sehen, wie die Eagles immer wieder Big Plays durch die Luft fanden, aber vielleicht der am meisten ermutigende Part aus Sicht der Eagles-Analyse war Hurts selbst.
Nicht so sehr die Würfe, da waren einige unsaubere Pässe auch dabei; auch wenn manche davon noch belohnt wurden, wie etwa bei der tiefen Defensive-Pass-Interference-Strafe spät in der ersten Hälfte bei einem Underthrow zu Brown. Es war am meisten Hurts' Ruhe in der Pocket früh im Spiel, die Hoffnung auf mehr machte.
Denn: Tennessees Pass-Rush war komplett zahnlos früh in der Partie, Hurts aber fing nicht an, loszuscrambeln oder Plays vorzeitig aufzugeben. Er spielte mit Ruhe und Geduld, und das öffnete eine Vielzahl an vertikalen Pass-Konzepten. Das änderte sich im Laufe der Partie zumindest dahingehend, dass der Pass-Rush der Titans aufwachte, und Hurts mehr unter Druck setzte.
A.J. Brown setzt seinem Revenge-Game die Krone auf
Doch mit einer 21:10-Führung zur Halbzeitpause gegen eine Defense, die über die letzten acht Spiele überhaupt nur zwei Mal 20 (!) Punkte zugelassen hatte, war Philadelphia bis dahin schon wieder an einem Punkt angekommen, an dem die Eagles verwalten konnten.
Und einfach nur "verwalten" wird der Sache nicht einmal gerecht, denn: gegen das zumindest defensiv physischste Team in der NFL gingen die Eagles in puncto Physis in diesem Matchup komplett mit, und drückten dem Spiel mit ihrer Defensive Front ebenfalls den Stempel auf.
Und "verwalten" wird der Sache auch nicht gerecht, weil die Revanche-Tour von A.J. Brown gegen sein Ex-Team noch nicht abgeschlossen war: Ein spektakulärer 29-Yard-Touchdown, bei dem er keinerlei Separation kreierte, aber am Catch Point mal wieder scheinbar mühelos gewann.
Die Eagles machten über weite Teile der ersten Hälfte vieles, um die Titans im Spiel zu halten - und Tennessee ist nicht das Team, gegen das man diesen Fehler machen will. Wie dominant Philly diese Partie dennoch gestaltete, wie deutlich die Eagles schon früh im dritten Viertel führten - es war ein klarer Hinweis darauf, wo die Reise hingehen kann.
Und einem notorisch skeptischen Analysten wie mir gibt es ein wichtiges Puzzleteil, um zu sehen, was für dieses Team möglich sein kann, wenn man, ob aufgrund des Matchups oder eigener Fehler, einen bestimmten Stil spielen muss.
4. NFC Playoffs: Vikings und Seahawks sind ... auf Augenhöhe?
Es ist faszinierend zu sehen, wie die Vikings Woche für Woche das gleiche Team sein können. Noch faszinierender ist es, zu beobachten, wie Minnesota auf diese Art und Weise weiter gewinnt, und gewinnt, und gewinnt.
Das war auch wieder die Storyline gegen die Jets. Die Vikings-Line, ohne Christian Darrisaw, wackelte, die Offense viel - mal wieder - in ein Loch, aus dem sie sich dann spät im Spiel rausarbeiten musste. Und das schaffte sie! Als Minnesota den einen Drive brauchte, legte Cousins mehrere gute Pässe auf und fand am Ende Justin Jefferson in der Endzone.
Es war ein Drive, der fast zu einfach aussah, gemessen an den Problemen, die Minnesotas Offense über weite Strecken der Partie an den Tag gelegt hatte: Nachdem die Vikings spät in der ersten Hälfte mit 20:3 in Führung gegangen waren, eröffneten sie die zweite Hälfte mit drei Punts und insgesamt zehn Yards Raumgewinn bei diesen Drives.
Die Jets um Mike White hatten mehrere Chancen, diese Partie zu drehen und zu gewinnen, die beste verpasste Braxton Berrios, der einen White-Pass in der Endzone nicht kontrollieren konnte. Es passte aber auch ins Gesamtbild dieser Partie: Die Jets hatten 199 Yards, 1,6 Yards pro Play und zwei First Downs mehr. Aber sie waren 1-6 in der Red Zone. Die Vikings? 3-3.
Nun ist Effizienz nichts, wofür man sich schämen sollte, im Gegenteil. Aber Spiele wie gegen die Jets - und ehrlicherweise fast jedes Vikings-Spiel - zeigen, warum es so schwierig ist, diesem Vikings-Team zu vertrauen. Auch wenn sie weiter gewinnen. Es ist ein minimaler Spielraum für Fehler, ein häufig ähnlicher Spielverlauf, und es ist und bleibt schwer vorstellbar, dass dieser enge Spielraum weiterhin für die Vikings ausgeht. Auch wenn es aktuell der Fall ist.
