HSV? "Wird mir sowieso alles negativ ausgelegt"

Fink steht seit 2015 bei den Veilchen unter Vertrag
© GEPA

Vor dreieinhalb Jahren hätte Thorsten Fink den HSV beinahe zu einem Europacup-Startplatz geführt. Entlassen wurde er wenige Monate später trotzdem. Mittlerweile arbeitet der 49-Jährige als Coach der Wiener Austria. Im SPOX-Interview erklärt er, warum er dort beinahe selbst zurückgetreten wäre und wie schwierig sich die Medienarbeit in Hamburg gestaltet.

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"Normalerweise geht es hier viel ruhiger zu", erzählt Thorsten Fink. Kurz vor den Weihnachtsferien findet im Landessportzentrum Burgenland ein Hallenfußball-Schülerturnier statt. Der Coach der Wiener Austria lässt sich von den herumirrenden Jugendlichen nicht aus der Ruhe bringen. Seitdem Stadion und Trainingszentrum des Vereins modernisiert werden, verbringt er einen Großteil seiner Arbeitszeit hier im beschaulichen Steinbrunn. Dafür hat er sogar seinen Wohnsitz ins benachbarte Oberwaltersdorf verlegt. Abseits des Schulturnier-Trubels erklärt Fink im SPOX-Interview, warum er im Sommer fast zurückgetreten wäre und was der FC Bayern in dieser Saison erreichen kann.

SPOX: Platz vier in der Liga. Dazu in der Europa-League-Gruppenphase knapp am Aufstieg gescheitert. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz der Herbstsaison aus?

Thorsten Fink: Wären wir gegen Pilsen weitergekommen, hätte ich gesagt, wir haben Sensationelles erreicht. So fällt die Bilanz aber immer noch sehr, sehr gut aus. Wir waren im zweiten Meisterschaftsviertel trotz der Europa-League-Strapazen die beste Mannschaft. Die Gruppenphase zu erreichen, war nicht selbstverständlich. Im Sommer verließen uns einige Leistungsträger, die wir mit jungen Spielern ersetzt haben. Am Transfermarkt investierten wir bei weitem nicht so viel wie Salzburg oder Rapid. Dazu müssen wir mit Robert Almer eine wichtige Säule verletzt vorgeben. Trotzdem sind wir punktemäßig dort, wo wir letztes Jahr waren - und das mit der Zusatzbelastung von zwölf Europacup-Spielen. Natürlich haben wir auch Lehrged bezahlt. Mit erfahreneren Leuten hätten wir möglicherweise international die nächste Runde erreicht.

SPOX: Bei der Weihnachtsfeier haben Sie in Ihrer Rede davon gesprochen, dass sie den Verein angesichts der hochkarätigen Abgänge und der gleichzeitig hohen Erwartungshaltung im Sommer fast verlassen hätten. Was hat sie zum Bleiben bewegt?

Fink: Damals dachte ich, ich kann dem Klub nicht mehr geben, was er verlangt. Mir wurde als Auflage der erste Platz vorgegeben. Daraufhin habe ich gesagt, ich höre auf. Es kann nicht sein, dass niemand zufrieden ist, wenn wir in dieser Saison mit dieser jungen Mannschaft und einer Budgetkürzung von 15 Prozent Dritter werden. Da fehlt der Sinn für die Realität. Das wäre so, als würde ich in Deutschland von Borussia Mönchengladbach verlangen, Meister zu werden. Ich habe das dem Verein so gesagt. Am Ende haben mir die Verantwortlichen zugestimmt. Platz drei wäre in dieser Saison ein Erfolg für uns. Man darf nicht vergessen, was die Mannschaft leistet. Wir spielen nicht in unserem eigenen Stadion, dazu müssen die Spieler zu jedem Training eine Stunde hin- und zurückfahren. Darunter leidet die körerpliche und mentale Fitness. Das kann man nicht mit einem normalen Job vergleichen.

SPOX: Was ist für die Austria im Frühjahr möglich?

Fink: Ohne die Europa-League-Strapatzen können wir uns intensiver auf die Gegner vorbereiten. Wir sind sieben Punkte vor Rapid. Das ist für mich der unmittelbare Konkurrent. Wenn wir sie auf Distanz halten, ist Platz zwei für uns drin. Da auch die Salzburger international nicht mehr vertreten sind, werden sie im Frühjahr konstant ihre Punkte machen. Zudem können sie um drei oder vier Millionen Euro den ein oder anderen Spieler holen. Sie sitzen am längeren Hebel. Davon können wir nur träumen.

SPOX: Sie rechnen also mit Salzburg als Meister?

Fink: Ja. Natürlich würden wir gerne Erster werden, aber ob uns das gelingt, hängt mehr von Red Bull ab als von uns.

SPOX: Sturm Graz hat mit Uros Matic gerade einen absoluten Leistungsträger verloren. Der Austria erging es im Sommer mit Alexander Gorgon ähnlich. Wie kann man als Trainer etwas aufbauen, wenn die besten Spieler stets abwandern?

Fink: Österreichische Mannschaften sind immer Ausbildungsstätten für größere Ligen. Das ist gut so. Der Verein bekommt Geld, mit dem man neue Spieler kaufen kann. Oder man zieht Jugendspieler hoch, die die Abgänge ersetzen. Wir versuchen gerade Dominik Prokop so zu entwickeln, dass er für andere Mannschaften interessant wird. Tarkan Serbest ist das schon gelungen. Er hat sich zu einer tragenden Säule innerhalb des Teams entwickelt. Dazu kommen seine türkischen Wurzeln. Das macht ihn für den Verein zu einer guten Kapitalanlage.

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SPOX: Ihre Mannschaft will den Ball haben. In diesem Jahr ging der Trend aber eher dazu, dass gute Konter-Mannschaften die wichtigen Spiele gewonnen haben. Ich denke dabei beispielsweise an Europameister Portugal oder das CL-Aus der Bayern gegen Atletico. Was spricht aus ihrer Sicht dennoch gegen diese Spielweise?

Fink: Ich will viel Ballbesitz, weil ich Kontrolle haben möchte. Es gibt keine Patentlösung, welcher Spielstil besser ist. Aber ich denke, dass in den meisten Ligen jene Mannschaften Meister werden, die Ballbesitz-Fußball spielen. Natürlich muss mein Team alles können, auch verteidigen. Gegen Rosenborg haben wir gezeigt, dass wir in der Lage sind, zu kontern. Ich sage nicht, dass Ballbesitzfußball von Haus aus besser ist, aber das ist einfach meine Philosophie. Ich muss die Stärken meiner Mannschaft herauskitzeln und mit diesem Stil gelingt mir das.

SPOX: Taktisch ist außerdem aufgefallen, dass sie Ihre Außenverteidiger in machen Spielen recht zentral positionieren. Ähnlich hat Bayern unter Pep Guardiola agiert. Haben Sie sich davon inspirieren lassen?

Fink: Ich lasse schon seit langer Zeit so spielen. Das habe ich bei schon bei Basel, Hamburg und hier im letzten Jahr gemacht. Den Leuten fällt es aber immer erst auf, wenn die Bayern so etwas machen.