Einige frühere Formel-1-Strecken sind längst vergessen, weil sie unwirtschaftlich waren, abgerissen wurden oder heutzutage einfach nicht mehr zeitgemäß sind. Die Rückkehr der Königsklasse zum Mexiko-GP 2015 zeigt aber, dass es sich lohnen kann, die Hoffnung aufrechtzuerhalten. SPOX stellt fünf Strecken vor, die für immer einen Platz in der F1-Geschichte sicher haben.
AVUS (Berlin/Deutschland)
Der Große Preis von Deutschland ist unweigerlich mit zwei Strecken verbunden: dem Hockenheimring und dem Nürburgring. Doch einmal, im Jahr 1959, ging es für ein offizielles Rennen nach Berlin. Der Grund war pure Politik: In der geteilten Stadt sollte ein Zeichen gesetzt werden, sogar DDR-Mark wurden als Zahlungsmittel akzeptiert.
Das kuriose Format, bei dem zwei Rennen zu je 30 Runden auf der acht Kilometer langen Strecke stattfanden, entwickelte sich zu einer Ferrari-Galavorstellung. Zahnarzt Tony Brooks siegte nach 498 Kilometern, nachdem er durch einen Streik in Maranello beim vorangegangen Rennen in Silverstone noch auf Vanwall unterwegs war.
Dahinter komplettierten die US-Amerikaner Dan Gurney und Phil Hill das Podium des zu dieser Zeit mit durchschnittlich über 230 Stundenkilometer schnellsten Rennens der Formel 1.
Geburt von "Hans im Glück"
Die Teilung in zwei Läufe war übrigens eine Notlösung: Auf der aus zwei fast vier Kilometer langen Geraden der heutigen A115, der Haarnadelkurve im Süden und der aus Backsteinen gemauerten, neun Meter hohen Steilkurve im Norden bestehenden Automobil-, Verkehrs- und Übungsstraße hatten die Piloten extreme Sicherheitsbedenken. Sie befürchteten dauerhafte Reifenplatzer.
Die Befürchtungen waren berechtigt. Nur sechs Fahrer hielten beide Läufe durch, beim früheren Mercedes-Benz-Junior Hans Herrmann, 1970 beim ersten Porsche-Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans im Auto, versagten vor der Südkehre die Bremsen seines BRM komplett.
Das Auto überschlug sich, der Stuttgarter wurde herausgeschleudert, stand direkt wieder auf und ging unverletzt weg. Der legendäre Spitzname "Hans im Glück" war geboren.
Trauer um Jean Behra
Einen Tag zuvor ging es weniger glimpflich aus: Im strömenden Regen verlor Jean Behra in der Nordkurve die Kontrolle über seinen Porsche und schoss über den oberen Rand hinweg. Er wollte am Tag danach erstmals in seinem eigenen Auto bei einem Grand Prix starten, kam aber nicht dazu.
Beim Unfall wurde auch er aus dem Wagen geschleudert, traf einen von acht Flaggenmasten und starb. Die Crashs häuften sich, der GP-Sport zog sich zurück, 1967 wurde die Kurve abgetragen. Als auch die DTM Berlin 1998 verließ, war die Rennstrecke endgültig tot.
Seite 1: AVUS (Berlin/Deutschland)
Seite 2: Circuit de Charade (Clermont-Ferrand/Frankreich)
Seite 3: Kyalami Grand Prix Circuit (Midrand/Südafrika)
Seite 4: Montjuic Circuit (Barcelona/Spanien)
Seite 5: Complexe Europeen de Nivelles-Baulers (Nivelles/Belgien)
Circuit de Charade (Clermont-Ferrand/Frankreich)
Wer den Kurs in der Nähe von Clermont-Ferrand einmal befahren hat, weiß genau, was Serpentinen sind. Links-Rechts-Links-Rechts-Kombinationen abgelöst von Highspeed-Geschlängel, bergauf und bergab im ständigen Wechsel, dazu ein paar Geraden über Bergkuppen - der Circuit de Charade war eine acht Kilometer lange Achterbahn auf den Hängen eines erloschenen Vulkans.