Seahawks: Müssen wir uns Sorgen machen?
Bei den Vikings ist klar, dass Minnesota in die Playoffs einziehen wird. Die Division sollte bald auch rechnerisch gewonnen werden, und dann steht in erster Linie die Frage im Raum, ob Philadelphia noch stolpert, und der Nummer-1-Seed in Reichweite gerät - wenn, ja wenn, Minnesota selbst weiter gewinnt.
In einer derart luxuriösen Situation sind die Seahawks noch lange nicht. Seattle wird um sein Playoff-Ticket kämpfen müssen, und das Spiel gegen ein massiv dezimiertes Rams-Team war ein klarer Hinweis darauf, dass die Probleme bei den Seahawks ernstzunehmen sind.
Das beginnt mit der Run-Defense, welche nach einem kurzen Zwischenhoch jetzt schon seit Wochen schwimmt. Und das unter anderem gegen schwache Rushing-Offenses wie die der Buccaneers oder jetzt der Rams. Dass auch die Offensive Line gegen diesen Rams-Pass-Rush ohne Aaron Donald wackelte, gibt weiteren Grund zur Sorge.
Seattle früh in der Saison war ein Team, das Shootouts gewinnen konnte. Dann schienen sie ein Team zu werden, das sich defensiv stabilisiert und noch immer eine schlagkräftige Offense hat - und ein ernstzunehmendes Playoff-Team stellen könnte.
Mittlerweile sind wir wieder mehr in der Frühphase der Saison angekommen. Dass es gegen die Rams einen späten Touchdown-Drive mit Big Plays von Geno Smith und seinen Receivern brauchte, unterstreicht, wie haarig diese Rechnung ist. Wie schwierig es ist, auf diese Art und Weise Spiele zu gewinnen - und was für eine Hypothek eine solche Defense darstellt, wenn es in die Playoffs geht.
Ich sehe die Seahawks als Team nicht bedeutend schlechter als die Vikings, und ehrlicherweise würde ich Minnesota mit Seattles Record realistischer eingeschätzt sehen. Dementsprechend wäre ein mögliches Playoff-Matchup zwischen diesen beiden Teams auch hochspannend zu beobachten.
5. Russell Wilson Debakel: Der Ritt auf der Kanonenkugel
Die Geschichten des Barons von Münchhausen sind - wie einst die Highlights von Russell Wilson - geprägt von physikalisch irrwitzigen Vorkommnissen.
Da springt er mit seinem Pferd durch eine fahrende Kutsche, er wirft seine Axt bis auf den Mond und klettert mit einer Bohnenranke hoch, um sie wieder runter zu holen - und während der Belagerung einer Stadt springt er kurzerhand auf eine abgefeuerte Kanonenkugel, um auf diesem Wege die Mauern zu überwinden und die feindliche Stadt ausspionieren zu können.
Es sind Geschichten, die so absurd sind, dass sich die Frage nach dem Wahrheitsgehalt nicht einmal in der lebhaftesten Fantasie stellt, und manchmal frage ich mich, ob Broncos-Fans nicht ähnlich verwirrt reagiert hätten, hätte man ihnen vor vier Monaten vorausgesagt, wo das Team im letzten Saisondrittel stehen würde.
Dass das erste Matchup zwischen Russell Wilson und Patrick Mahomes innerhalb der Division aus dem Sunday-Night-Spot rausgetauscht werden würde. Dass bereits die Taschenrechner diverser Broncos-Analysten heiß laufen, um herauszufinden, mit wie viel finanziellem Schaden man sich von Russell Wilson zeitnah trennen könnte.
Dass wir vor Woche 13 nicht über Wilson vs. Mahomes, sondern darüber diskutieren würden, ob es jetzt gut oder schlecht ist, dass die Hälfte des Teams zu Wilsons Geburtstagsfeier kam - hätten es mehr sein müssen? Ist es eine normale Zahl? Ist es ein Zeichen dafür, dass Wilson den Locker Room verliert? -, und die andere Hälfte eben nicht.
Broncos auch gegen Baltimore enttäuschend
Doch an dem Punkt sind wir mit dieser Broncos-Saison angekommen. Und Wilson sah gegen Baltimore anfangs sogar etwas agiler aus, aber die Tatsache, dass Denver dieses Spiel gegen ein dezimiertes Ravens-Team ohne Lamar Jackson, nicht runter gespielt bekommt, unterstreicht, wie fragil dieses Team ist. Die Broncos haben jetzt in zehn Spielen dieses Jahr weniger als 17 Punkte erzielt, so kann niemand in der heutigen NFL erfolgreich sein.
Und dabei ist es leicht, jetzt über die Broncos zu lachen. Aber zur fairen Gesamtbetrachtung gehört auch, dass Nathaniel Hackett für die meisten einer der Top-Head-Coach-Kandidaten auf dem Markt war. Und es gehört dazu, dass der Trade für Russell Wilson mehr oder weniger unisono gelobt wurde.
