Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 4 in der NFL

Von Adrian Franke
04. Oktober 202110:15
SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf den NFL-Sonntag in Woche 4.getty
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Die Arizona Cardinals überraschen in Woche 4 die NFL und dominieren die Rams in Los Angeles - Arizona bleibt somit als einziges ungeschlagenes Team in der NFC. Die Bears zeigen ein ganz anderes Gesicht, und könnten Auftritte von Baker Mayfield den Start einer neuen Ära bedeuten? Die Lehren aus Woche 4 in der NFL!

Das Thema, das Woche 4 völlig zu Recht überschattete, war selbstredend die Rückkehr von Tom Brady nach New England. Inklusive aller Emotionen, dem Passing-Rekord, und im zweiten Spiel in Folge einigen Nachfragen dahingehend, ob die Buccaneers offensiv vielleicht doch noch etwas ihren Rhythmus finden müssen? Fehlte Gronkowski mehr als gedacht? Wie stark ist der Titelverteidiger nach vier Spielen wirklich schon? Und was ging in Belichick vor, als er dieses lange Field Goal kicken ließ? Allein deshalb, weil Brady den Ball ja zurückbekommen hätte, selbst wenn der schwierige Kick sitzt?

Die Niederlage der Rams und der erneut wacklige Auftritt der Buccaneers machen auch die Gesamteinschätzung der Liga sehr interessant, denn ein klar bestes Team der Liga gibt es bisher nicht. Das allerdings ist eine Diskussion für morgen, dann kommt mein erstes Power Ranking für diese Saison.

Los geht's stattdessen mit der NFC West, die für sich mehrere Learnings für die Liga bereitstellen könnte - und die aktuell den MVP-Favoriten zu bieten hat.

Sind die Cardinals das beste Team in der NFL?

Acht Niederlagen in Folge hatte es gekostet, fast alle davon mit mindestens 30 zugelassenen Punkten - im neunten Versuch gelang den Arizona Cardinals der erste Sieg gegen die Los Angeles Rams in der gesamten Sean-McVay-Ära. Der Sieg war dafür umso eindrucksvoller, 37:20 hieß es am Ende, und der zweite Rams-Touchdown kam erst kurz vor Spielende.

Die Rams waren für viele - auch für mich - vor diesem Spieltag das beste Team in der NFL, nach dem Sieg gegen Tampa Bay wirkten sie wie das kompletteste Team, mit Big-Play-Optionen auf beiden Seiten des Balls.

Sind jetzt die Cardinals das beste Team in der NFL?

Der Sieg war dahingehend ein Ausrufezeichen, dass Arizonas Offense die Rams-Front ab dem zweiten Drive dominierte. Das war so absolut nicht zu erwarten gewesen, und es ermöglichte Arizona lange Scoring Drives. Elf Plays, 17 Plays, zehn Plays, neun Plays, zwölf Plays - um nur die längeren Scoring-Drives zu nennen. Nach dem Three-and-Out direkt zum Start puntete Arizona nur noch ein einziges Mal.

Es war ein dominanter Auftritt, welcher die Wahrnehmung der Cardinals in der Öffentlichkeit verändern wird, und das sollte er auch. Arizona ist deshalb nicht gleich das beste Team in der NFL, dafür gibt es gerade in der Defensive Front noch zu viele Fragezeichen; ich war ehrlicherweise überrascht, dass die Rams nicht länger bei ihrem Run Game geblieben sind, welches sehr gut funktionierte gegen Arizonas Defense. Genau wie das der Jaguars in der Woche davor und das der Vikings in der Woche davor.

Aber Arizona klettert mit diesem Sieg in die Gruppe der Top-Teams, so weit würde ich gehen, und das hat zuallererst einen Grund: Quarterback Kyler Murray ist nach vier Spielen der klare MVP-Favorit für mich.

Brady und Prescott spielen noch besser aus der Pocket bislang, aber kein Spieler hat über die ersten vier Spiele so viel Offense kreiert, während er sich gleichzeitig innerhalb der Struktur und im Lesen der Defense nochmals deutlich gesteigert hat. Die Big Plays gegen den Blitz, das Finden von Matchups, und dazu die wahnsinnigen athletischen und physischen Möglichkeiten Out-of-Structure machen Murray nicht nur unterhaltsam, sondern über die ersten vier Spiele wertvoller für sein Team als irgendein anderer Spieler für das seinige Team ist.

