Von Burrito-Fressern bis Ohrenbeißern

Bastian Strobl
27. Juli 201122:19
In your face! Chris Arreola (r.) ist im wahrsten Sinne des Wortes ein SchwergewichtGetty
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Nach dem überzeugenden Sieg gegen David Haye muss sich Wladimir Klitschko einen neuen Gegner suchen. Neben bekannten Namen wie Alexander Powetkin oder Odlanier Solis finden sich in der Verlosung auch Boxer wie Robert Helenius oder Tyson Fury.

"Es gibt keine anderen Welten mehr zu erobern!" Das waren die letzten Worte von Alexander dem Großen am Sterbebett, 323 vor Christus. Ob sich Wladimir Klitschko über 2330 Jahre später dasselbe denkt, ist nicht überliefert. Und doch scheint es fast so, als wäre der mehrfache Weltmeister nach dem Erfolg über seinen Erzfeind David Haye am Ende angekommen. Am Ende des Erreichbaren. Am Ende seiner Gegnerliste. Am Ende seiner Karriere.

Es gibt nur einen Haken: Klitschko will seine Handschuhe gar nicht an den Nagel hängen. Noch nicht. Gleichwohl bleibt die Frage, wen das ukrainische Gürteltier überhaupt noch vor die Fäuste bekommen kann. Ein Rückkampf gegen David Haye würde wohl kaum eine ähnliche Brisanz mit sich bringen wie das erste Duell. Tomasz Adamek, ein weiterer Name in der Verlosung, darf sich am 10. September erst mal mit Wladimirs Bruder Witali vergnügen und fällt damit ebenfalls raus.

Doch wer bleibt übrig? Wer tritt den Beweis an, dass es doch irgendwo immer einen Besseren gibt? Am Wochenende hat sich zumindest Tyson Fury gegen Derek Chisora einstimmig nach Punkten durchgesetzt und sich als möglichen Gegner in Stellung gebracht. Klitschko deutete zuvor an, dass er womöglich gegen den Sieger dieses britischen Duells antreten wird. "Über Nacht kann man so etwas nicht organisieren, aber ich bin bereit für Wladimir", sagt Fury.

Doch wen gibt es sonst noch? SPOX nimmt sieben mögliche Herausforderer von Dr. Steelhammer unter die Lupe und schätzt ihre Chancen ein:

Alexander Powetkin (31, 21-0-0): Der OlympiasiegerSPOXGetty

Zweimal Europameister. Weltmeister 2003. Olympiasieger 2004. Mehr als Alexander Powetkin in seiner Amateurzeit zu erreichen geht eigentlich gar nicht. Auch der Sprung ins Profigeschäft gelang dem Mann aus Kursk nahezu mühelos. Nach einigen Aufbaukämpfen besiegte er Ex-Weltmeister Chris Byrd und Eddie Chambers. Nächster Stopp: Wladimir Klitschko höchstpersönlich. Doch der Weiße Tiger verletzte sich in der Vorbereitung am Sprunggelenk. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, dachten alle. Mit seinem neuem Trainer Teddy Atlas, der einst auch für Mike Tyson und Michael Moorer zuständig war, wurde ein neuer Versuch für den Fight gegen Klitschko unternommen. Und wieder scheiterte der Kampf, diesmal weil Powetkin offenbar den Kampfvertrag nicht fristgerecht unterschrieb. Dass sein nächster Kampf am 27. August gegen Ruslan Tschagajew trotzdem um eine Weltmeisterschaft geht, verdankt er nur der WBA. Die beförderte nämlich Klitschko nach dessen Sieg gegen David Haye zum Super-Champion und erklärte den Titel als vakant.

SPOX-Prognose: Über das Talent des mittlerweile 31-jährigen Powetkin darf und kann es keine zwei Meinungen geben. Und wenn er sein volles Potential abrufen kann, dann stellt der Russe selbst für einen Klitschko ein Problem dar. Denn: Niemand im Schwergewicht ist vermutlich besser im In-Fight als er. Niemand hat eine höhere Schlagfrequenz. Einzig sein manchmal zu offensiver Boxstil könnte ihn zu einem einfachen Opfer werden lassen.

