Rick Zabel ist der Sohn von Sprinterlegende Erik Zabel. Aktuell fährt er für das aufstrebende Radprojekt Israel Start-Up Nation und ist in diesem Jahr mit dem Giro d'Italia seine vierte große Rundfahrt zu Ende gefahren. Der frisch gebackene Vater spricht im Interview mit SPOX über die spezielle Saison 2020, das Dopingthema im Radsport heutzutage und über Wunschgäste in seinem eigenen Podcast.
Außerdem spricht Zabel über die Zukunft des Radsports und erklärt, wie die neue Generation um Fahrer wie Remco Evenepoel die alte Generation bereits abgelöst hat und wie sich das Verhältnis zu seinem Vater entwickelt hat.
Herr Zabel, herzlichen Glückwunsch zur Geburt Ihres Sohnes, wie haben Sie die letzten Wochen erlebt?
Rick Zabel: Das Timing war super, da meine Saison mit dem Giro d'Italia zu Ende gegangen ist. Ich bin direkt am Sonntagabend aus Mailand nach Köln zurückgeflogen, um schnellstmöglich zu Hause zu sein, da klar war, dass die Geburt bevorsteht. Es ging dann auch ganz schnell, ein paar Tage später wurde mein Sohn geboren. Es war ein schönes Gefühl, obwohl die Geburt für mich auch eine Challenge war, da ich ja nicht aktiv dran beteiligt war, sondern nur nebendran stehen und Daumen drücken konnte. (lacht) Das ist auf jeden Fall eine Erfahrung fürs Leben. Aktuell verlassen meine Frau und ich die Wohnung nur zum Spazieren gehen, wir genießen die Zeit als kleine Familie. Ich wechsele Windeln, schaue meiner Frau beim Stillen zu und mache ein bisschen Papierkram. So sieht momentan mein Leben aus.
Wie blicken Sie denn generell auf die spezielle Saison 2020 zurück?
Zabel: Ich bin sportlich gesehen mit meiner Leistung in diesem Jahr sehr zufrieden. Neben 2017 war das in meinen Augen meine stärkste Saison. Ich bin glücklich, eine große Tour durchgefahren zu sein, das war sehr wichtig. Durch die Corona-Situation hatten wir nur 50 Renntage, was für einen Profi wirklich wenig ist, aber ich habe jedes Rennen beendet und konnte obendrein meinen Vertrag mit Israel Start-up Nation um zwei Jahre verlängern. Wenn man aktuell ein Arbeitspapier besitzt, ist man schon sehr glücklich, denn es gibt viele, die dieses Glück nicht haben. Das Team war sehr zufrieden mit mir. Ich habe oft Helfer- und Anfahreraufgaben bekommen und wenn ich bei manchen Etappen die Chance hatte, selbst auf Sieg zu fahren, konnte ich gute Ergebnisse einfahren. Damit habe ich gezeigt, dass in der kommenden Saison mit mir in Sprints auf jeden Fall zu rechnen ist.
Wie sind Sie damit umgegangen, immer unter dem Druck zu stehen, nicht mit Covid infiziert zu werden?
Zabel: Ich versuche, mich immer schnell an neue Situationen zu gewöhnen und das Beste daraus zu machen. Es bringt nichts, sich darüber aufzuregen. Da ich sehr gerne ein Instrument spielen können würde, setze ich mich momentan jeden Tag eine halbe Stunde ans Keyboard und versuche, mit der App ein bisschen Klavier zu lernen. Das ist auch mal angenehm, weil es der komplette Gegensatz zum Sport ist. Viele Leute meinen, das Jahr 2020 sei ein Jahr zum Vergessen. Aber ich persönlich muss sagen, dass das Jahr für mich sowohl sportlich als auch menschlich ein ganz besonderes war. Ich habe geheiratet und wie erwähnt meinen Sohn bekommen - für mich ist dies ein schönes und erfolgreiches Jahr. Und es hat mir eine Auszeit gegeben, in der ich meine Frau während der Schwangerschaft unterstützen konnte. Insgesamt ist das Jahr wie im Flug vergangen, es fühlt sich für mich immer noch ein bisschen surreal an.
Rick Zabel über die Freundschaft mit Paul Ripke
Sie haben auch Ihren eigenen Podcast Plan Z, mit dem Sie sich viel beschäftigen. Wie kam es dazu?
