Julia Görges bestreitet bei den am Montag startenden Australian Open in Melbourne (jeden Tag live im Eurosport-Channel auf DAZN) das 48. Grand-Slam-Turnier ihrer Karriere. Im SPOX-Interview lässt die 31-Jährige ihre bisherige Karriere Revue passieren und spricht offen über ihre Entwicklung als Tennisspielerin, vor allem aber als Mensch.
Görges verrät, warum sie zu Beginn vom Leben auf der Tour geschockt war, wie sie im vergangenen Jahr viele K.o.-Schläge wegstecken musste und was ihr für die Zeit nach der Tenniskarriere vorschwebt.
Frau Görges, erinnern Sie sichnoch an Ihreerste Trainerstunde?
Julia Görges: Klar. Das war im Sommer 1994, da war ich fünfeinhalb. Meine Eltern hatten mich zwar schon im Tennisclub angemeldet, als ich zwei Jahre alt war, aber das erste richtige Training hatte ich erst ein paar Jahre später. Ich habe als Kind auch Video-Clip-Dancing gemacht und bin auch geschwommen, aber da hat mir der Wettkampf gefehlt. Im Schwimmen gibt es den zwar, aber nur Bahnen abzuklappern war mir zu langweilig. Im Tennis habe ich den perfekten Sport für mich gefunden. Ich habe es geliebt, Tennis anzuschauen. Ich habe natürlich mit Steffi Graf mitgefiebert, Monica Seles fand ich klasse, aber mein großes spielerisches Idol war Martina Hingis. Sie hat so strategisch gespielt und ihre Gegnerinnen ausgekontert, das war wie Schach auf dem Tennisplatz - das hat mir imponiert.
Sie habensichfrühfüreine Profikarriere entschieden. Wie istdieseEntscheidung in der Jugendgereift?
Görges: Als ich 14 war, habe ich zum ersten Mal mit meinem Trainer und mit meinen Eltern darüber gesprochen. Ich musste meine Eltern ja auch fragen, ob sie mich unterstützen würden, schließlich ist es am Anfang auch eine Kostenfrage und es ist total unsicher, was am Ende dabei herauskommt. Aber meine Eltern waren sofort Feuer und Flamme. Erstmal stand für mich aber noch die Schule im Vordergrund. Erst nachdem ich meinen Realschulabschluss nach der 10. Klasse in der Tasche hatte, wurde es mit dem Profitennis ernster. Ich wusste, dass ich das Abi ja immer noch nachmachen könnte, wenn es nicht so klappen würde.
Julia Görges: "Ich war geschockt von der Welt, in der mich plötzlich bewegte"
Wie ging es nach dem Abgang von der Schule weiter?
Görges: Mit 16 habe ich mich voll aufs Tennis fokussiert und angefangen, richtig zu trainieren. Vorher ging das wegen der Schule ja gar nicht in dem Umfang. Ich war in der Jugend in Deutschland auch nicht unbedingt so gut, meine Erfolge waren überschaubar. Ich war knapp 17, als ich das erste Mal bei einer deutschen Jugendmeisterschaft teilgenommen habe. Ich habe auch nie Grand Slams bei den Juniorinnen gespielt. Ich war aber immer überzeugt, dass ich das Potenzial habe. Mit 19 stand ich dann zum ersten Mal in den Top 100 der Welt, es hat sich alles sehr schnell entwickelt.
Wie waren damals die erstenEindrückevom Leben auf der Tennis-Tour?