Odlanier Solis (31, 17-0-1): Der Öner-SchützlingSPOXGetty

Solis ist ein Kubaner, wie er im Box-Buche steht: Amateur-Weltmeister? Check! Olympiasieger? Check! Flucht vor Castro und Co.? Check! Samt Lautsprecher Ahmet Öner und ständigen Gewichtsproblemen erkämpfte er sich im März 2011 einen WM-Kampf gegen Witali Klitschko. Und überzeugte auf ganzer Linie. Selten sah sich der ältere Klitschko-Bruder einer solchen Gegenwehr gegenüber. Das Problem: Nach einer Runde war die Magie schon wieder vorbei, weil sich Solis das vordere Kreuzband riss. Dennoch: Der 31-Jährige ließ erahnen, was er im Stande zu leisten ist. Ob er in der Lage ist, eine solche Leistung auch über 12 Runden zu zeigen, bleibt freilich vorerst ungewiss.

SPOX-Prognose: Die größte Frage bei Solis wird sicherlich sein, ob er sich nach seinem Kreuzbandriss wieder zu alter Form zurückkämpfen kann. Rein von den boxerischen Fähigkeiten hat La Sombra mit seinem linken Haken durchaus Möglichkeiten, Wladimir gefährlich zu werden.

Tyson Fury (22, 15-0-0): Der nächste KlitschkoSPOXGetty

"Tyson ist ein Wladimir Klitschko für Arme." Wer das gesagt hat? Derek Chisora. Ob Del Boy seine Meinung nach der Niederlage geändert hat, ist nicht bekannt. Zumindest bei der Körpergröße schlägt Fury den Ukrainer mit gestandenen 2,06 Metern aber schon mal. Und mit dem Boxstil von Klitschko sollte der 23-Jährige sowieso vertraut sein. Immerhin trainiert Fury seit einiger Zeit zusammen mit Wladimir bei Emanuel Steward. Eine große Ehre für den Mann von der Insel, den seine Eltern nach Mike Tyson benannten. So ein Name verpflichtet natürlich in der Box-Welt. Dementsprechend kann sich auch seine K.o.-Quote sehen lassen: Zehn Mal schickte er seinen Gegner auf die Bretter. Und blieb dabei dennoch auf dem Boden der Tatsachen, wie er im Gespräch mit "Sportinglife.com" vor einiger Zeit bewies: "Ich denke, dass ich einfach noch nicht für die Klitschkos bereit bin." Demut ist gerade im Boxen ein seltenes Gut.

SPOX-Prognose: Für sein Alter ist Fury schon unglaublich weit. Trotzdem fehlt ihm zur Weltklasse noch einiges. Es kommt eben nicht nur auf die Größe, sondern auch auf die Technik an. Trotz seines Erfolgs über Chisora wäre also ein Aufeinandertreffen mit Klitschko noch eine Mission impossible für den Riesen von der Insel.

Vom Nightmare Arreola bis zum Publikumsliebling Boizow

Chris Arreola (30, 33-0-2): Der AlptraumSPOXGetty

Wer etwas über Chris Arreola wissen will, muss sich nur seinen Spitznamen anschauen: The Nightmare. Der Alptraum. Zu Beginn seiner Karriere war vor allem sein Gewicht ein Alptraum. Erfolgreich, aber wie "ein fauler Fettsack" stampfte er nach eigenen Aussagen in den ersten Profijahren durch den Ring. Später ließ vor allem seine K.o.-Quote (28 Knockouts) seine Gegner schlecht träumen. Wie Solis hatte auch das amerikanische Großmaul bereits seine Chance gegen Witali Klitschko. Zehn Runden lang wurden Arreola im September 2009 allerdings deutlich die Grenzen aufgezeigt. Ein Jahr später hatte der gebürtige Kalifornier auch gegen Tomasz Adamek deutlich das Nachsehen und glich über 12 Runden eher einem Burritos und Nachos liebenden Krümelmonster als einem durchtrainierten Weltmeister in spe. Dass diese zwei Niederlagen jedoch nicht an seinem Selbstbewusstsein gekratzt haben, bewies der 30-jährige vor seinem T.K.o.-Sieg gegen Nagy Aguilera im Mai mit den Worten: "European heavyweights can suck my dick!"

SPOX-Prognose: Eigentlich ist es relativ einfach: Bekommt Arreola seinen inneren Schweinehund in den Griff, wäre er durchaus ein guter Gegner für den jüngeren Klitschko. Seine ans Cruisergewicht erinnernden Kombinationen und die hohe Schlagfrequenz sprechen eindeutig für den Nightmare. Und die zwei Jahre zusätzliche Erfahrung seit dem Kampf gegen Witali sollten sich ebenso positiv auswirken.

