"Ich werde meinen Stil nicht ändern"

Bastian Strobl
11. Juni 201510:32
Wladimir Klitschko ist Weltmeister der Verbände IBF, WBO, WBA und IBOimago
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Weltmeister. Dominator. Geschäftsmann. Wladimir Klitschko ist der König des Schwergewichts - und wird dennoch kritisiert. Im Interview mit SPOX spricht der 39-Jährige über seinen Box-Stil, die Karriere nach der Karriere und was ihn mit Franz Beckenbauer verbindet.

SPOX: Herr Klitschko, Sie haben 2007 zusammen mit Ihrem Bruder Vitali und Ihrem Manager Bernd Bönte die Klitschko Management Group gegründet. Welchen Masterplan verfolgen Sie für die Zeit nach der aktiven Laufbahn?

Wladimir Klitschko: Das Leben eines Sportlers ist nicht für immer und ewig, das weiß ich. Es ist wichtig, sich in den guten Zeiten für die schlechten vorzubereiten. Wobei ich damit nicht meine, dass nach der Karriere schlechte Zeiten auf mich warten. Das wird eine spannende Phase für mich, vielleicht noch spannender als der Sport. Deswegen haben wir 2004 K2 Promotions und 2007 die Klitschko Management Group gegründet. Wir haben seitdem große Events veranstaltet und bieten Marketing auf hohem Niveau. Diese Erfahrungen wollen wir weitergeben. Das sind meine Erwartungen für die Karriere nach der Karriere, die zwar hoch sind, aber genau das will ich auch. Mein Ziel ist es, auch nach dem Boxen aktiv im Geschäft zu bleiben.

SPOX: Bernd Bönte ist eng mit dem Erfolg der Klitschko-Brüder verbunden. 2007 sagten Sie vor dem WM-Kampf gegen Ray Austin: "Wenn Bernd versagt, versage ich. Und umgekehrt." Was meinten Sie damit?

Klitschko: Wir arbeiten seit 2000 zusammen und haben viele gemeinsame Erfahrungen gesammelt. Wenn Bernd und das komplette Team im Hintergrund versagen, kann ich keine Top-Leistungen abrufen. Man sieht immer nur die Spitze des Eisbergs, also den Box-Kampf, aber dahinter steckt viel Organisation und Manpower, um so ein Event umzusetzen. Dazu gehört auch RTL, das viel Kreativität aufbringt, damit die Show im Fernsehen genauso gut beim Zuschauer ankommt wie in der Halle. Ich bin sehr froh, ein loyales Team im Rücken zu haben. Ohne diese Leute wäre ich niemals dort, wo ich heute bin.

SPOX: Mit der KLITSCHKO BODY PERFORMANCE haben Sie nun eine weitere Branche für sich entdeckt. Wie lautet die Idee hinter diesem Fitness-Programm?

Klitschko: Die KLITSCHKO BODY PERFORMANCE ist das Ergebnis von 25 Jahren Erfahrung im Sport und außerhalb davon. Das Programm beinhaltet meine Pläne aus dem Ernährungs-, Motivations- und Trainingsbereich. Gerade mentale Stärke ist immens wichtig. Im Boxen kann man diesen Aspekt wunderbar prägen und herausarbeiten. Genau das will ich vermitteln, nicht nur Klitschko-Fans, sondern allen Fitness-Fans. Diesen Lifestyle, den jeder leben möchte: fit durch den Alltag gehen und gesund alt werden. Das ist die Herausforderung, die vor einem liegt und für die ich einen Weg aufzeige.

SPOX-Redakteur Bastian Strobl traf Wladimir Klitschko in Hamburg zum Interviewspox

SPOX: Herausforderung ist ein gutes Stichwort. Sie gehen momentan neue Wege und haben eine Kooperation mit der Universität St. Gallen. Sie treten dort in einem Lehrgang für Exekutives und Manager als Dozent auf. Was kann ein Manager von einem Boxer lernen?

