In Green Bay liefert Philip Rivers eine Gala ab und trotzdem reicht es am Ende nicht. Die Carolina Panthers zeigen Seattle, aus welchem Holz das Team geschnitzt ist und der unfassbare Fake Punt der Colts dominiert weiter die Schlagzeilen. Außerdem: Hillman verteidigt Manning, die Ravens haben ein Problem und Kirk Cousins darf womöglich aufgrund mangelnder Alternativen weitermachen. Der SPOX Tuesday Hangover hinterfragt kritisch.
Der Star der Woche: Philip Rivers - auch wenn man hier zweifellos von einem tragischen Helden sprechen muss. Hinter einen stark lädierten und extrem schwachen Offensive Line sowie ohne nennenswerte Beiträge von seinem Running Game (Rookie-RB Melvin Gordon wurde nach seinem zweiten Fumble aus dem Spiel genommen) trug Rivers die Chargers-Offense in Green Bay im Alleingang. Und wie.
Mit seinem schnellen Release und mehreren Big Plays legte Rivers (43/65, 503 YDS, 2 TDs) ein absolutes Feuerwerk auf den Rasen - und nein, die 65 Passversuche sind kein Tippfehler. Sowohl die 43 Completions, als auch jene 65 Pässe und die 503 Yards sind neue Chargers-Bestmarken. Rivers ist jetzt der einzige Quarterback in der Geschichte der NFL, der die 500-Yard-Marke knackte und ohne Pick blieb, und das Spiel dennoch verlor.
Week 6 Roundup: Miami stark - Panthers schocken Hawks
Receiver Keenan Allen (14 REC, 157 YDS) verhalf er so ebenfalls beinahe zu einem neuen Team-Rekord: Eine weitere Reception hätte die Einstellung der Bestmarke bedeutet, die Allen selbst im ersten Saisonspiel gegen Detroit bereits eingestellt hatte. Doch natürlich war Rivers selbst angesichts der Niederlage trotz allem nicht zufrieden: "Wir haben einige Plays liegengelassen, die uns sonst gelingen. Wir hätten heute 40 Punkte machen müssen. Das ist das, was dich danach frustriert." Trotz der Pleite und des anhaltenden Musters, wonach der Großteil des Chargers-Teams nicht mit Rivers mithalten kann, gratuliert SPOX zu einem unglaublichen Auftritt!
Der Big Point der Woche: Philadelphias Sieg über die Giants. Drei Interceptions von Sam Bradford - und trotzdem war der Sieg der Eagles über die Giants nie wirklich in Gefahr. Philadelphias Defense dominierte New York und Bradford gab anschließend zu: "Die Defense verdient jedes Lob. Gefühlt haben sie heute jedes Mal einen Turnover kreiert, wenn wir ein Play von ihr gebraucht haben."
So war es das nächste verrückte Spiel für die Eagles, doch nach sechs Partien grüßt Philly plötzlich von der Spitze der NFC East. Zwar begünstigt durch die Bye Week der Cowboys, die aber mit Matt Cassel und nicht Tony Romo ihre nächsten Spiele angehen. Philadelphia verhinderte mit dem Sieg zudem, dass die Giants davonziehen und verschafften sich vor dem Auswärtsspiel in Carolina gleichzeitig Luft.
Nach der darauf folgenden Bye Week warten auf das Team von Coach Chip Kelly die Spiele gegen Dallas, Miami, Tampa Bay und Detroit. Vor dem Schlussspurt der Regular Season fragt also womöglich niemand mehr nach dem merkwürdigen Saisonstart der Eagles.
Der Drive der Woche: Carolinas Game-Winning-Drive in Seattle. Die Panthers wollten nach Siegen über schwache Gegner ein Statement setzen - und Cam Newton und Co. lieferten. Obwohl Seattle zuhause zwei Mal in der zweiten Hälfte mit mehr als acht Punkten in Führung ging, gaben sich die Panthers nie auf. Sie wurden belohnt: Newton packte kurz vor Schluss, beginnend von der eigenen 20-Yard-Line, Big Play auf Big Play aus und führte seine Offense das Feld runter.