Vor allem die erste Hälfte gegen die Rams war nahezu fehlerfrei, Murrays Improvisationen heben Arizonas Offense in kritischen Momenten nochmals auf ein anderes Level. Er ist am Boden eine Bedrohung für jede Defense und seine Accuracy gerade auch im tieferen Passspiel ist eindrucksvoll.

Und natürlich hatte Murray in jedem der ersten drei Spiele auch je einen üblen Patzer drin; aber kein Quarterback ist nach vier Wochen fehlerfrei, und mit Murrays Spielstil nimmt man diese einzelnen Fehler in Kauf, weil die positiven Aspekte deutlich überwiegen. Wenn heute MVP-Wahl wäre, wäre Murray bei mir die 1, gefolgt von Prescott und Mahomes.

Ich bin gespannt, ob Arizona diese offensive Schlagzahl aufrechterhalten kann. Falls ja, sind die Cardinals ein ernsthafter Titelkandidat - und Murray der MVP-Favorit.

Die Anatomie der NFC West: Welche Lehren bleiben?

Diese Tage bieten sich aber an für einen generellen Blick auf die Division. In Woche 4 und auch kommende Woche am fünften Spieltag gibt es das erste große Hauen und Stechen in der NFC West, mit direkten Duellen jeweils gegeneinander. Das ging diese Woche los mit dem Sieg der Cardinals bei den Rams sowie Seattles Erfolg gegen San Francisco, bereits am Donnerstagabend geht es zwischen den Rams und den Seahawks in die nächste Runde, gefolgt vom Cardinals-Niners-Duell in Arizona am Sonntag.

Die NFC West ist eine der stärksten Divisions in der NFL, in der alle vier Teams eine reelle Chance auf den Titel haben. Schaut man auf die ersten Spieltage der Saison, kann man sehr gut argumentieren, dass sich die AFC West bisher stärker präsentiert; aber auch nach diesen ersten Wochen wäre ich überrascht, wenn am Ende Denver oder Las Vegas die Division gewinnen würde.

Das ist in der NFC West anders: Hier wäre kein Division-Sieger wirklich überraschend, und jedes Team aus dieser Division könnte in den Playoffs auf seine Art für Furore sorgen.

Dies Statement, kombiniert mit dem Aspekt "auf seine Art" war für mich in den NFC-West-Wochen der Auslöse, um alle vier Teams mal genauer anzuschauen. Denn diese vier Teams sind sehr unterschiedlich konstruiert - und bieten in meinen Augen alle ihre eigenen Lektionen, die je nach bisheriger Herangehensweise und Zustand des Teams auch für andere Franchises Lehren anbieten.

Arizona Cardinals: Mut zum Wechsel

Steve Keim hätte bereits an mehreren Punkten über die letzten fünf Jahre seinen Job verlieren können, wenn nicht gar müssen. Nicht zuletzt nachdem er 2018 mit Alkohol am Steuer erwischt worden war, aber auch wenn man nur auf seine sportlichen Entscheidungen blickt.

Was man ihm allerdings hoch anrechnen muss, und das erst hat die Cardinals zu dem Team gemacht, das sie heute sind, ist der Mut zur Veränderung. Konkret, der Mut, nur ein Jahr nachdem man für Josh Rosen in die Top 10 des Drafts geklettert war, zu dem Schluss zu kommen, dass Rosen nicht die Antwort ist, und dass es mit Kyler Murray eine Option im Draft gibt, welche signifikant mehr Upside bietet - und dann auch dementsprechend zu handeln.

Dass ein Team in aufeinanderfolgenden Jahren seinen Erstrunden-Pick in einen Quarterback investiert, hatte es zuvor seit 1982/83 nicht mehr gegeben, als die Baltimore Colts erst Art Schlicter und dann John Elway drafteten - wobei Elway nie für die Colts spielte, er forcierte einen Trade nach Denver. Vor den Colts Anfang der 80er Jahre hatte es dieses Phänomen - ein Team draftet einen Quarterback in Runde 1 in aufeinanderfolgenden Jahren - nur drei Mal gegeben.

