"Rooney denkt wie ein Boxer"

Bastian Strobl
26. September 201409:50
Paul Smith ist auf der Insel auch unter dem Spitznamen "Real Gone Kid" bekanntgetty
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Es ist die Chance seines Lebens. Am Samstagabend trifft Paul Smith in Kiel auf Super-Mittelgewichts-Weltmeister Arthur Abraham (Sa., 22.55 Uhr im LIVE-TICKER). Davor spricht der britische Herausforderer im Interview über seinen guten Freund Wayne Rooney, ein Box-Big-Brother und Autismus.

SPOX: Paul, am Samstag treffen Sie in Kiel auf Super-Mittelgewichts-Weltmeister Arthur Abraham. Gerüchten zufolge soll auch Wayne Rooney am Ring sitzen. Stimmt das?

Paul Smith: Da muss ich Sie wohl leider enttäuschen. Wayne wäre gerne gekommen, aber Manchester United spielt am selben Tag gegen West Ham. Es wäre klasse gewesen, wenn er Zeit gefunden hätte. Aber in dem Fall verstehe ich natürlich seine Entscheidung. Fußball geht vor. Ganz habe ich die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben, bei Wayne weiß man nie, was passiert.

SPOX: Woher kennen Sie Rooney?

Smith: Ach, er ist ein alter Freund von mir. Wir haben uns das erste Mal vor knapp 15 Jahren getroffen, damals waren wir noch Teenager. Er ist häufig ins Gym gekommen, sein Onkel war ja auch Boxtrainer, deswegen war er schnell einer von uns. Wayne liebt auch heute noch unseren Sport, er denkt wie ein Boxer.

SPOX: Hätte er es im Ring zu etwas bringen können?

Smith: Das ist natürlich sehr theoretisch gefragt. Aber ich glaube schon, dass Rooney das Zeug gehabt hätte, ein ordentlicher Boxer zu werden. Seine Entscheidung bereut er trotzdem nicht wirklich. Sein Talent auf dem Rasen ist dann wohl doch etwas größer (schmunzelt).

SPOX: Rooney war in seiner bisherigen Karriere nicht immer Everybody's Darling, gerade in seiner Anfangszeit schlug er das eine oder andere Mal über die Stränge.

Smith: Aber ist das nicht auch normal für einen jungen Kerl? Wäre Wayne kein bekannter Fußballer, wäre das jedem egal gewesen. Aber so hat sich die Presse sofort daraufgestürzt. Natürlich hat er auch Fehler gemacht, aber das geht doch jedem so. Wayne ist nun mal ein typischer Kerl aus Liverpool.

SPOX: Was macht den typischen Liverpool-Local denn aus?

Smith: Wir kämpfen uns durch, egal, was uns vor die Beine geworfen wird. Wir geben nie auf, selbst wenn wir die Underdogs sind. Und wir wissen auch, wie man eine Party schmeißt, aber das erklärt sich von selbst (lacht).

SPOX: Dementsprechend dürfte auch die Atmosphäre am Samstag in Kiel werden. Bis zu 2000 Briten haben sich angekündigt.

Smith: Wenn das überhaupt reicht, das wird eine Gänsehautatmosphäre. Britische Fans sind ganz anders als deutsche. Bei denen läuft alles sehr gesittet ab, sie verfolgen die Kämpfe eher als ruhige Beobachter. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Diese Leute haben durchaus Ahnung vom Boxen, aber sie sehen das Ganze eher als nette Show.

SPOX: Und britische Fans?

Smith: Nun ja, ich sage mal so: Am Samstag wird die Halle brennen. Es liegt in unserer Natur, dass wir laut sind, schreien, jubeln und mitfiebern. So wird das auch in Kiel ablaufen - und das spricht klar für mich, denn so eine Atmosphäre wird Abraham noch nie erlebt haben. Ganz egal, ob am Ende 600, 700 oder 2000 Engländer kommen, gegen die deutschen Fans kommen sie locker an.

SPOX: Nur auf Grund Ihrer Fans werden Sie Abraham aber kaum entthronen können. Wie wollen Sie den Weltmeister bezwingen?