Zabel: Zum einen höre ich einfach selbst sehr gerne Podcasts. Das ist etwas ganz anderes als Radio. Bei ganz vielen Podcasts bekomme ich das Gefühl, dass ich die Sprecher kenne und mit ihnen an einem Tisch sitze. Mein absoluter Lieblingspodcast ist "Gemischtes Hack", da verpasse ich keine Folge. Auch "Alle Wege führen nach Ruhm" mag ich sehr. Und zum anderen bin ich ein Mensch, der einfach sehr gerne redet. (lacht) Ich mag es zum Beispiel nicht, wenn am Abend beim Teamessen Stille herrscht. Ich bin häufiger derjenige, der dann etwas Stimmung reinbringt. Irgendwann dachte ich mir, dass das doch eine gute Voraussetzung für einen Podcast wäre und habe es einfach mal probiert. Mein Ziel ist es, die Fans hinter die Kulissen mitzunehmen und auch mal meine eigene Meinung zu bestimmten Dingen loszuwerden. Dafür ist es ein super Sprachrohr.
Sie sprechen "Alle Wege führen nach Ruhm" an, den Podcast von TV-Moderator Joko Winterscheidt und Star-Fotograf Paul Ripke. Mit Letzterem sind Sie zuletzt Rad gefahren, wie ist diese Freundschaft entstanden?
Zabel: Paul habe ich über Instagram kontaktiert, da ich besonders während langer Ausfahrten im Training gerne seinen Podcast mit Joko höre. Paul hat mir dann geantwortet und wir haben ein bisschen hin und her geschrieben, später auch einige Male telefoniert. Er hat damals noch bei Mercedes in der Formel 1 als Fotograf gearbeitet. Als es zeitlich gut passte, habe ich ihn gefragt, ob er Zeit und Lust hat, mein Team für ein paar Tage bei der Tour de France zu begleiten. Das Team hat sich natürlich auch gefreut, einen so guten Fotografen dabei zu haben und er konnte ein bisschen hinter die Kulissen der großen Schleife schauen. Seitdem sind wir in Kontakt geblieben und so richtig intensiv ist die Freundschaft dann geworden, als er im Oktober letzten Jahres sich damit angefreundet hat, selber Rennrad zu fahren. Er hat ja den Pacific Roadway in Los Angeles vor der Tür und ich habe ihm beim Rennrad-Kauf zur Seite gestanden. Wir haben darüber gesprochen, welche Räder gut und welche Klamotten cool sind - und dann hat er sich eingedeckt und ins Radfahren verliebt.
Paul Ripke im Interview: "Ich connecte mit der Bling-Bling-Generation"
Welche drei Gäste würden Sie gerne mal im Podcast haben?
Zabel: Auf jeden Fall Tommi Schmitt von "Gemischtes Hack", den finde ich sehr sympathisch. Er wohnt auch in Köln und ist ein sehr smarter Mensch und hat gute Ansichten, das wäre mal spannend. Dann Mats Hummels, da ich selber großer BVB-Fan bin und weil Mats Hummels jemand ist, der als einer der wenigen Fußballer über den Tellerrand hinausschaut und sich auch für andere Sportarten interessiert. Die dritte Person wäre wahrscheinlich Angela Merkel, weil ich da mal paar Fragen hätte, wie manche Sachen in der Politik so ablaufen und entschieden werden.
Rick Zabel im Steckbrief
Geburtsdatum (Alter) | 7.12.1993 (27) |
Geburtsort/Nationalität | Unna/Deutschland |
Größe | 1,84 Meter |
Gewicht | 72 kg |
Fahrertyp | Sprinter, Anfahrer |
Teams | Rabobank (2012-2013), BMC (2014-2016), Katusha Alpecin (2017-2019), Israel Start-Up Nation (2020-2022) |
Größten Erfolge | Etappensieg Österreich Rundfahrt (2015), Etappensieg Tour de Yorkshire (2019), 3. Platz Etappe Tirreno-Adriatico (2020) |
Rick Zabel: "Der Radsport ist wie ein Haifischbecken"
Aktuell ist es ja schwer, aufgrund der Pandemie weit nach vorne zu schauen. Lassen Sie uns trotzdem in die Glaskugel blicken, wo sehen Sie den Radsport im Jahr 2030?
Zabel: Wir haben in diesem Jahr gesehen, dass es einen krassen Generationswechsel gibt. Eigentlich war Radsport der Sport, in dem man auch mit 35, 36 und aufwärts gut performen konnte. Jetzt ist schon seit dem vergangenen Jahr zu sehen gewesen, dass die Fahrer, die große Rennen gewinnen, immer jünger werden. Die sind zum Teil gerade mal 19 oder 20 Jahre alt. Und man merkt auch, dass viele erfahrene Fahrer im Feld von den aufstrebenden Youngstern aus dem Sport getrieben werden. Viele bekommen keinen Vertrag mehr und müssen zurücktreten. Der Radsport ist wie ein Haifischbecken. Nur wenn du gut bist, bleibst du drin.
