Mit dem Beginn der Wintersport-Saison kommen auch die Erinnerungen an die kuriosen Typen wieder, die sich im Schnee oder im Eiskanal versucht haben. SPOX hat sich auf die Suche begeben und eine Auswahl getroffen. Mit dabei: Ein Doper, der vergeblich gegen böse Geister kämpft, zwei völlig durchgeknallte Finnen zwischen Alkoholeskapaden und Sex-Orgien, ein Skifahrer mit Pistolengurt und natürlich Eddie the Eagle.
Johann Mühlegg
Beim DSV hatten sie von Langläufer Johann "Juanito" Mühlegg 1998 endgültig die Nase voll. Der fühlte sich vom damaligen Bundestrainer Georg Zipfel "spiritistisch verfolgt", er sei verhext worden. Mühleggs Mittel gegen die bösen Geister: Er schleppte eine Ration Wasser mit sich herum, das von seiner portugiesischen Putzfrau Justina Agostino, die Mühlegg "meine Gnade" nannte, geweiht worden war. Es kam zur Trennung.
Mühlegg ging neue Wege und startete für Spanien. 2002 bei den Spielen in Salt Lake City sorgte er schließlich für einen der größten Dopingskandale überhaupt. Auf "wundersame" Weise lief der heute 45-Jährige alles in Grund und Boden, holte drei Goldmedaillen über 30-km-Freistil, in der 10-km-Verfolgung und im klassischen 50-km-Lauf. Selbst König Juan Carlos feierte den Deutsch-Spanier begeistert.
Im Überschwang der Gefühle brüllte der gebürtige Allgäuer nach seinen Siegen "Viva Espana" in die Kameras. Er sang auch noch "O Sole Mio". Das ist zwar italienisch, doch das war ihm egal.
Allerdings platzte die Blase noch während der Spiele, Mühlegg wurde des Dopings überführt. Seine Schuld gestand der Marktoberdorfer nie ein, stattdessen kam er mit immer abenteuerlicheren Ausreden um die Ecke. Beispielsweise habe die Höhenlage oder eine besondere Diät seine Blutwerte völlig verändert.
Trotzdem wurde er gesperrt, beendete seine Karriere und verschwand. 2014 berichtete die Bild, Mühlegg sei in Brasilien wieder aufgetaucht, betreibe eine Immobilienfirma und wirke "verwirrt wie immer".
Michael Edwards
"Eddie! Eddie! Eddie!" An welcher Schanze Michael "Eddie the Eagle" Edwards auch auftauchte, dem Briten flogen die Herzen der Fans nur so um die Ohren. Dabei waren es nicht die Leistungen des aufgrund seiner extremen Weitsichtigkeit mit einer riesigen und oft beschlagenen Brille ausgestatteten Skispringers, die für Aufsehen sorgten.
Im Gegenteil: Edwards kam kaum über den Schanzentisch hinaus, galt als schlechtester Skispringer der Welt. Aber er liebte das, was er tat - und ging deshalb an die Grenzen. Weil sich Edwards anfangs kein Hotel leisten konnte, übernachtete er während der Wettkämpfe im Auto, in Kuhställen und einmal sogar in einer Irrenanstalt.
Bald hebelte der Mann aus Cheltenham die Gesetze des Leistungssports aus und wurde als Loser zur Legende. Während die Großen Siege einheimsten, wurde Eddie in Talkshows eingeladen und war der Liebling der britischen Klatschpresse. "Ich war anders als die anderen Springer. Die waren immer ernst, ich habe ständig gelacht. Die waren ausgehungert, ich ganz gut genährt", sagte der 51-Jährige.
In der Tat: In seinem Anzug glich er einer Presswurst. "Fett fliegt nicht", konstatierte sein Trainer deshalb resigniert. Aber der gelernte Maurer gab nie auf. Er fand, nachdem er sich jahrelang selbst finanziell irgendwie durchgeschlagen hatte, mit Eagle Airlines sogar einen Sponsor.
Letztlich erfüllte er sich seinen großen Traum, in dem er 1988 an den Olympischen Winterspielen in Calgary teilnahm. "Für mich war es schon eine Goldmedaille, überhaupt dabei sein zu dürfen", meinte Edwards, dessen Geschichte in "Sprung in die Ewigkeit" verfilmt wurde.
Seine Berühmtheit hat ihm nach der Laufbahn übrigens sogar dabei geholfen, sein Problem mit den Augen zu lösen. Gegen drei PR-Termine für einen russischen Arzt bekam Eddie einmal Augenlasern gratis. Heute ist er wieder auf dem Bau beschäftigt.