Smith: Eines ist offensichtlich. Man kann Abraham rein physisch nicht besiegen, dafür ist er zu schlaggewaltig. Wenn man sich Späße erlaubt, dann liegt man ganz schnell am Boden. Aber das wird nicht passieren. Ich bin ihm technisch überlegen, genau das werde ich auch ausspielen. Wissen Sie: Ich habe lange auf diese Chance gewartet und musste einige Hindernisse aus dem Weg räumen. Ich werde - nein, ich muss mir einfach meinen Traum erfüllen.

SPOX: Sie waren 2010 der Sparringspartner von Carl Froch vor dessen dominantem Punktsieg gegen Abraham. Kann das ein Vorteil für Sie sein?

Smith: Es ist immer schwer, sich ein Beispiel an einem anderen Boxer zu nehmen. Carl hat einen komplett anderen Stil als ich. Aber Froch, Ward, Dirrell, sie haben alle gezeigt, dass Abraham verwundbar ist, wenn man ihn unter Druck setzt und in Bewegung bleibt. Einen offenen Schlagabtausch wird es auf keinen Fall geben.

SPOX: Wird das der Schlüssel zum Erfolg sein?

Smith: Auf jeden Fall! Ich muss ihn auf die Nerven gehen und immer wieder mit dem Jab treffen. Darauf wird er keine Antwort finden. Mit meinem Jab muss ich mich vor niemandem in der Boxwelt verstecken.

SPOX: Sie mussten lange auf diese Chance warten. Auch deswegen, weil Sie Ihre beiden wichtigsten Kämpfe gegen George Groves und James DeGale verloren. Was lief damals falsch?

Smith: Das muss man getrennt voneinander betrachten. Gegen DeGale war ich mit dem Kopf nicht voll da. Ich habe auf die falschen Leute gehört und mich komplett überschätzt. Dafür gibt es keine Entschuldigung. Bei Groves war es anders. Ich habe die erste Runde klar dominiert, mir aber dann die Schlaghand gebrochen. Mir blieb nichts anders übrig, als sofort die K.o.-Chance zu suchen, und wurde eiskalt erwischt. Das passiert mir aber kein zweites Mal.

SPOX: Trotz dieser Rückschläge haben Sie sich wieder hochgearbeitet. Welchen Anteil hat Ihr Coach Joe Gallagher daran?

Smith: Ohne ihn würde ich nicht nach dem WM-Titel greifen. So einfach ist das. Nach der Niederlage gegen DeGale war ich am Boden zerstört und wusste keinen Ausweg. Aber er hat mir neue Wege gezeigt und mich quasi wiederbelebt. Die Rolle eines Trainers - nicht nur im Boxen - darf man nie unterschätzen.

Seite 1: Smith über Rooney und den Kampf gegen Abraham

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SPOX: Einen Nachteil hat Ihre Zusammenarbeit mit Gallagher aber trotzdem. Er ist ein glühender Fan von Manchester United, Sie ein Die-Hard-Liverpool-Anhänger. Wie regeln Sie das?

Smith: Es gab noch nie Verletzte (lacht). Aber es geht schon mal heiß her zwischen uns, wenn es um Fußball geht. Hier mal eine Wette, da mal ein bisschen Trash Talk. Sie können sich vorstellen, wie schön es für mich wäre, mit Liverpool endlich mal wieder eine Meisterschaft zu gewinnen. Dann würde er mich damit nicht mehr aufziehen können. Auf der anderen Seite ist es momentan ja auch nicht so einfach, United-Fan zu sein. Aber das darf ich nicht zu laut sagen, sonst ist Joe böse.

SPOX: Sie sind nicht der einzige Smith und damit Liverpool-Fan, mit dem sich Gallagher herumschlagen muss. Ihre Brüder Steven, Liam und Callum sind ebenfalls Boxer und trainieren in seinem Gym. Gibt es ein besonderes Box-Gen in der Familie Smith?

Smith: Ich weiß es nicht, aber wenn ich so darüber nachdenke, kann das gut sein. Uns wurde einfach nie etwas geschenkt, in Liverpool gibt es nicht viele Privatschulen, dafür hätte unsere Familie sowieso kein Geld gehabt. Also haben wir versucht, auf andere Art und Weise einen Eindruck zu hinterlassen. Ich glaube, das ist uns ganz gut gelungen. Mittlerweile sind wir sehr privilegiert, weil wir mit unserer großen Leidenschaft Geld verdienen dürfen.