Klitschko: Es geht um das sogenannte Challenge-Management. Wie geht man mit einer Herausforderung um? Was lernt man daraus? Zusammen mit den Professoren wurde dafür ein zertifizierter Studiengang für Führungskräfte und Manager aufgebaut. Neben der Theorie soll es dabei eben auch um praktische Beispiele gehen. Ich werde da aber nicht alleine sein. Die Dozenten, die neben mir akquiriert wurden, kommen aus jedem Feld der Gesellschaft: Sport, Politik, Kunst oder Wirtschaft.

SPOX: Zudem haben Sie sich mit K2 Promotions auch auf Promoter-Ebene einen Namen geschaffen, unter anderem durch K.o.-Maschine Gennady Golovkin.

Klitschko: K2 hat knapp 20 Boxer, mit denen wir Events jeder Größe durchgeführt haben. Wir waren in kleineren Hallen, haben aber auch ganze Stadien gefüllt, wie 2009 auf Schalke mit 61.000 Zuschauern. Wir wollen international aufgestellt sein und den Kämpfern mit unserem Wissen weiterhelfen. Was im Ring passiert, dafür sind sie selber verantwortlich. Aber wir zeigen ihnen, wie man professionell eine Veranstaltung organisiert.

SPOX: In Deutschland ist K2 Promotions bis auf Ihre Auftritte derzeit kaum vertreten. Fehlen die jungen deutschen Talente?

Klitschko: Ich glaube schon, dass der Nachwuchsbereich vorhanden ist. Genauso wie das generelle Interesse am Boxen. In keinem anderen Land hat unser Sport solch hohe Einschaltquoten wie in Deutschland. Am Ende liegt es an der Einstellung und Motivation der Jugend, daraus etwas zu machen. Ich bin sehr gespannt auf die Olympischen Spiele in Rio und wer dort die Medaillen holen wird. Eines ist aber sicher: Deutschland wird immer neue Stars herausbringen. So war es in der Vergangenheit, und so wird es auch in der Zukunft sein.

SPOX: Mit der Motivation scheinen Sie auch mit 39 Jahren keine Probleme zu haben. Wie hat sich Ihr Trainingsalltag im Laufe Ihrer Karriere verändert?

Klitschko: Glauben Sie mir, ich trainiere weniger als früher, dafür aber präziser. Ich fokussiere mich auf die Bereiche, die für mich als Leistungssportler im Boxen wichtig sind. Nur dadurch werde ich effizienter und besser, ich kann nicht alles trainieren. Ich hätte mir gewünscht, dass ich dieses Wissen schon vor 20 Jahren gehabt hätte.

SPOX: Können Sie Beispiele nennen?

Klitschko: Ich kann Ihnen einen Vergleich geben. Franz Beckenbauer ist in seiner Anfangszeit viel gelaufen, er war fast überall auf dem Feld unterwegs. In den späteren Jahren war das nicht mehr der Fall, weil er wusste, wo er stehen muss. Das ist reine Erfahrungssache. Er hat nur noch die Sprints gemacht, die notwendig sind, in den wichtigen Situationen, die am Ende ein Spiel entschieden haben, ohne sich davor unnötig zu verausgaben. Das kann man mit meiner Entwicklung vergleichen. Ich habe früher wahnsinnig viel gemacht und trainiert, manchmal auch übertrainiert. Das ist das Schlimmste, was man machen kann. Lieber trainiert man zu wenig als zu viel. Ich werde nicht in Details gehen, aber ich habe in dieser Zeit Kämpfe verloren, in denen ich schlicht übertrainiert war.

SPOX: Ist das auch ein Grund, warum die KLITSCHKO BODY PERFORMANCE im Gegensatz zu vielen vergleichbaren Programmen keine offensichtlichen Elemente für Ausdauertraining enthält?