Was hat sich sonst verändert?
Zabel: Ich habe das Gefühl, dass es mit der neuen Generation noch einmal professioneller geworden ist. Für die Jungen ist es kein Problem, keine Freundin zu haben und das halbe Jahr auf einem Vulkan zu leben und Höhentraining zu machen. Sie leben wirklich zu hundert Prozent für den Sport. Da kommt auch nichts auf den Teller, was vom Ernährungsberater nicht abgesegnet ist. Sie sind ein bisschen wie Roboter. Ich bin dagegen noch in einer Generation groß geworden, die gerne mal abends ein Bier trinkt. Aktuell stehe ich da ein bisschen zwischen den Stühlen.
Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?
Zabel: Egal, wie viel professioneller der Radsport noch wird, ich hoffe, dass die Menschlichkeit und die Coolness bestehen bleibt. Wenn ich die Top-Fahrer bei Bergankünften sehe, sehe ich Jungs, die sich nur ganz kurz nach einem Etappensieg freuen. Eine Minute später sind sie schon wieder beim Ausfahren mit einem Regenerationsdrink. Da denke ich mir immer: Wenn ich die Etappe gewonnen hätte, würde ich aus dem Feiern nicht mehr rauskommen. Wie kann man da so eine Maschine sein? Das Flair muss bestehen bleiben und auch ältere Fahrer sind wichtig, um Erfahrungen und menschliche Werte weiterzugeben. Ich glaube, ich kann da einen guten Beitrag leisten, um die Fahne in dieser Hinsicht ein bisschen hochzuhalten.
Hat die neue Generation mit Geoghen Hart, Pogacar und Evenepoel die alte Riege endgültig abgelöst?
Zabel: Auf jeden Fall. Bei den Gesamtsiegen der großen Rundfahrten wird kaum ein Weg an den jungen Fahrern vorbeiführen. Was Remco Evenepoel vor seinem Sturz gezeigt hat? Da saß ich mit offenem Mund da und habe mich gefragt, wie man so viel besser sein kann als die anderen? Mit Tao Geoghen Hart und Tadej Pogacar werden sich sicher interessante Rivalitäten bilden, die werden das Zepter an sich reißen. Doch wenn man jeden Tag so für den Sport lebt wie sie, bezweifle ich, dass man den Sport noch mit 36 gerne ausübt. Wenn ich so leben würde, hätte ich schon nach einem Jahr den Spaß verloren und würde mein Rad an den Nagel hängen. Ich kann mir vorstellen, dass die bis zu fünf Jahren auf einem absoluten Topniveau fahren, aber vielleicht mit Ende 20 durch sind und aufhören. Jemanden wie Valverde, der gefühlt 20 Jahre im Sport vorne dabei ist, wird es nicht mehr geben.
Wer ist denn der coolste Fahrer und der nervigste im Peloton?
Zabel: Da gibt es so viele, in beiden Kategorien. (lacht) Mein absoluter Lieblingsfahrer im Feld und mittlerweile auch mein Teamkollege ist Andre Greipel, weil man sich immer mit ihm unterhalten kann. Andre kann einen auch gut motivieren am Berg, wenn man leidet. Ansonsten fand ich Filippo Pozzato immer sehr cool, aber er hat leider schon aufgehört. Er war ein Fahrer mit Stil, einer, der auch mal auf den Tisch gehauen und gesagt hat, wo es langgeht. Jetzt aktuell ist es vielleicht Jacopo Guarnieri, er ist der Anfahrer von Arnaud Demare, der beim Giro vier Etappen gewonnen hat, ihn bewundere ich. Fahrer, die mich nerven, sind kategorisch alle Bergfahrer, die bei einem Sprintfinale versuchen, vorne in Position zu fahren. Da denke ich mir: Ich gehe euch nicht am Berg auf die Eier, dann geht mir doch im Sprint nicht auf die Eier.
Rick Zabel über das Doping-Image des Radsports
Bei jeder großen Tour schwingt die ganze Zeit die Doping-Thematik mit. Trifft es Sie, dass der Radsport bei vielen deutschen Sportfans immer direkt als Doping-Wettkampf abgestempelt wird?
Zabel: Natürlich trifft es mich. Vor allem, weil ich selber damit nie etwas zu tun hatte. Dann ist es natürlich schade, wenn einem solche Vorwürfe gemacht werden. Auf der anderen Seite ist es die Bürde, die meine Generation und eventuell auch noch die folgende tragen muss. Der Radsport hat sehr viele Fehler gemacht und sich dieses Image zurecht abgeholt. Man kann es den Menschen ja gar nicht übelnehmen, wenn sie skeptisch sind. Mit diesen Menschen den Diskurs suchen und ihnen erklären, wie es heutzutage läuft und mit gutem Beispiel vorangehen - das ist das Einzige, was man machen kann. Es gibt Leute, die ihre festgefahrene Meinung haben, die kann man nicht mehr bekehren. Aber es gibt viele junge Fans, die nicht mehr genau wissen, wer Jan Ulrich ist und neue Stars haben. Da hilft der Spruch: Die Zeit heilt alle Wunden.