Was mit Blick auf die bisherigen Karrieren von Rosen und Murray wie eine glasklare Entscheidung wirkt, war im Frühjahr 2019 natürlich wesentlich umstrittener und wurde auch dementsprechend kritisiert. Und doch ist es eine wertvolle Lektion für etwa die Miami Dolphins, die nach dieser Saison eine Quarterback-Entscheidung treffen müssen. Die Chicago Bears sind gerade das Musterbeispiel dafür, wie ein Kader aussieht, der zu lange für ein vermeintliches Fenster mit einem jungen Quarterback aufgebaut wurde, welches aber eigentlich nie wirklich offen war.

Die einzige Hoffnung bietet Justin Fields, und hier hatten die Bears letztlich Glück, dass er im Draft weit genug abgerutscht ist. Die Lektion hier? Ja, man will einem jungen Quarterback Zeit geben. Aber die Gefahr, sich selbst ins Liga-Mittelmaß zu befördern, weil der Kader gut, der junge Quarterback aber doch nicht die Antwort ist, ist eine reelle Gefahr. Und wer über seine ersten 14, 15, vielleicht 20 Spiele nicht das Potenzial angedeutet hat, ein Top-10-Quarterback werden zu können, oder zumindest die physische Upside dafür hat - der hat wenige Argumente auf seiner Seite.

Los Angeles Rams: Veterans statt Draft-Picks

Zwei Erstrunden-Pick und ein Drittrunden-Pick für Matt Stafford. Zwei Erstrunden-Picks und ein Viertrunden-Pick für Jalen Ramsey. Ein Dritt- und Fünftrunden-Pick für Dante Fowler. Ein Erstrunden-Pick für Brandin Cooks. Und natürlich der Trade, mit dem gewissermaßen alles losging: Zwei First-Rounder, zwei Second-Rounder und zwei Third-Rounder, um im Draft 2016 an Position 1 zu klettern und sich Jared Goff zu sichern.

Dass Teams in der NFL versuchen, sich über Veteran-Trades einen Vorteil zu verschaffen, ist keineswegs neu - gemeint war dabei aber über die letzten Jahre primär genau das andere Ende des Spektrums von dem was die Rams machen: Teams wie die Patriots oder auch die Ravens, die noch immer produktive Spieler finden, die bei einem Team sind, das einen Umbruch anstrebt - und das lieber Draft-Ressourcen als alternde Spieler haben will.

Dann kommen Trades wie der von Calais Campbell heraus, welcher 2020 für einen Fünftrunden-Pick von Jacksonville nach Baltimore wechselte. Die Rams bewegen sich in ganz anderen Extremen, kein Team scheint seine Picks so wenig zu gewichten wie Los Angeles. Da kann dann auch mal ein Viert- und ein Sechstrunden-Pick für Sony Michel über den Tisch wandern, weil McVay sein Backfield hoch gewichtet; das haben wir auch im Draft bereits mehrfach gemerkt. Aber der übergreifende Takeaway, und die Art, wie dieser Kader konstruiert ist, ist ein anderer.

In einer Liga, die Jahr für Jahr mehr Wert auf Draft-Ressourcen legt, sind die Rams das eine Team, das antizyklisch arbeitet. Wichtig dabei ist, dass sie die Premium-Ressourcen auch in die in der heutigen NFL elementaren Positionen - Quarterback, Elite-Cornerback, Wide Receiver, Pass-Rusher - investieren. Wichtig ist außerdem, dass sie extrem gutes Coaching über die letzten Jahre hatten, welches mögliche Löcher im Kader überspielte.

