Herr Maierhofer, warum scheint auf Ihrer Internetseite unter Erfolgen denn der "Topscorer" nicht auf?
Stefan Maierhofer: Ist das so? (lacht) Ich bin auf meinem Handy ja nur auf Facebook und Instagram aktiv, aber da muss ich einmal nachschauen. In der Saison 2011/12 habe ich ja jeden möglichen Titel mitgenommen. (Anm. d. Red.: Meister, Cupsieger, Torschützenkönig und Topscorer mit Red Bull Salzburg) Danke für die Info, so kann man gerne in ein Interview reinstarten!
Lassen wir Ihre Karriere, die ja bei Weitem noch nicht zu Ende ist, einmal Revue passieren: Sie wurden Doublesieger mit Salzburg, Meister mit Rapid, haben in der Slowakei das Double geholt, Premier League gespielt, Profiminuten für den FC Bayern und die österreichische Nationalmannschaft in den Beinen und waren Kapitän von Weltmeister Mats Hummels. Sind Sie ein Muster-Beispiel dafür, was man mit der richtigen Mentalität alles schaffen kann?
Maierhofer: Wenn Sie das so ausdrücken wollen, nehme ich das gerne so an. Ich habe nie eine Akademie besucht, bin erst mit 23 Jahren in den bezahlten Fußball eingestiegen und habe durch meine Willensstärke und mein positives Denken diese Karriere hingelegt.
Im Laufe Ihrer Karriere haben Sie Ihre Transfers oft damit begründet, dass Ihr neuer Klub einen großen Stürmer gesucht habe. Als junger Spieler jedoch war Ihnen gerade ob Ihrer Größe keine Profilaufbahn zugetraut worden. Provokant gefragt: Hätten Sie auch ohne Ihre 2,02 Meter eine so erfolgreiche Karriere hingelegt?
Maierhofer: Das ist schwer zu beurteilen. Damals in der Landesauswahl haben sie auch gesagt, dass ich fürs Fußballspielen fast zu groß sei, obwohl ich in der Jugend haufenweise Tore gemacht habe. In vielen Situationen war meine Größe sicherlich ein Vorteil. Manchmal haben gewisse Trainer aber auch Systeme forciert, wo der große Stürmer nicht so gefragt war. Mittlerweile will aber jede Mannschaft gerne einen Brecher im Kader haben. Von daher kommt es mir schon entgegen, dass ich groß gewachsen bin.
Stefan Maierhofer: "Spieler haben vorgetäuscht, krank zu sein"
Aufgrund welcher Qualitäten abseits Ihrer Körpergröße sind Sie im Laufe Ihrer Karriere von Vereinen geholt worden?
Maierhofer: Meine direkte und ehrliche Art und auch meine Funktion als Motivator für die Mannschaft haben mich immer ausgezeichnet. Ich bin ein kommunikativer Typ, der auch ungute Dinge direkt vor der Gruppe anspricht und nicht hinter dem Rücken. Später in meiner Karriere brachte ich oft Ratschläge ein, weil ich doch schon relativ viel gesehen habe.
Trotz Ihrer Erfolge haben Sie in Österreich einen Status zwischen Legende und Lachfigur. Wenn man beispielsweise auf YouTube nach Ihnen sucht, stößt man relativ bald auf ein Video, das Sie bei der 0:2-Niederlage in der Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2010 gegen Litauen im Nationalteamdress - nicht immer vorteilhaft und untermalt vom Donauwalzer - zeigt. Wie sind Sie im Laufe Ihrer Karriere mit Hass, Häme und Neid umgegangen?
Maierhofer: In meiner Karriere habe ich trotz meiner fußballerischen Fähigkeiten - ich bin nicht der beste Fußballer, das ist richtig - meine Tore gemacht, egal wo ich war. Mein Traum war es, nach England zu gehen. Das habe ich geschafft, ich habe im Old Trafford gespielt. Nicht, weil mein Vater irgendwen kennt, nein, ich habe das aufgrund meiner Leistungen geschafft. In diesem einen Spiel in Litauen haben Spieler - ich möchte keine Namen nennen - vorgetäuscht, krank zu sein, weil sie nicht vor 1.000 Leuten für ihr Vaterland spielen wollten. "Das interessiert ja keinen, das ist nicht meine Liga." Da kriege ich den größten Hass. Ich distanzierte mich dann von vielen Spielern in der Nationalmannschaft. Ich kam als junger Spieler rein, wollte für mein Land alles geben, war übermotiviert und dann gelang mir eben nicht alles. Dass sich da dann jemand hinsetzt, nichts Besseres zu tun hat und sich die Mühe macht, so ein Video zusammenzuschneiden - da muss ich sagen: Hut ab! Das sind dann wahrscheinlich genau die, die nicht einmal dreimal gaberln können, aber andere verurteilen. Ich habe da wenig Verständnis dafür. Was ich erreicht habe, kann mir keiner nehmen. Andere sitzen vor dem Computer und schneiden solche Videos zusammen. Von dem her kann ich darüber lachen.
