Um die positive Entwicklung der Turkish Airlines Euroleague fortzusetzen, beschreitet CEO Jordi Bertomeu ganz neue Wege. Im SPOX-Interview spricht der 56-Jährige über die Gründe für die neue Partnerschaft mit der Telekom, das Final Four 2016 in Berlin und die Gründe für Bayerns Wildcard. Darüber hinaus erklärt er, weshalb der neugegründete Europe Cup keine Konkurrenz für die Euroleague darstellt - und wieso eine Einigung mit der FIBA im Kalenderstreit immer noch in weiter Ferne liegt.
SPOX: Herr Bertomeu, nachdem SPOX und die Turkish Airlines Euroleague im Vorjahr eine Premium Media Partnerschaft geschlossen haben, gaben Sie nun den neuen Broadcaster für Deutschland bekannt: Zukünftig wird die Deutsche Telekom die Euroleague übertragen. Was können Sie uns zum telekombasketball.de-Deal sagen?
Jordi Bertomeu: Es ist erst einmal ein Vertrag über ein Jahr, der aber für zwei weitere Jahre verlängert werden kann, wenn beide Seiten zufrieden sind - wovon ich ausgehe. Die Deutsche Telekom wird für uns sämtliche Spiele aller deutschen Mannschaften produzieren und sie ausstrahlen, sowohl Heim als auch Auswärtsspiele. Und selbst wenn kein deutsches Team ins Top 16 kommt, was ich nicht hoffe, wird die Telekom ein Spiel pro Woche übertragen.
SPOX: In der Vergangenheit war es Ihnen sehr wichtig, einen deutschen Partner im Free-TV zu finden. Wird die Telekom nun exklusiver Partner sein?
Bertomeu: Deutschland ist für uns ein sehr wichtiger Markt, in dem wir die Euroleague weiter vorantreiben wollen. Das ist uns in den vergangenen Jahren auch sehr gut gelungen, dank der guten Zusammenarbeit mit der BBL und den Klubs. Deshalb wird ein Partner im Free-TV auch weiterhin sehr wichtig für uns sein.
SPOX: Mit SPOX oder auch der L'Equipe in Frankreich hat die Euroleague digitale Partner gefunden. Dass die Euroleague in Deutschland über die Telekom vorerst rein digital ausgestrahlt wird, ist ein neuer Weg. Ist es der Weg, den auch andere Sportarten werden gehen müssen - alle außer Fußball?
Bertomeu: Es ist zu früh, um das mit Bestimmtheit zu sagen. Wir müssen die Struktur unserer Märkte verstehen, und da ist Deutschland einfach ganz anders als etwa Frankreich, Spanien oder auch Griechenland. Uns digital breit aufzustellen, ist sehr wichtig, weil der Sport in Zukunft zu einem immer größeren Teil auf digitalem Weg konsumiert werden wird. In diesem Zusammenhang ist unsere Partnerschaft mit der Telekom und natürlich SPOX sehr wichtig.
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SPOX: Werden andere Märkte mitziehen?
Bertomeu: Das wird man sehen, aber Deutschland ist in vielerlei Hinsicht ein Einzelfall: Im Hinblick auf das öffentliche Interesse gibt es gleich mehrere Sportarten, die mit Basketball konkurrieren: Erst kommt König Fußball, danach kämpfen Basketball, Handball und Eishockey um Platz zwei. Deshalb sind hier digitale Partner der Schlüssel, während wir in Griechenland oder der Türkei mit unseren traditionellen TV-Partnern die größte Reichweite erzielen. Man kann diese Strukturen, diese Märkte nicht vergleichen, deshalb müssen wir gerade in Deutschland flexibel sein. Immer mit dem einen Ziel vor Augen: so viele Fans wie möglich zu erreichen.
SPOX: Einen Schwung könnte auch das Final Four 2016 in Berlin verleihen. Hat Sie der Zuschauerzuspruch in der EM-Vorrunde bei der Entscheidung bestätigt, die Finalrunde in der deutschen Hauptstadt auszurichten?
Bertomeu: Wir brauchten keine Bestätigung, weil wir um die Stärken von Berlin wissen. Wir hatten dort schon 2009 ein Final Four, wir haben mit Alba einen großen Klub, wir kennen die Stadt, die Infrastruktur und natürlich die fantastischen Fans. Berlin ist ein attraktiver Austragungsort für Euroleague-Anhänger in aller Welt. 2009 war ein wichtiger Schritt in der Geschichte der Euroleague, wir hoffen auf den gleichen Erfolg im kommenden Jahr.
