SPOX: Herr Greilinger, deutscher Eishockey-Meister 2014: ERC Ingolstadt! Wie klingt das in Ihren Ohren?
Thomas Greilinger: Naja, schon ein bisschen komisch. Aber es hört sich jetzt gar nicht so schlecht an. (lacht)
SPOX: Haben Sie denn schon realisiert, welches "Husarenstück" die Panther mit dem Gewinn dieses Meistertitels abgeliefert haben?
Greilinger: Nein, nicht wirklich! Das Ganze kam doch relativ unerwartet beziehungsweise man konnte ja nicht wirklich damit rechnen, dass wir tatsächlich den Meisterpokal holen würden. Von dem her wird es sicherlich einige Tage dauern, bis ich kapiert habe, was in den vergangenen Wochen, speziell am Dienstagabend in Köln, tatsächlich passiert ist.
SPOX: Was bedeutet denn dieser erste deutsche Meistertitel in der Klub-Historie sowohl für den Verein ERC Ingolstadt als auch für die Stadt?
Greilinger: Das ist schwer zu sagen. Zum einen hoffe ich mal, dass es den Vereinsverantwortlichen gelungen ist, den Schwung und die Euphorie während den Playoffs zu nutzen und den einen oder anderen neuen Sponsor zu finden. Der Verein selbst ist ja noch nicht so lange in der DEL (seit 2002, Anm. d. Red.). Da ist es meines Erachtens um so bemerkenswerter, dass wir nun den Titel holen konnten. Andere Klubs, die schon deutlich länger DEL-Mitglieder sind, haben dies noch nicht geschafft. Aus Sicht der Stadt Ingolstadt ist es sicher auch etwas Außergewöhnliches, eine deutsche Meistermannschaft in ihren Reihen zu haben.
SPOX: Lassen Sie uns trotz aller Euphorie und Feierlichkeiten die Zeit um einige Wochen zurückdrehen. Genauer gesagt bis zur Olympia-Pause Anfang Februar, als den Panthern sogar der Sturz aus den Pre-Playoff-Plätzen drohte. Wenn Ihnen damals jemand gesagt hätte, dass Sie am Saisonende die deutsche Meisterschaft feiern würden - was hätten Sie dem entgegnet?
Greilinger: Na ja, sagen wir's mal so: Ich hätte zumindest an dessen Geisteszustand etwas gezweifelt. (lacht) Nein, Spaß beiseite. Grundsätzlich musst du das Ziel Meisterschaft immer vor Augen haben. Aber zu diesem Zeitpunkt hatten wir eher darauf gehofft, dass wir uns zumindest noch für die Pre-Playoffs qualifizieren. Dass wir dann zum Schluss tatsächlich den Titel holen würden, damit hat sicherlich niemand gerechnet. Weder wir selbst noch ganz Eishockey-Deutschland.
SPOX: Der Saisonverlauf des ERCI glich bis dahin einer regelrechten Achterbahnfahrt. Was waren Ihrer Meinung nach die Gründe, dass die Mannschaft in der Punktrunde ihr wahres Leistungspotenzial eigentlich nie über einen längeren Zeitraum abrufen konnte?
Greilinger: Ich denke, dass mehrere Dinge den Ausschlag hierfür gegeben haben. Wir sind eigentlich schon recht schleppend in die neue Spielzeit gestartet. Zwischendurch hatten wir dann zwar ein kurzes Zwischenhoch, das jedoch schnell wieder verflogen war. Fakt ist, dass wir mit einem neuen Trainer (Niklas Sundblad, Anm. d. Red.) in die Saison gegangen sind, an dessen System und Trainingsmethoden sich jeder erst einmal gewöhnen musste. Ich spiele ja jetzt doch schon einige Jahre Profi-Eishockey. Aber derart hart und intensiv wie in diesem Jahr habe ich bislang noch nie trainiert. Und so ging es letztlich jedem in unserem Team. Vergessen darf man auch nicht, dass wir zwischendurch enormes Verletzungspech hatten. Etliche Akteure sind längerfristig ausgefallen. Dann dauert es einfach seine Zeit, bis man wieder seinen ursprünglichen Leistungsstand erreicht hat.
SPOX: Inwiefern spielten auch die Unruhen innerhalb des Vereins eine Rolle?
Greilinger: Natürlich hat das auch dazu beigetragen, keine Frage. Es ging ja schon damit los, dass unsere beiden Betreuer nacheinander krank geworden sind. Danach war erst der Geschäftsführer (Karl-Heinz Schapfl, Anm. d. Red.), im Januar dann auch Sportdirektor Jim Boni weg. Im Grunde war auf diesen Positionen auf einmal niemand mehr da. Nach einiger Zeit wurden dann deren Nachfolger Claus Gröbner (Geschäftsführer) und Jiri Ehrenberger (Sportmanager) vorgestellt. Dieser Wechsel hatte auch zur Folge, dass Vertragsangebote an Spieler, die schon vorlagen, plötzlich wieder zurückgezogen wurden. Das hat sicher auch zu einer gewissen Verunsicherung geführt. Und letztlich ist auch der Fanaufstand im Januar nicht spurlos an uns vorbei gegangen. Das alles hat die ganze Situation definitiv nicht vereinfacht.
