Komplizierte Entscheidungen hinterlassen im Normalfall nicht nur glückliche Gesichter. Das liegt in der Natur der Sache. Sonst wären sie schließlich nicht kompliziert. Vor rund einer Woche war es nun an der Euroleague, eine solche Entscheidung zu treffen. Die Wildcard-Vergabe stand an. Mit Meister Bamberg war bereits ein deutsches Team sicher für Europas besten Basketballwettbewerb qualifiziert - und im Normalfall erhält die BBL lediglich einen weiteren Platz.
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Wer sollte es also sein? Der FC Bayern, Vizemeister mit klangvollem Namen? Oder doch Alba Berlin, Halbfinalist mit starker Euroleague-Saison und in der kommenden Saison "Gastgeber" des Final Four? Kompliziert. Am Ende entschied sich die Euroleague für die Bayern, eine weitere Wildcard - ebenfalls nicht völlig ausgeschlossen - erhielt die BBL nicht.
Alba startet also im Eurocup und erhält somit gar nicht erst die Chance, wie Real Madrid in diesem Jahr das Final Four in eigener Halle zu bestreiten - wenngleich ein solches Unterfangen zwar nicht völlig ausgeschlossen, angesichts des Vorsprungs von Teams wie Real, Barca, Olympiakos, ZSKA oder Maccabi aber doch eher unwahrscheinlich gewesen wäre.
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"Ein mediales Argument"
Glücklich waren die Berliner ob des Rückschlags sicherlich nicht. Weshalb auch? Beschwert haben sie sich allerdings auch nicht. Sie nahmen es "sportlich", erklärte Geschäftsführer Marco Baldi. Es sei schließlich "eine schwierige Entscheidung für die Euroleague" gewesen. Andererseits habe er das "Argument, dass das Final Four in Berlin stattfindet" ohnehin "nie so richtig verstanden. Das war ein mediales Argument."
Trotz Enttäuschung ging man in Berlin also durchaus entspannt mit der Entscheidung um. Die Öffentlichkeit witterte dagegen direkt eine Bevorzugung des großen FC Bayern. Namen seien wichtiger als sportlicher Erfolg, hieß es mitunter. Als Argument wurde Albas starke Euroleague-Saison angeführt, die beinahe mit der Playoff-Teilnahme, der ersten eines deutschen Teams im neuen Format, geendet hätte. Die Bayern dagegen wären bereits in der Vorrunde ausgeschieden.
Bayern als Zugpferd?
Völlig von der Hand zu weisen ist eine derartige Kausalkette sicherlich nicht, andererseits widerspricht sie ein wenig jenem Kritikpunkt, den viele mit Blick auf die Wildcard-Vergabe allgemein und die Bayern im Speziellen häufig anbringen. Finanzen über Sport. Befindet sich ein Team nicht gerade in der luxuriösen Situation, eine A-Lizenz zu besitzen, die eine Teilnahme unabhängig vom Abschneiden in der heimischen Meisterschaft garantiert, sind der primäre Qualifikationsgrund für die Euroleague allerdings nun mal die nationalen Ligen.
Insofern ist es durchaus nachvollziehbar, dass der deutsche Vizemeister eine Wildcard zugesprochen bekommt. Der Meister ist qualifiziert. Bekommt ein zweites Team den Zuschlag, rückt - rein sportlich - das national nächsterfolgreiche nach. Et voilà: der Vize-Champ. Zugegeben, zu glauben, allein der knapp verpasste Titel habe den Bayern die Teilnahme beschert, würde den Tatsachen sicherlich nicht gerecht. Schließlich geht auch niemand mehr davon aus, dass Dirk Nowitzki am Dunk-Contest teilnimmt.
Euroleague-Boss Jori Bertomeu hat bereits häufig betont, für wie wichtig er den Namen FC Bayern für den deutschen Markt erachtet, welches Potential er in den Münchnern sieht. Entsprechend groß ist das Interesse, den FCB regelmäßig teilnehmen zu sehen. Die Euroleague soll auch in Deutschland wachsen, als Zugpferd hat sie die Bayern auserkoren. Es muss einem nicht gefallen, irgendwo verständlich ist es dennoch. Zumal der FCB auch sportlich seine Berechtigung hat.