Obwohl der Kurs auf engen Landstraßen der Auvergne für die Fahrer ähnlich anspruchsvoll war wie Spa-Francorchamps oder die Nordschleife, gab es einige Piloten, die eine sehr spezielle Beziehung zu ihm hatten. 1969 fuhr Jochen Rindt im Gegensatz zu anderen Kursen lieber einen offenen Helm, falls das Mittagessen sich seinen Weg bahnen wollte.
Strecke ohne Leitplanken
Viermal gastierte die Formel-1-WM in Clermont-Ferrand. 1965 gewann Jim Clark die Premiere, 1969 und 1972 siegte Jackie Stewart, 1970 konnte Rindt seinen Mageninhalt bei sich behalten und feierte seinen einzigen GP-Sieg in Frankreich, bevor er in Monza in seinem Lotus 72 tödlich verunglückte und zum ersten und einzigen postum gekrönten Weltmeister wurde.
Rindts Erfolg markierte das Ende einer Ära: Der Frankreich-GP 1970 war das letzte Formel-1-Rennen auf einer Strecke ohne Leitplanken. Das Hauptärgernis der Piloten war allerdings nicht diese Gefahr, es waren Steine, die beim Schneiden der Kurven aufgewirbelt wurden.
Karriereende von Marko
Einer flog 1972 in der achten Runde vom Reifen Emerson Fittipaldis durch die Luft, durchschlug das Visier des Helms von Helmut Marko und beendete die Karriere des talentierten Österreichers, der 1973 zu Ferrari wechseln sollte.
Während der Grazer Jurist später als Red-Bull-Berater auf die Formel-1-Bühne zurückkehrte, war für den Circuit de Charade Schluss. Der Tross der Königsklasse wechselte auf den Circuit Paul Ricard in Le Castellet und dem Automobil-Stadion von Dijon, deren Streckenverläufe und Kurvenbefestigungen sicherer waren.
Bis heute ist eine auf 3,86 Kilometer verkürzte Streckenvariante in Betrieb, die aber nur noch die Zielkurven mit dem Original gemein hat.
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Kyalami Grand Prix Circuit (Midrand/Südafrika)
Das Rennen in Südafrika war der Bahrain-GP der Sechziger und Siebziger des vergangenen Jahrhunderts. Trotz Apartheit sollte das Ansehen der früheren Kolonie international aufpoliert werden. Was gibt es da besseres als einen Formel-1-Grand-Prix? Oder besser noch den Saisonauftakt?
Nach drei Rennen auf der veralteten Strecke von East London direkt am Indischen Ozean, bei denen Graham Hill und zweimal Jim Clark triumphierten, kam der Tross in die Nähe von Johannesburg, wo eine moderne Strecke aus dem Boden gestampft worden war.
Modern heißt in diesem Falle vor allem eines: gefährlich. Die Strecke bestand fast ausschließlich aus schnellen Kurven, künstliche Auslaufzonen waren noch nicht erfunden. Stattdessen gab es Mauern. Trotzdem war die Strecke bei den Fahrern extrem beliebt.
Eine Strecke für Überraschungen
Vielleicht, weil sie Überraschungen ermöglichte. Bei der Premiere 1967 startete John Love aus Rhodesien, dem heutigen Simbabwe. Der Privatier war mit seinem Cooper-Climax aber nicht nur aus Liebe zum Motorsport angereist, er fuhr dauerhaft in der Spitzengruppe und übernahm die Führung, nachdem Denis Hulme Probleme mit seinen Bremsen bekam.
Doch sieben Runden vor Schluss musste der Afrikaner plötzlich an die Box. Sein Tank war leer. Der Mexikaner Pedro Rodriguez, der später im Sportwagen auf dem Norisring tödlich verunglückte, feierte daraufhin seinen ersten von zwei Siegen in der Königsklasse, Love wurde immerhin noch Zweiter von lediglich sechs klassifizierten Fahrern.
Fatalster Crash der F1-Historie
Doch auch in Südafrika lief bei weitem nicht alles glatt. 1977 kam es zum wohl fatalsten Crash der Formel-1-Geschichte: Während Niki Lauda das Rennen vom dritten Startplatz anführte und letztlich auch gewann, stellte Renzo Zorzi seinen Shadow-Ford auf der Start-Ziel-Geraden ab.