Und ein ebenfalls nicht zu unterschätzendes Puzzleteil, wenn man jahrelang nie in der ersten Runde pickt, sind die Picks an Tag 2 und Tag 3 des Drafts: Rob Havenstein (2. Runde 2015), Van Jefferson (2/2020), Tyler Higbee (4/2016), John Johnson (3/2017), Cooper Kupp (3/2017), David Edwards (5/2019), oder auch Brian Allen (4/2018) - das sind, wenn man den in der Offseason abgewanderten Johnson und Kupp mal ausklammert, keine Stars, aber es sind wichtige Teile dieses Teams, die man braucht, um mit dieser aggressiven Strategie eine entsprechende Kadertiefe anzubieten.

San Francisco 49ers: Wie wichtig ist der Quarterback?

Die spannendste Frage rund um die Niners lautet für mich: Wann braucht man ein Quarterback-Upgrade - und wie baut man dieses ein?

Ja, die 49ers waren mit Jimmy Garoppolo im Super Bowl, und hätten diesen auch beinahe gewonnen. In einer Saison, in welcher die Defense herausragend spielte, und die Offense aus allen Rohren feuerte. Garoppolo spielte gut, das soll dabei gar nicht unter den Tisch fallen - aber es braucht eben diese extrem guten Umstände auch, um mit einem solchen Quarterback zu gewinnen.

Und hier beginnt die Diskussion: In der Shanahan-Offense ist der Wunsch nach einem Quarterback, der primär das Scheme umsetzt groß. Und das ist auch wichtig, generell in jeder Offense, doch die Liga geht mehr und mehr dahin, dass Playmaker auf der Quarterback-Position dominieren.

Dass Shanahan diesen Trend akzeptiert, zeigt der Preis, den man gezahlt hat, um Trey Lance zu bekommen. Wie gelingt Shanahan dieser Spagat? Und wenn Lance dann irgendwann fix als Starter spielt: Wie gelingt es, Lance in seiner Kreativität zu bestärken, und gleichzeitig dabei auf die strikte Struktur des Schemes zu pochen? Und was verrät uns das womöglich über den generellen Quarterback-Trend in der NFL?

Nachdem Lance am Sonntag gegen Seattle rein musste, betonte Shanahan, dass der Game Plan nicht auf ihn ausgerichtet gewesen sei, und dass der Rookie erwartbare Fehler gemacht habe. Infolge der Knöchelverletzung von Garoppolo dürfte Lance jetzt zwei, vielleicht mehr Spiele bekommen, in denen alles auf ihn zugeschnitten ist und ich sehe eine sehr gute Chance, dass die Niners-Offense dann besser auftreten wird als das, was wir bisher dieses Jahr mit Garoppolo gesehen haben.

Seattle Seahawks: Auch der Elite-Quarterback braucht Hilfe

Russell Wilson ist ein fantastischer Quarterback. Daran sollte kein Zweifel bestehen, und gleichzeitig hat natürlich auch Wilson seine Schwächen. Das konstante Spiel aus der Pocket, gerade in der Mitte des Feldes. Im Timing und Rhythmus des Play-Designs zu bleiben, eine Woche für Woche konstante Offense anzuführen. All diese Dinge sind nicht gerade Wilsons Spezialität.

Was er dafür anbietet, ist eine Athletik, die Defenses empfindlich bestrafen kann, ein sehr guter Arm und ein exzellenter Deep Ball. Und seit Jahren suchen sie in Seattle jetzt schon nach dem idealen Playbook und den idealen Umständen, um Wilsons Qualitäten in einen guten Rahmen zu packen.

Ich habe nach wie vor die Hoffnung, dass Shane Waldron diesen Rahmen bereiten kann. Aber die Lektion ist klar, und wir sehen sie bei anderen Teams wie Kansas City, wie Buffalo, oder selbst mit Brady in Tampa Bay: Auch sehr gute Quarterbacks brauchen Hilfe, um nicht nur Jahr für Jahr Highlights zu liefern, dann aber in den Playoffs frühzeitig zu scheitern, sondern um wirklich ein jährlicher Titelkandidat zu sein.

Und das überträgt sich auch auf die bisherige Saison. Die ist natürlich noch jung, und mit einem neuen Offensive Coordinator kann es etwas dauern, bis sich alles so wirklich eingespielt hat. Doch auch gegen die 49ers war Seattles Offense wieder zu lange "Big Play oder kein Play", sprich: die Offense ist abhängig von den Big Plays, sie sind nicht die Kirsche auf der Spitze. Das muss sich ändern, damit ein konstanter Rhythmus und somit auch eine Baseline Einzug erhält.

