In der Vielfalt liegt die Kraft

Von Adrian Franke
18. Juni 201812:32
Manning, hier auf dem Weg in die "Shotgun", war in den vergangenen Jahren das Maß aller Dingegetty
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Wie funktioniert eine NFL-Offense? Was macht die New England Patriots so stark, welche Philosophien dominieren den Football und was verbindet Aaron Rodgers und die San Francisco 49ers bis heute? SPOX erklärt die Aufgaben des Quarterbacks, die verschiedenen Herangehensweisen im Running Game und die Besonderheiten verschiedener Passing-Offenses.

SPOX ist nicht nur Football - SPOX erklärt auch Football! Um vor allem Neulingen den Einstieg in die unbekannte Welt des American Football zu erleichtern, veröffentlichen wir in regelmäßigen Abschnitten Einführungen in einzelne Themenkomplexe des Sports. Aber auch Fans können noch etwas lernen! Nach der Analyse des Salary-Cap-Systems sowie der genauen Betrachtung der NFL-Defenses sind heute die Offenses an der Reihe.

Der Quarterback: Der Chef in jeder Formation

Die schwierigste Position im Sport. Der Mann, der im ultimativen Mannschaftssport Spiele alleine entscheiden kann. Die wenigen Auserwählten, die in der NFL auf 100-Millionen-Dollar-Verträge pochen können. Nicht viele Positionen in der Welt des Sports umgibt der Mythos, den die Quarterbacks für sich beanspruchen. Vom großen Johnny Unitas über John Elway, Dan Marino und Joe Montana bis zu Peyton Manning, Tom Brady und Aaron Rodgers: Quarterbacks prägen seit Jahrzehnten das Geschehen in der NFL.

Wieso eigentlich? Warum kann in einem Spiel, in dem so viele kleine Rädchen ineinander greifen müssen, damit eine Offense funktioniert, ein einzelner Spieler einen derart großen Einfluss haben? Zumindest eine Antwort darauf liegt auf der Hand: Es fällt in den Aufgabenbereich dieses Quarterbacks dafür zu sorgen, dass eben jene Rädchen die bestmögliche Ausgangslage für den Erfolg bieten - und das zu jedem Zeitpunkt.

NFL-Defenses unter der Lupe: Der Weg des größten Widerstandes

Schon bevor der Snap erfolgt, also der Center den Ball an den Quarterback übergibt und damit einen Spielzug eröffnet, überblickt der QB das Spielfeld ganz genau. Er versucht die Aufstellung der Defense zu lesen: Stehen zwei Safeties tief oder nur einer? Sind die Cornerbacks nahe an den Wide Receivern oder spielen sie zurückgezogen und damit vorsichtiger? Wie viele gegnerische Spieler sind in der Box, also innerhalb von rund fünf bis sieben Yards an der Line of Scrimmage?

Pre-Snap-Adjustments, Pistol, Shotgun

All diese Dinge geben Aufschluss darüber, was die Defense vorhaben könnte (natürlich kann der Gegner auch bewusst Spieler auf bestimmten Positionen aufstellen, um dann nach dem Snap eine komplett andere Taktik zu verfolgen): Geht es gegen eine Manndeckung oder decken die Verteidiger jeweils bestimmte Zonen des Feldes ab? Droht ein Blitz - und wenn ja, woher kommt er? Wo bieten sich möglicherweise Lücken, die ein bestimmter Receiver, Running Back oder Tight End ausnutzen könnte?

Nachdem der Quarterback all das analysiert hat, wohlgemerkt innerhalb weniger Sekunden, denn die Play Clock läuft währenddessen herunter, kann er seine Offense noch anpassen. Er kann, zusammen mit dem Center, der für die Pass Protection (also das Blocking gegen den Pass Rush) mitverantwortlich ist, die Protection-Zuteilung ändern. Darüber hinaus kann er auch bestimmte Routes der Passfänger verändern: wo stellen sie sich auf, wo laufen sie hin, und so weiter. Selbst der Wechsel von einem Lauf- zu einem Passspielzug ist möglich. All diese Veränderungen nennt man "Pre-Snap-Adjustments" - Anpassungen, die vor dem Snap passieren.

