Während Hirscher für SPOX-Redakteur Andreas Födinger den Zeitpunkt seines Rücktritts nicht besser treffen hätte können, empfindet sein Kollege Lukas Zahrer den Schritt als einen Fehler.
Warum Marcel Hirscher zurücktreten muss: Ab jetzt nur mehr garteln
SPOX-Redakteur Andreas Födinger: August 1996, Oasis live at Knebworth Castle - die zu dem Zeitpunkt größte Band der Welt spielt ihre größten Gigs. Zwei historische Abende vor einer Viertelmillion Menschen, die den Status der Mancunian Lads Oasis in die Popkultur zementieren und sie unsterblich machen. Die Gallagher-Brüder & Konsorten lassen sich per Hubschrauber zum Arbeitsplatz bringen, sie sind sowohl kommerziell als auch kreativ am Höhepunkt ihres Schaffens.
Ein knappes Jahr davor wurde der Zweitling "(What's The Story) Morning Glory?" in den musikalischen Orbit geschickt, ein künstlerisch und kulturell signifikantes Werk für die Musikgeschichte. Das Sprichwort "what goes up must come down" trifft danach auch auf die unsterblich geglaubten Oasis zu. Halbgare oder größenwahnsinnige Alben ("Be Here Now", "Heathen Chemistry" etc.), peinliche Zankereien ausgetragen über den Boulevard und teils grausame Konzerte rütteln ordentlich am Denkmal der Gruppe.
Aktuell schreibt die Musikpresse mehr über teils lustige Zitate oder Tweets der Gallagher-Brüder, die Musik ist längst in den Hintergrund gerückt. Fans bleiben ratlos zurück, inklusive der viel überschattenden Frage: "Was wäre, wenn..." Was wäre, wenn Oasis nach den Knebworth-Konzerten die Instrumente einfach an den Nagel gehängt hätten? Was wäre, wenn der Nachwelt Grausamkeiten wie "She is Love" oder "Little James" erspart geblieben wäre? Die Band wäre von Musikern zu Legenden geworden, zu einem Mythos, an dem sich gleichwohl Historiker und Konsumenten abgearbeitet hätten. Stattdessen?
Denken wir an Robert De Niro. Ein wohlbekannter Name in Hollywood, der das Schauspiel in Filmen wie "Raging Bull" oder "Taxi Driver (!)" revolutioniert hat, sowohl Herzen als auch Preise en masse absahnte. Wohlgemerkt - in den 70/80erern. Was kam danach? Lächerliche und erschaudernswürdige Ausflüge ins Alte-Männer-Dasein ("Dirty Grandpa") inklusive der bemitleidenswerten Schreie nach Relevanz.
Marcel Hirscher - Kein Oasis, kein nächster Robert de Niro
Liebe LeserIn, denken Sie daran - was hätte sein können, wenn sich De Niro nach "Goodfellas" (1990) einfach zur Ruhe gesetzt hätte? Er hätte die Nächte im Weinkeller verbringen können, mehrere Bücher schreiben können, sich seinen sechs Kindern widmen können. Aber nein, er entschied sich dafür, sein Denkmal mit dem Vorschlaghammer zu bearbeiten ("Meet the Fockers").
Was das alles mit Marcel Hirscher zu tun hat? Ein paar Zahlen, die Ihnen gewaltig die Patscherl ausziehen werden: Acht Gesamtweltcupsiege in Serie, zwei Olympia-Goldene, sieben WM-Goldene, der erfolgreichste überhaupt und seit überhaupt und Ewigkeiten. Ein Phänomen, für den die Superlative erst erfunden werden müssen. Hirscher ist aktuell am gleichen Stand wie Oasis nach Knebworth, wie De Niro nach Goodfellas.
Am Zenit des Schaffens.
Wohin soll's noch gehen? Als neutraler Zuseher gibt's nix Schlimmeres, jemanden dabei zu beobachten, wie er krampfhaft versucht, an alte Erfolge anzuschließen, den Ruhm und die Glorie der Vergangenheit einzuholen. Wie ein Hund, der seinen eigenen Schwanz jagt. Um eben dies zu vermeiden ist Hirschers Rücktritt das Beste, das passieren kann. Er schlägt dem Sprichwort ein Schnippchen: what goes up must come down. Und hat den Platz an der Sonne als Österreichs erfolgreichster Sportler wohl für immer sicher.
Marcel Hirscher im Steckbrief
Geburtsdatum | 02. März 1989 |
Geburtsort | Hallein (Salzburg) |
Größe | 1,73 Meter |
Debüt im Ski-Weltcup | 17. März 2007 |
Weltcup-Siege | 67 |
WM-Medaillen | 11 |
Olympia-Medaillen | 3 |