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Dabei krönte er seine massive Leistungssteigerung in der zweiten Hälfte: Aus 26 Yards fand Newton Tight End Greg Olsen in der Endzone zum Game-Winner und nutzte dabei einen Fehler in der Hawks-Coverage eiskalt aus. "Wir haben bei dem Call einen Fehler gemacht", gab Seattles Coach Pete Carroll anschließend zu.
Weiter bestätigte er: "Es herrschte Verwirrung und leider hat Carolina ein leichtes Play bekommen. Bei unseren Spielern kam nicht überall das gleiche Signal an." Namentlich war es wohl primär ein Fehler in der Absprache mit Cornerback Richard Sherman, der einen anderen Coverage-Spielzug ausführte als der Großteil der restlichen Defense. Safety Earl Thomas selbst brachte es auf den Punkt: "Dieses Spiel ist so wunderschön. Aber es ist auch so grausam." Für Newton und seine Panthers galt am Sonntag zweifellos Ersteres.
Das Play der Woche: Der geblockte Punt in New Orleans. Es war eine Geschichte wie im Hollywood-Film: Fast zehn Jahre ist es her, als die Saints in ihrem ersten Heimspiel nach dem verheerenden Hurricane Katrina die Atlanta Falcons empfingen. Noch im ersten Viertel sollte der Superdome eine seiner prägendsten und dramatischsten Szenen sehen: Steve Gleason blockte den Punt der Falcons und die Saints schnappten sich den Ball in der Endzone zum Touchdown, ein unfassbarer Moment für alle im Stadion.
Denn es war viel mehr als ein Touchdown. Für viele in New Orleans war es die Szene, die sinnbildlich für die Kraft und die Fähigkeit der Menschen in der Stadt, sich nicht unterkriegen zu lassen, stand. Die Saints gewannen das Spiel und hatten eine unerwartet erfolgreiche Saison - und all das wenige Monate, nachdem die Einwohner von New Orleans noch im Superdome Schutz vor den Fluten gesucht hatten. 2012 wurde eine Statue von Gleasons Block vor dem Stadion enthüllt.
Spulen wir vor zum vergangenen Donnerstag - und wieder könnte man sich in einem Hollywood-Film wähnen: Gleason, der an ALS erkrankt ist aber mit seiner Stiftung nach wie vor auf der ganzen Welt Menschen Mut macht, war zum Thursday-Night-Game gegen die Falcons im Stadion. Das Unglaubliche passierte: Michael Mauti blockte den Falcons-Punt zum Touchdown und das Stadion rastete komplett aus. Fast selbsterklärend scheint es in der Drehbuch-ähnlichen Geschichte, dass New Orleans Atlanta auch am Donnerstag schlug. Ein absoluter Gänsehaut-Moment!
Das One-Hit-Wonder der Woche: Landry Jones! Eine Oberschenkelverletzung von Roethlisberger-Backup Michael Vick zwang Pittsburgh dazu, seinen dritten Quarterback Landry Jones spät im Spiel gegen die Arizona Cardinals ins kalte Wasser zu werfen. Kurz gesagt: Es war das Beste, was den Steelers hätte passieren können.
Arizonas Defense war extrem gut auf Vick eingestellt, die erste Hälfte beendete er mit sechs (!) Passing-Yards. Obwohl die Cardinals selbst offensiv mehrere Gelegenheiten ungenutzt ließen, schien es, als würde Pittsburghs Offense ohnehin nichts zustande bekommen. Doch dann kam Jones: Acht seiner zwölf Passversuche brachte er an den Mitspieler, für lockere 168 Yards und zwei Touchdowns. Just. Like. That.
Gleich zu Beginn der Woche häuften sich allerdings die Berichte, wonach Ben Roethlisberger schon am kommenden Wochenende wieder auf dem Feld stehen könnte, was Jones zum (vorerst) ultimativen One-Hit-Wonder machen würde. Sollte Big Ben aber nicht spielen können, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass Vick in der internen Hackordnung weiterhin vor Jones steht.