Klitschko: Ausdauertraining ist abhängig von der Anzahl der Wiederholungen. Je öfter man eine Übung macht, desto besser wird die Ausdauer, das kommt quasi von alleine. Es ist also eine Frage der Intensität. Bei der KLITSCHKO BODY PERFORMANCE erhält man die Möglichkeit dazu, beim Seilspringen, Schattenboxen oder mit den Hanteln. Das ist wie im Boxen: Wer zwölf Runden lang durchhält, bekommt automatisch eine gute Kondition.

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Seite 2: Klitschko über Emanuel Steward, Kritik und seine Zukunft

SPOX: Wem ist das Training über die Jahre eigentlich einfacher gefallen: Ihrem Bruder Vitali oder Ihnen?

Klitschko: Ich würde sagen mir. Einfach aus dem Grund, dass Vitali schon damals oft in die Politik involviert war. Deswegen hatte ich es wohl etwas leichter, mich auf das Boxen zu konzentrieren.

SPOX: Sie hatten in Ihrer Karriere namhafte Trainer, unter anderem Fritz Sdunek. In einem Interview sagte Sdunek 2012: "Das Herz des Boxers schlägt auch in der Brust des Trainers." Können Sie diesen Satz erklären?

Klitschko: Man ist immer nur so gut, wie der Trainer ist. Das gilt nicht nur für den Sport. Ich bin mir sicher, dass es immer eine ganz enge und besondere Verbindung zwischen dem Trainierten, also dem Schüler, und dem Coach, dem Lehrer, gibt. Man wächst zusammen und entwickelt sich auf diese Weise weiter. Damit hat Fritz auf jeden Fall Recht gehabt.

SPOX: Nach Sdunek übernahm Emanuel Steward Ihr Training. Zusammen sollen Sie ab 2004 zahlreiche Videoanalysen gemacht haben. Wie hat Steward den Boxer Wladimir Klitschko verändert?

Klitschko: Ohne Emanuel Steward wäre ich nicht weiter gekommen, meine Entwicklung wäre eine ganz andere gewesen. Ich wäre nicht dort, wo ich heute bin.

SPOX: Was hat ihn besonders gemacht?

Klitschko: Er war nicht der Coach, der mir gesagt hat, wie ich trainieren soll. Das habe ich seit 2004 in die eigene Hand genommen, ich trainiere mich selbst. Aber die Tipps von außen, das analytische Denken, das kann nicht jeder. Emanuel konnte das, genauso wie heutzutage Johnathon Banks, mein heutiger Coach, der auch bei Steward gelernt hat. Ich bin Emanuel für alles sehr dankbar. Er hat das Fundament gelegt, das ich noch heute nutze. Auf dem ich noch heute stehe, und zwar ziemlich stabil.

SPOX: Sie haben Johnathon Banks angesprochen. Nach Stewards Tod übernahm er die Trainerrolle. Trotz seiner erst 32 Jahre sollen Sie vor allem seine Art schätzen, wie er über Boxen redet und denkt. Wie lautet denn Banks' Box-Lehre?

Klitschko: Unsere Verbindung ist interessant, denn meistens ist der Lehrer älter als der Schüler. Bei uns ist das andersherum, er ist sieben Jahre jünger. Er wurde wie ich von Steward trainiert. Und eigentlich auch ein bisschen von mir. Wir haben uns früher immer gegenseitig Tipps gegeben und gewisse Sachen ausgetauscht. Und so läuft es auch heutzutage ab. Wir pushen uns gegenseitig, es ist ein kreatives Miteinander. Ich sage, was und wann wir trainieren, Johnathon sorgt für das Feintuning. Das sieht man von außen einfach besser. So können wir an Technik und Taktik feilen.

SPOX: An welchen Schrauben hat Banks in den letzten drei Jahren gedreht?

