"Alba ist der NBA näher als die Spanier"

Himar Ojeda (r.) leitet seit Neustem die sportlichen Geschicke von Alba Berlin
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Himar Ojeda ist der neue starke Mann bei Alba Berlin. Vor wenigen Tagen hat der Sportdirektor seine Arbeit in Berlin aufgenommen und feierte gleich zum Start den Pokalsieg mit der Mannschaft. Der 43-Jährige spricht über seine Vision für Alba, die Arbeit für die Atlanta Hawks und die Entwicklung von Dennis Schröder. Außerdem: Eine kuriose Schuh-Suche auf den Kapverden.

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SPOX: Herr Ojeda, Sie sind seit kurzem in Berlin und hatten mit dem Top Four und den Duellen gegen Bayern München direkt einige stressige Tage mit Alba. Warum haben Sie sich entschieden, mitten in der Saison den Job als Sportdirektor zu übernehmen?

Himar Ojeda: Der Kontakt mit Marco Baldi bestand schon länger und wir haben schon vor Monaten das erste Mal darüber gesprochen. Alba brauchte jemanden, der den Job jetzt übernimmt. Die Planungen für die nächste Saison müssen schließlich gemacht werden - und die Arbeit beginnt nicht erst im Sommer. Daher war für mich klar: Entweder jetzt oder nie. (lacht)

SPOX: Zuvor haben Sie als Scout für die Atlanta Hawks in Europa gearbeitet - sicher keine Position, die man so leicht aufgibt...

Ojeda: Ganz richtig, ich habe sehr gern für Atlanta gearbeitet. Es ist eine tolle Organisation und ich war nach einem Jahr schon in die Prozesse eingebunden und meine Meinung wurde geschätzt. Daher fiel mir die Entscheidung auch nicht leicht. Es war nicht so, dass Marco mich gedrängt hat, den Job anzunehmen, aber er und Alba haben mir wirklich gezeigt, dass ich die Person bin, die sie für diesen Job wollen. Und das hat den Ausschlag gegeben. Die Hawks haben gesehen, dass es eine tolle Möglichkeit für mich ist und meinen Vertrag vorzeitig aufgelöst. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.

SPOX: Wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass Sie Scout für die Hawks geworden sind?

Ojeda: In meiner Zeit als Sportdirektor von CB Gran Canaria war ich oft in den USA, um mir Events wie den D-League-Showcase, Draft Combines oder Einladungsturniere anzusehen. Schließlich hatten wir kein Geld für namhafte Spieler, also musste ich die Talente finden, bevor sie gut wurden. Vor vielen Jahren lernte ich dort einen jungen, aufstrebenden Scout kennen, der für die Cleveland Cavaliers arbeitete. Er heißt Wes Wilcox und inzwischen ist er GM der Hawks. (lacht) Wir sind seit damals befreundet und schon vor drei Jahren wollte er, dass ich für ihn arbeite. 2014 klopfte er erneut bei mir an. Da passte es bei mir beruflich und ich habe die Gelegenheit ergriffen.

SPOX: Bevor Sie 2007 ins Management gingen, haben Sie allerdings als Coach gearbeitet. Warum dieser Wechsel?

Ojeda: Ursprünglich war das gar nicht meine Entscheidung. Bei Gran Canaria habe ich einige Jahre als Assistant Coach gearbeitet, bis mir unser Sportdirektor sagte, er sähe in mir den nächsten Head Coach. Doch kurz drauf bekam er ein gutes Angebot, verließ den Verein - und auf einmal standen wir ohne Manager da. Die Klub-Führung bat mich inständig, den Posten zu übernehmen. Erst habe ich mich gewehrt, aber ich hatte ohnehin schon viele organisatorische Dinge nebenbei gemacht und es war schließlich mein Heimat-Klub. Also übernahm ich den Job, um dem Team zu helfen.

SPOX: Ist es für Sie manchmal schwer, an der Seitenlinie zu sitzen und sich nicht in die Arbeit Ihrer Coaches einzumischen?

Ojeda: Am Anfang habe ich die Action auf der Bank schon vermisst und es war gar nicht leicht, keinen Einfluss auf das Spiel nehmen zu können. Aber das hat sich gelegt. Eingemischt habe ich mich nie. Ich weiß, dass jeder Coach anders ist und andere Ideen verfolgt. Das überlasse ich ganz ihm. Aber natürlich hatte ich schon mit vielen Coaches lange Gespräche über Basketball. Es waren immer Gespräche, um Gedanken auszutauschen oder Ideen zu entwickeln. Ich glaube, das macht einen Klub besser.

SPOX: Welche Ideen haben Sie für Alba Berlin? Was ist Ihre Vision?