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Der Flop der Woche: Der...nennen wir ihn mal "Fake Punt" der Indianapolis Colts, denn was genau der Spielzug sein sollte, weiß wohl niemand so wirklich. Die Colts schlugen sich gegen New England eigentlich gut und lagen spät im dritten Viertel lediglich mit 21:27 zurück - alles noch offen also. Dann aber kam jener verhängnisvolle Moment: Indy stellte sich zunächst ganz normal zum Punt auf, plötzlich aber rannten neun Spieler auf die rechte Seite des Feldes. Lediglich Receiver Griff Whalen und Safety Colt Anderson blieben beim Ball.
Es herrschte jede Menge Verwirrung auf beiden Seiten und wie aus dem Nichts snappte Whalen plötzlich den Ball. Anderson wurde sofort unter mehreren Patriots begraben, die so tief in der Colts-Hälfte den Ballbesitz übernahmen. "Es war einfach ein Kommunikationsfehler. Ich muss da sicherstellen, dass wir das Richtige machen", erklärte Whalen anschließend. Von den fassungslosen Rängen hagelte es Buh-Rufe und das Spiel kippte anschließend in Richtung der Patriots.
NFL-Offenses unter der Lupe: In der Vielfalt liegt die Kraft
Coach Chuck Pagano übernahm nach dem Spiel die Verantwortung und versuchte sich an einer Erklärung: "Die Idee dahinter war, dass wir bei Fourth Down und weniger als drei Yards eine andere Formation versuchen, um sie auf dem falschen Fuß zu erwischen. Das haben wir dann gemacht aber ich habe es unter der Woche im Training nicht gut genug einstudieren lassen. Wir hatten dann die falsche Formation und die Kommunikation hat nicht geklappt."
Colts-Fans dürfte die Szene noch lange schwer im Magen liegen - oder wie es Indy-Star-Kolumnist Gregg Doyel, der den Spielzug als "Fourth and Dumb" bezeichnete, zusammenfasste: "Die Colts waren dumm. Nein, mehr als dumm. Sie waren schockierend dumm, so dumm wie sie nicht mehr waren, seitdem sie einen Erstrunden-Draft-Pick für Trent Richardson abgegeben haben."
Das Zitat der Woche: Ronnie Hillmans herzerwärmende, für seinen Quarterback Peyton Manning gebrochene Lanze. "Ihr müsst aufhören, Peyton zu kritisieren. Er ist unser Quarterback, Schluss, Aus, Fertig. Ihr Fake-Fans sagt ja auch nichts, wenn er uns die Spiele gewinnt", meckerte Denvers Running Back via Twitter.
Nette Geste, Ronnie. Aber in dem Fall ist Kritik schlicht und ergreifend angebracht. Manning spielt bislang eine desolate Saison und um es klar zu sagen: Denver steht trotz, und nicht dank Manning bei 6-0. Der 75-Yard-TD-Pass zu Emmanuel Sanders gegen die Browns war tatsächlich der erste Touchdown der Broncos-Offense im 27. (!) Drive in Folge. Autsch.
Die tiefste Sorgenfalte der Woche...findet man bei den Baltimore Ravens. Viele Experten hatten die Ravens vor der Saison als erneuten AFC-Contender auf dem Schirm, schon zu häufig hat Baltimore gezeigt, dass es namhafte Abgänge auffangen und über den Draft schneller als die meisten Teams kompensieren kann. Doch in dieser Saison muss man schlicht und ergreifend sagen: Diesem Team mangelt es an Talent.
Sowohl Pass-Rusher Pernell McPhee (nach Chicago), als auch Receiver Torrey Smith (nach San Francisco) fehlen an allen Ecken und Enden, durch die schwere Verletzung von Terrell Suggs tut der Abgang von McPhee umso mehr weh. Das Passing Game baut derweil größtenteils auf den 36-jährigen Steve Smith. Der erlebt zwar seinen zweiten Frühling, will seine Karriere aber nach der Saison beenden - auch wenn er seine bereits verkündete Entscheidung aktuell angeblich nochmals überdenkt.