SPOX: Da fehlt aus deutscher Sicht eigentlich nur ein deutsches Team im Final Four. Bayern-Manager Marko Pesic sagte im Interview mit SPOX, dass der FCB in spätestens zwei oder drei Jahren um die Top 8 mitspielen will - wenn nicht sogar schon um das Final Four. Ist das realistisch?
Bertomeu: Auf jeden Fall. Niemand kann bestreiten, wie sich die deutschen Klubs in der Euroleague in den letzten Jahren verbessert haben. Das ist keinem anderen Land gelungen. Vor vier oder fünf Jahren war es noch ein Traum, in der letzten Saison war Alba schon ganz nah dran. Die türkischen Teams haben es vorgemacht und sich in die Spitzengruppe gekämpft, warum also nicht auch die deutschen? Es sollte der Anspruch sein, dass in jedem Jahr mindestens ein BBL-Klub um das Final Four mitspielt - und diese Mentalität ist in Deutschland auch zu beobachten.
SPOX: Alba hat sich in der Vergangenheit hervorragend in der Euroleague verkauft, trotzdem haben Sie sich bei der Vergabe der Wildcard für Bayern und gegen Berlin entschieden. Hat Ihnen diese Entscheidung schlaflose Nächte beschert?
Bertomeu: So etwa ist immer schwer, und bei einem Team wie Alba, das ganz klar Euroleague-Kaliber hat, natürlich ganz besonders. Wir versuchen in unseren Entscheidungen konsistent zu sein und einheitliche Maßstäbe anzulegen. Bayern München und Alba Berlin sind die größten Märkte, doch wenn der deutsche Meister nicht von dort kommt, haben wir nur eine Wildcard. Wir konnten keine zwei Wildcards vergeben und Bayern hat im vergangenen Jahr besser abgeschnitten als Alba. Das hat Alba auch verstanden, weil unsere Vorgehensweise die gleiche war wie zu Zeiten, als sie unsere Wildcards bekommen haben. Aber natürlich verstehen wir, dass sie enttäuscht sind.
Seite 1: Bertomeu über den Telekom-Deal, den deutschen Markt und Bayerns Wildcard
Seite 2: Bertomeu über World Tour, Europe Cup und den Kalenderstreit mit der FIBA
SPOX: Bevor die neue Saison beginnt, steht noch ein Highlight auf dem Programm: Die Euroleague World Tour. Fünf europäische Spitzenteams spielen insgesamt zehn Partien auf vier Kontinenten.
Bertomeu: Die World Tour hilft uns dabei, den europäischen Basketball in aller Welt bekannter zu machen. Viele denken, dass es nur die NBA gibt, und natürlich spielt die eine enorme Rolle - aber eben nicht die einzige. Auch der europäische Basketball bietet ein hohes Niveau, ist attraktiv für die Zuschauer und in vielerlei Hinsicht einzigartig. Indem unsere Teams in Südamerika, Asien oder sogar in den USA spielen, promoten sie den europäischen Basketball als Alternative - nicht besser oder schlechter, sondern eine andere Spielart unseres Sports. Und natürlich ist es für die Teams aus kommerzieller Sicht attraktiv.
SPOX: Welche Rolle könnten dabei die deutschen Teams spielen, die diesmal ja noch nicht vertreten sind?
Bertomeu: Alba Berlin hat ja schon einmal in China gespielt. Das zeigt, wie groß dort das Interesse am europäischen Basketball ist. In dem Maße, in dem sich die deutschen Klubs in der europäischen Spitze festsetzen, werden sie auch bei der World Tour vertreten sein - und dann nicht nur in China.
SPOX: Allen positiven Entwicklungen der Euroleague zum Trotz: Der Streit mit der FIBA bestimmt international die Schlagzeilen. Im letzten Interview mit SPOX im Mai hofften Sie noch auf einen Kompromiss, doch nun hat die FIBA während der EM in Berlin einen neuen Rahmenkalender offiziell veröffentlicht, der den Spielplan der Euroleague massiv beeinflussen wird. Ist dieser Kompromiss nun vom Tisch?