Hubertus von Hohenlohe
"Lieber Prinz wir bitten Dich, komm nach Haus bei Tageslicht." Manchmal wird Hubertus von Hohenlohe auf Transparenten von Fans ein wenig verspottet. Er ist nun einmal nicht gerade schnell wie ein Blitz. Die Mehrzahl freut sich aber stets, wenn der in Mexico City geborene Adlige, der auch die Staatsbürgerschaft Liechtensteins besitzt, bei Großveranstaltungen für einen Farbtupfer sorgt.
1981 gründete er den mexikanischen Skiverband und nahm seither an sechs Spielen und 16 Weltmeisterschaften teil. Um eine gute Platzierung ging es ihm dabei nie. "Mein Ziel ist es, unter den drei bestgekleideten Teilnehmern zu landen", sagte von Hohenlohe.
Mal ging der Fotograf und Sänger in einem Rennanzug mit einem Pistolengurt an den Start, mal als Mariachi-Sänger oder in kurzer Lederhose. Und es kam auch vor, dass er in seinen schrillen Outfits unbeholfen einen Hang rückwärts hinunterrutschte.
Die Konkurrenz beäugt den Ski-Prinz teilweise kritisch. "Als Abfahrer ist er ein potenzieller Selbstmörder", sind sich die Experten einig. Von Hohenlohe war und ist es völlig egal. 2017 will der 56-Jährige erneut bei der WM in St. Moritz starten.
Jamaikas Bobfahrer
So ziemlich jeder kennt den Film "Cool Runnings". Der Streifen basiert zumindest teilweise auf einer wahren Begebenheit. Gut: Die Truppe, die 1988 in Calgary tatsächlich an Olympia teilnahm, küsste kein Glücks-Ei. Und sie schrie vor dem Start auch nicht auf Schweizerdeutsch "eis, zwo, drü."
Aber es gab sie wirklich. Die Jamaikaner erreichten 1988 im Zweierbob den 30. von 41 Plätzen, im Viererbob belegten sie mit einem satten Abstand den letzten Rang.
Die Idee zum Aufbau eines Teams soll von den beiden US-Geschäftsmännern George B. Fitch und William Maloney gekommen sein. Die hatten sich bei einem Jamaika-Besuch ein Seifenkistenrennen angesehen und die Parallelen zum Bob-Sport erkannt.
Cool Runnings: Die wahre Geschichte
Sie wandten sich ans jamaikanische Militär und wurden fündig. Die Soldaten Devon Harris, Dudley Stokes, Michael White und Samuel Clayton machten einen auf Bobfahrer und begannen das Training unter der Leitung des Amerikaners Howard Siler.
"Ich hielt das damals für die beknackteste Idee aller Zeiten", erzählte Harris Jahre später. Immerhin nimmt Jamaika seither regelmäßig an großen Wettbewerben teil und es entstand ein legendärer Film. Was will man mehr?
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Matti Nykänen
"Grüße aus der Hölle!" Man hätte für das Buch über das Leben des Matti Nykänen keinen treffenderen Titel finden können. Der frühere finnische Skispringer war ein Pendler zwischen Genie und Wahnsinn. Auf der Schanze absolute Weltklasse, holte er vier Mal Olympia-Gold, sechs Mal WM-Gold, gewann zwei Mal die Vierschanzentournee und unglaubliche 46 Weltcupspringen.
Doch nach der Karriere ging es rapide bergab, der heute 52-Jährige wurde zum beinharten Alkoholiker. "Ich habe getrunken, weil ich nichts anderes zu tun hatte", erklärte er vor Jahren. Mal war er tagelang verschollen, dann tauchte er in irgendeiner Bar wieder auf.
Der beste Skispringer der 80er Jahre erlebte fünf Scheidungen, überlebte einen Herzinfarkt und trat als Popsänger zunächst in mehr oder weniger dubiosen Etablissements auf, ehe er sogar selbst blank zog und sich als Stripper versuchte.
Außerdem landete er mehrfach im Gefängnis. 2004 geriet Nykänen mit seiner Frau unter Verdacht des versuchten Totschlags. Ihnen wurde vorgeworfen, einen Freund im Alkoholrausch nach einem Streit ums Fingerhakeln niedergestochen zu haben.
"Die Hölle ist nicht so schlimm, wie es mein Leben war", bilanzierte Nykänen einmal, der auch durch eine Messerattacke auf seine Frau für Schlagzeilen sorgte. Heute scheint er sein Leben einigermaßen im Griff zu haben, verdient finnischen Medienberichten zufolge gutes Geld als Sänger.
Harri Olli
2007 in Sapporo wurde er mit dem hauchdünnen Rückstand von 0,2 Punkten auf Simon Ammann Vize-Weltmeister - sein größter Erfolg. Bleibenden Eindruck hinterließ Harri Olli allerdings vor allem durch seine Skandale, der finnische Skispringer schoss den Vogel gleich mehrfach ab.
