Eine aus acht - das ist die ernüchternde Bilanz der deutschen Tennisprofis in New York nach der ersten Runde. Zeit für grundlegende Debatten?
Jule Niemeier riet von Schwarzmalerei entschlossen ab. "Wir hatten alle extrem schwierige Auslosungen", sagte die einzige verbliebene deutsche Hoffnungsträgerin in New York: "Dass da jetzt alle verloren haben, ist keine Schande. Man sollte es nicht größer machen, als es ist."
Als die 23-Jährige ihre Einschätzung in den Katakomben des Arthur-Ashe-Stadions ins Mikrofon sprach, war genau das eingetreten, was Experten wie Bundestrainerin Barbara Rittner und ihr Konterpart Michael Kohlmann befürchtet hatten: Eine schwer ernüchternde Bilanz nach der ersten Runde der US Open, die bei den Männern sogar historische Ausmaße annimmt.
Erstmals seit 1984 schaffte es kein Profi aus der Bundesrepublik in die zweite Runde des letzten Grand-Slam-Turniers des Jahres. Als Letzter schied am Dienstag (Ortszeit) Oscar Otte aus. Der Kölner verlor gegen den an Position acht gesetzten Polen Hubert Hurkacz 4:6, 2:6, 4:6.
Zuvor hatte Daniel Altmaier bei seiner Fünfsatz-Niederlage gegen den starken Italiener Jannik Sinner durchaus überzeugt, Peter Gojowczyk und Qualifikant Maximilian Marterer waren in ihren Duelle letztlich chancenlos.
Max Otte: "Wenn Sascha nicht spielt ..."
"Wenn Sascha nicht spielt als Hoffnungsträger, kann es schon mal blöd laufen für das deutsche Herrentennis", sagte Otte in Anspielung auf Alexander Zverev, der nach seiner schweren Knöchelverletzung nicht rechtzeitig fit geworden ist.
Die Abhängigkeit vom Olympiasieger und Weltranglistenzweiten ist genauso groß wie die Lücke, die dahinter klafft. Kohlmann sagte im SID-Gespräch vor Turnierbeginn, dass es das Ziel sein müsse, wieder mehr Spieler ins Hauptfeld bei Grand Slams zu bringen. In der Diskussion der Ergebnisse von New York gehört zur Wahrheit, dass Otte als deutsche Nummer zwei ohne Matchpraxis nach seiner Knie-OP noch nicht bei voller Leistungsstärke sein konnte.
Insgesamt fehlen aber aktuell Spieler im jüngeren Alter, die neben den bekannten Gesichtern ins Rampenlicht drängen. Nicola Kuhn (22/Ludwigshafen) oder Rudi Molleker (21/Berlin) etwa bringen eigentlich gute Voraussetzungen mit, rangieren aber nicht mal unter den Top 300 in der Weltrangliste.
Bei den Frauen hätte Angelique Kerber womöglich die Statistik verbessert, doch die Fans werden sich angesichts der Babypause der dreimaligen Grand-Slam-Siegerin daran gewöhnen müssen, dass Spiele mit deutscher Beteiligung in der zweiten Turnierwoche nicht mehr selbstverständlich sind.
Neben Niemeier, die nun am Donnerstag auf die Kasachin Julia Putinzewa trifft, gilt auch die 19-jährige Nastasja Schunk als vielversprechendes Talent. Aktuell muss es Niemeier aber alleine richten.