Mayfield schwächelt - der Start einer neuen Ära?

Die Browns haben ein gutes Team, ein sehr gutes sogar. Die vermutlich beste Offensive Line in der NFL, ein seht gutes Running-Back-Duo, einen extrem vielversprechenden Head Coach, zwei gute Receiver - und eine Defense!

Das war letzte Woche bereits offensichtlich, auch wenn sich - zu Recht - jeder auf Matt Nagy, das Play-Calling und die Offensive Line stürzte, was in der Summe zu einem historisch üblen Debüt von Justin Fields führte. Aber Clevelands Front spielt wirklich gut, die Browns bekommen sehr viel Druck aus dem 4-Men-Rush und die junge Secondary hat - auch dank einiger Neuverpflichtungen - bislang merklich einen Schritt nach vorne gemacht.

Clevelands Defense wird sie ein Stück weit tragen können, und das ist ein großer Sprung im Vergleich zum Vorjahr. Aber, und auch das wäre vielleicht letzte Woche schon ein Thema gewesen, wenn das Fields-Debüt nicht so ein derartiges Desaster gewesen wäre: Baker Mayfield spielt keine gute Saison bislang.

Das hätte auch gegen Chicago ein Takeaway sein können, gegen die Vikings war es überdeutlich - Mayfield wackelt, und das nicht gerade wenig. Mehrere seiner Pässe flogen über den Kopf des anvisierten Receivers, er übersah offene Passfenster, er verfehlte Odell Beckham tief, als der Dantzler einmal bei Third Down geschlagen hatte, und verfehlte ihn nochmal tief, als eine Completion den Deckel auf die Partie gemacht hätte. Stattdessen erhielt Minnesota direkt danach via Punt noch eine letzte Chance.

Dieses Browns-Team hat einen wahnsinnig hohen Floor. Vielleicht keine Offense in der NFL ist in sich so schlüssig und so effektiv am Boden, Odell Beckham wird sich weiter steigern, Jarvis Landry wird zurückkommen, die Line ist exzellent und die Defense eben deutlich verbessert.

Aber die Browns sind kein Team mehr, das einfach einen hohen Floor will. Nach der vergangenen Saison geht es darum, als Team den nächsten Schritt zu machen - und das bedeutet: Einen Playoff-Run hinlegen. Und das hängt letztlich direkt mit Baker Mayfield zusammen. Mayfield muss eine tragende Rolle einnehmen, damit die Browns als Team den nächsten Schritt machen. Am Sonntag in Minnesota war er ganz klar Teil des Problems und nicht der Lösung.

Wie teuer wird Baker Mayfield für die Browns?

Als ob das nicht reichen würde, hängt noch eine Entscheidung an, welche nicht weniger als eine Franchise-Weichenstellung darstellt: Der Vertrag von Baker Mayfield. Aus jener 2018er QB-Klasse hat Josh Allen im Sommer seinen Mega-Vertrag erhalten, Lamar Jackson wird für sich betrachtet eine andere Diskussion darstellen, aber bei Jackson wissen wir, dass er eine Offense prägen und tragen kann.

Wie ist da die Meinung bei Mayfield? Und wie sieht sie aus, falls Mayfields Saison auf ähnlichem Gesamt-Level weitergeht wie die ersten vier Spiele in der Summe? Mayfield ist dann kein Kandidat für einen Mega-Vertrag, der Prescott und Allen in den Schatten stellt, das sollte klar sein. Aber es ist kein Geheimnis, wie der Quarterback-Markt funktioniert, und mit nun wieder steigendem Salary Cap werden auch die Forderungen logischerweise steigen.

Das macht Mayfield zu einer hochspannenden Personalie. Mittlerweile gibt es zahlreiche Ableger der Shanahan-Offense in der NFL, und wenn diese Offense mit entsprechendem Play-Caller und Offensive Line gut umgesetzt wird, ist sie sehr Quarterback-freundlich. Es braucht immer noch einen Quarterback, der diese Offense gut umsetzen kann; aber für den nächsten Schritt, vor allem für den konstanten nächsten Schritt - und davon reden wir ja beim nächsten Vertrag - braucht es einen Quarterback, der zusätzlich außerhalb der Struktur kreieren kann, gegen Druck, in offensichtlichen Passing-Situationen.