Ein Broncos-Team, das sich seit Peyton Manning von Trevor Siemian zu Paxton Lynch, Case Keenum, Joe Flacco, Drew Lock und Teddy Bridgewater gehangelt hat, schien endlich seine Quarterback-Lösung gefunden zu haben. Selbst wenn Wilson etwas nachgelassen hatte, sollte er der mit Abstand beste Quarterback in Denver seit der Hochphase mit Manning werden - und diese Prognose schien selbst mit einer gehörigen Portion Realismus noch sehr tief gestapelt.
Und während es unbestreitbar ist, dass Wilson körperlich abgebaut hat, dass sein ganzes Spiel an Tempo und Power verloren hat, so wäre es Unsinn, ihn alleine hier in die Schusslinie zu ziehen.
Hacketts mitunter desolates Game Management ist gut dokumentiert, aber es ist auch die Offense. Routes, die schlecht designed und schlecht gelaufen sind. Eine dezimierte O-Line, die kein vernünftiges Run Game zulässt. Wilson als Quick-Game-Passer viel aus der Shotgun, ohne konstante Accuracy oder gutes Pocket-Management.
Denvers offensive Probleme sind vielschichtig. Doch es ist enttäuschend, dass, nach allem, was die Broncos in ihn investiert haben, Russell Wilson nicht zumindest Teile dieser Probleme überwinden und einige der Defizite in anderen Bereichen kompensieren kann.
Broncos: Ist Hackett als Head Coach One-and-Done?
Wilson ist rein aus vertraglicher Perspektive vorerst der Fixpunkt, und dennoch ist es unvorstellbar, dass die Broncos mit dem gleichen Setup auch in die kommende Saison gehen. Umso weniger, da das Team verkauft wurde und neue Besitzer hat, seit Hackett im Vorjahr verpflichtet wurde.
Keine direkte Verbindung zwischen Teambesitzern und Hackett, eine Vielzahl an Problemen, die auf den Head Coach zurückzuführen sind, und in der Gleichung ist der Quarterback derjenige, von dem man sich kurzfristig kaum trennen kann: Hackett wird seinen Job zum Saisonende verlieren, davon gehe ich aus.
Und Wilson? Diese realistischen - einen Trade halte ich angesichts des Vertrags und seiner gezeigten Leistungen für nahezu ausgeschlossen - Möglichkeiten hätte Denver in der kommenden Offseason:
- Die Broncos könnten Wilson ganz direkt in der kommenden Offseason entlassen - und würden einen Dead-Cap-Hit über 107 Millionen Dollar für 2023 schlucken. Das würde die 2023er Saison zu einem reinen Übergangsjahr machen, mit dem mit Abstand höchsten Dead Cap Hit aller Zeiten, mehr als doppelt so viel wie die Bestmarke, welche die Falcons mit Matt Ryan in dieser Saison aufstellten.
- Die Broncos könnten den Option-Bonus aktivieren, womit der Bonus aus Cap-Perspektive in einen Unterschriftsbonus umgewandelt wird. Dann könnten sie Wilson als Post-June 1 Cut designieren, dann würden wir über 61 Millionen Dead Cap 2023 und 46 Millionen Dead Cap 2024 sprechen. Machbar - aber eine heftige Hypothek für die nächsten beiden Jahre.
Eine Entlassung nach der 2023er Saison ist der realistischste erste Ausweg. Denver könnte Wilson dann ebenfalls als Post-June 1 Cut festlegen, womit 35,4 Millionen Dead Money 2024 und 49,6 Dead Money 2025 in den Büchern bleiben würden.
Immer noch viel, aber es würde den Broncos die Gelegenheit geben, Wilson nochmal für ein Jahr zu evaluieren - eventuell dann auch mit neuem Coach -, um danach gegebenenfalls das Ende mit (halbwegs verkraftbarem) Schrecken, statt den Schrecken ohne Ende zu wählen.
Münchhausen, für alle, die die Geschichte nicht kennen, wählt übrigens bei seinem Ritt auf der Kanonenkugel auch den schnellen Rückzug: Während er auf der großen Kugel Richtung Stadt ritt, fiel ihm auf, dass er zwar sehr wohl auf diesem Wege in die feindliche Festung hineinkommen würde - aber wie sollte er wieder rauskommen?
Sein Fehler wurde ihm nur allzu schnell bewusst, doch er fand den schnellen Ausweg: Eine feindliche Kanonenkugel aus der Festung flog ihm entgegen, sodass er kurzerhand in der Luft von einer Kugel auf die andere umstieg, und unbeschadet in das eigene Lager zurück flog.
Ganz so unbeschadet wird es für die Broncos nicht laufen. Doch die nächste Kanonenkugel in die entgegengesetzte Richtung ist in der NFL manchmal näher, als man denkt.