Wie könnte man den Radsport denn noch transparenter gestalten?
Zabel: Ganz ehrlich: Der Radsport ist meiner Meinung nach eine Vorzeigesportart geworden. Es gibt keine Sportart, die transparenter ist. Wir veröffentlichen die Watt-Werte, wir haben einen Blutpass und wir haben ein sehr gutes Antidoping-System. Nach den schwarzen Jahren hat der Radsport sehr viel gemacht, um von dem alten Image wegzukommen. Wenn ich mir das jetzt so anschaue, muss ich sagen, dass wir da einen guten Job gemacht haben. Wenn ich daran denke, wie oft ich mich testen lassen muss. Was ich alles angeben muss, damit ich immer erreichbar bin für die Dopingkontrolleure, dann weiß ich nicht, wie viel man da noch besser machen kann. Klar, Menschen sind betrügerisch, man findet vielleicht irgendwie einen Weg, aber was sollen wir noch machen? Rein theoretisch könnte jedem Fahrer ein Chip eingepflanzt werden, damit könnte alles überwacht werden - aber dann bewegen wir uns in eine ganz falsche Richtung.
Hatten Sie angesichts der Karriere Ihres Vaters eigentlich eine Wahl, oder war es klar, dass Sie auch Radsportler werden?
Zabel: Mein Weg war schon früh vorgezeichnet. Während mein Vater unterwegs war, haben wir als Kids häufig Radtouren nach der Schule gemacht zu einer Eisdiele. Da habe ich mit meinen Cousins Radrennen nachgespielt. Ich wollte meistens Mario Cipollini sein und mein Cousin war dann mein Vater und jemand anderes war Erik Decker. (lacht)
Rick Zabel: "Ich habe die Zügel ein bisschen Schleifen lassen"
Wie schwierig war es in der Folge, als Sohn von Erik Zabel diesen Weg zu gehen?
Zabel: Mein Vater und ich haben mittlerweile ein sehr gutes Verhältnis, aber eine Zeit lang war es etwas schwieriger. Mein Vater war mein größter Supporter, aber auch mein schärfster Kritiker. Ich bin vom Charakter eher der Typ gewesen, der, wenn es gut lief, die Zügel ein bisschen hat schleifen lassen. Und mein Vater ist bekannt dafür, dass er genau das Gegenteil gemacht hat. Er hat von mir erwartet, dass ich immer hart zu mir bin - da sind wir manchmal aneinandergeprallt. Aber bei allen wichtigen Entscheidungen haben wir immer zusammengehalten und dieselbe Meinung vertreten. Insgesamt war es für mich Vor- und Nachteil zugleich. Wenn ich ein Radrennen gewonnen habe, war das Medienecho größer als bei anderen, auf der anderen Seite wollten alle anderen Fahrer auf der Rennstrecke mich natürlich schlagen. Wegen meines Nachnamens. Umso schwerer war es, Rennen in der Nachwuchsklasse zu gewinnen, weil auf mich immer ein bisschen mehr geschaut wurde.
Letzte Frage: Werden Sie in Köln oder allgemein in Deutschland eigentlich auf der Straße erkannt?
Zabel: Wenn ich zehn Leute treffe, werde ich vielleicht einmal erkannt. Und wenn, habe ich immer Glück, dann gibt's einen kurzen lustigen Spruch, wie es hier in Köln üblich ist. Aber ich befinde mich im Radsport natürlich sehr in der Nische. Ich kann mich deutlich freier in der Öffentlichkeit bewegen als Spieler vom 1. FC Köln. Ein gutes Beispiel ist der 11.11., wenn ich da einen über den Durst trinke und noch ein gutes Kostüm anhabe, bekommt das niemand mit. (lacht) Würde das Timo Horn machen, stände das am nächsten Tag sofort in der Klatschpresse.
Rick Zabels Teilnahmen an Rennen
Grand Tours | 3x Giro, 3x Tour de France |
Klassiker | 4x Paris-Roubaix, 3x Milan-San Remo, 3x Flandern-Rundfahrt, |
Andere Rennen | u.a. UAE-Tour, Tour of Britain, Tirreno-Adriatico, Cyclassics Hamburg, Eschborn-Frankfurt, Tour of California |
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