SPOX ist nicht nur Football - SPOX erklärt auch Football! Um vor allem Neulingen den Einstieg in die unbekannte Welt des American Football zu erleichtern, veröffentlichen wir in regelmäßigen Abschnitten Einführungen in einzelne Themenkomplexe des Sports. Aber auch Fans können noch etwas lernen! Nach der Analyse des Salary-Cap-Systems sowie der genauen Betrachtung der NFL-Defenses sind heute die Offenses an der Reihe.
Der Quarterback: Der Chef in jeder Formation
Die schwierigste Position im Sport. Der Mann, der im ultimativen Mannschaftssport Spiele alleine entscheiden kann. Die wenigen Auserwählten, die in der NFL auf 100-Millionen-Dollar-Verträge pochen können. Nicht viele Positionen in der Welt des Sports umgibt der Mythos, den die Quarterbacks für sich beanspruchen. Vom großen Johnny Unitas über John Elway, Dan Marino und Joe Montana bis zu Peyton Manning, Tom Brady und Aaron Rodgers: Quarterbacks prägen seit Jahrzehnten das Geschehen in der NFL.
Wieso eigentlich? Warum kann in einem Spiel, in dem so viele kleine Rädchen ineinander greifen müssen, damit eine Offense funktioniert, ein einzelner Spieler einen derart großen Einfluss haben? Zumindest eine Antwort darauf liegt auf der Hand: Es fällt in den Aufgabenbereich dieses Quarterbacks dafür zu sorgen, dass eben jene Rädchen die bestmögliche Ausgangslage für den Erfolg bieten - und das zu jedem Zeitpunkt.
NFL-Defenses unter der Lupe: Der Weg des größten Widerstandes
Schon bevor der Snap erfolgt, also der Center den Ball an den Quarterback übergibt und damit einen Spielzug eröffnet, überblickt der QB das Spielfeld ganz genau. Er versucht die Aufstellung der Defense zu lesen: Stehen zwei Safeties tief oder nur einer? Sind die Cornerbacks nahe an den Wide Receivern oder spielen sie zurückgezogen und damit vorsichtiger? Wie viele gegnerische Spieler sind in der Box, also innerhalb von rund fünf bis sieben Yards an der Line of Scrimmage?
Pre-Snap-Adjustments, Pistol, Shotgun
All diese Dinge geben Aufschluss darüber, was die Defense vorhaben könnte (natürlich kann der Gegner auch bewusst Spieler auf bestimmten Positionen aufstellen, um dann nach dem Snap eine komplett andere Taktik zu verfolgen): Geht es gegen eine Manndeckung oder decken die Verteidiger jeweils bestimmte Zonen des Feldes ab? Droht ein Blitz - und wenn ja, woher kommt er? Wo bieten sich möglicherweise Lücken, die ein bestimmter Receiver, Running Back oder Tight End ausnutzen könnte?
Nachdem der Quarterback all das analysiert hat, wohlgemerkt innerhalb weniger Sekunden, denn die Play Clock läuft währenddessen herunter, kann er seine Offense noch anpassen. Er kann, zusammen mit dem Center, der für die Pass Protection (also das Blocking gegen den Pass Rush) mitverantwortlich ist, die Protection-Zuteilung ändern. Darüber hinaus kann er auch bestimmte Routes der Passfänger verändern: wo stellen sie sich auf, wo laufen sie hin, und so weiter. Selbst der Wechsel von einem Lauf- zu einem Passspielzug ist möglich. All diese Veränderungen nennt man "Pre-Snap-Adjustments" - Anpassungen, die vor dem Snap passieren.
Anschließend begibt sich der Quarterback in seine dem Spielzug entsprechende Position. Grundsätzlich kann man hier von drei Basis-Formationen sprechen: "Under Center" heißt, dass er direkt hinter dem Center steht und den Ball übergeben bekommt. Nach wie vor basieren viele Running Playsauf dieser Ausgangslage.
In der "Shotgun" steht er, genau wie in der "Pistol", einige Yards hinter dem Center, der Ball wird ihm beim Snap also zugeworfen ("Shotgun" übrigens deswegen, weil die Receiver oft wie Schrot über die Breite des Feldes verstreut sind). Der Unterschied zwischen Shotgun und Pistol liegt in der Position des Running Backs: In der Shotgun steht er vor dem Snap leicht versetzt zum QB. In der Pistol, die sich auf dem High-School- und College-Level entwickelt hat und zunehmend stärker in der NFL vertreten ist, hinter dem Quarterback.
Wohin mit dem Ei?
Wenn alle Pre-Snap-Adjustments abgeschlossen ist und jeder Spieler seine Position eingenommen hat, beginnt der Spielzug (oder das "Play") mit dem Snap. Ist es ein Passing Play, wird unterschieden, um welche Art von Passspielzug es sich handelt: Ein kurzer oder mittellanger Pass bedeutet zumeist einen schnellen Wurf, um den Quarterback vor dem Pass Rush zu schützen. Man spricht hier von "3-Step-Drops" oder "5-Step-Drops". Die Zahl beschreibt, wie viele Schritte der QB vor dem Wurf nach hinten macht (in der Shotgun steht er ja bereits hinten und bekommt den Ball zugepasst).
Ein weiter Pass, über Jahre etwa die große Leidenschaft von Al Davis und den Raiders, verlangt häufig 5- oder "7-Step-Drops" und somit eine gute Offensive Line, die dem Quarterback Zeit verschaffen kann. Schon während seiner Rückwärtsbewegung liest der QB das Feld und schaut, wo ein Receiver frei werden könnte. Man spricht dabei von "Progression": der Quarterback geht durch seine "Reads".
Einfach gesagt: Ein Passspielzug hat meist einen Nummer-1-, einen Nummer-2-, einen Nummer-3-Receiver und so weiter. Ein guter Quarterback verfällt in der "Pocket", also dem Bereich, den ihm die O-Line frei blockt, nicht in Panik und geht einen Receiver nach dem anderen durch - die oben genannten "Reads". Hat er sich dann für eine Option entschieden, fliegt der Ball.
Seite 1: Der Quarterback - der Chef in jeder Formation
Seite 2: Das Running Game: Inside, Outside, Zone und Man
Seite 3: Das Passing Game: Screens, Play Action und No Huddle
Seite 4: Offensive Philosophien: Ein Blick auf die Grundlagen