Görges: Am Anfang habe ich das Leben auf der Tour total unterschätzt. Ich war ein Mädchen, das aus einem behüteten Elternhaus gekommen ist. Ich war Harmonie gewöhnt. Ich war erstmal geschockt von der Welt, in der ich mich plötzlich bewegte. Ich war plötzlich in einer Welt, die nichts mit Fairness zu tun hat. In der wenig Harmonie herrscht. In der es gut zur Sache geht. Das habe ich schnell gemerkt. Ich schaue heute auch mit ein bisschen Wehmut auf diese Zeit zurück, weil ich für meine Tenniskarriere meine Jugend ein Stück weit geopfert habe. Ich hatte kein normales Teenager-Leben, mit Partys war da nichts. Ich wusste, dass ich es nur mit Ehrgeiz und Disziplin nach oben schaffen kann. Als ich früh zum ersten Mal Grand-Slam-Luft schnuppern durfte, war es zwar schön, aber ich habe es nicht so genossen, wie ich es jetzt tue, weil ich als Mensch so viel weiter bin als damals. Mein Leben ist ein ganz anderes geworden.
In Doha standen Sie 2007 zumersten Mal in einem Hauptfeld auf der WTA-Tour, in Stockholm folgteimgleichen Jahr das ersteHalbfinale und dannkamen die US Open, Ihrerstes Grand-Slam-Turnier imHauptfeld.
Görges: Und ich spiele als Qualifikantin direkt im riesigen Arthur Ashe Stadium gegen Justine Henin, die Nummer eins. Ich weiß noch, dass ich im ersten Spiel sieben Breakbälle hatte und auf einmal stand es 0:6. Und ich habe auch noch einen Fotografen abgeschossen, das war peinlich. (lacht) Henin hat das Turnier in der Folge übrigens ohne Satzverlust gewonnen. Bei meinen ersten sieben Grand Slams habe ich in der ersten Runde vier Mal gegen Top-10-Spielerinnen antreten müssen. Damals hat mich das Lospech genervt, aber heute blicke ich darauf zurück und muss sagen, dass mir diese Erfahrungen so viel geholfen haben für meine Karriere. So früh bei Grand Slams auf großen Courts gegen absolute Top-Spielerinnen anzutreten, war Gold wert. Ich habe gemerkt, dass auch die Mädels in der Weltspitze nur mit Wasser kochen. Dass sie nicht Lichtjahre entfernt von mir sind. Ich hatte immer wieder Chancen, mindestens mal einen Satz zu gewinnen. Das hat mir enorm geholfen, meine Nervosität abzulegen.
Julia Görges: "Ich kam aus einer ganz anderen Welt"
2008 folgte das Wimbledon-Debüt, was auchzueinemganzbesonderenwerdensollte. 4:6, 7:6, 16:14 gegen Katarina Srebotnik.
Görges: 3 Stunden und 40 Minuten haben wir gespielt und nur um fünf Minuten den Rekord bei den Frauen verpasst. Das war Wahnsinn. Zwei Tage später war ich so fertig, da konntest du mich in die Tonne kloppen. (lacht) Damals wusste ich aber auch gar nicht, wie ich mich bei einem Grand Slam verhalten soll. Was kostet Kraft und Energie? Was tut mir gut? Früher habe ich zum Beispiel sehr viel Zeit auf der Anlage verbracht und wollte alles aufsaugen, heute haue ich so schnell es geht nach meinem Match ab, weil ich gelernt habe, wie viel Energie das frisst.
In den Jahren 2010 und 2011 folgten Meilensteine in IhrerKarrieremit dem ersten Titel in Bad Gastein und dem Triumph in Stuttgart. Was hatdiese Wochen so besondersgemacht?
Görges: In Bad Gastein hat es ziemlich viel geregnet. (lacht) Das Halbfinale und Finale habe ich an einem Tag gespielt. Es war zum einen deshalb besonders, weil ich als Kind oft in Österreich im Urlaub war und das Land so mag. Und andererseits, weil ich überhaupt nicht damit gerechnet habe, das Turnier zu gewinnen. Es hat sich surreal angefühlt. 2011 ging dann gut los, in Melbourne habe ich zwar in drei Sätzen gegen Maria Sharapova verloren, aber es war qualitativ ein super Match, das mir Auftrieb gegeben hat. Direkt vor Stuttgart lief es im Fed Cup auch gut - und in der Turnierwoche ist irgendwie alles zusammengekommen und für mich gelaufen. Ich war am Finaltag super nervös, aber als ich in die Halle gekommen bin und die fantastische Atmosphäre gespürt habe, ist alles verflogen. Mein Turniersieg in Stuttgart war in gewisser Weise auch ein historischer Tag für unsere Generation. Steffi hatte das Turnier nie gewonnen, nur Anke Huber einmal, und ich glaube, dass dieser Sieg ein bisschen das eingeleitet hat, was jede von uns in den Jahren danach leisten konnte.