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Anschließend begibt sich der Quarterback in seine dem Spielzug entsprechende Position. Grundsätzlich kann man hier von drei Basis-Formationen sprechen: "Under Center" heißt, dass er direkt hinter dem Center steht und den Ball übergeben bekommt. Nach wie vor basieren viele Running Playsauf dieser Ausgangslage.

In der "Shotgun" steht er, genau wie in der "Pistol", einige Yards hinter dem Center, der Ball wird ihm beim Snap also zugeworfen ("Shotgun" übrigens deswegen, weil die Receiver oft wie Schrot über die Breite des Feldes verstreut sind). Der Unterschied zwischen Shotgun und Pistol liegt in der Position des Running Backs: In der Shotgun steht er vor dem Snap leicht versetzt zum QB. In der Pistol, die sich auf dem High-School- und College-Level entwickelt hat und zunehmend stärker in der NFL vertreten ist, hinter dem Quarterback.

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Wohin mit dem Ei?

Wenn alle Pre-Snap-Adjustments abgeschlossen ist und jeder Spieler seine Position eingenommen hat, beginnt der Spielzug (oder das "Play") mit dem Snap. Ist es ein Passing Play, wird unterschieden, um welche Art von Passspielzug es sich handelt: Ein kurzer oder mittellanger Pass bedeutet zumeist einen schnellen Wurf, um den Quarterback vor dem Pass Rush zu schützen. Man spricht hier von "3-Step-Drops" oder "5-Step-Drops". Die Zahl beschreibt, wie viele Schritte der QB vor dem Wurf nach hinten macht (in der Shotgun steht er ja bereits hinten und bekommt den Ball zugepasst).

Ein weiter Pass, über Jahre etwa die große Leidenschaft von Al Davis und den Raiders, verlangt häufig 5- oder "7-Step-Drops" und somit eine gute Offensive Line, die dem Quarterback Zeit verschaffen kann. Schon während seiner Rückwärtsbewegung liest der QB das Feld und schaut, wo ein Receiver frei werden könnte. Man spricht dabei von "Progression": der Quarterback geht durch seine "Reads".

Einfach gesagt: Ein Passspielzug hat meist einen Nummer-1-, einen Nummer-2-, einen Nummer-3-Receiver und so weiter. Ein guter Quarterback verfällt in der "Pocket", also dem Bereich, den ihm die O-Line frei blockt, nicht in Panik und geht einen Receiver nach dem anderen durch - die oben genannten "Reads". Hat er sich dann für eine Option entschieden, fliegt der Ball.

Seite 1: Der Quarterback - der Chef in jeder Formation

Seite 2: Das Running Game: Inside, Outside, Zone und Man

Seite 3: Das Passing Game: Screens, Play Action und No Huddle

Seite 4: Offensive Philosophien: Ein Blick auf die Grundlagen

Das Running Game: Inside, Outside, Zone und Man

Doch so hoch man die Quarterback-Position auch bewerten will: Jeder QB wird besser, wenn er ein gutes Running Game hat. Als Musterbeispiel wird für diese Theorie gerne John Elway genannt, der in den 80ern und 90ern einer der besten Quarterbacks der NFL war, seine beiden Super-Bowl-Titel aber erst gewann, als ihm rund um Terrell Davis ein starkes Running Game zur Seite gestellt wurde. Noch heute sind sich Dolphins-Fans sicher, dass Elway-Konkurrent Dan Marino ein Titel verwehrt wurde, weil ihm eben jenes Running Game als Komplementärstück fehlte.

Zugegeben, die Zeiten von Legenden wie Jim Brown, Walter Payton, Eric Dickerson oder Barry Sanders, in denen das Running Game der unangefochtene Fokus einer NFL-Offense war, sind zweifellos vorbei. Und doch benötigt eine jede Offense aus verschiedensten Gründen nach wie vor ein wenigstens solides Running Game.

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Zum einen zwingt es Defenses, den Running Back zu beachten und erlaubt es so nicht, alle Kräfte auf die Pass-Defense zu richten. Nur mit dem Run Game kann man außerdem verlässlich und kontinuierlich die Zeit runterlaufen lassen, will man eine eigene Führung über die Zeit bringen: Jede Incompletion, also ein Pass, der nicht von einem Mitspieler gefangen wird, stoppt schließlich die Uhr.