Renfroe: Die nächste Runde
Auch deshalb wird man die bittere Entscheidung wohl auch in Berlin verschmerzen können. Ganz sicher besser als jene des Alex Renfroe. Der entschied sich nach Vertragsende bei Alba nämlich für die Bayern, unterschrieb für zwei Jahre und ist damit ab sofort Mitglied einer illustren Runde um Heiko Schaffartzik, Nihad Djedovic und Yassin Idbihi.
Auch Renfroe tauscht Bundes- gegen Landeshauptstadt. Spree gegen Isar. Eine Entscheidung, mit der man in Berlin wohl kaum noch konfrontiert werden möchte. Natürlich sei es "legitim, Spieler zu verpflichten, deren Verträge auslaufen", sagt deshalb Marco Baldi. "Doch wenn sechs Spieler innerhalb von zwei Jahren von einem Klub zum anderen wechseln, dann ist das einmalig und es fällt schwer, zu glauben, dass keine Systematik dahintersteckt."
Von "Scouting mit dem Geldbeutel" sprach man bei Alba, spielt damit selbstverständlich auf das potentiell höhere Gehalt, das Renfroe bei den Bayern beziehen dürfte, an und eröffnete gleichzeitig die nächste Runde im fröhlichen Hin-und-Her zwischen Berlin und München.
"Ich habe Verständnis für die Reaktion", sagte Bayerns Geschäftsführer Marko Pesic dann auch gegenüber der Münchner AZ. "Aber ich bin nicht dafür verantwortlich, wenn sie mit einem Spieler den Vertrag nicht verlängern." Zudem habe Bayern Alba dreimal in Folge aus den Playoffs geworfen. "Dann zu sagen: Ihr seid unkreativ - dann ist das halt so. Aber wir haben gewonnen."
Rice. Delaney. Renfroe?
Natürlich mutet es für den neutralen Beobachter seltsam an, wenn binnen zweier Jahre mehrere Spieler von einem Klub zum anderen wechseln. Natürlich ließe sich argumentieren, die Bayern sollten Spieler wie Renfroe oder Djedovic doch direkt auf dem internationalen Markt scouten und nicht erst abwarten, bis sie sich bei einem der beiden großen Kontrahenten bewährt haben. Und natürlich steigt beim permanent abgebenden Verein der Frust.
Andererseits ist es ein wenig billig, gewisse Dinge einzig auf das Geld zu reduzieren - wenngleich gerade in Europa spielende Profis angesichts des nicht immer üppigen Gehalts sehen müssen, wie sie ihre Karriere finanziell bestmöglich nutzen. Am Ende bieten die Bayern Renfroe allerdings auch eine sportliche Perspektive. Ob besser oder schlechter als in Berlin muss sich ohnehin erst zeigen.
Fest steht allerdings, dass die Münchner Renfroe bestens gebrauchen können. So hatte Pesic in einem Interview mit der TZ bereits vor den Playoffs von den Ex-Bayern Tyrese Rice und Malcolm Delaney als Spielern gesprochen, die er in der ganzen Liga nicht sieht. Außer: "Vielleicht Alex Renfroe, der in den entscheidenden Phasen Verantwortung übernimmt."
Wieder ein Gambler
Und tatsächlich fehlte den Bayern nach Delaneys Abgang in der vergangenen Saison ein wenig der Gambler. Einer, der ein Broken-Play retten, der dem Team in kritischen Phasen neue Impulse geben, der aus dem Korsett ausbrechen kann. Renfroe kann diese Rolle zumindest teilweise ausfüllen.
Der Guard ist unerschrocken, scheut den großen Moment nicht. Er zieht trotz seiner schmalen Statur (1,91m, 80kg) unerschrocken zum Korb, reboundet für einen Point Guard exzellent (durchschnittlich 4,5 Rebounds in der Euroleague) und traf den Dreier in Europa vergangene Saison zudem mit 45,7-prozentiger Sicherheit. Kurz: Renfroe passt nach München. Das ist entscheidend. Kreativität hin oder her.