Was hatsichdenndurch Stuttgart konkretfür Sie verändert?
Görges: Es ist in ganz kurzer Zeit extrem viel passiert. Nach Stuttgart habe ich auch noch in Madrid bei einem großen Turnier das Halbfinale erreicht. In Paris war ich in der dritten Runde gegen die spätere Halbfinalistin Marion Bartoli schon Satz und Break vor, ehe ich es veloren habe. In Wimbledon durfte ich als Top-20-Spielerin in eine andere Umkleide und gehörte plötzlich zu einem elitären Klub. Die Erwartungen sind gestiegen, von außen, aber auch von mir selbst. Die ganze Entwicklung hat mich damals etwas erdrückt. Es ist so viel auf mich eingeprasselt, dass ich phasenweise den Überblick verlor und nicht mehr so viel Spaß am Tennis hatte. Für den Moment waren die Erfolge großartig, aber als ich Zeit hatte, zu reflektieren, war es schwer für mich, in der Folge dem Druck standzuhalten. Es war einfach so neu alles für mich. Ich stand mit 22 in den Top 20, das war für unsere Generation echt früh. Andere Spielerinnen, die ganz früh bei Grand Slams schon Erfolge erleben, wachsen da anders herein und sind abgezockter. Aber ich kam aus einer ganz anderen Welt.
In den Jahren 2013 bis 2015 gab es immerwiederkleinere Erfolge, es gab aberauchimmerwiederRückschläge, auch in puncto Verletzungen. Zwischenzeitlich sind Sie sogar mal kurzaus den Top 100 gefallen. 2015 trennten Sie sich von Coach Sascha Nensel und engagierten Michael GesereralsNachfolger. Wie kam es dazu?
Görges: Ich hatte nach einer siebenjährigen Zusammenarbeit gemerkt, dass ich nochmal einen anderen Weg einschlagen will. Ich wusste, dass ich mein Potenzial noch nicht ausgeschöpft hatte und habe mir viele Gedanken gemacht. Was erwarte ich von meinem Trainer? Was erwarte ich auch von mir selbst? Es war wie ein Puzzle, das ich neu zusammensetzen musste. Im Nachhinein war es genau der richtige Schritt. Ich hätte die Entscheidung vielleicht schon ein Jahr früher treffen sollen, aber so eine Entscheidung muss auch gut durchdacht sein. Man muss auch bereit dafür sein. Ich bin der festen Überzeugung, dass im Leben nichts ohne Grund passiert. Ich bin froh, wie es gelaufen ist. Mit Michael habe ich noch einmal neue Wege kennengelernt und eine super Zeit erlebt. Ich bin nochmal auf ein ganz anderes Niveau gekommen und stand zum ersten Mal in den Top 10, was immer ein großes Ziel von mir war. Und darüber hinaus habe ich gelernt, meinen Beruf ganz anders zu genießen.
Sie sprechen die Top 10 an. Ende 2017 und Anfang 2018 haben Sie in Moskau, dem ersten Titel nachsechs Jahren, Zhuhai und Auckland drei Turniere in Folgegewonnen und dafür den Grundstein gelegt. Hatte sich das für Sie angekündigt?