Auch um die gegnerische Defense müde zu machen (während sich die eigene erholt), gibt es wenig bessere Wege, als ein gutes Laufspiel aufzuziehen. Die Dallas Cowboys waren im Vorjahr das Paradebeispiel hierfür.

Man oder Zone?

Doch was macht, neben einer guten Offensive Line, ein starkes Running Game aus? Worauf gilt es zu achten?

Bleiben wir zunächst einmal noch kurz bei der O-Line, dem elementaren Rückgrat einer guten Running Offense. Es gibt hier prinzipiell zwei verschiedene Herangehensweisen, was das Freiblocken für den Running Back angeht: Das "Man-Blocking-Scheme" und das "Zone-Blocking-Scheme".

Wie die beiden Namen vermuten lassen, geht es darum, woran sich die Offensive-Linemen orientieren, wenn der Snap erfolgt ist und sie blocken sollen. Das Man-Blocking-Scheme bedeutet schlicht und ergreifend, dass jeder Blocker einen direkten Gegenspieler hat. Die Offense orientiert sich dabei an einem bestimmten Gegenspieler (meist der Middle Linebacker, auch "Mike Linebacker" genannt). Ausgehend davon hat in jedem Spielzug jeder Blocker einen konkreten Gegenspieler, den er aus dem Weg zu räumen hat. Auch kurzfristige Änderungen und unerwartete Positionswechsel der Defense nach dem Snap sind dabei berücksichtigt.

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Im Zone-Blocking-Scheme ist es der Offensive Line zunächst egal, welcher Verteidiger sich wo aufstellt. Stattdessen bekommt jeder Blocker eine bestimmte Zone zugewiesen, die er freiräumen muss. Meist bewegt sich die Line hierbei nach dem Snap diagonal: Im Idealfall erwischt ein O-Line-Man einen Gegenspieler dabei von der Seite, hat also rein physikalisch gesehen schon einen Vorteil. Head Coach Gary Kubiak hat diese Art des Blockings über Jahre in Houston perfektioniert und im Vorjahr mit Erfolg nach Baltimore gebracht. Doch dieses System zu erlernen ist nicht einfach, was aktuell bei den Denver Broncos zu sehen ist.

Chip Kellys Rückgrat

Am ehesten veranschaulichen kann man das Zone-Blocking anhand von Eagles-Coach Chip Kelly. Der prägte zu seiner Zeit als College-Coach in Oregon einst den Satz: "Wir waren in der Vorsaison landesweit das zweitbeste Rushing-Team mit 6,2 Yards pro Laufversuch - und wir haben vier Running Plays: Inside Zone, Outside Zone, Counter und Draw." Werfen wir einen Blick darauf.

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Das "Inside Zone-Game" ist an sich leicht erklärt: Der Running Back visiert eine Lücke zwischen zwei Blockern an und läuft durch diese relativ gerade durch. Kelly lässt hier gerne aus einer sogenannten "Unbalanced Formation" heraus spielen, wie im Schaubild zu sehen, sprich mit mehr O-Line-Men auf einer Seite des Centers als auf der anderen.

In dem Fall blockt also die Line geschlossen nach rechts, während der Tight End (das kann auch ein Running Back, Fullback, oder Wide Receiver sein) direkt nach dem Snap die linke Seite absichert, sodass kein Pass-Rusher den Ballträger von der ansonsten ungeblockten Seite hinter der Line stoppt. Bei der Defense kann ein solcher Spielzug, vor allem wenn die Offense schnell agiert, für Verwirrung sorgen.

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Etwas anders sieht das "Outside-Zone-Game" aus:

Ein Beispiel wäre das sogenanntes "Pin and Pull"-Scheme: Während ein Großteil der Line (etwa der Left Tackle, der Right Guard und der Right Tackle) nach vorne blocken ("Pin") ziehen zwei Mann direkt nach dem Snap zur Seite ("Pull"). Sie lassen also eine Lücke, schaffen dafür an anderer Stelle aber Überzahl. Diese Art des Blockens muss perfekt einstudiert sein, andernfalls funktioniert sie nicht. Klappt aber alles, läuft der Running Back mit zwei O-Linern vor sich auf Linebacker oder Defensive Backs zu - und sorgt für viel Raumgewinn.

