"Der Neid ist voll nachvollziehbar"

Michael Graßl
11. September 201513:12
Frank Mauer feierte mit Mannheim 2015 die deutsche Meisterschaftgetty
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Frank Mauer spielte von Kind auf für die Adler Mannheim, nahm an drei Weltmeisterschaften teil und wurde in der letzten Saison deutscher Meister. Mit SPOX spricht er vor dem Saisonstart (im LIVETICKER) über die Gründe für seinen Wechsel nach München, den unerfüllten Traum von Nordamerika und warum Eis im Sommer so wichtig ist. Außerdem: Was Red Bull richtig macht, die schwierige Traditionsfrage und die Topfavoriten auf die neue Saison.

SPOX: Herr Mauer, Sie stehen kurz vor dem Ende einer ganz besonderen Vorbereitung...

Frank Mauer: Das stimmt. (lacht) Es ist das erste Mal, dass ich mich nicht mit den Adlern Mannheim auf eine DEL-Saison vorbereite.

SPOX: Haben Sie sich nach dem Wechsel zum EHC Red Bull München denn schon in Ihrer neuen Umgebung eingelebt?

Mauer: Ja, die ersten Wochen waren super. Es ist eine neue Stadt und viele Eindrücke kommen auf mich zu. Das ist schon eine kleine Umgewöhnung, weil ich seit meiner Kindheit in Mannheim gewohnt und gespielt habe. Nun bin ich zum ersten Mal nicht mehr Teil dieser Organisation. Aber ich bin froh, dass ich den Schritt gewagt habe.

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SPOX: Nach 399 DEL-Spielen dürfte Ihnen dieser Schritt sicherlich nicht leicht gefallen sein. Warum haben Sie sich für einen Wechsel entschieden?

Mauer: Der Entschluss ist mir natürlich schwer gefallen, ich war stets glücklich in Mannheim und es hat mir an nichts gefehlt. Aber mein Vertrag lief aus und der Kontakt mit München kam früh zustande. Die Gespräche verliefen sehr positiv, für mich persönlich klang alles perfekt. Dann war mir klar, dass ich mal etwas anderes machen will. Aber das passiert nicht von heute auf morgen, das war ein längerer Prozess.

SPOX: Das bedeutet, der Gewinn der Meisterschaft hatte keinen Einfluss darauf, Mannheim zu verlassen?

Mauer: Nein, die Entscheidung ist schon vor dem Titelgewinn gereift und auch gefallen. Ich habe mir für mich als Sportler über Wochen und Monate hinweg Gedanken gemacht. Wie geht es weiter? Möchte ich in meinem Leben etwas verändern? Dann kam die Anfrage aus München und ich sagte zu. Besser als mit dem Titel hätte ich mich so und so nicht verabschieden können.

SPOX: War es für Sie keine Option, ähnlich wie Ihr Teamkamerad Matthias Plachta, den Sprung über den großen Teich zu wagen?

Mauer: Natürlich ist der Traum immer da. Ich glaube es steht nicht nur für mich außer Frage, dass man ein Angebot aus Nordamerika nicht ablehnen kann. Solche Chancen bekommt man nicht oft im Leben. Die NHL ist die Liga, in der alle Eishockey-Spieler gerne spielen oder es zumindest probiert haben möchten. Es ist bei mir jetzt nicht so, dass ich unbedingt rüber muss. Sollte sich die Chance aber ergeben, würde ich sie definitiv wahrnehmen. Je mehr deutschen Spielern der Sprung gelingt, umso besser für das deutsche Eishockey.

SPOX: Glauben sie folglich, dass es für einen deutschen Spieler sinnvoller ist nach Amerika zu gehen, auch wenn er ein Jahr lang nur in der AHL eingesetzt wird, als in der DEL zu bleiben?

Mauer: Ich denke schon. Das nordamerikanische Prinzip inklusive der AHL ist noch ein Stück weit härter als das deutsche. Es gibt eine höhere Dichte an Spielern, der Konkurrenzkampf ist riesig und die mentale Belastung enorm hoch. Manche Spieler wissen ja nicht mal, in welcher Stadt sie morgen sein werden. Spielen Sie in der NHL oder werden sie wieder runtergeschickt? Dazu die vielen Reisen und ein fremdes Land. Da gute Leistungen auf das Eis zu bringen, das prägt und lässt dich mental mehr reifen, als du es in Deutschland könntest.