Kleber? "Hatten ein bisschen Glück"
Wie kreativ die Bayern im Fall von Maxi Kleber werden mussten, ist nicht überliefert. Allein der eigene Ideenreichtum war am Ende aber wohl nicht ausschlaggebend. "Es waren viele hinter ihm her", sagt Pesic der AZ. "Dass wir ihn bekommen haben, ist eine große Sache für uns. Da haben wir ein bisschen Glück gehabt, wenn man so hört, wer alles an ihm dran war."
Tatsächlich hatte Kleber wohl diverse Angebote aus Europa, dazu die Möglichkeit, für die Miami Heat in der Summer League zu spielen. Letzteres verhinderte eine Fuß-OP nun allerdings ebenso wie die Teilnahme an der EuroBasket im September. Bitter für Kleber, der sich bereits häufiger mit Verletzungen herumschlagen musste. Gut für die Bayern?
Eine "große Sache", wie Pesic sagt, ist die Verpflichtung in jedem Fall. Schließlich gilt Kleber neben Paul Zipser als vielleicht vielversprechendstes deutsches Talent abseits der NBA. Einen solchen Spieler nach einer starken Saison in Spanien, Europas bester Liga, zurück in die BBL zu holen, ist keinesfalls selbstverständlich. Denn Kleber bringt mit seinen 2,07 Metern alles mit. Länge, Athletik, dazu einen guten Wurf. "Er kann unglaublich viele Dinge auf dem Feld", sagt auch Pesic.
Kein großer Umbruch
Zweifel ausgeschlossen. Zumal Klebers Entwicklung längst nicht abgeschlossen ist und er mit Dusko Savanovic nun einen durchaus annehmbaren Lehrmeister an seiner Seite weiß, der sicher noch den einen oder anderen Trick auf Lager hat. Zudem trifft Kleber in München auf einen bereits eingespielten Kern. Vasilije Micic, Paul Zipser, Nihad Djedovic, Bryce Taylor und Savanovic spielten allesamt bereits vergangene Saison bei den Bayern. Hinzu kommt Heiko Schaffartzik, dessen Vertrag zwar ausläuft, den Pesic allerdings gern weiter in München sähe. Ähnlich sieht es bei John Bryant aus.
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Ein großer Umbruch steht also nicht an. Auch wenn mit Robin Benzing (Saragossa) und Lucca Staiger (Bamberg) zwei Spieler bereits ihren Wechsel verkündet haben und weiter munter über einen möglichen Abgang Anton Gavels spekuliert wird. Punktuelles Verstärken ist angesagt in München. Man setzt auf Kontinuität, konnte so auch Kleber von einem Zweijahresvertrag mit Option auf ein drittes überzeugen. Kein unwesentlicher Fakt im schnelllebigen europäischen Basketball.
Auch Renfroe verpflichtete sich für zwei Jahre. Nun verstärkt er eine Guard- und Flügelrotation um Micic, der sich in seiner zweiten Saison außerhalb Serbiens sicherlich steigern wird, und Zipser, dem Coach Svetislav Pesic im SPOX-Interview bereits mehr Spielzeit versprach. Ein weiterer Big Man soll wohl noch kommen. So wirkt das Gesamtkonstrukt zunehmend stimmig, der Mix aus deutschen und internationalen Talenten und Veteranen vielversprechend.
Ein Weiterkommen in der Euroleague garantiert das aber selbstverständlich nicht. Zumal man mit Real, Fenerbahce, Khimki Moskau, Roter Stern Belgrad und Straßbourg erneut eine harte Vorrundengruppe erwischt hat. Auch deshalb sind die Planungen für die neue Saison noch nicht abgeschlossen. Allerdings lassen die bisherigen Verpflichtungen der Bayern einen Schluss durchaus zu: Die Euroleague hat entschieden, der FCB die Herausforderung angenommen.