SPOX: Wie geht Ihre Mutter eigentlich damit um, dass ihre Söhne Boxer sind?

Smith: Der größte Fan davon ist sie nicht wirklich. Sie ist eigentlich nie live vor Ort. Sie versucht alles, um nichts mitzubekommen. Mal geht sie shoppen, dann zum Bingo, aber Hauptsache sie weiß nicht, wie es läuft. Nach einem Kampf rufen wir sie dann immer an und beruhigen sie, meistens ist ja auch nichts passiert.

SPOX: Ihre Mutter hat noch nie einen Kampf von Ihnen live gesehen?

Smith: Doch, ich kann mich noch erinnern, wie sie mich mal zu Beginn meiner Karriere begleitet hat. Ich habe meinen Gegner ausgeknockt, mir ist also nichts passiert. Aber in der Sekunde, in der mein Gegner auf dem Boden aufschlug, ist sie sofort zur Toilette gelaufen.

SPOX: Warum? Sie haben ja dadurch gewonnen.

Smith: Das stimmt, aber sie hat mir danach erzählt, dass sie Mitleid mit der Mutter meines Gegners hatte. Sie konnte an nichts anderes denken. Das ist typisch für sie, sie ist ein so fürsorglicher Mensch.

SPOX: Wie hat Ihre Karriere den Alltag der Familie verändert?

Smith: Es war nicht immer einfach. Als Amateur hatten ich und meine Brüder immer zu unterschiedlichen Zeiten Training. Ein geordnetes Familienleben ist so nicht möglich. Sobald wir mal in Ruhe zusammensaßen, musste schon wieder einer von uns ins Gym. Das hat meine Mutter wahnsinnig gemacht. Abgesehen von der ganzen dreckigen Wäsche. Unsere Maschine lief eigentlich durchgehend (lacht). Aber die Familie Smith hält zusammen.

SPOX: Das bemerkt man auch bei Ihrer jüngeren Schwester Holly, die Autist ist.

Smith: Das ist ein immens wichtiges Thema, nicht ohne Grund steht auf meiner Boxhose das Wort "Autismus". Ich will das Bewusstsein bei den Menschen verändern. Die meisten Leute haben keine Ahnung von dieser Krankheit und schlichtweg Angst, damit in Berührung zu kommen. Aber ein Autist ist ja kein Mensch zweiter Klasse. Wenn ich mir Holly anschaue, sie ist so ein liebenswertes Mädchen. Daran ändert ihre Krankheit nichts. Deswegen kämpfe ich im Ring auch immer ein bisschen für sie.

SPOX: Man erkennt, wie wichtig Ihnen Ihre Familie ist. Trotzdem haben Sie sich 2007 entschieden, bei einer Box-Reality-TV-Show namens The Contender mitzumachen. Hatten Sie keine Angst, in der Öffentlichkeit falsch dargestellt zu werden?

Smith: Nein, The Contender ist ja nicht Big Brother. Natürlich musste man sich ein wenig an die Kameras gewöhnen, aber im Vordergrund stand der Sport. Außerdem hatte ich die Möglichkeit, mit Sugar Ray Leonard eine der größten Legenden kennenzulernen, die es im Boxen jemals gab. Alleine das war die Erfahrung wert - und der Scheck war auch nicht so schlecht.

SPOX: Es war nicht Ihre erste Erfahrung in der Entertainment-Branche. Sie haben auch lange Zeit als DJ in der Liverpooler Disco "Society" gearbeitet.

Smith: Das war eine interessante Zeit, ich liebe Musik. Aber das musste ich aufgeben. Irgendwann im Leben muss sich jeder fragen, wie die Zukunft aussehen soll. Und für mich war immer das Boxen die Nummer eins. Deswegen habe ich mich für den Ring entschieden. Und mein Trainer würde es wohl nicht mehr tolerieren, wenn ich mich an den Wochenenden bis spät in die Nacht herumtreibe (lacht).

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