SPOX: Im Hinblick auf die Entwicklung als Spieler wird von vielen deutschen Profis auch immer wieder moniert, dass in Deutschland im Gegensatz zu Kanada und Co. über den Sommer hinweg kaum Eisflächen zur Verfügung stehen und so ein großer Nachteil gegenüber diesen Nationen entsteht.

Mauer: Ich denke, im Sommer wird der Grundstein für so Vieles gelegt. Dabei geht es nicht nur um Kondition, sondern insbesondere um die individuellen Fähigkeiten. Nur wenn du auf dem Eis stehst und spielst, kannst du dein Skating, die Stocktechnik oder andere einfache Dinge verbessern. Mit der Red Bull Eishockey-Akademie in Liefering haben wir da einen großen Vorteil anderen Klubs gegenüber, denn wir können praktisch ganzjährig auf Eis trainieren. Ich würde mir wünschen, es gäbe mehrere solcher Eishockey-Akademien in Deutschland. Es ist ja kein Zufall, dass alle Topnationen Eis auch im Sommer anbieten. Auf diesem Gebiet haben wir hier in Deutschland definitiv Nachholbedarf.

SPOX: Der Mann, der das alles ändern und das deutsche Eishockey wieder auf Kurs bringen soll, ist Marco Sturm. Ist er wirklich der Mann, der das Ruder herumreißen könnte?

Mauer: Es ist überragend, dass der DEB jemanden wie Marco Sturm für den Bundestrainer-Posten gewinnen konnte. Er ist eine Gallionsfigur. Er hat selbst sehr viel erreicht, er steht für das deutsche Eishockey. Zwar ist er ein junger Trainer, aber er wird viel lernen. Wir müssen langfristig planen und brauchen dazu weitere Reformen. Es liegt natürlich auch an uns Spielern, dann das Beste daraus zu machen. Wir alle, auch Verband und Liga, müssen uns ständig weiterentwickeln.

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Seite 2: Mauer über die CHL, Kritik an Red Bull und die Traditionsfrage

SPOX: Die DEL sieht im internationalen Vergleich derzeit nicht schlecht aus. Zumindest wenn man auf die Ergebnisse der Champions Hockey League blickt. Wird der CHL von deutscher Seite trotzdem noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt?

Mauer: Die Champions Hockey League ist aus meiner Sicht ein toller Wettbewerb, der mehr und mehr auch als solcher wahrgenommen wird. Er wird von den deutschen Vereinen deutlich ernster angegangen, man bereitet sich intensiver darauf vor und es kommen mehr Fans in die Stadien. Und dieser Weg ist richtig. In allen anderen Sportarten hast du ständig internationale Vergleiche, nur beim Eishockey gab es das nicht.

SPOX: Ist die Champions Hockey League also mehr Chance als zusätzliche Belastung in der eh schon anstrengenden Vorbereitung?

Mauer: Ich sehe die Champions Hockey League überhaupt nicht als Belastung. Präsentieren sich die Vereine gut, dann verhilft das der DEL zu mehr Prestige und lockt so bessere Spieler nach Deutschland. Folglich steigt das Niveau in der Liga. Außerdem, warum soll es schlecht sein, sich mit den besten Vereinen Europas zu messen? Davon können die Mannschaften doch nur lernen.

SPOX: Für Sie und den EHC lief es in der CHL bislang glänzend, die K-o.-Runde wurde ungeschlagen erreicht. Wie schätzen Sie insgesamt die Lage in München vor dem Saisonstart ein?

Mauer: Es hat ein großer Umbruch stattgefunden und es sind viele neue Spieler hinzugekommen, ich inklusive. Aber wir haben uns bereits sehr gut gefunden, wie die Resultate belegen. Wir sind sehr optimistisch.

SPOX: Das ist nicht selbstverständlich. Der Verein stand nach dem krachenden Aus im letztjährigen Playoff-Viertelfinale gegen Wolfsburg (0:4) lange Zeit unter Schock.