Maierhofer: "Viele Leute, die einem nichts gönnen"
Auch nach Ihrem kürzlich vergebenen Elfmeter im Cup-Viertelfinale gegen Austria Lustenau haben Sie gemeint: "Da haben die Leute wieder etwas zu lachen." Ist diese Schadenfreude, die sie hierzulande schon des Öfteren erfahren haben, ein rein österreichisches Phänomen oder haben Sie das in anderen Ländern auch so erlebt?
Maierhofer: Das ist in Österreich ganz speziell. Warum weiß ich auch nicht. Ich erinnere mich gerne an meinen Nachbarn während meiner Zeit bei Wolverhampton: Er hatte seit über 20 Jahren ein Dauerticket bei den Wolves, richtete bei mir die Waschmaschine ein und gönnte mir von Herzen, dass ich Premier-League-Spieler war. Weil er gesehen hat, was ich tagtäglich leisten und was ich dafür aufgeben musste. Wenn ich zu Weihnachten und Silvester nicht bei ihm und seiner Familie gewesen wäre, hätte ich die Tage allein verbracht. Natürlich verdienst du gutes Geld, aber du musst im Profifußball einfach auf so viele Sachen verzichten, damit du erfolgreich sein kannst - und das wollen viele Leute in Österreich nicht akzeptieren.
Können Sie uns ein Beispiel geben?
Maierhofer: Vor zwölf Jahren haben ich und meine damaligen Kollegen bei Rapid ein unglaubliches Spiel in Salzburg hingelegt und mit 7:0 gewonnen. Unter den Kommentaren auf meinem Facebook-Post, bei dem ich an dieses Spiel erinnerte, ist zu lesen: "Gekauftes Spiel" und "G'schobene Partie". Da sind einfach so viele Leute unterwegs, die einem nichts gönnen. Das passt auch perfekt in unsere derzeitige Krisensituation rein, in der wir uns gerade befinden. Unsere PolitikerInnen machen momentan einen Riesenjob, übernehmen Verantwortung und wollen unseren MitbürgerInnen mitgeben, was in der momentanen Situation das Beste ist. Und manche Leute nehmen das einfach noch immer nicht ernst. Das ärgert mich. Ich bin selbst vor eineinhalb Wochen aus Tirol heimgefahren und seitdem zuhause. Natürlich geht es mir gut, ich habe einen Garten, in dem ich mich beschäftigen kann. Aber ich nehme Rücksicht auf meine Mitmenschen, nehme das, was meine Regierung mir vorgibt, zur Kenntnis und führe das auch so aus. Mittlerweile sollten auch die Letzten begriffen haben, dass jeder daheimbleiben sollte.
Bei Wiener Neustadt wurde die Nummer 39 zu Ihren Ehren bis auf Weiteres nicht mehr vergeben - Sie haben gerade einmal vier Spiele für den Klub bestritten.
Maierhofer: Günter Kreissl hat das damals ausgesprochen. Im Endeffekt war mein Engagement dort quasi wie ein Freundschaftsdienst, wo der Verein finanziell viel besser ausgestiegen ist, als ich. Kreissl wollte mich als Motivator und Mentalcoach holen und dann habe ich der Mannschaft in diesen vier Spielen geholfen. Das Team hat davor nicht wirklich viele Punkte geholt, wir konnten zwei Siege feiern, mussten aber auch zwei bittere Niederlagen einstecken. Leider ist der Verein dann im Frühjahr trotzdem abgestiegen. Es war eine interessante Zeit, ich habe tolle Menschen und gute Spieler kennengelernt und wie der Verein das damals nach außen getragen hat, hat mir extrem imponiert.