Gottes Sohn ist Amerikas Hoffnung

Bärbel Mees
20. November 200912:06
Andre Ward (l.) gewann im Mai gegen Edison Miranda einstimmig nach PunktenGetty
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Am Samstag trifft im Super-Six-Turnier in Oakland Andre Ward auf Mikkel Kessler. Der Son of God gegen den Viking Warrior. Schnelligkeit gegen Erfahrung. Präzision gegen Schlagstärke. Ein Duell der Extraklasse.

Bisher läuft es für die Amerikaner im Super-Six-Turnier nicht allzu gut. Mit Jermain Taylor und Andre Dirrell sind zwei der drei US-Boxer mit einer Niederlage in das Turnier der besten sechs Supermittelgewichtler gestartet. Aber ein heißes Eisen haben sie noch im Feuer: Andre Ward.

Für den 24-Jährigen soll der Fight gegen Weltmeister Mikkel Kessler der Kampf seines Lebens werden. Er soll den Weg nach ganz oben ebnen.

"Ich habe großen Respekt vor Mikkel, er ist ein großartiger Champion. Aber seitdem ich boxe, will ich Weltmeister werden. Wenn ich Kessler schlage, wird das überall auf der Welt für großes Aufsehen sorgen. Es wäre ein perfekter Start ins Turnier. Ich habe unglaublich schnelle Hände und diese Schnelligkeit wird mir zum Sieg verhelfen", sagt Ward.

Beeindruckende Amateur-Bilanz

Wenn Ward in der Nacht von Samstag auf Sonntag gegen den Dänen in den Ring steigt, geht er nicht seinem Beruf nach. Vielmehr folgt er seiner Bestimmung. Der Bestimmung zu Boxen.

Seit seinem neunten Lebensjahr steht er im Ring. Von 120 Amateurkämpfen verlor er nur fünf. Und selbst das waren fünf zu viel. "Meinen allerersten Fight habe ich tatsächlich verloren. Ich dachte eigentlich, dass ich ihn gewonnen hätte. Immerhin veranlasste es mich dazu, nie wieder einen Kampf verlieren zu wollen", erinnert sich Ward.

Als Kind nahm ihn sein Vater regelmäßig mit zum Karateunterricht und zu Boxstunden. Von ihm erbte er die Hingabe und die Bereitschaft, das Letzte aus sich herauszuholen und nie aufzugeben. "Mein Vater hatte ein großes Herz und besaß ein hohes Maß an Anstand. Ich habe viel von ihm gelernt."

Die Bestimmung zu boxen wurde ihm jedoch von Gott in die Wiege gelegt, sagt Ward: "Es ist meine Verantwortung, die Gaben, die ich habe, zu nutzen."

SPOXSE/Photo Wende

Glaube an Gott gibt ihm Kraft

Sein fester Glaube an Gott gibt ihm Kraft. Einer seiner Fans komponierte einen Song für Ward, "Son of God" war der Titel. Und Sohn Gottes ist inzwischen auch sein Kampfname.

"In der Bibel heißt es: 'Ihr seid alle Kinder Gottes, wenn ihr an Jesus glaubt.' Das passt zu dem, der ich bin und erinnert mich daran, wo meine Prioritäten liegen. Ich weiß, woher meine Kraft, mein Talent und meine Fähigkeiten herkommen", sagt Ward.

Doch auch Ward ist nicht vor Rückschlägen gefeit. 2002 stirbt sein Vater an Krebs. Sein Vorbild, der ihm stundenlang von seinen eigenen Boxkämpfen erzählte und ihm mit Rat zur Seite stand, ist plötzlich nicht mehr da.

Olympisches Gold - wie einst Muhammed Ali

Der damals 18-Jährige fällt in ein Loch. Doch das Boxen hält ihn am Leben. Der Sport und sein neugeborener Sohn geben ihm Kraft. Trainer Virgil Hunter nimmt Ward unter seine Fittiche und wird sein Mentor. Ward zeigt Biss, trainiert noch mehr und wird im selben Jahr amerikanischer U-19-Meister. Ein Jahr später holt er den nationalen Titel und qualifiziert sich für die Olympischen Spiele 2004 in Athen.

Dort holt er Gold und beendet die achtjährige Durststrecke der amerikanischen Boxer bei Olympia. Und er reiht sich ein in die ganz Großen seines Sports: Muhammad Ali (1960), Joe Frazier (1964), George Foreman (1968), Sugar Ray Leonard (1976) und Oscar de la Hoya (1992).

Doch der Amateursport reicht ihm nicht. Vier Monate nach den Olympischen Spielen wechselt Ward ins Profigeschäft. Am 18. Dezember 2004 gibt er sein Debüt gegen Chris Molina und gewinnt durch technisches K.o.

In den folgenden Jahren steigt er 19 weitere Male in den Ring und gewinnt alle Kämpfe, zwölf davon vorzeitig. Seine Stärke ist die Schnelligkeit und die ungeheure Präzision, mit der er trifft. Seit 1996 ist er ungeschlagen, hat seine Gegner nicht nur besiegt, sondern düpiert.

Ward hat das Zeug zum Weltmeister

Aber Ward entspricht nicht dem Prototyp des amerikanischen Boxers. Er ist kein Rüpel, sondern ein Gentleman. Er provoziert nicht, sondern respektiert seine Gegner. Und er nimmt sich Zeit für die Fans. Auf seiner Homepage beantwortet er Fragen, gibt jungen Nachwuchsboxern Tipps und diskutiert mit eingefleischten Kennern über mögliche Strategien für den nächsten Kampf.

Er hat Achtung vor anderen Menschen und er verurteilt keinen aufgrund seines Lebensstils: "Du kannst ein toller Mensch mit großartigen Fähigkeiten, Leidenschaft und Integrität sein - völlig unabhängig davon, welchen Beruf du ausübst."

Ward lebt nicht wie viele Boxer in einer Welt fernab der Realität, sondern macht sich trotz seines jungen Alters bereits Gedanken über eine Zeit nach der Karriere. "Wann ich mich vom Boxen zurückziehe, möchte ich bestimmen. Das Boxen soll mich nicht in Rente schicken. Ich möchte nicht irgendwann ein Comeback geben müssen, nur weil ich wieder Geld brauche. Ich möchte nicht aus dem falschen Grund in den Ring steigen müssen."

Ward: "Ich will der Beste werden"

Ward boxt, weil er zeigen will, dass er das Zeug zum Weltmeister hat. Dass er es bis ganz nach oben schaffen kann. Das Super-Six-Turnier wird seine Feuertaufe im Profigeschäft. Denn nun wartet Mikkel Kessler. In der Nacht von Samstag auf Sonntag, in Oakland, heißt es dann: Der Gentleman gegen den Viking Warrior. Schnelligkeit gegen Erfahrung. Präzision gegen Schlagstärke.

Auch Experten sind sich nicht sicher, wer am Ende als Sieger im Ring stehen wird. Kessler-Promoter Wilfried Sauerland: "Wir wissen nicht genau, was von Andre Ward zu erwarten ist. Mit Abraham und Kessler gehört er für mich zu den Favoriten auf den Turniersieg. Seine Erfolge sprechen für sich, aber er ist noch nie getestet worden. Dieser Test steht ihm nun bevor."

Und Andre Ward ist bereit für das wichtigste Turnier in seiner Profikarriere: "Solange ich im Boxsport bin, will ich der Beste werden, der ich sein kann. Ich glaube, es gibt einen richtigen Weg, Dinge zu erledigen. Dann passiert dir auch Gutes."

Gegner Mikkel Kessler im SPOX-Interview