Ist Mayfield dieser Quarterback? Ich habe hier im Moment Woche für Woche größere Fragezeichen dahinter. Und auf der anderen Seite haben die Browns so lange einen Quarterback gesucht, der zumindest Mayfields Level hat. Und er passt in Stefanskis Offense. Aber wie viel Geld wird das Cleveland in der kommenden Offseason wert sein?

Vielleicht wird das der Vertrag, der eine "gehobene Mittelklasse" für Quarterback-Verträge salonfähig macht.

Miamis Scherbenhaufen - Zeke ist zurück

Ich will hier nicht nochmal zu sehr über Miamis Rebuild schreiben. Das hatte ich vor zwei Wochen bereits getan, und dann hier nochmal. Quintessenz: Ja, die Quarterback-Frage überschattet alles, und wenn Tua Tagovailoa als Bust endet, wird das so oder so den Rebuild an eine kritische Position bringen. Aber wir müssen auch darüber sprechen, wie die drei Erstrunden-Pick, die eigentlich das Rückgrat für den Rebuild sein sollten, alle aktuell wie Fehlgriffe aussehen.

Oder wie die Dolphins in ihrer Offensive Line bewusst ein gigantisches Risiko eingegangen sind, oder wie man im dritten Jahr den dritten (Co-)Offensive Coordinator hat.

Oder die Tatsache, dass die Dolphins aktuell stramm auf einen Top-10-Pick zusteuern - den sie aber nicht haben werden, weil sie ihren eigenen Erstrunden-Pick im Zuge des Uptrades im Draft nach Philadelphia schickten, nicht den der 49ers, den sie an diesem Punkt auch schon hatten. Oder, oder, oder.

Ich denke, die Botschaft ist klar; die Quarterback-Wahl ist nicht alles, auch und gerade nicht mit Blick darauf, wie der Umbruch in Miami aktuell so läuft. Aber sie ist elementar wichtig, und in einer schon jetzt enttäuschenden Dolphins-Saison ist das einzige Thema, das ich aktuell für relevant halte, das der Evaluierung von Tua Tagovailoa.

Die Dolphins müssen nach der Saison eine klare Entscheidung auf der wichtigsten Position treffen können. Alles deutet auf eine monumental wichtige Offseason für Brian Flores und Chris Grier hin.

Ezekiel Elliott mit einer unerwarteten Comeback-Saison

Ich war letztes Jahr sehr down bei Ezekiel Elliott. Klar, die Fumbles waren das eine Thema, aber das war nur ein Teil der Rechnung. Elliott wirkte - bei allem gebührenden Respekt - in jeder Hinsicht träge. Sein Spiel war unkonzentriert, die Explosivität fehlte, die Physis fehlte, und das sah man.

Ich hatte das bereits über die ersten Wochen gedacht, gegen Carolina unterstrich er es nochmals eindrucksvoll: Zeke Elliott hat noch etwas im Tank! Er läuft dieses Jahr so viel konstanter mit seiner Power, er liest seine Blocks besser - und klar, die Umstände sind auch viel besser. Sowohl was die Offensive Line angeht, als auch was das Passspiel mit Prescott zurück angeht. Aber nur für sich betrachtet spielt Elliott deutlich besser als letztes Jahr. Und ganz nebenbei ist er ein sehr guter Pass-Blocker.

Gleichzeitig mag ich es, wie die Cowboys ihr Backfield managen. Sie haben Tony Pollard mit dabei, der im Passspiel und im Raum mehr mitbringt, sie hatten auch mehrere Plays dieses Jahr schon mit beiden gleichzeitig auf dem Feld, etwa für Jet Sweeps über Pollard.