Görges: Nein, eigentlich überhaupt nicht. Gerade der Titel in Moskau kam total unerwartet. Als ich davor in Peking mit Kiki Bertens beim Abendessen saß, waren wir beide nach einer langen Saison und der Asien-Tour so frustriert und fertig, dass ich das niemals für möglich gehalten hätte. Aber unsere Coaches haben dann eine Stunde auf uns eingeredet und irgendwie habe ich bei diesem Abendessen noch mal Feuer gefangen. Ich habe vor Moskau so gut trainiert, dass mein Coach schon meinte, wie schade es ist, dass die Saison dann zu Ende ist. Und ich meinte nur: "Na ja, vielleicht auch nicht. Wenn ich das Turnier gewinne..."
Julia Görges: "Ich habe mit dem Halbfinale Blut geleckt"
Und so kam es.
Görges: Ich habe Moskau gewonnen, obwohl ich sogar noch krank geworden bin und obwohl ich ein Zimmer hatte, das vielleicht nicht mal 10 Quadratmeter groß war, ich konnte mich kaum drehen. (lacht) Aber das war alles egal, ich habe mich dort unglaublich wohlgefühlt, man konnte zu Fuß zur Anlage gehen, es war wunderschön. Danach ging es bei der B-WM in Zhuhai genauso gut weiter. Ich habe danach sogar nur fünf Tage Urlaub gemacht und gleich wieder angefangen zu trainieren. Und dann eben auch Auckland gewonnen, eines meiner absloluten Lieblingsturniere. In der Zeit war es wie ein Film, der an mir vorbei lief, es war eine totel coole Reise in diesen Monaten, anders kann ich es nicht beschreiben.
2018 folgtemit dem Wimbledon-Halbfinalewohl das Turnier Ihres Lebens.
Görges: Also spielerisch nicht unbedingt. Aber vom Resultat und der Außenwirkung natürlich schon. Das habe ich im Anschluss erfahren, wenn ich am Flughafen viel öfter erkannt wurde. Die Grand Slams schaut einfach jeder, sie sind die große Bühne. Dieses Wimbledon-Turnier war vor allem wertvoll für mich, weil ich entdeckt habe, dass ich nicht perfekt spielen muss, um Runden zu überstehen. Gerade am Anfang meiner Karriere wollte ich bei den Grand Slams immer etwas Besonderes machen. Manchmal reicht aber auch einfach ein Standard-Match. Bis zum Titel musst du sieben Matches gewinnen, da geht es nur darum, irgendwie durchzukommen, auch wenn du mal nicht deinen besten Tag hast.
Wie sehrlebtdenn der Traum von einem Grand-Slam-Erfolg in Ihnen?
Görges: Er lebt auf jeden Fall sehr. Ich habe mit dem Halbfinale auch Blut geleckt. Wer einmal im Halbfinale bei einem Grand Slam stand, will auch ins Finale und eines gewinnen. Ich will grundsätzlich jedes Turnier gewinnen, das ich spiele, egal ob es ein kleineres Turnier ist oder ein Slam. Wenn ich sagen würde, dass ich ein paar Runden gewinnen will, wäre ich falsch in diesem Metier. Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen, was auf der Frauen-Tour alles möglich ist. Das gibt mir auch eine Portion Extra-Motivation, allen anderen aber auch. Jede Spielerin arbeitet unglaublich hart, weil wir alle gesehen haben, was drin ist. Ich möchte 2020 verletzungsfrei bleiben, meine bestmögliche Leistung abrufen und natürlich auch schöne Ergebnisse erzielen. Ich will wieder dahin kommen, wo ich schon mal war und wo ich meiner Meinung nach spielerisch auch hingehöre. In die Top 10.
Julia Görges: "Ich habe gelernt, dass menschliche Enttäuschungen dazugehören"
2019 gingmit dem erneutenTitel in Aucklandeigentlich gut los, wurdein der Folge allerdings zu einemschwierigen Jahr. Einerseits mitProblemen an der Halswirbelsäule, andererseitsauchmit der Trennung von Michael Geserer und später von Sebastian Sachs. Wie würden Sie das Jahr fürsichbeschreiben?