Zwei Streckenposten wollten das aufgrund der defekten Benzinpumpe entstandene Feuer löschen und rannten über die Fahrbahn. Während Hans-Joachim Stuck, der den verletzten March-Werksfahrer Ian Scheckter erstmals ersetzte, noch knapp ausweichen konnte, erwischte Tom Pryce im zweiten Shadow einen der beiden Helfer.
Der Marshall wurde in die Luft geschleudert und starb, sein Feuerlöscher zerstörte den Schutzhelm des 27-jährigen Walisers, der sofort tot war.
Sein Wagen schoss weiter über die Zielgerade und traf vor der ersten Kurve den Ligier von Jacques Lafitte, der glücklicherweise unverletzt davonkam. Die Show ging trotzdem weiter. Das Rennen wurde nicht abgebrochen, die Strecke nicht verändert.
Kollision zwischen Schumi und Senna
Erst 1985 wurde der Kurs wegen politischer Sanktionen gegen das südafrikanische Regime aus dem Kalender genommen. Doch 1992 war das Regime abgelöst, wieder sollte der Große Preis positive Aufmerksamkeit bringen, die Strecke hatte aber nichts mehr mit dem Original zu tun.
Gerade mal fünf Kurven hatte der neue Kurs mit dem ursprünglichen Klassiker gemein, statt Highspeed-Passagen mussten die Piloten eine verwinkelte, dafür aber sicherere Strecke beherrschen.
1993 folgte schon das letzte Rennen, weil der Promoter pleiteging. Alain Prost gewann bei seinem Comeback für Williams vor Ayrton Senna, der mit Michael Schumacher kollidiert war. Schumi forderte anschließend dessen Disqualifikation - der Beginn einer weniger innigen Beziehung.
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Montjuic Circuit (Barcelona/Spanien)
Auf dem Hausberg der katalanischen Hauptstadt steht seit 1929 das Olympiastadion. Eigentlich ist der Montjuic aber das Motorsportmekka der iberischen Halbinsel: Seit 1932 wurden dort Autorennen ausgetragen. Im darauffolgenden Jahr erstmals auf dem späteren Grand-Prix-Kurs. 1969 schließlich kam die Formel 1 - mit einem Paukenschlag.
Colin Chapman hatte es bei Lotus mit den im Vorjahr erstmals aufgetauchten Heckflügeln übertrieben. Die Konstruktion an den beiden Autos von Jochen Rindt und Graham Hill brach im Rennen unter der Last des Drucks in den schnellen Kurven Pueblo Espanol und Sant Jordi, beide flogen bei hohem Tempo in die Streckenbegrenzung und verletzten sich.
"Diese Flügel sind ein Wahnsinn und sollten auf Rennautos überhaupt nicht erlaubt sein", sagte der in Mainz geborene Österreicher später: "In Chapmans Schädel irgendeine Weisheit reinzukriegen, ist unmöglich."
Revolution bei den Reifen
Dass seine Forderung sich nicht durchsetzte, ist bekannt. Doch die Rennen auf dem 3,790 Kilometer langen Kurs um den heutigen Olympischen Park brachten weitere, für die Formel 1 einschneidende Neuerungen. 1971 setzte Firestone erstmals profillose Reifen ein, zwar gewann Jackie Stewart das erste Rennen für Tyrrell mit Goodyear, auf die Vorteile der Slicks wollte anschließend aber niemand mehr verzichten.
Nur vier Jahre später folgte das letzte Rennen in Barcelona, bis die Formel 1 1991 vor die Tore der Stadt auf den Circuit de Catalunya zurückkehrte. Der Grund war ein Skandalrennen, weil die von Diktator Franco beeinflussten Veranstalter die Sicherheitsbedenken der Fahrer ignorierten und die Leitplanken nicht erhöhen wollten.