Bertomeu: Die Situation hat sich im Vergleich zu der vor einigen Monaten, ja sogar vor einigen Jahren nicht verändert. Also sind auch unsere Kritikpunkte die gleichen: Die Zeitfenster für die Nationalmannschaften überschneiden sich mit den Klubwettbewerben, zudem führen sie dazu, dass die besten Spieler aus der NBA nicht auf dem Court sein werden. Das ist nicht gut für den Sport. Aber die FIBA hat das Projekt dennoch weiter vorangetrieben. Wir hätten uns mit der FIBA sehr gerne zusammengesetzt und die bestmögliche Lösung für alle Beteiligten gesucht. Schließlich betrifft ihre Entscheidung auch unseren Wettbewerb, ja sogar den ganzen Sport. Leider war sie zu keiner Zeit bereit, über Alternativvorschläge zu diskutieren. Wir würden sehr gerne mit der FIBA verhandeln, aber dazu gehört auch, dass man sich Argumente anhört und Zugeständnisse macht, mit dem Ziel eine Einigung herbeizuführen. Wenn aber eine Seite kategorisch nicht verhandeln will, dann lässt sich leider auch keine Lösung finden. Es gibt also nichts Neues. Wir sind jederzeit bereit, uns mit der FIBA an einen Tisch zu setzen und einen Mittelweg zu finden. Bisher hat sie jedoch nur auf ihrem Standpunkt beharrt.
SPOX: Wie könnte ein solcher Mittelweg aussehen?
Bertomeu: Es gibt definitiv Gemeinsamkeiten und deshalb auch einen möglichen Mittelweg, weil wir ja von Anfang an betont haben, dass die Grundidee der FIBA eine sehr gute ist. Es ist wichtig, dass die Nationalteams mehr Spiele absolvieren, vor allem vor heimischem Publikum. Das bisherige System hat dazu geführt, dass die Fans ihre Nationalmannschaften nur dann sehen konnten, wenn das eigene Land Ausrichter eines Turniers war. Es ist also ein sehr gutes System. Auch die Überlegung, dass man Überschneidungen mit Fußballevents aus dem Weg geht, unterstützen wir. Ich habe immer gesagt, dass 90 Prozent des neuen Systems sehr gut sind und wir unseren Teil beitragen wollen. Es ging uns immer nur um den Kalender. Der Mittelweg wäre also, dass sich die FIBA bei den verbleibenden zehn Prozent gesprächsbereit zeigt. Und das wäre der Rahmenkalender. Um dieses Problem zu lösen, müssten wir uns gemeinsam an einen Tisch setzen. Aber an diesem Tisch sitzen bisher nur wir und warten.
SPOX: Ein weiteres Projekt der FIBA ist der neue Europe Cup - ein europäischer Klubwettbewerb in Konkurrenz zur Euroleague und dem Eurocup, die jeweils vergleichbar sind mit der Champions League und der Europa League im Fußball. Um Teams zur Teilnahme zu bewegen, bietet der Weltverband angeblich hohe Antrittsgelder. Haben Sie Angst davor, dass Klubs aus der Euroleague zum Europe Cup abwandern?
Bertomeu: Das Ergebnis spricht doch für sich. Wie sie sagten: Die FIBA bietet den Klubs große Summen, damit sie am Europe Cup teilnehmen. Dazu kommt, dass auch von den nationalen Verbänden enormer Druck auf die Klubs ausgeübt wird. Das ist inakzeptabel. Aber unter dem Strich bleibt: Nur ein einziges von 36 Teams hat sich dazu entschieden, der FIBA zu folgen. Ein einziges Team aus Tschechien - und das liegt auch nur daran, dass der Präsident des tschechischen Verbandes gleichzeitig auch der Präsident des Klubs ist. Die verbleibenden 35 Klubs bleiben in der Euroleague-Struktur, den Lockrufen und Drohungen der FIBA und der Verbände zum Trotz. Weil sie erkannt haben, was für sie sportlich das Beste ist: Warum sollen sie in der dritten Liga spielen, wenn sie auch in der ersten oder zweiten Liga spielen können? Ich hoffe, dass die FIBA daraus die richtigen Schlüsse zieht.
SPOX: Sie machen sich also keine Sorgen?
Bertomeu: Letzten Endes sind es die Klubs, die die Entscheidung treffen. Die Verbände können sich gegen die Euroleague und für die FIBA aussprechen, sie können Druck ausüben, was auch immer. Das ist in Spanien geschehen, in Frankreich, auch in Deutschland. Aber was zählt, ist der Wille der Klubs. Sie sind es, die die Umsätze generieren und das Risiko tragen. Diese FIBA-Methoden sollten im Jahr 2015 eigentlich keinen Platz mehr haben.
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