Robert Helenius (27, 15-0-0): Die finnische TanneSPOXGetty

Tätowierungen sind für einen Boxer nichts Ungewöhnliches. Als der 14-jährige Robert Helenius seinen Vater von einem Tattoo überzeugen wollte, nannte er allerdings nicht die üblichen Coolness-Gründe. "Ich habe ihm immer gesagt, dass ich beweisen will, dass einer, der ein Tattoo hat, nicht zwingend ein Idiot sein muss", gab Helenius vor einigen Monaten im Gespräch mit dem "Focus" zu. Auch im Ring bewies der Nordic Nightmare seitdem seine Klasse. Sowohl Lamon Brewster als auch Samuel Peter, immerhin zwei ehemalige Klitschko-Opfer, schickte er auf die Bretter. Gerade mit seiner Reichweite und seiner Schnelligkeit ließ der Zwei-Meter-Riese seinen Gegnern kaum eine Chance. Nicht umsonst tönte sein Trainer Ulli Wegner nach dem Erfolg über Peter: "Den mache ich zum Weltmeister!"

SPOX-Prognose: Auch wenn die Siege über ehemalige Weltmeister im ersten Moment beeindruckend wirken: Ein Kampf gegen Wladimir Klitschko kommt definitiv zu früh. Nicht umsonst ist selbst aus dem Sauerland-Lager immer wieder zu hören, dass man den finnischen Riesen langsam an die Weltklasse heranführen will. Ob Wladimir dann noch aktiv ist, steht auf einem anderen Papier geschrieben.

Kubrat Pulew (30, 13-0-0): Die CobraSPOXImago

Wer bei gleich drei Verbänden (WBO, WBC, WBA) unter den Top 15 steht, kann eigentlich kein Kanonenfutter sein. Trotzdem gilt Kubrat Pulew immer noch als eine Art Geheimtipp unter den schweren Jungs. Für mehr fehlen dem einstigen Amateur-Europameister derzeit auch noch die namhaften Gegner. Sauerland-Sportdirektor Hagen Doering ist sich dennoch sicher: "Wenn er noch gegen andere gute Leute gewinnt, ist er bald ganz oben mit dabei. Ein EM- oder WM-Kampf ist dann nur noch eine Frage der Zeit." Dass er zudem kein Mitleid mit Ukrainern zeigt, deutete er beim Sieg über Klitschko-Landsmann Maksym Pediura Anfang Juli an. Allzu viel Zeit sollte sich der mittlerweile 30-Jährige allerdings nicht lassen, denn die nächste Generation von Schwergewichtsboxern mit Fury und Co. scharrt bereits mit den Hufen.

SPOX-Prognose: Ein Schwergewicht, das von seiner Schnelligkeit lebt? Klingt nach David Haye. Trifft aber auch auf Kubrat Pulew zu. Dabei lässt der Bulgare aber zurzeit noch zu häufig sein Deckungsverhalten links liegen und geht zu aufreizend zu Werke. Ob er mit 30 Jahren noch die Kurve bekommt, darf bezweifelt werden.

Denis Boizow (25, 28-0-0): Der PublikumslieblingSPOXGetty

Während man im Fußball immer auf der Suche nach dem nächsten Pele ist, bleibt im Boxen der nächste Tyson das Objekt der Begierde. Und einige sagen: Die Suche hat mit Denis Boizow ihr Ende gefunden. Der Russe scheint genauso explosiv. Er scheint genauso schlagkräftig. Und vor allem: Er begeistert das Publikum, wie es einst nur Iron Mike konnte. Trotz seines jungen Alters konnte er zudem mit 28 Profikämpfen schon einiges an Erfahrung sammeln. Dass er trotzdem nur Kennern ein Begriff ist, hat mehrere Gründe. Als Boxer derzeit unter Universum-Vertrag zu sein, ist sicherlich kein leichtes Los. Gerade in Sachen Promoting. Zudem hatte er in den letzten Jahren immer wieder mit Problemen an der rechten Hand zu kämpfen, Operationen inklusive. Und in seiner Vita fehlen derzeit einfach noch die Kämpfe zum mit der Zunge schnalzen. Klingt komisch, immerhin ist Boizow amtierender WBA-Intercontinental-Champion und WBO-Europameister. Ist aber wegen der handverlesenen Gegner wirklich so. Trotzdem sagt sein Trainer Fritz Sdunek, dass der 25-Jährige sich in Sachen Schlagstärke nicht hinter Witali Klitschko zu verstecken braucht.

SPOX-Prognose: Genug vom Fallobst! Gebt dem Kerl endlich richtige Herausforderungen! So und nicht anders muss das Motto für Denis Boizow lauten, dann könnte er in einigen Jahren auf dem Schwergewichtsthron sitzen und die Zuschauer faszinieren. Von Wladimir Klitschko sollte er aber noch tunlichst die Finger lassen.

Die Ranglisten der vier größten Verbände