Dass ein gutes Scheme aber nicht alles ist, muss Chip Kelly bislang in der laufenden Saison feststellen. Nachdem Philadelphia im ersten Jahr unter ihm ein herausragendes Running Game aufzog (5,1 Yards pro Run, 160,4 pro Spiel) und auch in der Vorsaison hier gut abschnitt (4,2/124,5), stehen die Eagles aktuell bei 3,8 Yards pro Versuch und 93,2 pro Spiel. Der einfache Grund: Keine Offensive Line ist im Run Blocking schwächer - und Kelly dürfte sich inzwischen ärgern, etwa Guard Evan Mathis im Sommer abgegeben zu haben.

Trap und Counter

Abschließend stehen noch zwei Begriffe im Raum, die einem im Zusammenhang mit dem Running Game früher oder später begegnen - "Trap" und "Counter". Ein Counter-Spielzug ist in der Theorie nicht schwer zu erklären: Der Running Back täuscht nach dem Snap zunächst einen Lauf in eine Richtung an, nur um dann schnell die Richtung zu ändern. Fällt die Defense darauf herein, können sich so große Löcher ergeben. Liest sie den Spielzug aber richtig, resultiert er häufig in einem Raumverlust.

Die Bezeichnung "Trap" bezieht sich wiederrum aufs Blocken. Ein Beispiel: Ein Verteidiger steht auf der linken Seite des Centers, wird aber letztlich (bewusst) von einem Spieler, der auf der rechten Seite des Centers steht, geblockt - so wie es der Tight End im Inside-Zone-Schaubild tut.

(Beim Draw-Play, um Kellys Quartettt komplett zu machen, geht es darum, die Defense zu täuschen: Alles deutet auf einen Passspielzug hin und wenn die Pass-Rusher die Pocket von außen angreifen, wird der Ball an den Back übergeben, der dann meist durch die Mitte läuft.)

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Das Passing Game: Screens, Play Action und No Huddle

Obwohl das Running Game nach wie vor fester Bestandteil einer jeden Offense ist, dürften die meisten NFL-Fans die Aussage, wonach wir uns in einer "Passing League" befinden, schon einmal gehört haben. Daran gibt es auch wenig zu deuteln: Die Regeländerungen des vergangenen Jahrzehnts haben Quarterbacks und Receiver klar bevorzugt, um so das für viele Zuschauer elektrisierendere Passspiel zu fördern - mit Erfolg.

Quarterbacks im Visier: Messias und Sündenbock

Zahlreiche Rekorde wurden in den vergangenen Jahren von Peyton Manning, Drew Brees und Co. gebrochen, weitere werden folgen. Im Part zu den Quarterbacks wurden bereits einige elementare Dinge hierzu angesprochen, deshalb gleich ins Detail - während einer NFL-Übertragung fliegen dem Zuschauer schließlich viele Begriffe um die Ohren, mit denen man zunächst wenig anfangen kann. Einer davon: Der Screen Pass.

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Was ist ein "Screen Pass"? Es handelt sich dabei um einen kurzen Pass zu einem Receiver oder Runnig Back, häufig zu einem der schnellsten Spieler im Team. Vor diesem soll eine Wand von Blockern (engl. "Screen" = Schutzwand) dann den Weg frei machen. Ähnlich wie bei einem Outside Zone Run ziehen hierbei meist mehrere Spieler der Offensive Line zur Seite, sodass der Quarterback den Ball schnell loswerden muss - er hat in diesem Fall schließlich fast keinen Schutz.

Anders verhält es sich beim "Bubble Screen", über die vergangenen Jahre eine Spezialität von Peyton Manning: Hierbei blockt die Line normal, doch zwei bis drei Receiver auf einer Seite sorgen dafür, dass ein dritter (oder vierter) Receiver freie Bahn bekommt. Die Vorteile von gelegentlich eingestreuten Screen Pässen sind enorm: Ein aggressiver Pass-Rush wird so immer wieder aus dem Spiel genommen, da die Verteidiger umsonst auf den QB zustürmen und nicht mehr eingreifen können. Gerade wenn der Gegner einen Blitz ansagt, kann ein Screen als Konter tödlich sein.