Mauer: Es war bitter für den Verein auf diese Weise auszuscheiden, weil man eine gute Vorrunde gespielt hatte. Ich habe bei meiner Ankunft mitbekommen, dass es zum Teil noch Thema war. Aber das liegt daran, dass man generell die Leistungen aus der vergangenen Saison Revue passieren lässt und dann analysiert, wo man sich verbessern muss. Von Trübsal blasen ist keine Spur mehr, jeder will in die Hände spucken und es diesmal besser machen.

SPOX: Nach dem Aus gab es zum Teil viel Spott, vor allem wegen dem hohen finanziellen Einsatz von Red Bull. Wie sehen Sie die Kritik am Engagement von Red Bull in München?

Mauer: Man muss doch nur mal durch die Liga blicken und erkennen, wie viele große Konzerne hinter den einzelnen Vereinen stecken. Das ist doch nicht nur Red Bull in München. In Mannheim gibt es SAP, in Hamburg und Berlin die Anschutz-Group. Der Sport ist auf solche Firmen angewiesen, wer soll denn sonst investieren? In anderen Sportarten ist das nicht anders. Es ist gang und gäbe. Ich sehe gerade in München, was dank solcher Investitionen möglich ist. Für guten Nachwuchs muss viel investiert werden und Unternehmen wie Red Bull können das gewährleisten.

SPOX: Wird in dieser Hinsicht dann nicht zu wenig Aufklärung betrieben? Viele Fans bekommen das, was im Hintergrund aufgebaut wird, oft gar nicht mit.

Mauer: Gegenfrage: Weshalb berichten denn SPOX oder andere Medien nicht ausführlich über diese Projekte? Richtig ist, dass bei vielen Leuten ein zu starkes Schwarz-Weiß-Denken vorherrscht. Aber das kann ich ihnen auch nicht verübeln. Ich als Spieler bekomme das viel näher mit. Es wird wirklich viel in den Nachwuchs gesteckt. Mit diesem Hintergrund ist es nur positiv, dass finanzstarke Konzerne im Eishockey aktiv werden oder aktiv werden wollen. Und alle Medien sind herzlich eingeladen, auch darüber zu berichten.

SPOX: Etwas, was man mit Geld aber nicht kaufen kann, ist Tradition. Ein Argument, das in diesem Zusammenhang immer wieder angeführt wird.

Mauer: Wissen Sie, Bayern München war vor 100 Jahren auch noch kein Traditionsverein. Tradition muss über Jahre wachsen. Manche Vereine haben einfach Glück und werden von Anfang an stark unterstützt. Vereine, die schon einige Jahre länger existieren, haben dieses Glück vielleicht nicht und sie werden überholt. Dass dort ein Stück weit Neid aufkommt, ist voll und ganz nachvollziehbar. Aber Geld schießt auch nicht immer Tore.

SPOX: Wie Sie mit Mannheim auch schon einmal am eigenen Leibe erfahren mussten... SPOX

Mauer: Richtig. Wir hatten den teuersten Kader, waren Vorrundenmeister und der absolute Topfavorit. Dann sind wir gleich im Viertelfinale gegen die zehnplatzierten Wolfsburger ausgeschieden. Die DEL ist einfach eine sehr ausgeglichene Liga. Es gibt dort keine Selbstläufer mehr, die gab es vielleicht vor 20 Jahren, wenn der Erste gegen den Letzten gespielt hat. Das ist für die Fans super und für uns Spieler ebenfalls, so müssen wir in jedem Spiel an unsere Grenze gehen.

SPOX: Mannheim ist auch dieses Jahr wieder Titelanwärter Nummer eins. Wer zählt für Sie vor dem Start in die neue Saison noch zum Favoritenkreis?

Mauer: Im Grunde die üblichen Verdächtigen. Ingolstadt spielt seit zwei Jahren unglaublich konstant, Köln hat sich gut verstärkt, Nürnberg muss man meiner Meinung auf dem Zettel haben und auch Hamburg und natürlich haben auch wir eine gute Mannschaft. Topfavorit ist und bleibt aber Mannheim.

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