Die beiden waren schon jetzt häufiger gemeinsam auf dem Platz (23 Plays) als in der gesamten vergangenen Saison (21). Das gibt der Defense verschiedene Looks und Personnel-Groupings, aber auch verschiedene Runner-Typen, auf die sie sich einstellen muss. Die Cowboys-Offense sieht richtig gut aus, und das betrifft in erster Linie Prescott, aber eben auch die Offensive Line und das Run Game.

Broncos und Panthers: Hype erstmal vorbei?

Auf zwei 3-0-Teams war ich vor diesem Spieltag ganz besonders gespannt: Für die Panthers war es nach Siegen gegen die Jets, Saints und Texans der erste richtige Härtetest in Dallas, während Denver die über die drei ersten Spieltage allesamt sieglosen Jets, Giants und Jaguars geschlagen hatte, und es jetzt mit den Ravens zu tun bekam.

Denvers Partie hat dabei im Vergleich noch relativ wenig wert, hier war die Erkenntnis eher die Bestätigung, dass Drew Lock nicht die Antwort ist. Teddy Bridgewater musste im Laufe des Spiels verletzt raus, aber auch mit Bridgewater lief die Offense überhaupt nicht rund. Dafür war die Offensive Line zu wacklig, Baltimores Defense hatte nahezu das gesamte Spiel über einen sehr guten Zugriff auf die Offense. Selbst Denvers einziger Touchdown-Drive kam nur mit kurzem Feld zustande.

Elf Drives hatten die Broncos bis zum finalen Versuch, welcher mit der späten Interception endete. Abgesehen vom 57-Yard-TD-Drive brachte kein einziger mehr als 30 Yards Raumgewinn ein, sieben blieben unter 20 Yards. Die Offense wurde weitestgehend dominiert.

Vielleicht hätte die zweite Hälfte mit Bridgewater etwas anders ausgesehen, aber die Verletzungen häufen sich auch einfach. Die Interior Offensive Line ist ebenfalls angeschlagen, mit K.J. Hamler (Kreuzbandriss) fehlt das explosive Element in der Offense. Ich würde die Broncos auf keinen Fall mit dieser Niederlage abschreiben wollen, denke aber auch, dass Denver über die ersten drei Spiele etwas besser aussah als das Team letztlich auf die Saison betrachtet sein wird.

Licht und Schatten bei Sam Darnold

Darnold für sich betrachtet liefert derzeit weitere Argumente für diejenigen, die sagen, dass die Umstände, in die ein junger Quarterback kommt, seine NFL-Karriere stärker prägen können als das Talent, dass der Quarterback mitbringt. Sicher, ein Patrick Mahomes oder ein Lamar Jackson setzen sich auf die eine oder andere Art immer durch; aber beide hätten kaum den Erfolg in ihrer noch jungen Karriere gehabt, den sie hatten, wenn sie nicht in jeweils idealen Umständen gelandet wären.

Und diese Liste lässt sich weit ausdehnen. Josh Allen, Ryan Tannehill, selbst bei Baker Mayfield sind die Unterschiede je nach Coaching Staff frappierend.

Darnold gehört schon jetzt mit in diese Liste. Der Unterschied zwischen seiner Jets-Zeit unter Adam Gase und dem, was wir bisher über vier Spiele in Carolina unter Joe Brady sehen, ist nicht von der Hand zu weisen. Allein die Anzahl an offenen Würfen, die Brady für ihn kreiert, die Yards nach dem Catch, die er erhält, und die Art und Weise, wie Brady Darnolds Athletik gerade in der Red Zone bei Option Plays einsetzt, sind deutliche Unterschiede für Darnold. Und das obwohl seine Offensive Line in Carolina nicht wirklich viel besser ist als zuletzt bei den Jets; zuletzt zeigte er dann, dass er zusätzlich Plays gegen Druck machen kann.

Gegen Dallas fing es auch wieder gut an, das Skript funktionierte anfangs. Aber es war eben auch das erste Spiel, in dem die Panthers mal so richtig gefordert waren. In dem sie mit einer dominanten Offense auf der anderen Seite mithalten musste, und in dem sie aufholen mussten, sprich in offensichtliche Passing-Downs kamen.