Pick, Play Action und No Huddle

Eine weitere gern genutzte Waffe, um die Defense langsamer und müde zu machen, ist die "No-Huddle-Offense". Wie der Name schon sagt, bildet die Offense dabei nach einem abgeschlossenen Spielzug kein Rudel (kein "Huddle"), um den nächsten Spielzug zu besprechen. Stattdessen stellt sich jeder Spieler direkt wieder auf und der Quarterback sagt einen neuen Spielzug an der Line of Scrimmage an. So wird auch verhindert, dass die Defense auswechselt, denn dafür bleibt keine Zeit. Die New England Patriots und Denver Broncos, zumindest in den vergangenen Jahren, sind große Verfechter dieses Systems. Doch das Konzept ist weit verbreitet und wird zumindest situativ von vielen Teams genutzt.

Ebenfalls wichtig: Das Play-Action-Passspiel. Dabei täuscht der Quarterback die Ballübergabe an den Running Back und somit einen Laufspielzug an, nur um den Ball in letzter Sekunde wieder zurück zu ziehen. Fällt die Defense darauf rein und glaubt, einen Laufspielzug stoppen zu müssen, tun sich unweigerlich große Löcher für mögliche Pässe auf: Die Safeties stürzen sich auf die Line of Scrimmage und auch Cornerbacks können dazu verleitet werden, die ihnen zugeteilten Receiver aus den Augen zu lassen.

Ein dritter Begriff, der im Passspiel oftmals zu hören ist, ist das sogenannte "Pick Play", welches jedes Team nutzt und das hin und wieder für einen komplett freien Receiver verantwortlich ist. Ein Verteidiger soll dabei von einem Receiver nur kurz aus dem Rhythmus gebracht werden, indem dieser Receiver vor ihm vorbei läuft und ihm so kurzzeitig den Weg versperrt.

Die Grenzen sind dabei fließend: Alles über einen vermeintlich zufälligen kreuzenden Laufweg hinaus wäre Offensive Pass Interference. Das reicht aber häufig schon, um so den Weg für einen anderen Receiver, dem dieser Verteidiger eigentlich zugeteilt war, frei zu machen und dem Quarterback so einen einfachen Pass zu ermöglichen. Beispiele gefällig? Die Arizona Cardinals und die New England Patriots seien hierfür jedem ans Herz gelegt.

Abschließend sei hier noch der "Route Tree" erwähnt, anhand welchem man bestimmt, welche Route ein Receiver gerade gelaufen ist und der einer jeglichen Passing Offense zugrunde liegt. Einfach gesagt: Wann immer von einer ungeraden Zahl die Rede ist, also zum Beispiel einer "3-Route" oder einer "5-Route", geht der Laufweg des Passfängers weg vom Ball. Bei geraden Zahlen in Richtung des Balls - und je höher die Zahl ist, desto weiter entfernt sich der Receiver von der Line of Scrimmage. Eine gerade auf die Endzone gerichtete Route ist eine "9-Route", die höchste Zahl im Route-Tree.

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Offensive Philosophien: Ein Blick auf die Grundlagen

Zum Ende dieses Überblicks soll zumindest an der Oberfläche der offensiven Philosophien gekratzt werden. Eine Kombination aus all dem bisher aufgelisteten wäre nicht mehr als die Ansammlung verschiedener Spielzüge: Spielzüge, die in einer Offense allesamt vorkommen können - doch die keine offensive Philosophie beschreiben.

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Bei einer offensiven Philosophie denkt man stattdessen etwa an die "West Coast Offense", welche die San Francisco 49ers unter Bill Walsh, Joe Montana und Jerry Rice in den 70ern und 80ern zu mehreren Titelgewinnen trug und YAC (=Yards after the Catch) ohne Ende produzierte. Die Grundlagen: Ein meist auf Man-Blocking ausgerichtetes Running Game, gepaart mit kurzen und mittellangen Pässen. Entscheidend ist das Timing, welches Walsh seinen Spielern peinlich genau einimpfte.

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Jede Route, jeder Wurf, jeder Step des Quarterbacks, alles ist perfekt aufeinander abgestimmt. Ein Musterbeispiel für dieses "Kurzpassspiel" ist der Double Slant: Eine "Slant"-Route (im Route Tree eine 2) geht schräg in die Mitte des Feldes - häufig also die Routes der beiden Outside Receiver, die nach innen laufen.