SPOX: Zahlreiche Fans und "Experten" hatten die Mannschaften im Januar/Februar quasi schon "abgeschrieben". Gab es aus Ihrer Sicht eine bestimmten Moment, ein bestimmtes Erfolgserlebnis oder eine bestimmte Partie, die Sie heute als "positiven Knackpunkt" für den weiteren Saisonverlauf nennen würden?
Greilinger: (überlegt) Nun, zum einen natürlich das dritte Pre-Playoff-Spiel bei den Eisbären Berlin, das wir in der Verlängerung mit 3:2 gewonnen haben. Aber auch das dritte Viertelfinal-Match in Krefeld, als wir krankheitsbedingt nur mit zweieinhalb Sturmreihen auflaufen konnten und ebenfalls in der Overtime mit 3:2 siegreich waren, hat uns als Team weiter zusammengeschweißt und uns sehr viel Selbstvertrauen gegeben.
SPOX: Sie haben die Pre-Playoff-Serie gegen den amtierenden Meister aus Berlin bereits angesprochen. Angenommen, die Eisbären hätten sich im dritten und entscheidenden Duell durchgesetzt und damit die Panther vorzeitig in den Urlaub geschickt. Was denken Sie, wie in diesem Fall die Reaktionen aus dem Umfeld ausgefallen wären?
Greilinger: Ich bin überzeugt, dass die Stimmung letztlich genau so geblieben wäre, wie sie zum Schluss der Punktrunde war: schlecht! Man hätte das Ganze dann unter der Rubrik "Katastrophen-Saison" abgehakt und eingeordnet. Das sehe ich schon realistisch.
SPOX: Kommen wir Ihnen: Wie würden Sie denn Ihre komplette persönliche Saison 2013/2014 beschreiben?
Greilinger: Wenn man zunächst mal auf die Vorrunde blickt, dann kann man diese schon als sehr durchwachsen bezeichnen. Mein großes Pech war, dass ich im Juli eine Operation am Mittelfuß über mich ergehen lassen musste, wodurch ich weder mein Sommertraining durchziehen noch an der Saisonvorbereitung mit der Mannschaft auf dem Eis teilnehmen konnte. Und wie ich vorhin ja schon gesagt habe, dauert es eben nach einer längerfristigen Verletzung eine gewisse Zeit, bis man diesen Rückstand aufgeholt hat. Als ich dann mein Comeback gefeiert habe, ist es zu Beginn eigentlich ganz gut gelaufen. Danach bin ich dann in ein Loch gefallen - und als ich gerade das Gefühl hatte, aus diesem wieder heraus zu kommen, folgte die nächste Operation (Entfernung der Metallplatte am Fuß, Anm. d. Red,) beziehungsweise Zwangspause. Nach meiner erneuten Rückkehr hatte ich dann das Pech, dass es genau zu diesem Zeitpunkt bei der kompletten Mannschaft nicht lief. Erst nach der Olympia-Pause, als ich bei der Nationalmannschaft war, habe ich mich dann wieder besser gefühlt. Es haben zwar noch etwas die Tore gefehlt, die man von mir gewohnt war. Aber du merkst ja selbst am besten, wie deine Beine oder dein Bewegungsablauf auf dem Eis sind. Zu diesem Zeitpunkt war ich mir eigentlich sicher, dass es wieder aufwärts geht.
SPOX: Das Trainingspensum von Ihrem neuen Chefcoach Niklas Sundblad war gerade in den ersten Monaten extrem hoch. Wie lange hat es gedauert, bis sich Ihr Körper darauf eingestellt hat - gerade auch im Hinblick darauf, dass Sie ja sowohl das Sommertraining als auch die Saisonvorbereitung verletzungsbedingt auslassen mussten?
Greilinger: Das Hauptmanko war zweifelsohne die fehlende Saisonvorbereitung auf dem Eis. Klar, du kannst im Sommer viel laufen oder andere Dinge tun, um die eine gewisse Grundlage zu legen. Das Wichtigste in meinen Augen ist jedoch die fünf- bis sechswöchige Saisonvorbereitung auf dem Eis. Hier holst du dir die Kondition, die du für die komplette Saison brauchst. Und wenn dir gleich beide Phasen aufgrund einer Verletzung wegbrechen, dann ist das alles andere als optimal. Ich habe dann nach meiner Rückkehr aufs Eis von Anfang an ziemlich hart trainiert. Bis sich der Körper auf diese sehr hohe Belastung einstellt, das dauert schon ziemlich lange. Ich habe mich zwar, wie es ja nach Verletzungen oftmals der Fall ist, unmittelbar danach ziemlich gut gefühlt und es ist auch zunächst recht ordentlich gelaufen. Doch es kamen dann auch längere Abschnitte, in denen ich einfach platt war, schwere Beine und den Eindruck hatte, dass gar nichts mehr vorangehen würde. Das war phasenweise schon sehr frustrierend.
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