Die Franquisten drohten, die Autos zu beschlagnahmen, die Funktionäre des Automobilverbands FIA erklärten die Strecke für sicher - letztlich starteten alle Fahrer bis auf den amtierenden Weltmeister Emerson Fittipaldi.
Der Brasilianer sollte Recht behalten. Jody Scheckter verteilte nach einem Motorschaden Öl auf der Strecke, drei Fahrer, darunter der führende James Hunt, drehten sich. Plötzlich führte der Kölner Rolf Stommelen im Hill-Ford.
Erster und einziger Sieg von Mass
In der 26. Runde folgte das befürchtete Unglück: Bei Stommelen brach der Heckflügel, das Auto knallte unkontrollierbar in die Leitplanke, richtete sich auf und flog über den Metallschutz in den Zuschauerbereich.
Der Kölner kam mit schweren Verletzungen davon, vier Zuschauern und einem Streckenposten konnte nicht mehr geholfen werden, zehn weitere wurden verletzt.
Vier Runden später wurde das Rennen abgebrochen. Das Unglück bescherte Jochen Mass den ersten und einzigen Sieg seiner Karriere.
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Nivelles-Baulers (Nivelles/Belgien)
Die Rennstrecke bei Brüssel dürfte selbst eingefleischtesten Motorsportfans Fragezeichen auf die Stirn rufen. Nivelles-Baulers war eine echte Retortenstrecke, auf der die Formel 1 nur 1972 und 1974 gastierte, als die Legende Spa-Franchorchamps von über 14 auf unter 7 Kilometer verkürzt wurde.
Statt abgesperrter Landstraßen, Bauernhäusern, grasenden Kühen am Streckenrand und Heuballen vor Strommasten gab es hier eines: Sicherheit. Oder was man damals dafür hielt.
Der Niederländer Hans Hugenholtz hatte den 3,724 Kilometer Rundkurs entworfen, ihn flach gehalten, mit Auslaufzonen versehen und ihm ein Durchschnittslayout mit einer extrem langen Geraden, schnellen Kurvenwechseln und einigen langsamen Knicken verpasst. Man könnte den Niederländer als Vorgänger von Hermann Tilke bezeichnen, der heute sämtliche Formel-1-Strecken konstruiert.
Kritik an der Strecke
Hugenholtz war ebenso umtriebig. Auf seine Kappe gehen auch die Rennstrecken in Suzuka, dem flämischen Zolder, dem spanischen Jarama sowie das Motodrom des Hockenheimrings. Letzteres wurde übrigens gebaut, als die A6 entstand und die alte Zielkurve am Stadtrand südlich von Mannheim von den Waldgeraden trennte.
Doch zurück ins wallonische Nivelles. Die Fahrer und Zuschauer lehnten von Beginn an die Strecke ab. Sie war zwar die sicherste im ganzen Rennkalender, dem Vergleich mit dem Vorgänger in den Ardennen hielt sie aber aus ihrer Sicht nicht stand.
Der Kurs wurde fallengelassen, nachdem Emerson Fittipaldi zweimal triumphiert hatte. Niki Lauda hätte dem Brasilianer 1974 fast den Sieg abgenommen, als dieser statt nach der Ziel- schon nach der Vorstartlinie den Fuß vom Gas nahm.
System von Fangzäunen
Mit der Rennstrecke ging es anschließend bergab. 1981 wurde die Lizenz nicht verlängert, in den Neunzigern wurden die letzten verfallenen Überreste vernichtet. Allerdings lässt sich noch heute aus dem Weltall der genaue Streckenverlauf nachvollziehen. Das heutige Industriegebiet nutzt die alte Streckenführung für ihre Straßen.
Bis heute wirken die Rennstrecken von Hugenholtz jedoch weiter: Die Sicherheitsmauern der US-amerikanischen Ovalrennen beruhen im Grunde auf einem System von Fangzäunen, das der Niederländer anwandte, um die verunfallten F1-Autos abzubremsen.
Als er 1995 ausgerechnet an den Folgen eines Autounfalls starb, waren seine Bemühungen in der Formel 1 durch den Tod von Ayrton Senna aktueller denn je. Tödliche Unfälle waren endlich keine Selbstverständlichkeit mehr.
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