Görges: Es war in jeder Hinsicht sehr lehrreich. Als ich aus Charleston wieder zurück war, bin ich am nächsten Morgen aufgewacht und konnte mich nicht mehr bewegen. Es hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, auf den Körper zu hören und wie wichtig es ist, dass Körper und Geist im Einklang sind. Es fällt mir manchmal schwer, im Haifischbecken der Tour mich nicht stressen zu lassen, aber mit der Zeit habe ich jetzt immer besser gelernt, mein Tennisleben zu genießen. Ich stand am Ende eines schwierigen Jahres immer noch auf Rang 28 der Welt, davon träumen viele Kinder.
Und abgesehenvomKörperlichen?
Görges: Ich habe auch gelernt, dass menschliche Enttäuschungen dazugehören. Ich hätte es nicht gedacht, weil ich immer die positiven Seiten in jedem sehe, aber auch das hat mich wieder stärker gemacht. Vielleicht spiegelt sich das nie in Ergebnissen wider, aber der Mensch darf in meinem Beruf auch nicht vergessen werden.
Sie habensichmit Jens Gerlach als Trainer einganzneues Team zusammengestellt. Was warendabei die wichtigsten Punkte für Sie?
Görges: Es war interessant, wie es zustande gekommen ist. Zwischendurch habe ich mich im vergangenen Jahr gefühlt, als würde ich ständig K.o. geschlagen. Wie ein Schwergewichtsboxer, der immer wieder aufstehen muss. Ich habe mich schon gefragt, wie viele Nackenschläge noch kommen sollen, aber dann hat sich alles irgendwie gefügt. Plötzlich waren alle da, die ich für mein neues Team brauchte, ohne dass ich viel dafür tun musste. Ich bin total glücklich, wie sich die Dinge entwickelt haben. In meinem neuen Team erlebe ich im letzten Teil meiner Karriere noch einmal etwas ganz Neues, ein ganz anderes Arbeiten als in meiner bisherigen Karriere. Ich bin viel mehr eingebunden, was zum Beispiel die Trainingsarbeit betrifft. Jeder bringt sich ein mit all seinen Qualitäten, es ist ein super Austausch von ganz unterschiedlichen Charakteren - es macht eine Menge Spaß. Ich hatte bis jetzt schon eine super Karriere, aber ich bin noch nicht fertig mit meinem Projekt. Ich bin extrem motiviert, hart zu arbeiten und lasse mich von meinem Weg auch nicht mehr abbringen. Ich tue das, was mir guttut.
Welche Note würden Sie IhrerKarriere bis hierhin geben?
Görges: Eine 2+. Zu einer 1 fehlt noch ein bisschen was, aber das kann ja vielleicht in den nächsten zwei Jahren noch kommen. Ich bin unabhängig von Ergebnissen froh, welche Entwicklung ich vor allem als Person genommen habe und dass ich so ein glückliches und zufriedenes Leben führen darf. Wenn ich mir anschaue, welcher Mensch vor zehn Jahren auf dem Platz stand und welcher heute auf dem Platz steht, dann ist er in keiner Weise mehr zu vergleichen. Ich bin sehr dankbar für den Weg, den ich gegangen bin. Mit allem, was dazu gehört. Er hat mich reifen lassen und zu der Jule gemacht, die ich heute bin.
Hat es Sie niebelastet, wenn es negative Schlagzeilen gab?
Görges: Das gehört alles zum Geschäft. Wenn du dem nicht gewachsen bist, wirst du in diesem Beruf keinen Erfolg haben können. Du kannst es nicht jedem recht machen. Ich kann es auch nicht beeinflussen, was jemand über mich schreibt, auch nicht, wenn ich nett "Hallo" sage. Ich wollte immer authentisch bleiben, das ist mir glaube ich gut gelungen.