Ojeda: Als Erstes möchte ich mir von allem ein Bild machen - und zwar aus verschiedenen Perspektiven. Das ist das Wichtigste und ich denke, dass kann für den Klub nur hilfreich sein. Vor allem, wenn jemand von außen dazukommt. Alba macht sehr gute Arbeit, so viel kann ich schon sagen. Und das Besondere daran ist: Alba Berlin ist mehr als Basketball. Beispielsweise die Arbeit mit den Fans oder die Inszenierung der Spiele für die Zuschauer. Alba ist der NBA näher als die Spanier in der ACB.

SPOX: Was gibt es noch für Unterschiede zu den anderen Klubs, für die Sie gearbeitet haben? Ist Ihnen irgendetwas in Berlin direkt ins Auge gesprungen?

Ojeda: Ich habe in Deutschland schon viele Klubs besucht, vor allem in meiner Funktion als Europa-Direktor einer Spieleragentur, für die ich eineinhalb Jahre gearbeitet habe. Daher wusste ich schon ziemlich gut über Alba und den deutschen Basketball Bescheid, bevor ich den Job angenommen habe. Natürlich aus einer Perspektive von außen und nicht von innen. Ich war also nicht überrascht, wie professionell hier gearbeitet wird. Dennoch hatte ich nicht erwartet, wie groß die gesamte Alba-Organisation insgesamt ist. Die vielen Coaches, die vielen Mitarbeiter und auch die Jugend-Programme. Und alles ist sehr strukturiert. Das ist nicht überall so, vor allem nicht in Spanien. (lacht)

SPOX: Ein Talent aus der deutschen Jugend ist auch Dennis Schröder. Bei den Hawks hatten Sie mit ihm zu tun und zuletzt spielt er eine immer größere Rolle für Atlanta. Kann er ein Vorbild für europäische Talente sein?

Ojeda: Definitiv. Schröder ist ein Vorbild, allerdings kein klassisches. Im Gegensatz zu europäischen Talenten, die von vorn herein hoch gelobt wurden - zum Beispiel Kristaps Porzingis oder Mario Hezonja - flog Dennis ziemlich lange unter dem Radar. Viele haben an ihm gezweifelt und wollten das Risiko im Draft nicht eingehen. Auch in Deutschland dachten längst nicht alle, dass er sich in der NBA durchsetzen kann. Aber genau das zeigt er aktuell. Für ihn war es ein Segen, dass er bei einer Franchise wie Atlanta gelandet ist, die an ihn glaubt und die Interesse daran hat, ihn zu entwickeln.

SPOX: Sie haben Porzingis angesprochen, der bei You First Sports, der Spieleragentur, für die Sie gearbeitet haben, unter Vertrag steht. Hätten Sie gedacht, dass er in New York als Rookie so einschlagen würde?

Ojeda: Nein, das hat niemand gedacht. Auch wir nicht. Er hat all unsere Erwartungen übertroffen. Aber die Hawks haben über Porzingis nachgedacht und ich habe ihnen schon damals gesagt, dass dieser Junge etwas Besonderes ist und dass er einmal sehr gut sein wird. Also ich meine sehr, sehr, sehr gut.

Walter Tavares im Porträt: Ein Hauch von Jordan

SPOX: Ein weiteres Ausnahme-Talent ist Atlantas Center Walter Tavares. 2010 holten Sie ihn nach Gran Canaria und machten aus ihm innerhalb kürzester Zeit einen NBA-Spieler. Ist es wahr, dass er von einem deutschen Touristen entdeckt und ihnen empfohlen wurde?

Ojeda: Ja, die Geschichte ist wahr. Aber es war nicht direkt ein Tourist, sondern der Mann - er hieß Joachim - pendelte regelmäßig zwischen Gran Canaria und den Kapverden. Dort begegnete er Walter und da er auf Gran Canaria oft in dem gleichen Restaurant zu Mittag aß wie meine Kollegen und ich, berichtete er uns von seiner Entdeckung. Erst konnten wir das alles nicht wirklich glauben: Ein großer Junge, der noch nie Basketball gespielt hatte, sollte interessant für uns sein? Doch dann brachte er beim nächsten Mal ein Foto mit und Walter war riesig. Also entschlossen wir uns, ein Basketball-Camp auf den Kapverden auszurichten und luden ihn ein. Und Walter kam. Allerdings war er barfuß und unsere Coaches mussten erst einmal ewig durch den ganzen Ort fahren, um irgendwo Sportschuhe in seiner Größe aufzutreiben. Das war schon kurios. Er machte sich gut im Camp und arbeitete richtig hart. Daher nahmen wir ihn mit nach Gran Canaria und gaben ihm ein Stipendium in unserem Jugendprogramm. Und nach zwei Monaten wussten wir, dass er wirklich eine Chance hat, richtig gut zu werden.

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