Und hier kamen Fehler. Eine hässliche Interception über die Mitte, eine weitere bei einem Wurf zu spät nach außen, Trevon Diggs sagte Danke.

Es ist zu früh, um über Darnold ein finales Urteil abzugeben, und es wäre nicht fair, das nach dem ersten Auftritt mit mehreren gravierenden Fehlern zu machen. Aber auch hier ist es eine Warnung, die frühen Siege nicht zu überschätzen. Darnold hatte einen soliden Saisonstart, jetzt muss er sich steigern, um das auch gegen die Top-Teams der Liga abliefern zu können.

Gelingt ihm das nicht, ist die Entscheidung für die Panthers klar: Dann ist Darnold nicht die langfristige Lösung.

In beiden Fällen würde ich aber darauf hinweisen, dass die Broncos und Panthers zwar schwache Gegner zum Start in diese Saison haben - aber beide haben in ihren Siegen eine gewisse Substanz gezeigt. In erster Linie auf der defensiven Seite, aber auch wie vertikal die Broncos mit Bridgewater sein können, und eben dahingehend, was Brady aus Darnold herausholen kann. Jetzt gilt es zu zeigen, dass man das aufrechterhalten kann.

Die Chicago Bears geben die erhoffte Antwort

Letzte Woche waren die Bears nahezu überall der Aufmacher am Montagmorgen, und das völlig zurecht. Das desolate Debüt von Justin Fields war das Resultat des Versagens einer ganzen Organisation, und in allererster Linie fand ich es bemerkenswert desolat, dass Matt Nagy ganz offensichtlich einen offensiven Game Plan für Andy Dalton einfach Fields aufzwingen wollte, statt seinem Rookie-Quarterback zu helfen und den Plan spezifisch um seine Stärken und Schwächen herum aufzubauen.

Die gute Nachricht: Gegen Detroit sah das am Sonntag deutlich besser aus. Die schlechte Nachricht? Nagy war dafür nur bedingt mitverantwortlich.

Wir wissen natürlich nicht, was hinter den Kulissen abgeht, und in irgendeiner Weise wird Nagy wohl den Game Plan abgesegnet haben. Doch ich hatte letzte Woche bereits darüber geschrieben, dass es mich gewundert hat, dass die Bears nicht schematisch eher aufgetreten sind wie in den letzten Spielen der vergangenen Saison mit Mitch Trubisky.

Gegen Detroit passierte genau das, doch wie schon in jener Phase der vergangenen Saison war während jenes Wechsels nicht Nagy der Play-Caller, sondern Offensive Coordinator Bill Lazor.

Lazor übernahm auch am Sonntag als Play-Caller, und Bears-Fans dürften einige Elemente direkt wiedererkannt haben. Mehr Under-Center-Formationen, mehr 2- und 3-Tight-End-Sets, mehr Play Action aus den Under-Center-Sets, und in der Summe eine viel rundere Offense. Fields konnte auch im vertikalen Passspiel besser attackieren, weil Chicago ihm einige Max-Protect-Gelegenheiten gab, und ihn daraus dann mit etwas mehr Zeit aus der Pocket spielen ließ.

Fields zeigte eine gute Connection zu Darnell Mooney, hatte einen perfekten Pass in Richtung Sideline, und war insgesamt viel sicherer innerhalb der Offense. Fields traf auch mehrere schwierige Pässe, wo er letzte Woche noch Receiver verfehlt hatte.

Und natürlich gab es dennoch die Momente, in denen man sah, dass Fields ein Rookie ist - und in denen man sah, woran er arbeiten muss. Wenn er den Ball zu lange hielt vor allem.

Alles in allem war es ein deutlich besserer Auftritt der Bears-Offense, welcher zeigte, dass die Coaches mehrere Lektionen aus der Vorwoche gelernt haben. Ich weiß nur nicht, inwieweit das jetzt für Matt Nagy spricht. Es ist positiv, dass er sich selbst eingesteht, dass er im Play-Calling Hilfe braucht. Aber ist Nagy wirklich der Coach, mit dem die Bears in die nächsten Jahre gehen und dem sie dementsprechend Fields' Entwicklung in die Hand geben wollen? Da bleibe ich skeptisch.