Julia Görges: "Der Respekt ist deutlich verloren gegangen"
Was hatsich seit Ihrem Beginn auf der Tour am meistenverändert?
Görges: Der Respekt ist deutlich verloren gegangen, ganz klar. Ich meine nicht den Respekt vor irgendwelchen Namen, es geht mir um den menschlichen Respekt. Gerade wir Spielerinnen aus der älteren Generation unterhalten uns viel darüber und sind bei einigen Situationen sehr verwundert, wie durchschnittlich oder eher unterdurchschnittlich das Benehmen manchmal so ist. Manchmal ist es wohl eine Frage der Erziehung und wie jemand groß geworden ist, manchmal denke ich, dass die gesellschaftliche Entwicklung aber auch generell leider in diese Richtung geht.
US-Profi Noah Rubin hat 2019 imSPOX-Interview ein eherdüsteres Bild vomZustand des Tennissportsgemalt und unteranderemerklärt, wie das Zuschauerinteresse gesunkenistabseits der Grand Slams. Was istIhr Eindruck auf der Frauen-Tour?
Görges: Wenn ich auf die Frauen-Tour schaue, stelle ist fest, dass Asien den Markt regiert. Immer mehr Events wandern nach Asien ab. Und ja, leider haben wir da wenige Zuschauer. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich froh bin, in meiner Karriere so weit fortgeschritten zu sein, weil ich keine Lust hätte, langfristig das ganze Jahr nur nach Asien zu reisen und dort ein Doppel teilweise vor fünf Fans zu spielen. Wir spielen ja alle auch deshalb Tennis, weil wir die Leute unterhalten wollen. Dass es nicht so viel Spaß macht, in einem großen leeren Stadion zu spielen, ist logisch. Leider ist es aber zunehmend der Fall.
2020 wirdauch der Fed Cup zumersten Mal nichtmehr so sein wiefrüher. Beim Davis Cup habenwir die neue Version schon gesehen. Wie hat sie Ihnen gefallen?
Görges: Für mich hatte das mit Davis Cup nichts zu tun. Ich erinnere mich spontan an mein Fed-Cup-Match gegen Petra Kvitova in Stuttgart, das ich 8:10 im Dritten verloren habe. Da kriege ich jetzt noch sofort Gänsehaut, wenn ich nur an diese grandiose Stimmung von damals denke. Ich habe es lange Jahre erleben dürfen, aber für die nachkommenden Generationen finde ich es tragisch, dass man das kaputt macht.
Julia Görges: "Ich mache ja gerne Büroarbeit"
Letzte Frage: Andrea Petkovic hat Ende 2019 zumersten Mal die ZDF-Sportreportagemoderiert. In welcher Rolle sehen Sie sichnach der Tennis-Karriere?
Görges: Also ich mache ja gerne Büroarbeit, Abrechnungen und so.
Ernsthaft?
Görges: Ja, wirklich. (lacht) Ich mochte auch Mathe in der Schule. Ich hätte schon gerne eine Aufgabe, für die ich mein Köpfchen anstrengen muss. Ich hätte aber auch nichts dagegen, eine Zeit lang einfach die Seele baumeln zu lassen und nichts zu machen. Aber nur Kinder und Hunde wäre auch nicht unbedingt mein Fall. Ich hätte schon gerne irgendwann ein paar Tage in der Woche eine Aufgabe.
Julia Görges im Steckbrief
geboren | 2. November 1988 in Bad Oldesloe |
WTA-Titel: | 7 (Bad Gastein 2010, Stuttgart 2011, Moskau 2017, Zhuhai 2017, Auckland 2018, Luxemburg 2018, Auckland 2019) |
Beste Grand-Slam-Ergebnisse | Halbfinale Wimbledon 2018, 6x Achtelfinale |
Beste Weltranglisten-Position | 9 (August 2018) |
Aktuelle Weltranglisten-Position | 38 |
Trainer | Jens Gerlach |
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