Noch heute ist die West Coast Offense die Basis für diverse NFL-Offenses, unter anderem für die der Kansas City Chiefs, der New York Giants und, vielleicht das prominenteste Beispiel, für die Offense der Green Bay Packers um Aaron Rodgers. Einen Slant-Pass wird man von Rodgers garantiert mehrfach pro Spiel sehen. Wer eine perfekte Kombination aus Slant und Pick Play sehen will, der sollte sich Green Bays ersten Touchdown am Sonntag gegen St. Louis anschauen.

Das Erhardt-Perkins-System

Doch auch wenn die West Coast Offense bis heute die vielleicht bekannteste Offensiv-Philosophie ist - die einzige ist sie nicht. Vielmehr liegen den meisten NFL-Offenses heute eine von drei Philosophien zugrunde: Die West Coast Offense, die "Air Coryell Offense" und die "Erhardt-Perkins Offense". Letztere ist einer der Gründe dafür, dass die New England Patriots seit fast einem Jahrzehnt regelmäßig eine der besten Offenses aufs Feld führen.

Die Erhardt-Perkins Offense steht in gewisser Weise für ein geordnetes Chaos, genau wie für gnadenlose Flexibilität. Allein in den vergangenen Jahren hat sich New England von einer Shotgun-Passing-Offense um Wes Welker und Randy Moss, über eine Two-Tight-End-Offense mit Rob Gronkowski und Aaron Hernandez, hin zu einer von exzellenten Running Backs als Passfängern und einem schnellen Passspiel geprägten Offense gewandelt.

Das besondere bei dieser Philosophie: Der Route Tree spielt keine Rolle. Stattdessen dominieren Konzepte. Jeder Spielzug hat einen bestimmten Namen und jedes Konzept kann in der Theorie aus nahezu jeder offensiven Formation gespielt werden. So verändert sich die Aufgabe eines Receivers, je nachdem wo er aufgestellt wird. Ein Beispiel: New England könnte zwei Mal exakt den gleichen Spielzug ansagen, dabei aber Gronkowski, Julian Edelman und Dion Lewis beim zweiten Mal auf der Position eines der jeweils anderen beiden aufstellen.

Der Spielzug bleibt gleich, die Routes bleiben gleich. Nur der Spieler, der sie läuft, verändert sich. So bekommt die Defense verschiedene Aufstellungen zu sehen. Ihre Reaktion offenbart Tom Brady mögliche Schwachstellen, ohne dass er dabei nach dem Snap seine Reads ändern müsste.

Die Air Coryell Offense

Genau wie Walsh wurde auch Don Coryell, Urheber der nach ihm benannten Offense, von Sid Gillman und dessen auf exaktem Timing basierender Offense beeinflusst. Er ging allerdings in eine andere Richtung als der spätere 49ers-Coach.

Coryells Offense besteht aus zwei Dingen, nämlich der Kombination aus einem Power Run Game und einem vertikalen Passspiel. Unter Coryell führten die San Diego Chargers die NFL zwischen 1978 und 1983 in sechs aufeinanderfolgenden Spielzeiten in der Kategorie "Passing Yards" an. Diese Offense stützt sich ausschließlich auf den Route Tree, das Zusammenspiel von konstantem Running Game und den tiefen Pässen kann, wenn es richtig ausgeführt wird, jeder Defense Kopfzerbrechen bereiten

Defenses müssen dann nämlich jederzeit das komplette Feld verteidigen können. Auch die "Greatest Show on Turf", die Offensive der St. Louis Rams 1999 um Kurt Warner und Marshall Faulk, basierte auf der Air-Coryell-Philosophie.

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Bei der "Spread Offense", ein Begriff, der ebenfalls häufig fällt, handelt es sich dagegen keineswegs um eine Philosophie - vielmehr ist es ein offensives Scheme. Im Grundsatz soll dabei die Defense möglichst breit verteidigen müssen, indem vier oder fünf Passfänger auf dem Platz stehen.

Der Quarterback befindet sich meist in der Shotgun und die weite Aufteilung schafft nach dem Snap Räume. Dann eingestreute Runs, durchaus auch vom Quarterback selbst, können gegen eine im Zentrum ausgedünnte Defense zudem verheerende Folgen haben.

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Der NFL-Schedule im Überblick