Klitschko: Jonathon will Emanuel nicht kopieren, er macht gewisse Sachen anders. Er sagt selbst: Ich kann nicht Emanuel Steward sein, ich muss Jonathon Banks sein. Das setzt er um. Er hat meinen Kampfstil etwas geändert, aber das Fundament ist gleich geglichen. Es ist immer noch Emanuel Stewards Schule, nur eben mit einem Upgrade von Johnathon Banks.

SPOX: Wir haben über Sdunek, Steward und Banks geredet. Welche Einflüsse dieser drei Trainer stecken in der KLITSCHKO BODY PERFORMANCE?

Klitschko: Es steckt viel von Fritz drin. Er war perfekt, wenn es darum ging, jemanden fit zu machen. Von Emanuel erkennt man die mentale Seite wieder. Der dritte Teil kommt von mir, meine eigenen Erfahrungen, die ich über die Jahre gesammelt habe. Es war quasi eine unbewusste Zusammenarbeit.

SPOX: Das Trainer-Trio formte Sie zu einem mehrfachen Weltmeister - mit einem Box-Stil, der trotz großer Erfolge auch auf Kritik stößt. Stören Sie eigentlich solche Berichte noch?

Klitschko: Ich bin nicht gerade begeistert, wenn etwas Negatives zu lesen ist. Aber ich werde sicherlich nicht meinen Erfolgsstil ändern, weil ein paar Kritiker daran etwas auszusetzen haben. Für mich zählt Erfolg und ich gebe alles, damit die Klitschko-Geschichte weitergeschrieben wird. Wie lange das noch geht, kann ich nicht versprechen. Aktuell genieße ich einfach die Zeit.

SPOX: Auch Floyd Mayweather, neben Ihnen der erfolgreichste Kämpfer der letzten Jahre, muss sich in der Öffentlichkeit immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, zu risikoarm zu boxen. Muss bei den Zuschauern ein Umdenken stattfinden?

Klitschko: Boxen ist mehr als ein offener Schlagabtausch. Es hat mit Taktik zu tun, mit Strategie, mit einer durchdachten Kampfplanung. Boxen ist Kunst, oder wie es auch heißt: Boxing is Sweet Science. Boxen ist eine Wissenschaft. Mit reinen Kraftpaketen kommt man nicht zum Erfolg.

SPOX: Ihr nächster Gegner dürfte im Herbst Pflichtherausforderer Tyson Fury sein. Er wäre mit 2,06 Metern Ihr bislang größter Gegner. Müssten Sie gegen ihn Ihren Stil umstellen? SPOX

Klitschko: Ich habe schon gegen Gegner geboxt, die größer als ich waren. Ich denke da unter anderem an Mariusz Wach. Aber ich habe bewiesen, dass ich auch bei den großen Jungs mit meinem Jab durchkomme. Man kann im Vorfeld einiges durchspielen, Furys Größe, seine Reichweite, seinen Stil. Aber am besten kläre ich das im Ring.

SPOX: Nach Fury könnte 2016 ein Kampf gegen Deontay Wilder anstehen. Der Amerikaner ist amtierender WBC-Weltmeister und trägt damit den letzten großen Gürtel um die Hüften, der Ihnen noch fehlt.

Klitschko: Es wäre schön, alle Titel unter dem Namen Klitschko zu vereinigen. Aber das ist kein Muss. Wenn der Kampf passiert, dann nur im nächsten Jahr - und nur nach einem Sieg gegen Tyson Fury.

SPOX: Wäre der Gewinn des WBC-Titels nicht auch der perfekte Moment, um Ihre erfolgreiche Karriere zu beenden?

Klitschko: Man kann sich ja einiges vorstellen, aber ich fühle mich noch nicht so alt. Ich werde boxen, solange ich motiviert und gesund bin. Das sind die zwei wichtigen Komponenten. Wenn eine davon nicht mehr gegeben ist, werde ich mich verabschieden und einfach danke sagen.

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