Skiflug-WM 2008 in Oberstdorf: Olli holte mit der Mannschaft Silber. Anstatt mit dem Team zu feiern, ließ es der damals 22-Jährige mit einer Sex-Orgie in seinem Zimmer krachen. Als er Stunden später völlig betrunken zur Party der Kollegen zurückkehrte, erzählte er stolz, gleich zwei Frauen auf einmal verwöhnt zu haben. Bei der Heimkehr bezeichnete er gegenüber Journalisten den Trainer als "Wichser" und wurde suspendiert.
Juni 2008: Wenige Monate nach Oberstdorf wurde der Mathematik-Student mit 141 km/h in seinem Auto erwischt - bei erlaubten 80. Natürlich mit Alkohol im Blut, 0,65 Promille exakt.
2010 in Kuusamo: Olli musste nicht zwingend betrunken sein, um für Skandale zu sorgen. Nach einem Sprung auf den Vorbau fuhr er den Backen hinab und zeigte der verdutzten Jury den Mittelfinger, weil die trotz mieser Bedingungen den Sprung freigab.
August 2012: Olli attackierte wie schon so häufig zuvor eine Frau. Sein Auftritt vor Gericht sorgt in Finnland noch heute für Kopfschütteln. Er zeigte den anwesenden Journalisten den Stinkefinger und beschimpfte andere beteiligte Personen lautstark.
Sommer 2013: Olli, zwischenzeitlich vom Skispringen zurückgetreten, wollte es noch einmal wissen und peilte die Qualifikation für die Winterspiele in Sotschi an. Um sich richtig in Form zu bringen, reiste er nach Österreich ins Sommertrainingslager. Dazu nahm er sich als Trainer - festhalten - Matti Nykänen mit.
Was die beiden in Österreich trieben, ist nicht übermittelt. Von Olympia blieb Olli aber so weit entfernt wie die Erde vom Mond.
Philip Boit
Er war ein passabler Mittelstreckenläufer, für den großen Durchbruch reichte es aber nicht. Also nahm Philip Boit das Angebot von Nike an, Langläufer zu werden. Die ursprünglich als reiner Werbegag geplante Aktion nahm im Laufe der Jahre skurrile Züge an, so dass der Kenianer zu einer Legende unter den zahlreichen Wintersport-Exoten wurde.
Aber der Reihe nach. Boit wurde zum Training nach Finnland geflogen - und war entsetzt. Mit diesem Schnee, den er erstmals zu Gesicht bekam, konnte er rein gar nichts anfangen. Dass das weiße Zeugs auch noch kalt war, machte es ihm nicht sympathischer.
Trotzdem hielt Boit durch und nahm 1998 in Nagano tatsächlich am Zehn-Kilometer-Rennen teil. Nach 47 Minuten und 25 Sekunden erreichte er das Ziel - als Letzter und 20 Minuten nach dem Sieger Björn Dählie.
Weil er so lange unterwegs war, wurde sogar die Siegerehrung verschoben. Als der Exot endlich ins Ziel kam, wurde er schon erwartet - von niemand geringerem als dem frischgebackenen Olympiasieger. Der wollte Boit unbedingt gratulieren. Der Afrikaner war ob der Geste gerührt, einen seiner Söhne nannte er deshalb später Dählie Boit.
2002 und 2006 nahm Boit noch einmal bei Spielen teil. "Mein Ziel ist es, Weltmeister oder Olympiasieger zu werden. Ich träume davon, der erste Afrikaner zu werden, dem das gelingt. Ich werde es schaffen", sagte er. Das blieb ihm dann aber doch verwehrt.
Bruno Banani
Es schien eine Geschichte für Sport-Romantiker zu sein. Aus einem Informatikstudenten vom Südseeinselstaat Tonga war ein Rennrodler geworden. Doch dann der Schock: Bruno Banani heißt gar nicht Bruno Banani, sondern Fuahea Semi.
Der Name Fuahea Semi lässt sich nicht so gut zu Geld machen, dachte sich eine deutsche Marketing-Firma. Also wurde Semi ganz offiziell umbenannt, erhielt sogar eine neue Geburtsurkunde und heißt seither wie eine Unterhosen-Marke aus Chemnitz, von der er unterstützt wird.
Die Marketingindustrie hatte einmal mehr die Strahlkraft des Sports gnadenlos ausgenutzt. Obwohl es massive Kritik am Vorgehen gab, durfte der im Rahmen eines von der Prinzessin von Tonga veranstalteten Castings ausgewählte und von der deutschen Isabel Barschinski trainierte Bruno Banani weitermachen.
Schließlich schaffte er es tatsächlich zu den Spielen nach Sotschi. "Für mich ging ein Traum in Erfüllung", meinte der 27-Jährige - und seine Geschichte wurde im vergangenen Sommer im Dokumentarfilm "Being Bruno Banani" nacherzählt.
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