Aber die langfristige Antwort ist auch der bissige Receiver nicht und zudem fehlt das konstante Running Game aus der Vorsaison. All das resultiert in einer schwachen Saison von Quarterback Joe Flacco, der schlicht kaum Waffen um sich herum hat. Baltimore könnte locker auch bei 0-6 stehen und zum ersten Mal seit längerem dürfte den Ravens im Frühjahr ein Umbruch aus einer schwachen Ausgangslage heraus bevorstehen.
Das Comeback der Woche: Miamis Sieg in Tennessee. Die Dolphins gingen als größte Enttäuschung der bisherigen Saison in den sechsten Spieltag - und das trotz der so wackligen Eagles, der schwachen Lions oder der wenig beeindruckenden Ravens. Folgerichtig musste in Miami mit Joe Philbin auch der erste Head Coach bereits seinen Hut nehmen.
Sein Nachfolger Dan Campbell wird ohne jeden Zweifel noch härtere Prüfungen als dieses Titans-Team vorgesetzt bekommen. Doch viel von dem, was Dolphins-Fans sahen, lässt hoffen: Insbesondere der Fokus auf das Running Game, das Philbin so gekonnt ignorierte, stach hier heraus. Running Back Lamar Miller verzeichnete 113 Rushing Yards und einen Touchdown, Miami war mit 277 Rushing Yards und ohne Touchdown aus den ersten vier Spielen in Week 6 gegangen.
NFL-Defenses unter der Lupe: Der Weg des größten Widerstandes
Auch der Pass-Rush funktionierte auf einmal wie auf Knopfdruck und Tennessee auf der anderen Seite erlebte ein Debakel. Das traf auch auf Quarterback Marcus Mariota zu, der aber Teile des Spiels angeschlagen bestreiten musste: Pass-Rusher Olivier Vernon erwischte Mariota am Knie und Titans-Coach Ken Whisenhunt tobte anschließend: "Ich glaube, er hat versucht, unseren Quarterback zu verletzen. Das ist Scheiße." Mögliches Nachspiel nicht ausgeschlossen.
Kurz vor dem Karriereende steht...Peyton Manning? Zu einfach und viel zu wahr. Schauen wir stattdessen in die Hauptstadt - und auf deren Quarterback. Kirk Cousins spielte gegen die Jets desolat und verzeichnete 4,5 Yards pro Passversuch. 4,5! Unter Druck, und das ist gegen die Jets nun mal nicht selten, kamen nur 40 Prozent seiner Pässe an. Washington wartet seit 17 (!) Spielen auf eine Partie ohne eigenen Turnover. Doch die Quarterback-Situation der Redskins ist bizarr und so darf Cousins, der am Sonntag mit mehreren Ausfällen leben musste, womöglich trotz allem bis zum Saisonende ran.
Colt McCoy scheint ebenfalls nicht die Antwort zu sein und Robert Griffin III ist offensichtlich keine Option. Griffin stand gegen die Jets zum ersten Mal in dieser Saison überhaupt im aktiven Kader und das auch nur, weil die Skins eine Vielzahl an Ausfällen hatten. Fakt ist aber: Griffins Vertragsoption würde für die kommende Saison finanziell komplett garantiert, sollte er sich schwer verletzen. Nachdem RG3 einst als Starter in die Saisonvorbereitung gegangen war, will Washington dieses Risiko offenbar nicht eingehen und plant längst nicht mehr mit dem einstigen Hoffnungsträger.
So wird das Cousins-Karriereende wohl zumindest etwas vertagt. Doch er sollte sich, nach je zwei Picks in allen vier Redskins-Niederlagen in dieser Saison, gehörig steigern, will er weiter als NFL-Quarterback auf dem Feld stehen. Besorgniserregend aber für Washington-Fans war die anschließende Pressekonferenz von Coach Jay Gruden, der Cousins nach dem Spiel in Schutz nahm und ankündigte: "Wir stehen hinter Kirk und werden sehen, was gegen Tampa Bay passiert." Es könnte wieder eine lange Saison in der Hauptstadt werden...
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